Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101260/2/Bi/Shn

Linz, 11.05.1993

VwSen - 101260/2/Bi/Shn Linz, am 11. Mai 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Dipl.-Ing. H F, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H K, vom 3. März 1993 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. Februar 1993, St.4038/92/Hu, zu Recht:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt, wobei als gesetzliche Grundlage die Fassung BGBl Nr. 458/1990 der dritten KFG-Novelle herangezogen wird. Die Worte "nach kraftfahrgesetzlicher Anordnung" entfallen daher im Spruch.

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten 1. Instanz als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren 60 S (20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG, Art.III Abs.1 iVm Art.III Abs.5 lit.a der dritten KFG-Novelle idF BGBl Nr.458/1990. zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bundespolzeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 12. Februar 1993, St.4038/92-HU, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß Art.III Abs.1 iVm Art.III Abs.5 lit.a der dritten KFG-Novelle idF BGBl. Nr.253/1984 eine Geldstrafe von 300 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er am 19. März 1992 um 14.50 Uhr in L, nächst Nr. als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen , dessen Sitzplatz nach kraftfahrgesetzlicher Anordnung mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet ist, die Verpflichtung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes nicht erfüllt hat, wie bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 festgestellt wurde. Gleichzeitig wurde ihm ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren von 30 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG). Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erwies sich als nicht notwendig, weil der Rechtsmittelwerber ausdrücklich eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet und eine Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt hat (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er weigere sich nicht grundsätzlich, Gurte anzulegen und ihm sei auch klar, daß eine Schadensminderung durch das Anlegen des Gurtes bei Verkehrsunfällen gegeben sein kann - dies solle in zivilrechtlicher Hinsicht auch berücksichtigt werden - , er wende sich ausschließlich gegen Sanktionen und Strafen wegen Nichtanlegen des Gurtes, da es ihm freigestellt sein müsse, den Gurt anzulegen oder nicht. Bei Anlegen des Gurtes nehme er das Risiko auf sich, einen Körperschaden oder den Tod zu erleiden, insbesondere wenn der Gurt im Notfall nicht rechtzeitig geöffnet werden könne, wobei das Risiko, durch den Gurt Schaden zu erleiden, statistisch gesehen geringer sein möge als das Schadensrisiko bei Nichtanlegen des Gurtes, jedoch könne ein Schaden durch einen Gurt auch bei einem an sich leichten Verkehrsunfall eintreten, wenn der Gurt nicht rechtzeitig geöffnet werden könne. Sicherheitsgurte wiesen unterschiedliche Verschlußsysteme auf, die nicht sogleich geöffnet werden könnten, insbesondere von Passanten, die zu Hilfe eilen. Die auf dem Markt erhältlichen Sicherheitsgurtverschlüsse seien mangelhaft zu erreichen und stellten ein nicht zu vernachläßigendes Risiko dar. Es dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß sich seit Einführung der Gurtenanlegepflicht die technischen Voraussetzungen für leicht und einwandfrei zu öffnenden Sicherheitsgurte geändert bzw. verbessert haben, wobei er auf die im Rennsport und in Flugzeugen verwendeten Gurtensysteme hinweise, die aber am Automarkt nicht erhältlich sind. Das Gesetz sei dem technischen Fortschritt entsprechend aber nicht geändert worden.

Die Abwägung des Gesetzgebers zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Interesse des einzelnen Normadressaten, könne zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr nachvollzogen werden, weil die am Markt erhältlichen Sicherheitsgurte für den Gurtenanleger nicht jene Sicherheit bieten, die technisch möglich wäre. Eine Abwägung zwischen dem öffentlichen (vermögensrechtlichen) Interesse und dem privaten Interesse des Normadressaten, bei dem es um Verletzung und Todesfolge gehe, falle eindeutig zugunsten des einzelnen Normadressaten aus.

Er selbst nehme für seine Gesundheit und für sein Leben eine Risikoabwägung vor, wobei er sich natürlich bewußt sei, daß die Teilnahme am heutigen Straßenverkehr mit oder ohne Gurte eine hohe Gefahrenquelle für Leben und Gesundheit darstelle. Die Tatsache, daß das Gesetz seine eigene Risikoabwägung massiv mit einer Strafsanktion zu beeinflussen versuche, sei aber eine Verfassungs- bzw. Grundrechtsverletzung, die dem Grundrecht der persönlichen Freiheit, dem Grundrecht auf Leben und dem Gleichheitssatz widerspreche. Wenn er in den derzeit erhältlichen Gurten eine Gefahr sehe und die Gefahr auf sich nehme, daß er im Einzelfall den Tod oder eine Körperverletzung erleide, wolle er nicht bestraft werden.

Der Rechtsmittelwerber macht weiters geltend, die Erstinstanz habe aus dem von ihr festgestellten objektiven Tatbestand ohne weitere Prüfung auf den subjektiven Tatbestand, nämlich das Verschulden, geschlossen, ohne sich mit seinen Argumenten und mit seinem Verschulden überhaupt auseinanderzusetzen, wobei er die Auffassung vertrete, das Anlegen des Sicherheitsgurtes sei ihm aus den vorangeführten Gründen unzumutbar, weshalb es an einem Verschulden seinerseits fehle. Er beantrage daher, das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren gegen ihn einzustellen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Demnach stellt sich der Vorfall so dar, daß der Rechtsmittelwerber als Lenker eines Kraftfahrzeuges, dessen Lenkerplatz mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet war, am 19. März 1992 um 14.50 Uhr nächst dem Haus F Nr. zu einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle angehalten wurde, wobei der Meldungsleger Inspektor L feststellte, daß dieser keinen Sicherheitsgurt angelegt hatte. Der Lenker rechtfertigte sich damit, man könne ja täglich in der Zeitung lesen, daß Menschen verünglückten, die einen Gurt verwendet hatten, und deshalb würde er sich sowieso nie angurten. Die Bezahlung eines Organmandates hat der Rechtsmittelwerber ebenso verweigert wie die Entgegennahme eines bargeldlosen Organmandates, sodaß er vom Meldungsleger über die Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt wurde.

Der Rechtsmittelwerber bestreitet keineswegs, daß sich der Vorfall wie in der Anzeige geschildert zugetragen hat.

4.1. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Zum Zeitpunkt des Vorfalls war die dritte Kraftfahrgesetz-Novelle in der Fassung BGBl. Nr. 458/1990 bereits in Kraft und auf den gegenständlichen Fall anzuwenden, sodaß die Spruchkorrektur gemäß den Bestimmungen des § 44a VStG zur Angleichung an die geltende Rechtslage erfolgte.

Gemäß Abs.1 des Art.III leg.cit sind, wenn ein Sitzplatz eines Kraftfahrzeuges mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet ist, Lenker und beförderte Personen, die einen solchen Sitzplatz benützen, zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurts verpflichtet. Ausnahmen von dieser Verpflichtung enthält Abs.2 dieser Bestimmung, wobei gemäß Abs.4 die Behörde auf Antrag das Bestehen einer im Abs.2 Z3 angeführten schwersten körperlichen Beeinträchtigung festzustellen und darüber eine Bestätigung auszustellen hat. Gemäß Abs.5 lit.a begeht, wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges die im Abs.1 erster Satz angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, die mit Organstrafverfügung mit einer Geldstrafe von 100 S zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages oder die Entgegennahme eines zur postalischen Einzahlung des Strafbetrages geeigneten Beleges verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 300 S, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen.

Der Rechtsmittelwerber hat ohne Zweifel ein Kraftfahrzeug gelenkt, dessen Lenkersitzplatz mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet war, ohne diesen Sicherheitsgurt bestimmungsgemäß gebraucht d.h. angelegt zu haben. Dies wurde bei einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 vom Meldungsleger festgestellt. Da die im Abs.2 genannten Ausnahmen nicht zutreffen (der Rechtsmittelwerber fuhr auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, eine ganz geringe Gefahr oder besondere Verkehrslage wurde nicht behauptet und ergibt sich auch aus dem Akteninhalt nicht, er lenkte kein Einsatzfahrzeug und kein Taxi und für ihn wurde auch keine Bestätigung im Sinne des Abs.2 Z3 leg.cit. über die Unmöglichkeit des bestimmungsgemäßen Gebrauchs wegen der Körpergröße oder schwerster körperlicher Beeinträchtigung ausgestellt), ist davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand in objektiver Hinsicht erfüllt hat.

Hinsichtlich des Verschuldens ist zunächst auf die Bestimmung des § 5 Abs.1 VStG zu verweisen, wonach zur Strafbarkeit, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Der Rechtsmittelwerber hat geltend gemacht, das Anlegen des Sicherheitsgurtes sei für ihn aus den angeführten Gründen unzumutbar, weshalb es an einem Verschulden fehle. Er hat weder eingewendet, daß er weder vergessen hat, den Gurt anzulegen, noch daß er unverschuldet die gesetzlichen Bestimmungen nicht kannte, noch daß er sich konkret in einer Notstandssituation im Sinne des § 6 VStG befand. Er hat den Gurt aus Überzeugung nicht angelegt, weil er die gesetzlichen Bestimmungen, gegen die er verstoßen hat, für nicht mehr zeitgemäß und vor allem für sachlich nicht gerechtfertigt hielt. Er hat daher mit der Entscheidung sich nicht anzugurten, gewußt, daß er damit einen Sachverhalt verwirklicht, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht und dies nicht nur für bloß möglich sondern offensichtlich auch für gewiß gehalten. Er hat damit vorsätzlich gehandelt und hat sohin sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

4.2. Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Strafe durch die Behörde lagen insofern vor, als der Rechtsmittelwerber es abgelehnt hat, die Organmandatstrafe zu bezahlen bzw. einen Zahlschein dafür entgegen zu nehmen.

Die Strafbemessung erfolgte gemäß den Kriterien des § 19 VStG, wobei der Strafrahmen des Art.III Abs.5 der dritten KFG-Novelle bis 300 S (24 Stunden Ersatzfreiheitstrafe) reicht. Der Rechtsmittelwerber weist eine einschlägige Vormerkung aus dem Jahr 1988 auf, die noch nicht getilgt ist und daher als erschwerend zu werten war, mildernd war nichts. Diese Umstände wurden bereits von der Erstinstanz berücksichtigt, wobei der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung vertritt, daß die Bezahlung des an sich geringfügigen Strafbetrages die Lebensführung des Rechtsmittelwerbers bzw. eventuelle Unterhaltsverpflichtungen nicht beeinträchtigt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über die Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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