Linz, 08.02.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, geb. X, StA von Georgien, vertreten durch X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 7. Jänner 2013, AZ: 1050243/FRB, mit dem ein Antrag der Berufungswerberin auf Aufhebung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert wird, als das mit Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 11. Juni 2007, AZ.: St 126/07, gegen die Berufungswerberin auf 10 Jahre befristete Aufenthaltsverbot aufgehoben wird.
Rechtsgrundlage:
§ 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idF. BGBl. I Nr. 87/2012 iVm. §§ 66 Abs. 4 und 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit im Instanzenzug erlassenen Bescheid der vormaligen Bundespolizeidirektion Linz vom 24. April 2007, Zl. 1050243/FRB, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden Bw) ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen.
1.2. Mit Bescheid vom 7. Jänner 2013 wies die belangte Behörde einen Antrag der Bw vom 23. November 2012 auf Aufhebung des oa. Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG in der geltenden Fassung ab.
1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Bw durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 21. Jänner 2013.
2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 24. Jänner 2013 zur Entscheidungsfindung vor.
2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, zumal der entscheidungswesentliche Sachverhalt völlig unbestritten und geklärt ist und auch die Akten erkennen lassen, dass eine allfällige weiterführende Erörterung für den Sachverhalt ergebnisneutral wäre. In diesem Sinne erübrigen sich auch die in der Berufung beantragten Zeugeneinvernahmen.
2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. bis 1.3. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.
2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
3.1.1. Gemäß §125 Abs. 16 des FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 bleiben vor Inkrafttreten des FRÄG 2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG 2005 bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.
Gemäß § 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 87/2012 sind eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
3.1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem inhaltlich mit dem aktuellen § 69 Abs. 2 FPG vergleichbaren § 65 Abs. 1 FPG in der vorhergehenden Fassung kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung der Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist.
Bei dieser Beurteilung ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose weiterhin zu treffen ist, sodass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grunde des nunmehrigen § 61 FPG (Schutz des Privat- und Familienlebens) zulässig ist.
3.2.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass gegen die Bw aufgrund mehrfacher Vermögensdelikte (im Zeitraum 2003 bis 2007) von der SID für das Bundesland Oberösterreich mit Bescheid vom 11. Juni 2007 ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Fraglich ist, ob das damals festgestellte Gefährdungspotential bei der Bw nunmehr nicht mehr erkannt werden kann.
Der Oö. Verwaltungssenat hat sich im Fall, des weiteren Bestehens des Gefährdungspotentials darüber hinaus mit der Frage auseinanderzusetzen, ob konkret ein relevanter Eingriff im Sinne des § 61 FPG vorliegt und – gegebenenfalls – ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist. Bejahendenfalls ist ferner zu erörtern, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten der Bw geändert haben. Diese Interessen sind daran anschließend gegeneinander abzuwiegen.
3.2.2. Bei der Beurteilung des Falls ist also zunächst auf die Gründe einzugehen, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben.
Im Zeitraum von 2003 bis 2007 war die Bw konstant strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei es sich bei den zu 5 Verurteilungen führenden Delikten stets um (teils versuchte) Diebstähle unterschiedlicher Qualifikation handelte
3.3.1. Als Beurteilungsmaßstab betreffend die Gefährlichkeitsprognose ist im vorliegenden Fall § 69 Abs. 2 iVm. § 65b iVm. § 67 Abs. 1 FPG heranzuziehen.
3.3.2. Bei Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs "tatsächlich" ist festzuhalten, dass darunter sowohl eine nach Intensität als auch Konstanz vorliegende Wirksamkeit angesprochen wird. Als Synonym bzw. Deskription von tatsächlich könnte demnach auch "wirksam feststellbar", im Umkehrschluss: nicht fiktiv, verstanden werden.
Zum Vorliegen des Tatbestandselements der Gegenwärtigkeit bedarf es eines Sachverhalts, dessen Wirkungen nicht schon in der Vergangenheit erschöpft, sondern auch zumindest in die Gegenwart reichend anzusehen sind. Dies impliziert jedoch auch die Beurteilung einer aus Sicht des gegenwärtigen Augenblicks erstellten Zukunftsprognose.
"Erheblich" wiederum bedeutet in etymologischer Herleitung: "Schwer genug, um die Waagschale zu heben". Ursprünglich aus dem Rechtsbegriff Relevanz abgeleitet, übersteigt "erheblich" in der Gemeinsprache den Ursprungsbegriff der Intensität nach.
Diese Tatbestandselemente müssen kumulativ vorliegen.
3.3.3. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass eine über rund 4 Jahre hin verübte Serie von Diebstählen eine tatsächliche und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt.
Die Bw wendet nun aber ein, dass sie seit dem Jahr 2007 keine einschlägigen Delikte mehr begangen habe und stellt somit die Gegenwärtigkeit der Gefährdung in Abrede. Diesbezüglich ist ihr auch zu folgen.
Bedenkt man, dass die Bw in den Jahren 2003 bis 2007 in kurzen Abständen beinahe konstant straffällig wurde, so scheint es seit der letzten Verurteilung wegen Diebstahls doch ein klares Umdenken und Umorientieren der Bw gegeben zu haben, da sie einen diesbezüglichen nachträglichen Wohlverhaltenszeitraum von immerhin 6 Jahren vorweisen kann. Betreffend die Gefährdung aufgrund von Vermögensdelikten ist die ursprünglich getroffene negative Zukunftsprognose sohin nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Die belangte Behörde weist zurecht darauf hin, dass die Straftat der Bw im Bereich des FPG, die im Jahr 2009 zu einer Verurteilung zu 1 Monat bedingt führte, nicht zu verharmlosen ist; allerdings kommt jener – insbesondere nach der gegebenen Situation, in der die Bw rechtswidrig ihrem Bruder zu einer Unterkunft verhalf - nicht der Grad an Tatsächlichkeit und Erheblichkeit zu, die nach § 67 FPG gefordert sind.
3.3.4. Zusammengefasst ist also festzuhalten, dass die Umstände die zur Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes geführt haben, nämlich die ursprünglich massive Vermögensdelinquenz der Bw, nicht mehr vorliegen.
Auf die weiteren Berufungsvorbringen bzw. auf eine Interessensabwägung gemäß § 61 FPG kann daher verzichtet werden.
3.4.1. Es war daher der Berufung mit der Maßgabe stattzugeben, als das mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 11. Juni 2007 erlassene auf 10 Jahre befristete Aufenthaltsverbot aufgehoben wird.
3.4.2. Nachdem die Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59Abs. 1 FPG die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides unterbleiben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 22,10 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.
Bernhard Pree