Linz, 25.07.2012
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Dipl.-Ing. Dr. X, geb. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 22. Mai 2010, Zl. VerkR96-7071/2012, nach der am 25. Juli 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen; das angefochtene Straferkenntnis wird im Schuldspruch und Strafausspruch bestätigt.
II. Zuzüglich zu erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 40 Euro auferlegt.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – VStG.
Zu II.: § 64 Abs.1 u.2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruckhat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen einer Übertretung nach § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3b StVO 1960 eine Geldstrafe von 200 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 96 Stunden verhängt. Es wurde wider ihn folgender Tatvorwurf erhoben:
"Sie sind mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt.
Tatort: Gemeinde Vöcklabruck, Gemeindestraße Ortsgebiet, Gebührenpflichtiger Parkplatz neben dem Haus X;
Tatzeit: 24.02.2012, 11:12 Uhr.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 4 Abs.5 StVO
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus (die wörtlichen Zitierungen der Behörde erster Instanz werden der Übersichtlichkeit wegen in Kursivschrift dargestellt):
2. Dagegen wendet sich den Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war angesichts des gesonderten Antrages aber auch im Sinne der inhaltlichen Prüfung des Schuldvorwurfes in Wahrung der durch Art.6 Abs.1 EMRK intendierten Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Erörterung des Inhaltes des Verwaltungsstrafaktes der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Als Zeuge wurde der Meldungsleger Insp. X einvernommen. Beigezogen wurde der Amtssachverständige Dipl.-Ing. (FH) X, welcher sich abermals fachlich zum Sachverhalt gutachterlich äusserte. An der Berufungsverhandlung nahm auch eine Vertreterin der Behörde erster Instanz teil. Der Berufungswerber erschien trotz ausgewiesener Ladung nicht, wobei er irrtümlich vom Verhandlungstermin um 10:00 Uhr ausging, wobei er über die bereits verkündete Entscheidung noch informiert werden konnte.
4.1. Zusammenfassend kann in Vermeidung von Wiederholungen auf die Beweislage des erstinstanzlichen Verfahrens verwiesen werden. Demnach besteht kein Zweifel an der Verursachung des Parkschadens (Streifkontakt) durch den Berufungswerber im Zuge des Einparkmanövers. Der Sachverständige legte überzeugend und nachvollziehbar dar, dass diese doch recht massiven Kontaktspuren auf eine Geräuschentwicklung von 6 db/A über dem Umgebungslärmpegel gelegen sein müssten, wobei bereits ein "Differenzgeräusch" von 3 db/A von einem Lenker mit normalem Gehörvermögen akustisch wahrgenommen werden kann bzw. muss. Sollte der Berufungswerber das Kontaktgeräusch subjektiv nun tatsächlich nicht wahrgenommen haben, was er zumindest glaubhaft darlegt, hätte er auf Grund des sichtlich knappen Heranfahrens an das beschädigte Fahrzeug zumindest die Möglichkeit einer Schadensverursachung in Erwägung ziehen und entsprechend Nachschau halten müssen. Dies hat er jedoch unterlassen, sodass ihm letztlich die unterbliebene Meldung des Sachschadens an die nur unweit entfernte nächste Polizeidienststelle als schuldhafte (fahrlässige) Unterlassung vorzuwerfen ist.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Als Verkehrsunfall gilt jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (VwGH 20.4.2001, 99/02/0176 u.a.).
Die Anhalte- und Meldepflicht setzt einerseits einen Vorfall (Verkehrsunfall) und andererseits ein Wissen (müssen) eines solchen voraus. Dabei ist aber nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich, sondern es genügt – da der Anwendungsbereich des § 4 StVO in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist (§ 5 VStG) – wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (siehe Pürstl - Somereder, Kommentar zur StVO, 11. Auflage, S 69 Rn 34, sowie – unter vielen – VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, VwGH 13.2.1991, 90/03/0114 mit Hinweis auf VwGH 9.9.1981, 81/03/0125 u. VwGH 31.1.1986, 85/18/0367, VwGH 14.09.1983, 82/03/0144).
Da zum Zeitpunkt des Eintreffens der Polizei beim Berufungswerber das Unfallgeschehen zumindest 50 Minuten zurücklag kann von einem "unnötigen Aufschub" wohl nicht mehr die Rede sein.
Die Frage, ob die Erstattung der Meldung nötiger- oder unnötigerweise aufgeschoben worden sei, ist nach der Lage des Einzelfalles zu beurteilen. Der Sinn und Zweck des § 4 Abs.5 StVO besteht darin, eine zumindest vorläufige Bereinigung von Unfällen, die nur Sachschaden zur Folge haben - möglichst ohne Behinderung des Verkehrs und Inspruchnahme von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie unnötigen Zeitverlust -, zu ermöglichen, dem am Unfall Beteiligten also die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufschub und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird. Bei einer verstrichenen Zeitspanne von 15 Minuten hegt der Verwaltungsgerichtshof noch erhebliche Zweifel ob bereits von einem tatbestandsmäßigen Fehlverhalten gesprochen werden könne (VwSlg 13277 A/1990). Hier verstrichen jedoch immerhin etwa 50 Minuten ehe der Berufungswerber zur Unfallaufnahme der bereits von Dritten verständigten Polizei, bis der in der Nähe in einem Lokal verweilgende Berufungswerber letztlich mehr zufällig zur Unfallaufnahme stieß. Dies macht andererseits wohl glaubhaft, dass er subjektiv vom Unfallgeschehen tatsächlich nichts mitbekommen haben dürfte, entschuldigt jedoch nicht, dass er dies nicht sofort bemerkte und ohne unnötigen Aufschub meldete.
Dieser hätte laut Gutachter von einem Fahrzeuglenker in seiner Situation bemerkt werden müssen.
Bei Beurteilung des Tatbestandselementes "ohne unnötigen Aufschub" kommt es auch nicht so sehr die objektive Dauer des zwischen Unfall und Meldung verstrichenen Zeitraumes im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Frage, wie diese Zeit genützt wurde (VwGH 24.2.1993, 92/02/0292).
5.1. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe, stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
5.2. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).
Da beim Berufungswerber von einem Monatseinkommen in der Höhe von deutlich über 3.000 Euro ausgegangen werden kann, kann trotz der als gering einzuschätzenden Tatschuld (bloß in Unachtsamkeit gelegenen Nichtbemerken des Streifschadens) am hier ausgesprochenen Strafausmaß ein Ermessenfehler jedenfalls nicht erblickt werden.
Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwätlin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r