Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101356/17/Weg/Ri

Linz, 18.07.1994

VwSen-101356/17/Weg/Ri Linz, am 18. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des S Josef, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F vom 28. Mai 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 11. Mai 1993, VerkR96/13449/1993-Li, nach der am 10. Mai 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung betreffend die Fakten a und b des Straferkenntnisses wird hinsichtlich der Schuld keine Folge gegeben und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Betreffend das Faktum c wird der Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, als dem Berufungswerber vorgeworfen wird, nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Unfall verständigt zu haben, was eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 darstellt.

III. Hinsichtlich der Strafhöhe wird der Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, als die Geldstrafen für die Fakten a und b mit je 500 S und für das Faktum c mit 100 S festgesetzt werden.

Im Falle der Uneinbringlichkeit werden für alle Fakten Ersatzfreiheitsstrafen von je 6 Stunden verhängt.

IV. Es wird festgestellt, daß der im Straferkenntnis angeführte Tatort infolge Umkilometrierung jetzt dem km 26,746 der B148 entspricht.

V. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 110 S.

Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war nicht vorzuschreiben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51i, § 64 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 4 Abs.1 lit.a, 2.) § 4 Abs.1 lit.c und 3.) § 4 Abs.2, jeweils StVO 1960, Geldstrafen von 1.) 2.000 S, 2.) 1.000 S und 3.) 1.500 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1.) 72 Stunden, 2.) 48 Stunden und 3.) 56 Stunden verhängt, weil dieser am 11. Jänner 1993, gegen 9.30 Uhr, den PKW auf der B148 von Ried i.I.

kommend in Richtung Braunau am Inn gelenkt hat und es nach dem bei Str.km 44,150 im Ortschaftsbereich Neubergham, Gemeinde S, verursachten Verkehrsunfall mit Personenschaden, an dem er ursächlich beteiligt war, unterlassen hat, 1.) sofort anzuhalten, 2.) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, zumal er sich und das Fahrzeug vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernte und 3.) sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 450 S in Vorschreibung gebracht.

2. Der von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Sachverhalt wurde vom Gendarmeriepostenkommando B, welches den Verkehrsunfall als Sachschadenunfall aufnahm, als erwiesen angenommen. Der Personenschaden stellte sich erst zu einem späteren Zeitpunkt heraus. Auf Grund der Ermittlungen der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn habe der Berufungswerber nach einem von ihm durchgeführten riskanten Überholmanöver, aus dessen Anlaß zwei andere Fahrzeuge, die sich im Gegenverkehr befanden, von der Fahrbahn abkamen, es unterlassen, die nach einem Verkehrsunfall gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zu treffen.

3. Der Berufungswerber bestreitet dem Grunde nach nicht, bei einem riskanten Überholmanöver einen Verkehrsunfall verursacht bzw. verschuldet zu haben, er bestreitet jedoch, daß er den Unfall bemerkt habe und bestreitet weiters, daß er ihn auf Grund objektiver Umstände hätte bemerken müssen, weshalb die Bestrafung iSd § 4 StVO 1960 zu Unrecht erfolgt sei.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Beschuldigten, durch Vernehmung des den Unfall beobachtet habenden Zeugen Josef G sowie durch Beiziehung des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen Ing. Stefan H anläßlich der am 10.

Mai 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, mit der auch ein Lokalaugenschein verbunden war.

Demnach steht fest, daß der Berufungswerber auf der Bundesstraße von Altheim nach Richtung Braunau am Inn fuhr und bei Straßenkilometer 44,150 (durch zwischenzeitig erfolgte Umkilometrierung nun Kilometer 26,746) ein riskantes Überholmanöver durchführte, welches zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden führte. Der Berufungswerber fuhr auf einer knapp 6 m breiten Fahrbahn als drittes Fahrzeug hinter einem Tankkraftfahrzeug. Die zwei vor dem Berufungswerber fahrenden PKWs überholten dieses Tankkraftfahrzeug und der Berufungswerber schloß sich diesem Überholmanöver an.

Während die beiden vor ihm fahrenden PKWs den Überholvorgang noch gefahrlos beenden konnten, näherte sich zu einem Zeitpunkt, da der Berufungswerber noch auf Höhe des LKW-Zuges fuhr, ein Gegenverkehr, bestehend aus zwei PKWs.

Dieser Gegenverkehr mußte, um einen Frontalzusammenstoß mit dem Beschuldigten zu verhindern, zumindest etwa zwei Fahrzeuglängen vor dem Beschuldigten die Fahrbahn verlassen und zumindest mit den rechten Rädern das Straßenbankett bzw.

die Wiese befahren. Ein Abkommen von der Fahrbahn nach der Begegnung mit dem Beschuldigten bzw. das erzwungene Befahren des Banketts nach der Begegnung mit dem Beschuldigten wird vom Sachverständigen ausgeschlossen, es hätte dabei unweigerlich zu einem Zusammenstoß kommen müssen. Der Gegenverkehr hat also etwa 10 m vor der Begegnung (günstigste Annahme für den Beschuldigten) die Fahrbahn zumindest mit den rechten Rädern verlassen müssen, um einen frontalen Zusammenstoß zu vermeiden. In der weiteren Folge fuhren diese beiden Fahrzeuge ohne Schleuderbewegung über den Fahrbahnrand hinaus und zwar über eine ca. 60 cm bis 1 m hohe Böschung, wo es dann auch zu einem Zusammenstoß dieser beiden von der Fahrbahn abgekommenen Fahrzeuge kam.

Der Berufungswerber hat sich bei diesem Überholmanöver zweifelsohne in einer Streßsituation dergestalt befunden, daß er den Blick hauptsächlich nach vorne richtete, um das Überholmanöver zu beenden um wieder den rechten Fahrstreifen aufzusuchen. Diese Streßsituation dürfte auch die Ursache dafür gewesen sein, daß er das Abkommen der entgegenkommenden Fahrzeuge von der Fahrbahn und den anschließenden Unfall nicht bemerkte, sondern - heilfroh, diese Situation ohne Verkehrsunfall überstanden zu haben weiterfuhr. Der vom Berufungswerber behauptete Blick in den Innenspiegel, war sicherlich unangebracht; er hätte, nachdem er das Abkommen der entgegenkommenden Fahrzeuge von der Fahrbahn vor ihm bemerkt hatte, zweifelsohne in den linken Außenspiegel blicken müssen, um sich zu vergewissern, daß die beiden Fahrzeuge wieder auf die Fahrbahn zurückfinden.

Dem Berufungswerber wird zwar vom Sachverständigen zugestanden, den Unfall weder akustisch, noch optisch (toter Winkel) bemerkt haben zu müssen, doch sei er in Anbetracht der von ihm verursachten und auch zu bemerken gewesenen äußerst gefährlichen Situation verpflichtet gewesen, nach dem Überholmanöver an die Gefahrenstelle und somit Unfallstelle zurückzukommen, um sich eben zu vergewissern.

Dies hat der Berufungswerber in dieser Streßsituation verabsäumt. Eine klassische Fahrerflucht kann ihm nicht unterstellt werden.

Bei der Beurteilung des Fehlverhaltens des Berufungswerbers ist auch dessen Alter (Jahrgang 1929) zu berücksichtigen.

Bei der mündlichen Verhandlung wurde der Eindruck gewonnen, daß es sich bei dem Berufungswerber um einen äußerst rechtschaffenen Menschen handelt, welcher infolge der beschriebenen Streßsituation letztlich unangepaßt und unrichtig gehandelt hat.

Auf Grund der durchgeführten Beweise, insbesondere aufgrund der Ausführungen des Amtssachverständigen, wonach dem Beschuldigten schon vor der Begegnung mit dem Gegenverkehr bewußt werden mußte, daß dieser (letztlich verunglückte Gegenverkehr) zumindest mit den rechten Rädern auf das Bankett oder die dort befindliche Wiese gedrängt wurde, steht fest, daß der Beschuldigte den anschließenden Unfall, den er mitverursacht hat, bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte wahrnehmen müssen. Es steht desweiteren fest, daß der Beschuldigte nach diesem Verkehrsunfall nicht angehalten hat. Außerdem hat sich der Beschuldigte vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernt und somit an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt.

Letztlich hat es der Berufungswerber unterlassen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Zum letzteren Sachverhaltselement ist festzuhalten, daß der Beschuldigte - selbst wenn er allen Verpflichtungen nach dem Verkehrsunfall nachgekommen wäre, nur jene nach einem Sachschadenunfall gehabt hätte, weil auch die Gendarmerie bei der Aufnahme des Verkehrsunfalles auf Grund der dort vorgefundenen Verhältnisse von einem Sachschadenunfall ausging.

Zusammenfassend wird sohin festgehalten, daß der Beschuldigte - so der Eindruck bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung - den Verkehrsunfall nicht bemerkte und sohin eine vorsätzliche Fahrerflucht sicherlich nicht vorlag. Er hat auf Grund der Streßsituation anläßlich des riskanten Überholmanövers seine Aufmerksamkeit darauf gerichtet, aus dieser Situation heil herauszukommen und somit den von der Fahrbahn abkommenden Gegenverkehr nicht bemerkt, obwohl er ihn auf Grund der erkennbaren Gefahrensituation zumindest dadurch hätte bemerken müssen, daß er sich nach dem Überholmanöver wieder zurück an die Gefahrenstelle begeben hätte, wozu nach Meinung der Berufungsbehörde die Verpflichtung bestanden hätte.

Zu den persönlichen Verhältnissen gibt der Beschuldigte noch glaubwürdig an, daß er pensionierter Landwirt mit einem monatlichen Einkommen von 4.500 S sei und für seine Gattin sorgen müsse. Desweiteren wird festgestellt, daß der Beschuldigte - bezogen auf den Tilgungszeitraum - verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Dieser Anhaltepflicht ist der Berufungswerber nicht nachgekommen, sodaß der diesbezügliche Schuldspruch der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn und die Subsumierung unter die Strafbestimmung des § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 mit keinem rechtlichen Mangel behaftet ist.

Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben die oben genannten Personen (und somit auch der Beschuldigte) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Dieser Mitwirkungspflicht ist der Beschuldigte nicht nachgekommen, weil er sich und das Fahrzeug vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernte, sodaß sich auch in diesem Punkt der Schuldspruch der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn und die diesbezügliche Subsumierung unter § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 als fehlerlos erweist.

Zur Verständigungspflicht:

Die Berufungsbehörde subsumiert dieses Verhalten unter § 4 Abs.5 StVO 1960 zumal der Berufungswerber - selbst wenn er angehalten und an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt hätte - zum Zeitpunkt der Verständigungspflicht davon hätte ausgehen können, daß es sich um einen Sachschadenunfall handelt. Es dürfen ihn nach Ansicht der Berufungsbehörde bei Unerkennbarkeit eines Personenschadenunfalles nicht die strengeren Folgen treffen, die sich auch in einer schärferen Strafsanktion äußern. Es ist deshalb das Verhalten des Berufungswerbers, nämlich den Verkehrsunfall nicht ohne unnötigen Aufschub gemeldet zu haben, dem § 4 Abs.5 StVO 1960 bzw. der Strafbestimmung des § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 zu unterstellen.

Zur Strafhöhe:

Im Hinblick auf die Unbescholtenheit des Berufungswerbers, im Hinblick auf das geringfügige Verschulden und im Hinblick auf das äußerst geringe Einkommen werden hinsichtlich der Fakten a und b, welche gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 mit Geldstrafen von 500 S bis 30.000 S zu bestrafen sind, jeweils die Mindeststrafen, nämlich je 500 S verhängt.

Hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 wird aus den selben Gründen die sich aus dem VStG ergebende gesetzliche Mindeststrafe von 100 S als angemessen erachtet.

5. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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