Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401224/4/BP/WU

Linz, 16.10.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, StA von Marokko, derzeit aufhältig im X, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 11. Oktober 2012 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 11. Oktober 2012, GZ.: Sich40-3362-2012, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 2a Z. 6 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 Abs. 1 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG sowie zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet und im X vollzogen.

 

Die belangte Behörde führt zunächst zum Sachverhalt wie folgt aus:

 

"Sie wurden am 10.10.2012, um 19:10 Uhr, von Beamten der PI X beim Verlassen des Reisezuges "REX 1572" am Hauptbahnhof in X einer Personenkontrolle unterzogen. Im Rahmen dieser Kontrolle waren Sie nicht im Stande den Besitz eines Nationalreisedokumentes oder eines anderweitigen Identitätsdokumentes nachzuweisen. Ebenso waren Sie auch nicht im Stande den Besitz eines Einreise- oder Aufenthaltstitels für Österreich oder einen anderen Schengenstaat nachzuweisen. Sie konnten lediglich eine Bahnfahrkarte, gültig von Udine bis nach Villach, in Vorlage bringen. Unmittelbar nach Ihrer Anhaltung wurden Sie noch an Ort und Stelle von den einschreitenden Polizeibeamten nach den Bestimmungen des FPG. vorläufig festgenommen. Im Rahmen Ihrer weiteren fremdenpolizeilichen Behandlung –Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde der LPD Kärnten, Polizeikommissariat X- äußerten Sie am 11.10.2012, um 09:15 Uhr, unter den von Ihnen genannten Personalien: "X, geb. X in Kouribga, StA. v. Marokko" einen Antrag auf Gewährung von internationalen Schutz (Asyl) in Österreich.

 

Seitens der bescheiderlassenden Behörde wird an dieser Stelle festgehalten, dass mit dem Zeitpunkt Ihrer Äußerung des Asylbegehrens die Rechtsgrundlage der weiteren Anhaltung vom FPG. 2005 auf das AsylG. 2005 übergegangen ist.

 

Im Zuge der geführten weiteren Erhebungen wurde mittels Abgleich Ihrer Fingerabdrücke in Erfahrung gebracht, dass – ehe Sie illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sind – bereits folgende erkennungsdienstliche Behandlung im Gebiet der Europäischen Union bzw. im Schengenraum zu Ihrer Person vorliegt:

 

= = = >  03.01.2012 :  Asylantragstellung in Altstätten (SCHWEIZ)

 

Weiters konnte in Erfahrung gebracht werden, dass gegen Sie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot im Gebiet der Schengener Staaten, erlassen sowohl von ITALIEN als auch von der SCHWEIZ vorliegt.

 

Am 11.10.2012 wurden Sie daraufhin von Beamten der LPD Kärnten, unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch, zu Ihrem Asylantrag niederschriftlich erstbefragt. In diesem Zusammenhang wurden folgende Angaben von Ihnen zu Protokoll genommen:

Im Anschluss wurden Sie am 11.10.2012 der Erstaufnahmestelle X überstellt. Unmittelbar mit Ihrer Ankunft in der EAST-X am 11.10.2012, um 17:15 Uhr, wurde die Festnahme n. d. AsylG. aufgehoben und es wurde Ihnen ein aus öffentlichen Mitteln im Rahmen der Grundversorgung des Bundes finanziertes Quartier in der Erstaufnahmestelle X zugewiesen. Gleich gehend mit Ihrer Einquartierung wurden Ihnen von Seiten der PI X ein Merkblatt über die Pflichten (darunter insbesondere auch die besondere Mitwirkungsverpflichtung –ständige Anwesenheitsverpflichtung in der Erstaufnahmestelle- im Anfangsstadium des Asylzulassungsverfahrens) und Rechte von Asylwerber in Ihrer Muttersprache Arabisch ausgefolgt.

 

Am 11.10.2012, um 18:30 Uhr, wurden Sie von Beamten der PI X außerhalb der Erstaufnahmestelle X, und zwar in X, Höhe Zufahrt EAST-X, zu Fuß in Richtung Ortschaft X, einer Personenkontrolle unterzogen.

 

Nach Feststellung Ihrer Personalien und der –nachdem Sie nicht im Stande waren einen der in § 12 Abs. 2 Ziffer 1 bis 3 genannten Ausnahmegründe für Ihr Verlassen der Erstaufnahmestelle ins Treffen zu bringen- damit einhergehenden Feststellung einer ungerechtfertigten Entfernung aus der Erstaufnahmestelle X wurden Sie am 11.10.2012, um 18:40 Uhr, von Beamten der Polizeiinspektion X an Ort und Stelle Ihrer Anhaltung, im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, zur Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde und zur Erlassung der Schubhaft nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 festgenommen.

 

Seitens der BH Vöcklabruck wird festgehalten, dass Sie sich gegenwärtig – nachdem Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sind – unberechtigt im Bundesgebiet aufhalten. Zudem können Sie auch nicht den Besitz eines Nationalreisedokumentes oder den Besitz eines anderweitigen Dokumentes, welches einen Rückschluss auf Ihre Identität zulassen würde, nachweisen. Ihre Identität ist demzufolge nicht gesichert !

 

Weiters sind Sie – abgesehen eines in Ihrem Besitz stehenden Bargeldbetrages in der Höhe von Euro 31,-- sowie schweizer Franken 13,10 - völlig mittellos.

 

Aufgrund des vorliegenden Ergebnisses Ihrer Befragung, der Durchsuchung und Ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung ist die Annahme gerechtfertigt, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz – nach Abschluss eines Konsultationsverfahrens gemäß den Bestimmungen des Dubliner Abkommens mit ITALIEN, allenfalls mit der SCHWEIZ – mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Bei der Erstbefragung nach dem AsylG. brachten Sie ins Treffen, dass Sie nach Ihrer Abschiebung am 09.10.2012 von der Schweiz am Luftweg nach ITALIEN (Mailand), Italien in unmittelbarer Folge wieder verlassen haben, indem Sie als Insasse eines Reisezuges von Mailand kommend via Udine und Villach –trotz eines bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbotes im Gebiet der Schengener Staaten, erlassen sowohl von der Schweiz als auch von Italien-  illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist seien.

 

Nicht nur alleine Ihr Verhalten in Österreich (Illegale Einreise ohne jegliches Identitätsdokument; Mangelnde Bereitschaft freiwillig nach Italien zurückzukehren) zeigt auf, dass Sie keinesfalls gewillt sind, sich einer Abschiebung nach Italien zu stellen, um sich dort dem Asylverfahren zu unterziehen. Auch der Umgang mit den italienischen Behörden weist in diese Richtung. Anstelle allfällig in Italien, einem Land der Europäischen Union in welchem Sie sich Ihren Angaben zur Folge bereits im Zeitraum zwischen den Jahren 2006 und 2010 aufgehalten haben, einen Asylantrag einzubringen und die rechtsstaatliche Entscheidung darüber in Italien abzuwarten, oder aber Italien legal zu verlassen haben Sie es vorgezogen illegal in Richtung Österreich auszureisen.

 

Selbst die im Rahmen eines von Ihnen in der Schweiz angestrengten Asylverfahrens gemachte Erfahrung, dass für die Prüfung Ihres internationalen Schutzbegehrens innerhalb der Europäischen Union Italien zuständig ist, sowie auch Ihre behördliche Überstellung von der Schweiz nach Italien konnte Sie nicht davon abhalten, Italien wiederum ohne der Einbringung eines Asylantrages zu verlassen und Ihre unrechtmäßige Reisebewegung innerhalb der Europäischen Union bis in das Bundesgebiet der Republik Österreich fortzusetzen."

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde ua. aus:

 

"Bei der Bewertung der Wahl Ihrer Mittel zur Erreichung Ihres nachhaltigen Zieles (Aufenthalt in Österreich bzw. innerhalb der Europäischen Union, wenngleich auch unrechtmäßig, mittellos und unstet und unter tunlichster Vermeidung eines weiteren Aufenthaltes im EU-Land ITALIEN) ist im vorliegenden Fall von einem besonders hohen Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass Sie sich – auf freien Fuß belassen – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Zugriff der Behörden entziehen werden um eine Außerlandesbringung von Österreich nach Italien mit Erfolg zur Gänze zu vereiteln oder um diese Maßnahmen zumindest temporär wesentlich zu verzögern und zu erschweren.

 

Einzig durch den Umstand, dass Sie unmittelbar nach Ihrer ungerechtfertigten Entfernung aus der Erstaufnahmestelle X in eine Personenkontrolle der österr. Polizei geraten sind, konnten Sie Ihr –mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit- getroffenes Vorhaben, sich dem weiteren Zugriff der österr. Behörden –noch bevor diese im Stande sind Ihr Asylbegehren näher zu prüfen und weitere Informationen zu Ihrer Person einzuholen- zu entziehen um in der völligen Anonymität abzutauchen, nicht erfolgreich verwirklichen.

 

Mit der Asylantragstellung in Österreich im Stande der Festnahme wollten Sie lediglich die Ihnen unmittelbar drohende Gefahr einer sofortigen Zurückschiebung von Österreich nach Italien entgehen. Die von der bescheiderlassenden Behörde getroffenen Feststellungen werden durch Ihre Antworten auf die an Sie gerichteten Fragen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat Marokko verlassen haben bzw. was Sie bei einer Rückkehr in diesen befürchten, entsprechend abgerundet.

 

Die Gesamtheit Ihrer Verhaltensweise lässt in schlüssiger und nachvollziehbarer Form Ihre nachhaltige und kategorische Abneigung gegen den EU-Staat Italien erkennen. Sie sind offenbar nicht gewillt, in jenen Mitgliedstaat der Europäischen Union, von welchem Sie illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sind bzw. welcher offensichtlich für die Prüfung Ihres Asylantrages gemäß den Bestimmungen des Dubliner Abkommens zuständig ist zurückzukehren.

 

Familiäre und/oder soziale Bezugspunkte zu Österreich haben Sie auf Befragen nicht ins Treffen gebracht. Demzufolge sind Sie im Bundesgebiet auch in keiner Art und Weise an eine Örtlichkeit gebunden. Sie sind – wie Sie im Rahmen Ihrer unrechtmäßigen Reisebewegung innerhalb der Europäischen Union bzw. innerhalb der Schengenstaaten bereits unter Beweis gestellt haben – sehr flexibel in Ihrer Lebensgestaltung, und haben keine familiäre oder soziale Verpflichtung in Österreich zu erfüllen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof stellt in seiner ständigen Judikatur fest, dass die Einhaltung fremdenpolizeilicher Vorschriften für den österreichischen Staat, vor allem in Zeiten eines erhöhten Zuwanderungsdruckes, von eminentem Interesse ist.

 

Ebenso kommt bei der Wahl der Mittel zur Sicherung fremdenpolizeilicher Maßnahmen dem Grad der Bereitschaft des Fremden an der Mitwirkung zur Feststellung des relevanten Sachverhaltes hohe Bedeutung zu. Dazu gilt es festzuhalten, dass Sie trotz besonderer Mitwirkungsverpflichtung –Anwesenheitsverpflichtung in der Erstaufnahmestelle- bereits zu Beginn des Asylzulassungsverfahrens die Erstaufnahmestelle X ungerechtfertigt verlassen haben und sich offensichtlich in der Anonymität absetzen wollten.

 

Die Anordnung der Schubhaft über Sie ist – nach genauer Abwägung im Rahmen einer Einzelfallprüfung – verhältnismäßig, denn Ihrem Recht als Fremder auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das – in diesem Fall überwiegende – Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen (sowie insbesondere die Einhaltung des für die Republik Österreich von nachhaltiger Wichtigkeit bestehenden Regelungsregimes des Dubliner Abkommens) gegenüber.

 

In diesem Einzelfall ist eine Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung bis zum Eintritt der Durchführbarkeit sowie zur Sicherung Ihrer Außerlandesbringung durch die Anordnung eines Gelinderen Mittels nicht ausreichend, da mit dieser Maßnahme dass der Sicherung zugrunde liegende Endziel – nämlich die behördliche Außerlandesbringung von Österreich (voraussichtlich nach Italien) – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden kann. Um die im Interesse des Staates gebotenen Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in Ihr Recht auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig und demzufolge war von der Alternative der Anordnung eines Gelinderen Mittels Abstand zu nehmen und ein konkreter und akuter Sicherungsbedarf  - welchem in der gegenständlich vorliegenden Sachverhaltskonstellation ausschließlich durch die Anordnung einer Schubhaft Folge getragen werden kann - zu bejahen.

 

1.2. Gegen den Schubhaftbescheid sowie gegen die darauf basierende Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf durch seine Vertreter per Telefax vom 12. Oktober 2012 (nach Ende der Amtsstunden) Schubhaftbeschwerde an den UVS des Landes Oberösterreich.

 

Zum Sachverhalt wird darin angeführt, dass der Bf am 11. Oktober 2012 einen Asylantrag in Österreich gestellt habe und der Bf hierbei nach X in die EAST-X gebracht worden sei. Er habe zusammen mit der Einquartierung seine rote Asylkarte erhalten und sei auch bezüglich der ständigen Anwesenheitsverpflichtung belehrt worden.

Der Bf habe zu keinem Zeitpunkt die Anwesenheitsverpflichtung verletzen wollen, jedoch habe er die Erstaufnahmestelle verlassen, um sich Zigaretten zu kaufen. Es habe jedoch vor dem Verlassen des Lagers eine Absprache mit dem Torposten, welcher die Daten des BF aufgenommen habe, gegeben. Nach einem Telefonat habe der Torposten dem BF das Verlassen der Erstaufnahmestelle gestattet und ihm erklärt, dass der nächste Zigarettenautomat ca. 15 min entfernt sei. Der Bf habe die Erstaufnahmestelle in dem Glauben verlassen, dies zu dürfen. Da dies nicht der Fall gewesen sei, sei der Bf im Zuge einer Personenkontrolle von Polizeibeamten aufgehalten und inhaftiert worden.

 

Zu den Beschwerdegründen führt der Bf ua. Folgendes aus:

 

"Art 1 Abs 3 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit sieht demnach vor, dass jede Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist Bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06,2006, B 352/06, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die gesamte Bestimmung des § 76 FPG im Lichte des aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988 Über den Schutz der persönlichen Freiheit erfließenden unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist.

Im konkreten Fall stützt sich die Schubhaft auf §76 Abs. 1 FPG. § 76 Abs 1 und 2 FPG sprechen von "kann", dies bedeutet, dass nicht automatisch bei Vorliegen der

Voraussetzungen des § 76 Abs 1 FPG Schubhaft zu verhängen ist, sondern eine individuelle Prüfung stattzufinden hat. Auch wenn § 76 Abs 2a FPG vorsieht, dass die Fremden Polizeibehörde über einen Asylwerber in den dort genannten Fällen die Schubhaft anzuordnen hat, hat im Sinne einer verfassungskonformen Anwendung der Bestimmung eine individuelle Prüfung der Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Dies wurde im gegenständlichen Fall unterlassen. Nach § 80 Abs 1 FPG sind die Behörden angehalten, auf eine möglichst kurze Haftdauer hinzuwirken. Die Schubhaftverhängung und meine weitere Anhaltung in Schubhaft sind sohin rechtswidrig.

 

Zur Prüfung des Sicherungserfordernisses ist auf alle Umstände des konkreten Falls Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311), jedoch muss die konkrete Situation des Betroffenen geprüft werden. Insbesondere kann die dem Beschwerdeführe angelastete Ausreiseunwilligkeit alleine nicht das Sicherungserfordemis begründen (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311). Der VwGH hat in seiner ständigen Judikatur die Erforderlichkeit der Prüfung jedes individuellen Einzelfalles hervorgehoben (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0045). In allen Fällen der Verhängung von Schubhaft besteht die Verpflichtung, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Sicherung des Verfahrens und der Sicherung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen; Schubhaft kann immer nur als ultima ratio verstanden werden (VfGH 15.06.2007, B 1330/06). Schubhaft ist hingegen nicht als Standard-Maßnahme anzuwenden; weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der Mangel finanzieller Mittel sind für sich genommen als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.10-2007, 2006/21/0239).

 

Es handelt sich zwar um eine Verletzung des § 76 Abs 2a Z 6 des FPG, jedoch ist diese Verletzung nicht vom Beschwerdeführer zu vertreten. Der Beschwerdeführer hat die Anwesenheitsverpflichtung in der Erstaufnahmestelle nicht richtig verstanden, und glaubte er handle aufgrund der Absprache mit dem Torposten rechtmäßig. Eine Absicht sich dem Asylverfahren zu entziehen bestand zu keinem Zeitpunkt,

 

Insbesondere kann dem Beschwerdeführer keine Ausreiseunwilligkeit angelastet werden. Der Beschwerdeführer hat von vornherein seine Mitwirkungspflichten stets wahrgenommen und hat keinen Grund, sich des weiteren Verfahrens zu entziehen. Ein Sicherungserfordernis kann überhaupt nicht begründet werden und seine Anhaltung in Schubhaft ist unzulässig. Das erforderliche Sicherungsbedürfnis, welches die Anordnung von Schubhaft rechtfertigen könnte, liegt bei dem Beschwerdeführer nicht vor.

 

Aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsgebots und wegen der Formulierung des Art 2 Abs 1 Z 7 PersFrG („um zu sichern'1) kann auch die Ausweisungsabsicht zur Rechtfertigung eines Freiheitsentzuges nur dann hinreichen, wenn die Verhängung der bzw. Anhaltung in Schubhaft tatsächlich notwendig ist, um die Außerlandesschaffung zu sichern.

 

Da es im Falle des Beschwerdeführers offenkundig zu keiner alsbaldigen Abschiebung kommt, ist seine Anhaltung in Schubhaft unzulässig. Es werden voraussichtlich Konsultationen im Rahmen der Dublin VO mit Italien und der Schweiz geführt werden.

 

Die Schubhaftverhängung und die weitere Anhaltung in Schubhaft sind daher rechtswidrig.

 

2. Nichtanwendung des gelinderen Mittels

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 18.05.2001, ZL 2001/02/0048 ausgesprochen und in ständiger Judikatur bekräftig hat, hat die schubhaftverhängende Behörde die Anwendung des gelinderen Mittels zu prüfen. Dies wurde im konkreten Fall unterlassen.

 

Nunmehr wurde auch die Rechtslage an die Entscheidungspraxis des VwGH angepasst. Das gelindere Mitte! hat nach der neuen Regelung des § 77 Abs 1 FPG an die Steife der Schubhaft zu treten, wenn die Gründe des § 76 FPG vorliegen. Gemäß § 77 Abs 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 FPG genannten Gründe, gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann.

 

Zum Zweck der Sicherung eines allfälligen Verfahrens hätte, wenn ein Sicherungsbedürfnis als rechtmäßig erkannt werden sollte, auch ohne weiteres das gelindere Mittel angewandt werden können. In Betracht kommt die Anordnung der Unterkunftnahme, in von der Behörde bestimmten Räumen oder die Anordnung, eine Meldeadresse oder einen Zustellungsbevollmächtigten bekannt zu geben. Die belangte Behörde hat die Schubhaft stets als ultima ration zu verhängen (vgl. Judikatur des VwGH) und hat zu prüfen, ob der Sicherungszweck nicht auch durch gelinderes Mittel erreicht werden kann. Dies hat die belangte Behörde im gegenständlichen Fall in rechtswidriger Weise unterlassen.

 

Mangels ausreichender Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Situation des Beschwerdeführers hat die Erstbehörde auch nicht hinreichend begründet, weswegen in seinem Fall der nach Ansicht der Erstbehörde gegebene Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels nicht erreicht werden könnte.

 

Es ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, weshalb der Beschwerdeführer, wäre er nicht in Schubhaft, in die Anonymität untertauchen sollte. Vor diesem Hintergrund fehlen also konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, der Beschwerdeführer werde sich einer Ausreise entziehen und für die Behörde nicht erreichbar sein. Der Beschwerdeführer ist während des gesamten Asylverfahrens in Österreich seiner Mitwirkungspflicht stets nachgekommen.

 

Eine Anhaltung in Schubhaft ist im Fall des Beschwerdeführers somit auch deswegen unzulässig, da in ihrem Fall gem. §77 Abs. 1 FPG das gelindere Mittel nicht geprüft wurde. Die Schubhaft ist daher rechtswidrig.

 

3. Verstoß gegen die RL 2008/115/EG

 

Die Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger („Rückführungsrichtlinie") sieht bestimmte Rechtsschutzgarantien in Zusammenhang mit der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger vor. Die Richtlinie war von den Mitgliedstaaten spätestens bis zum 24.12.2010 umzusetzen. Art 15 der Rückführungsrichtlinie regelt die Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung. Dort ist vorgesehen, dass die Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme gerichtlich zu überprüfen ist (vgl Abs 2 lit.b).

 

Da die Umsetzungsfrist für die Richtlinie bereits abgelaufen ist, sind die den Einzelnen betreffenden begünstigenden Richtlinienbestimmungen unmittelbar anwendbar und verdrängen ihnen widersprechende nationale Bestimmungen.

 

Die Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ist im vorliegenden Fall zweifellos gegeben da es sich auch bei asylrechtlichen Ausweisungen um Rückkehrentscheidungen im Sinne der Richtlinie handelt; eine Rückkehrentscheidung ist gemäß Art 3 Abs 4 der Richtlinie jede behördliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.

 

Dass auch im Anwendungsbereich des Art 15 der Richtlinie die Entscheidung durch ein Tribunal erforderlich ist, bestätigt die einschlägige Literatur.

 

„The term judicial authotity' is to he interpreted in conformity with the case-law of the ECtHR, i.e. it does not necessarily have to be a judge or a court as long as the relevant body has simiiar features - independence, impartiality - and guarantees an adversary procedurea (Schleifer, CHAPTER V. TERMINATION OF RESIDENCE, Directive 200S/115/EC of the European Parliament and of the Council of 16 December 200S on common Standards and procedures in Mernber States for returning Hlegally staying third-country nationals, in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law - Commentary on EU Regulations and Directives [2010], 1543, Rz7)

Wenn die Haft durch eine „administrative authority" angeordnet wurde, haben die Mitgliedstaaten sicher zu stellen, dass die Anhaltung einer raschen richterlichen Überprüfung („speedyjudicial review by a coutt) unterzogen wird, (vgl Schieffer, aaO 1543, Rz 8) Dies ist im österreichischen Gesetz nicht vorgesehen, da eine amtswegige Überprüfung nur durch die Verwaltungsbehörde selbst und eine Überprüfung durch ein unabhängiges Tribunal überhaupt erst nach vier Monaten vorgesehen ist.

 

Der angefochtene Bescheid verstößt daher gegen das Unionsrecht.

 

4. Widerspruch zur UNHCR-Richtiinie

 

Die Richtlinie vom Februar 1999 über anwendbare Kriterien und Standards betreffend die Haft von Asylsuchenden von UNHCR fegt folgende Kriterien fest:

 

„Es sollte die (rechtliche) Vermutung gegen eine Inhaftierung sprechen. Sofern andere Oberwachungsmaßnahmen als Alternative zur Haft zur Verfügung stehen (etwa Meldepflicht oder Bürgen [siehe Richtlinie 4J), sollten diese zuerst Anwendung finden, es sei denn, es gibt Anhaltspunkte für die Vermutung, dass eine solche Alternative Im betreffenden Fall nicht wirksam wäre. Zur Haft sollte es daher erst kommen, wenn alle möglichen Alternativen ausgeschöpft wurden oder wenn sich gezeigt hat, dass Oberwachungsmaßnahmen nicht den gesetzmäßigen, legitimen Zweck erreicht haben. Bei der Beurteilung, ob die Inhaftierung eines Asylsuchenden notwendig ist, sollte geprüft werden, ob die Haft angemessen ist und ob sie verhältnismäßig ist gegenüber dem angestrebten Ziel." [...]

angesichts der negativen Auswirkungen der Haft auf die psychische Verfassung der Inhaftierten sollte aktiv nach Alternativen zur Haft gesucht werden, bevor gegen Asylsuchende folgender besonders schutzbedürftiger Personenkategorien ein Haftbefehl erlassen wird: Unbegleitete ältere Personen, Opfer von Folter oder Trauma, Personen mit geistiger oder körperlicher Behinderung."

 

All dies wurde im Fall des BF unterlassen.

 

Auch aus diesem Grund sind die Anordnung der Schubhaft, die Festnahme und die Aufrechterhaltung der Schubhaft inhaltlich rechtswidrig.

Insgesamt betrachtet, ist die die Schubhaftverhängung und die nach wie vor andauernde Anhaltung in Schubhaft sind somit weder notwendig noch verhältnismäßig und daher rechtswidrig.

Die Behörde ist verpflichtet, bei Verhängung einer freiheitsentziehenden Maßnahme eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Eine Einschätzung, ob die individuellen Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft gegeben waren, hätte zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme des Beschwerdeführers ergehen müssen.

 

Als Kosten werden verzeichnet: Schriftsatzaufwand EUR 751,90 insgesamt

 

Beschwerde verfasst          € 737,60

Gebühr_______________ € 14.30

sohin                                 €751,90"

 

Es werden abschließend daher die Anträge gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat möge

1.     den Schubhaftbescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 11. Oktober 2012 für rechtswidrig erklären und aufheben;

2.     die Festnahme und die Anhaltung sowie allfällige Fortführung der Schubhaft für rechtswidrig erklären;

3.     die Verfahrenskosten ersetzen

     in eventu

4.     die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG verfügen.

 

 

2.1.1. Mit E-Mail vom 16. Oktober 2012 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat.

 

2.1.2. In einer Gegenschrift vom selben Tag führt die belangte Behörde ua. aus:

 

"Eingangs sowie im Besonderen wird auf den im Schubhaftbescheid vom 11.10.2012 umfassend dokumentierten Sachverhalt sowie auf den Inhalt des in Vorlage gebrachten Verwaltungsaktes verwiesen.

Wie selbst von Herrn X in seiner Beschwerdeschrift nicht bestritten, wurde ihm unmittelbar nach seiner Vorführung in die Erstaufnahmestelle X, und der gleich gehenden Quartierzuweisung in dieser, sowohl eine rote Verfahrenskarte ausgestellt, als auch wurde er bezüglich der ständigen Anwesenheitspflicht in der Erstaufnahmestelle belehrt.

 

Diese Belehrung erfolgte konkret am 11.10.2012, um 17:15 Uhr, durch Beamte der Polizeiinspektion X und zwar durch die Ausfolgung einer einseitigen Information für Asylwerber zum Aufenthalt während des Zulassungsverfahrens und zur Gebietsbeschränkung. 

 

In dieser Information ist folgender wörtlich zitierter Hinweis enthalten:

 

ð         Nachdem Sie den Asylantrag eingebracht haben, sind Sie verpflichtet, sich bis zum Abschluss der am Beginn des Zulassungsverfahrens durchzuführenden Verfahrens- und Ermittlungsschritte durchgehend in der Erstaufnahmestelle zur Verfügung zu halten. Für diese Zeit wird Ihnen eine rote Verfahrenskarte ausgestellt.

       Als Nachweis für das Ende der Zeit, in der Sie sich durchgehend in der  

       Erstaufnahmestelle zur Verfügung zu halten haben, wird Ihnen eine grüne

       Verfahrenskarte oder eine weiße Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt.

 

Gleich gehend wurde Herrn X von Seiten der Exekutive der Erstaufnahmestelle X ein mehrseitiges Merkblatt über Pflichten und Rechte von Asylwerbern, ausgefolgt. In diesem Merkblatt ist folgender wörtlich zitierter Hinweis enthalten:

 

ð         Nachdem Sie den Asylantrag eingebracht haben, sind Sie verpflichtet, sich bis zum Abschluss der am Beginn des Zulassungsverfahrens durchzuführenden Verfahrens- und Ermittlungsschritte, längstens jedoch für einen Zeitraum von 120 Stunden durchgehend in der Erstaufnahmestelle zur Verfügung zu halten. Für diese Zeit wird Ihnen eine rote Verfahrenskarte ausgestellt.

       Die Frist von 120 Stunden kann durch das Bundesasylamt im Einzelfall um 

       höchstens 48 Stunden verlängert werden. Falls die Frist verlängert wird, wird Ihnen 

       dies schriftlich mitgeteilt.

       Als Nachweis für das Ende der Zeit, in der Sie sich durchgehend in der 

       Erstaufnahmestelle zur Verfügung zu halten haben, wird Ihnen eine grüne Verfahrenskarte oder weiße Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt.

Wenn Sie Ihre Mitwirkungspflichten als Asylwerber verletzen, kann sich das auf die Beurteilung Ihres Asylantrages, ob Sie als glaubwürdig gelten, negativ auswirken!

 

Beachten Sie die Mitwirkungspflichten und Meldepflichten. Wenn Sie dies nicht tun, können Sie von der zuständigen Fremdenpolizeibehörde zur Sicherung einer Ausweisung oder Abschiebung in Schubhaft genommen werden.

 

 

Diese beiden schriftlichen Informationen wurden dem Beschwerdeführer jeweils in seiner Muttersprache, also in der Sprache Arabisch, nachweislich gegen Unterschriftsleistung ausgefolgt.

 

Nach Ansicht der belangten Behörde ist es demzufolge nicht nachvollziehbar, wenn der Beschwerdeführer behauptet die Anwesenheitsverpflichtung in der Erstaufnahmestelle "nicht richtig verstanden" zu haben. Ebenso kann auch nicht vollzogen werden, inwiefern der Beschwerdeführer, nur rund eine Stunde nachdem ihm von Seiten von österr. Polizeibeamten diese Belehrung über die Anwesenheitsverpflichtung in der EAST-X ausgefolgt wurde (!), annehmen konnte, dass es erlaubt sei die Erstaufnahmestelle zu verlassen wenn ihm dies vom Torposten erlaubt bzw. nicht verwehrt werde.

 

An dieser Stelle wird festgehalten, dass ein Torposten weder berechtigt ist eine "Erlaubnis" für ein Verlassen der Erstaufnahmestelle auszusprechen noch dazu berechtigt ist einen Fremden am Verlassen dieser zu hindern.

 

Zusammenfassend wäre es dem Beschwerdeführer, bei einem gewissenhaften Umgang mit der österr. Rechtsordnung, im Falle einer Unklarheit im Hinblick auf die vorliegende Anwesenheitsverpflichtung frei gestanden, bei jenen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes -in diesem Fall also bei den Beamten der PI X in der Erstaufnahmestelle X- nachzufragen, von welchen die rechtliche Belehrung zur Anwesenheitsverpflichtung erfolgt ist. 

 

Nachdem eine derartige Nachfrage von dem Beschwerdeführer weder behauptet wurde noch eine derartige Nachfrage erfolgt ist, ist nach Ansicht der belangten Behörde Herrn X die ungerechtfertigte Entfernung aus der Erstaufnahmestelle X –und zwar unabhängig davon, ob eine Kommunikation zwischen ihm und dem Torposten tatsächlich stattgefunden hat- zur Last zu legen.

 

Insoweit in der gegenständlichen Beschwerdeschrift behauptet wird, dass dem Beschwerdeführer keine Ausreiseunwilligkeit angelastet und ein Sicherungserfordernis überhaupt nicht begründet werden kann, darf seitens der BH Vöcklabruck darauf verwiesen werden, dass sowohl das vorausgehende Gesamtverhalten als auch die Motive des Herrn X, welche ihn zu einer Einbringung eines Asylantrages in Österreich veranlasst haben, einer individuellen Einzelfallprüfung unterzogen worden sind und diese in der Form einer umfassenden Begründung des Schubhaftbescheides dokumentiert wurden.

 

Im Hinblick auf den in der gegenständlichen Beschwerdeschrift gleichermaßen behaupteten Verstoß gegen die RL 2008/115/EG bzw. zum behaupteten Widerspruch zur UNHCR-Richtlinie darf von Seiten der belangten Behörde auf die ständige Judikatur des UVS OÖ. (zuletzt Erkenntnis, GZ: VwSen-401208/4/AB/Th, vom 31.08.2012, Dr. LUKAS) verwiesen werden.

 

Abschließend wird seitens der belangten Behörde, wie bereits im bekämpften Schubhaftbescheid geltend gemacht, auf die für die Republik Österreich nachhaltige Wichtigkeit einer Einhaltung des bestehenden Regelungsregimes des Dubliner Abkommens (Dublin II-Verordnung) – darunter insbesondere Artikel 19 Abs. 4 i.V.m. den ausführenden Erläuterungen K 34 – hingewiesen.

 

Seitens der BH Vöcklabruck wird gebeten die gegenständliche Schubhaftbeschwerde kostenpflichtig  abzuweisen um so eine Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung n. d. AsylG. sowie eine Sicherung zur behördlich geplanten Außerlandesbringung des Beschwerdeführers von Österreich in jenen Mitgliedstaat der Europäischen Union, welcher für die Prüfung seines Asylantrages zuständig ist (also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den EU-Staat Italien), sicherzustellen.

 

Sofern sich aus der vorliegenden Sachlage ein noch fragwürdiges Gesamtbild ergibt, welches eine Abweisung der Beschwerde nicht zulässt, so wird hiermit der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt."

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – im Übrigen vom Bf nicht substantiell widersprochenen - unter dem Punkt 1.1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1.1.  Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 87/2012, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.   

 

Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.1.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde vom 11. Oktober 2012 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.2. Gemäß § 76 Abs. 2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1.       gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5        AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2.       eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der      Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3.       der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG mehr als einmal verletzt hat;

4.       der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 vorletzter Satz AsylG nicht nachgekommen ist, oder

5.       der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde,

6.       sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z. 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegen stehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005 gilt ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn nach Ziffer 1 im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach
§ 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 erfolgt.

 

3.3.1. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf am 11. Oktober 2012 einen Asylantrag in Österreich gestellt hat. Er ist somit Asylwerber und unterliegt betreffend Schubhhaftverhängung grundsätzlich dem § 76 Abs. 2 bzw. 2a FPG.

 

Nun normiert aber § 76 Abs. 2a Z. 6 FPG als Tatbestandsvoraussetzung zunächst, dass  sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z. 1 bis 4 vorliegt.

 

Fraglich ist also, ob der "Ausgang" des Bf mit der von ihm angegebenen Intention des Zigarettenholens kurz nach Ankunft in der EAST-X als ungerechtfertigtes Entfernen von der Erstaufnahmestelle angesehen werden muss.

 

3.3.2. Gemäß § 24 Abs. 4 AsylG. 2005 entfernt sich ein Asylwerber ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle, wenn er

 

der Mitwirkungspflicht gemäß § 15 Abs. 3a unterliegt und nicht in der Erstaufnahmestelle angetroffen werden kann oder

 

trotz Aufforderung zu den ihm vom Bundesasylamt im Zulassungsverfahren gesetzten Terminen nicht kommt oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde einen solchen Termin nicht einhalten, und er in der Erstaufnahmestelle nicht angetroffen werden kann.

 

Die Abwesenheit aus den in § 12 Abs. 2 Ziffer 1 bis 3 genannten Gründen, dass sind

 

Aufenthalt außerhalb der Erstaufnahmestelle ist zur Erfüllung von gesetzlichen Pflichten notwendig;

Aufenthalt außerhalb der Erstaufnahmestelle ist notwendig, um Ladungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden Folge zu leisten;

Aufenthalt außerhalb der Erstaufnahmestelle ist zur Inanspruchnahme einer medizinischen Versorgung und Behandlung notwendig;

 

stellt kein ungerechtfertigtes Entfernen aus der Erstaufnahmestelle dar.

 

Gemäß § 15 Abs. 3a AsylG. 2005 haben sich Asylwerber, deren Verfahren in einer Erstaufnahmestelle des Bundesasylamtes geführt werden, sofern nicht gemäß § 45 eine Vorführung unterblieben ist, ab Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz bis zum Abschluss der Verfahrens- und Ermittlungsschritte gemäß § 29 Abs. 6, für einen Zeitraum von längstens 120 Stunden, durchgehend in der Erstaufnahmestelle zur Verfügung zu halten. In Fällen, in denen der Fremde den Antrag auf internationalen Schutz vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde gestellt hat und der Fremde gemäß § 43 Abs. 2 der Erstaufnahmestelle vorzuführen ist, beginnt die Frist von 120 Stunden bereits mit Stellen des Antrags auf internationalen Schutz. Die Frist von 120 Stunden kann im Einzelfall um höchstens 48 Stunden verlängert werden, wenn Einvernahmen vor einem Organ des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 6 Ziffer 6 angeordnet sind. Diese Verlängerung der Frist ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 63 Abs. 2 AVG) mitzuteilen.

 

3.3.3. Die belangte Behörde unterstellte in ihrem Bescheid – gestützt auf die Tatsache, dass sich der Bf in Italien unmittelbar nach der erfolgten Abschiebung dort hin einem allfälligen Verfahren entzog und per Zug nach Österreich reiste – wohl nicht ganz zu Unrecht, dass der Ausgang des Bf nicht nur den Zweck des Zigarettenholens erfüllen sollte. Dennoch ist aber jedenfalls festzuhalten, dass – auch, wenn man den Angaben des Bf Glauben schenkt – sein Entfernen nicht gerechtfertigt war. Dies ergibt sich schon aus den, dem Bf in seiner Landessprache ausgehändigten Informationsblättern, die auf die Pflicht zur konstanten Anwesenheit hinweisen. Der Torposten der EAST ist mangels Exekutivorganseigenschaft - schon rein rechtlich gesehen - nicht dazu angehalten, gesetzliche bzw. behördliche Anordnungen außer Kraft zu setzen, wie er auch nicht befugt gewesen wäre, den Bf vom Ausgang zurückzuhalten. Ein rechtlich relevantes klärendes Gespräch wäre wohl auch – mangels gegenseitiger Sprachkenntnisse – nicht möglich gewesen. Glaubhaft ist aber, dass der Bf seinen Wunsch, sich Zigaretten zu besorgen, verständlich machen konnte und diesbezüglich vom Posten informiert wurde.

 

Der Bf hätte sich – auch entsprechend seinem Wissens- und Erfahrungshorizont – an den bzw. die  Beamten der PI X wenden müssen, die ihn über die durchgängige Anwesenheitspflicht informiert hatten, was er aber unterließ.

Auf der Hand liegt aber nun, dass jedenfalls keine Rechtfertigung der Abwesenheit erkannt werden kann, weshalb sich der Bf nicht zielführend darauf stützen kann. Vielmehr wird daraus ersichtlich, wie wenig Bedeutung der Bf der Einhaltung von Normen zumisst und wie mühelos er sich (siehe auch sein gesamtes Verhalten im Zuge der Abschiebung nach Italien und der Einreise nach Österreich entgegen mehrerer schengenweiter Aufenthaltsverbote oder die Stellung eines Asylantrages mit dem gleichzeitigen Vermerk in seinem Heimatland nicht verfolgt zu werden) über derartige Anweisungen hinwegsetzt.

 

3.3.4. Aus dem zweiten Halbsatz des § 76 Abs. 2a Z. 6 FPG wird deutlich, dass auch die Voraussetzungen des Abs. 2 Z. 1 bis 4 leg. cit gegeben sein müssen.

 

Im vorliegenden Fall kommt hier eindeutig § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG in Betracht, da der Bf, der unmittelbar und nachgewiesener Weise aus Italien per Zug einreiste, wobei er noch am 9. Oktober 2012 von der Schweiz, wo ein Asylverfahren des Bf nach 9-monatigem Aufenthalt abgelehnt worden war, nach Mailand abgeschoben wurde, zwar einen Asylantrag in Österreich einbrachte, jedoch mit Sicherheit davon auszugehen war, dass Österreich nicht zur Prüfung dieses Antrages zuständig sein würde und dieser Antrag mangels Zuständigkeit Österreichs an einen anderen Dublinstaat zurückgewiesen werden müsse.

 

Diese Umstände waren bei der Verhängung der Schubhaft bereits der belangten Behörde bekannt, weshalb sie zurecht auch vom grundsätzlichen Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG im Sinne des Abs. 2a Z. 6 FPG ausgehen konnte.

Es sind somit die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2a Z. 6 FPG als im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung vorliegend anzusehen.  

 

3.3.5. Im Gegensatz zu den Schubhafttatbeständen des § 76 Abs. 1 und 2, die ihrer Formulierung nach eine Ermessensentscheidung bedingen, legt Abs. 2a leg. cit., der mit der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 introduziert wurde, grundsätzlich eine obligatorische Verhängung der Schubhaft bei Vorliegen der hier normierten Tatbestandselemente fest. Den Materialien zu § 76 Abs. 2a FPG ist zu entnehmen, dass in den hier normierten 6 Fällen "grundsätzlich von einem Sicherungsbedürfnis auszugehen sein wird".

 

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Gesetzesbestimmung schon nach dem Wortlaut kumulativ zusätzlich zum Vorliegen der Z. 1 bis 5 jedenfalls auch die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig sein muss. Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als dass der Sicherungsbedarf zusätzlich zum Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit der Z. 1 bis 5 geprüft werden muss. Fraglos sind die genannten Fallkonstellationen ihrer Natur nach dazu geeignet, aufgrund ihres Vorliegens Indizien auch für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs darzustellen.

 

Weiters geben die Materialien an, dass der von den Höchstgerichten geforderten Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den letzten Satz Rechnung getragen wird und gehen diesbezüglich von einem Anwendungsbereich der besonderen in der Person des Asylwerbers gelegenen Umstände "insbesondere" von "Alter" und "Gesundheitszustand" aus. Eine Beschränkung allein auf derartige Umstände wird wohl unzureichend sein, da nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 17.891/2006 und 18.196/2007) schon bei den Absätzen 1 und 2 des § 76 FPG eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist. Eine nunmehrige Einschränkung auf lediglich rein in der Person gelegene Umstände wäre somit verfassungsrechtlich bedenklich und ist über verfassungskonforme Interpretation aufzulösen.

 

Es folgt also daraus, dass das Vorliegen einer oder mehrerer Alternativen des
§ 76 Abs. 2a FPG als Indiz für das Vorliegen des Sicherungsbedarfs gewertet werden muss, eine derartige Prüfung aber nicht ersetzt. Weiters muss auch bei dieser Bestimmung die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft – mit besonderer aber nicht ausschließlicher Blickrichtung auf persönliche Verhältnisse des Schubhäftlings – vorliegen. Ein Vergleich mit den Materialien zeigt zudem, dass durch diese Norm das Institut des gelinderen Mittels nach § 77 FPG unberührt bleibt und somit in die Erörterung mit einzubeziehen ist.

 

3.3.6.1. Im vorliegenden Fall ergibt sich betreffend den Sicherungsbedarf ein eindeutiges Bild:

 

Zunächst ist anzumerken, dass der Bf, dessen Identität – mangels entsprechender Dokumente - nicht letztgültig geklärt ist, bereits über einen breiten Erfahrungsschatz mit fremdenpolizeilichen Maßnahmen in verschiedenen Schengenstaaten verfügt. Dies verdeutlichen gleich zwei schengenweite Aufenthaltsverbote, die gegen ihn von der Schweiz und Italien erlassen wurden.

 

Der Bf ist beinahe völlig mittellos und verfügt weder über einen gemeldeten Wohnsitz noch über verwandtschaftliche Beziehungen im Bundesgebiet. Darüber hinaus ist aber besonderes Augenmerk auf seine am 11. Oktober 2012 in Österreich getätigte Asylantragstellung zu legen.

 

3.3.6.2. Während seines offensichtlich mehrjährigen Aufenthalts in Italien, wo er – nach seinen Angaben - eine Beschäftigungsbewilligung inne hatte, beantragte er den Internationalen Schutz nicht. Aus diesem Aufenthalt resultiert jedoch ein gleich 3-fach ausgesprochenes noch gültiges schengenweites Aufenthaltsverbot, das ihn offenbar zur Asylantragstellung in der Schweiz motiviert haben dürfte, wohin er nunmehr aber nicht zurückkehren will, weil er dort nicht arbeiten könne. Von der Schweiz abgeschoben nach Italien, reiste er ohne Aufschub weiter nach Österreich, wo er unmittelbar nach der Einreise festgenommen wurde. Der Asylantrag hier stellte die einzige Möglichkeit dar, nicht nach Italien gleich wieder zurückgeschoben zu werden. Dass diese Feststellung nicht unbegründet ist, dokumentieren alleine schon die Angaben des Bf bei der Erstbefragung, wonach er nicht einmal ansatzweise allfällige Fluchtgründe betreffend seinen Heimatstaat Marokko vorgibt. Die Asylantragstellung fungiert offenbar als bloße strategisch wirksame Maßnahme, nicht zurückgeschoben zu werden. 

 

Ohne sich hier in allgemeine Unterstellungen zu verlieren, erweckt der Bf also ganz konkret den Eindruck, dass es ihm jedenfalls auf die Erlangung des Verbleibs in einem für ihn wirtschaftlich interessanten Land der Europäischen Union – völlig losgelöst von einer allfälligen asylrelevanten Bedrohungssituation  - ankommt.

 

Der Bf bewies bereits am 10. Oktober 2012 in Italien, wie rasch er auf Gegebenheiten zu seinem Vorteil zu reagieren bereit ist, weshalb bei ihm – sofort nach Wegfall der drohenden Zurückschiebung nach Italien – höchste Fluchtgefahr bestand, da nicht einmal er selbst an die Möglichkeit eines in Österreich zu führenden Asylverfahrens geglaubt haben kann. Ein Dublin-Konnex lag und liegt auf der Hand. 

 

Der belangten Behörde folgend ist festzuhalten, dass der völlig mittellose Bf geradezu darauf angewiesen ist, der drohenden Abschiebung nach Italien, wo gegen ihn ein schengenweites Aufenthaltsverbot besteht, und von wo aus er mit höchster Wahrscheinlichkeit in sein Heimatland abgeschoben werden wird, durch ein Untertauchen in die Illegalität zu entgehen. Dabei aber kann er seinen Lebensunterhalt nur entgegen den arbeitsmarktrechtlichen Bestimmungen bestreiten.

 

Der Bf hat – auch wenn er dies bestreitet – in der Vergangenheit sehr wohl bewiesen, dass er bereit ist, fremdenpolizeilichen Anordnungen zuwider alles dafür zu tun, um sein Ziel der Sicherung des von ihm angestrebten Lebensstandards in einem für ihn attraktiven Staat zu erreichen. Dabei ist sein Vorgehen als durchaus strategisch orientiert zu bewerten.

 

3.3.6.3. Der belangten Behörde folgend ist im vorliegenden Fall – in Zusammenschau all der eben beschriebenen Sachverhaltselemente - von einem besonders hohen sowie akuten Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – ehestmöglich  fraglos dem Zugriff der Behörde entzogen haben würde. Je weiter dieses Verfahren fortschreitet, desto höher ist auch die Fluchtgefahr anzusetzen. Diese bestand aber schon zweifellos zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme.

 

3.3.7. In diesem Sinn wäre die belangte Behörde auch berechtigt gewesen, die Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG zu stützen, da der eben beschriebene Sicherungsbedarf bereits zum 11. Oktober 2012 in besonders hohem Maß gegeben war.

 

3.4.1. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses im vorliegenden Fall fraglos überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

3.4.2. Betreffend die vertiefte Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 76 Abs. 2a ist die Feststellung zu treffen, dass weder aufgrund des Alters noch aufgrund des Gesundheitszustandes Sachverhaltselemente bekannt wurden, die an der Verhältnismäßigkeit Zweifel aufkommen lassen würden.

 

3.4.3. Zu den in der Beschwerde ganz allgemein behaupteten Verletzungen von Unionsrecht ist wie folgt auszuführen:

 

Zunächst zum behaupteten Widerspruch zur Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (Abl L 348/98 ff):

 

Richtig ist, dass nach dem die Haft für Zwecke der Abschiebung behandelnden Art. 15 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie im Fall der Inhaftnahme durch eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich eine gerichtliche Überprüfung vorgesehen wird. Dabei ist aber entgegen der Beschwerdedarstellung nicht bloß auf die amts-

wegige Überprüfung der Schubhaft nach vier Monaten abzustellen. Die RL überlässt es vielmehr dem Mitgliedstaat, die Rechtmäßigkeit entweder nach Haftbeginn innerhalb kurzer Frist gerichtlich überprüfen zu lassen (Abs. 2 lit. a) oder dem Drittstaatsangehörigen das Recht einzuräumen, einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung der Haft innerhalb kurzer Frist zu stellen, worüber er auch zu belehren ist (Abs. 2 lit. b).

 

Die Regelung der §§ 82 ff FPG mit dem Recht, die Prüfung der Schubhaft durch den Unabhängigen Verwaltungssenat jederzeit zu beantragen, und die Entscheidungspflicht binnen einer Woche bei aufrechter Anhaltung entspricht daher den Vorgaben der Richtlinie. Eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung hat der Schubhaftbescheid in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten (vgl § 76 Abs. 3 FPG). Die behauptete Verletzung der Rückführungsrichtlinie ist demnach unzutreffend.

 

Was schließlich den behaupteten Widerspruch zur UNHCR-Richtlinie betrifft, ist auf die bereits dargelegten Ausführungen zur Prüfung der Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels weiter unten zu verweisen.

 

3.5.1. Damit scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht haben gewährleisten können, zumal der Bf - wie oben dargestellt – die erstbeste Gelegenheit nutzen würde, um sich den Verfahren zu entziehen, deren kurzfristiges Ergebnis die Abschiebung nach Italien zeitigen würde; mittelfristig steht wohl die Abschiebung nach Marokko bevor. Schon in der Vergangenheit bewies der Bf zudem, dass ihm an der Einhaltung fremdenpolizeilicher Normen nicht all zu viel gelegen ist.

 

3.5.2. In diesem Sinn erübrigt sich auch ein näheres Eingehen auf die vom Bf relevierte UNHCR-Richtlinie.

 

3.6. Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf über keine familiären Kontakte oder Verpflichtungen im Bundesgebiet verfügt.

 

3.7.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden,  bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1.       zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2.       vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

3.7.2. Der Bf wird gegenwärtig seit 5 Tagen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte Frist bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Es liegen auch keine Umstände vor, die erwarten ließen, dass die Anhaltung noch längere Zeit andauern werde, zumal die Abschiebung des Bf nach Italien durchaus zeitnah erreichbar scheint. Dass bislang das Dublin-Verfahren noch nicht eingeleitet wurde, liegt wohl daran, dass das Asylverfahren von der EAST-X an die EAST-X übergegangen ist und die nunmehr zuständige Behörde erst aktuell mit der Bearbeitung betraut ist. Nachdem aber ein klarer Dublinfall, sei es mit Italien, sei es mit der Schweiz, vorliegt besteht überhaupt kein Zweifel einer raschen Außerlandesschaffung des Bf.

 

Das Ziel der Schubhaft, die Ausweisung und Abschiebung nach Italien bzw. in die Schweiz, ist zum Entscheidungszeitpunkt somit absolut zeitnah erreichbar, da aktuell keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Rückführung sprechen würden.

 

3.8. Es sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom
12. Oktober 2012 (sie gilt als am 15. Oktober 2012 eingebracht) als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen war, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 18,20 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

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