Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301234/3/MB/JO

Linz, 03.04.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 11. Kammer (Vorsitzender: Dr. Weiß; Berichter: Dr. Brandstetter; Beisitzer: Dr. Gróf) über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 2. Jänner 2012, Zl. S-59255/11-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:

 

I.             Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II.          Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz (nunmehr: Landespolizeidirektion Oberösterreich; im Folgenden: belangte Behörde) vom 9. Februar 2012, Zl. S-59255/11-2, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) für schuldig erkannt, er habe es, wie am 6. Dezember 2011 um 8:45 Uhr in X, im Lokal "X" von Organen des Finanzamtes Linz festgestellt wurde, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma X, in der Funktion als Veranstalter von Glücksspielen zu verantworten, dass gegen die Mitwirkungspflicht gem. § 50 Abs 4 GSpG verstoßen wurde, da er den Organen des Finanzamtes Linz keinen Einblick in die Gerätebuchhaltung (weder elektronisch noch schriftlich) gewährt habe.

 

Als verletzte Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde § 9 Abs 1 VStG iVm § 50 Abs 4 Satz 2 GSpG iVm § 52 Abs 1 Z 5 GSpG an, verhängte über den Bw eine Geldstrafe in Höhe von 3.500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) und verpflichtete ihn zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz in Höhe von 10 % der Geldstrafe.

 

1.2. Zum Sachverhalt stellte die belangte Behörde fest, dass zum Tatzeitpunkt von Organen des Finanzamtes Linz im "X", X, in X eine Glücksspielkontrolle durchgeführt worden sei. Als Betreiber dieser Glücksspiele sei die X anzusehen, als dessen handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bw fungiere, welcher aber bei der Kontrolle nicht anwesend gewesen sei. Bei dieser Kontrolle habe die Finanzpolizei 1 betriebsbereites Gerät eingeschaltet vorgefunden. Die im Lokal anwesende Angestellte X und in weiterer Folge der Bw (telefonisch) seien im Zuge der Kontrolle mehrmals aufgefordert worden, Einsicht in die Gerätebuchhaltung zu gewähren und die Schlüssel für das Gerät vorzulegen. Diesen Anweisungen sei nicht nachgekommen worden. Nachfolgend führt die belangte Behörde aus, dass der Bw im Rahmen seiner schriftlichen Rechtfertigung vom 12. Jänner 2012 angegeben habe, dass der Anzeige nicht zu entnehmen sei, um welches Gerät es sich handle und aus welchem Grund eine Mitwirkungspflicht überhaupt bestehe. Bei dem Gerät handle es sich zudem um ein Internetterminal, welches über keine Gerätebuchhaltung verfüge.

 

1.3. In rechtlicher Hinsicht wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass feststehe, dass es sich bei den vorgefundenen Gerätschaften um betriebsbereite und eingeschaltete Glücksspielgeräte handle. Zudem sei ersichtlich, dass der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer der X, welche als Veranstalter und Betreiber anzusehen sei, gemäß § 9 VStG verantwortlich sei. Auch sei das Verhalten der zuvor erwähnten Angestellten dem Bw zurechenbar.

 

Nach Bewertung des § 50 Abs. 4 GSpG als Ungehorsamsdelikt führt die belangte Behörde aus, dass vor diesem Hintergrund das verantwortliche Organ – der Bw – dann strafbar sei, wenn er nicht genügend Verkehrungen getroffen habe, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Es liege daher eine Unterlassung dem Vorwurf zugrunde. In einem solchen Fall habe bei Erfüllung des objektiven Tatbildes (gemeint wohl: Tatbestandes) der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verwaltungsübertretung keine Schuld treffe. Solange dies nicht der Fall sei, habe die Behörde anzunehmen, dass der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können. Es sei daher die Sache des Bw, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden träfe (VwGH 29.4.2011, Zl. 2009/09/0037).

 

Anfolgend konstatiert die belangte Behörde, dass im gegenständlichen Fall vorsätzlich die Mitwirkungspflicht unterlassen worden sei. Zudem sei von den Organen der Finanzpolizei angezeigt worden, dass kein Einblick in die Gerätebuchhaltung – weder elektronisch wie schriftlich – gewährt wurde. Dass eine Gerätebuchhaltung vorhanden sein müsse, ergäbe sich schon aus den Feststellungen der Finanzpolizei und aus § 131 BAO. Der Bw könne sich mit einem entsprechenden Vorbringen nicht exkulpieren.

 

Abschließend führt die belangte Behörde zur Strafzumessung aus, dass der Bw Unbescholtenheit nicht geltend machen könne und die Tat unrechts- und schuldangemessen sei, da sie im untersten Bereich des Strafrahmens angesiedelt sei. Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse werden von der belangten Behörde in der Form angenommen, als keine Sorgepflichten, kein Vermögen und 1.200 Euro netto Monatsverdienst als gegeben angenommen werden können.

 

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 13. Februar 2012, richtet sich die rechtzeitige Berufung welche am 27. Februar 2012 per Fax übermittelt wurde.

 

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass es sich bei dem Gerät um ein Internet-Terminal handle und es daher nicht über eine Gerätebuchhaltung verfüge. Die Anweisung, andere Unterlagen der Buchhaltung vorzulegen, sei nicht erfolgt. Darüber hinaus könne mit dem gegenständlichen Gerät nicht gegen das GSpG verstoßen werden. Zudem sei der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Kontrolle in Athen gewesen und sei es ihm daher nicht möglich gewesen der Vorlage nachzukommen.

 

Der Bw beantragt daher sinngemäß, der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben. Auch beantragt der Bw die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der sämtliche bei der Kontrolle anwesenden Personen als Zeugen zu laden seien.

 

2.2. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 2. April 2011 die Berufung und ihren Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung macht die belangte Behörde aus Plausibilitätsgründen nicht Gebrauch.

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien). Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Gemäß § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – durch eine Kammer zu entscheiden.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz, BGBl 620/1989 in der zur Tatzeit geltenden Fassung BGBl I 76/2011 (in der Folge: GSpG) sind für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß § 51 Abs 1 VStG zuständig. Nach § 27 VStG ist im vorliegenden Fall auch die örtliche Zuständigkeit als gegeben anzunehmen.

 

4.2. Gemäß § 50 Abs 4 GSpG sind die Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG und die im § 50 Abs 2 und 3 leg.cit. genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter, Anbieter und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs 3 GSpG) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren.

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 5 GSpG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen, wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs 3 GSpG vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs 6 GSpG oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstößt.

 

Gemäß § 52 Abs 5 GSpG beträgt die Verjährungsfrist (§ 31 Abs 2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß § 52 Abs 1 GSpG ein Jahr.

 

4.3. § 50 Abs 4 GSpG normiert eine "umfassende" Mitwirkungs- und Duldungspflicht, welche sich an verschiedene Adressaten richtet. Im Grunde soll diese Mitwirkungs- und Duldungspflicht die Effizienz der Kontrolle im Rahmen des GSpG steigern (vgl grundlegend EBRV 658 BlgNR 24. GP, 3) und zur Gewinnung der notwendigen Informationen zur Durchführung der Überwachungsaufgaben im Rahmen des GSpG führen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist (vgl dazu § 50 Abs 4 1. Satz GSpG).

 

Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung wird eine erste Grenze der Duldungs- und Mitwirkungspflicht ersichtlich. Diese Pflichten erstrecken sich nur auf den Bereich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG. Liegt hingegen der Verdacht – welcher im Kern des Begriffes notwendig ein begründeter, d.h. auf Tatsachen zurückzuführender, ist (siehe zum retrospektiv diagnostischen Element des Verdachtsbegriffes im Rahmen der abduktiven Entdeckung und Bewertung von Hypothesen Schulz, Normiertes Misstrauen, 224 ff, 312 ff und 528 f) – auf den Verstoß gegen das GSpG vor, so endet die Duldungs- und Mitwirkungspflicht. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um die Durchführung von Überwachungsaufgaben zum Zwecke (arg.: "erforderlich") der Einhaltung des GSpG, sondern zum Zwecke der Tataufklärung und Ermittlung wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das GSpG.

 

Diese Auslegung korreliert jedenfalls betreffend die Mitwirkungspflicht in den überwiegenden Fallkonstellationen mit den Vorgaben des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips "nemo tenetur se ipsum accusare", nach dem der Gesetzgeber keine Regelung treffen darf, die eine im Verdacht einer strafbaren Handlung stehende Person verpflichtet, Beweise gegen sich selbst zu liefern (dazu mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 786).

 

Darüber hinaus ist aus dem Wortlaut abzuleiten, dass die Duldungs- und Mitwirkungspflicht nicht nur ad personam durch die Anwendbarkeit des Selbstbezichtigungsverbotes begrenzt ist, sondern dass das Entstehen der Verdachtslage auch generell die Zäsur darstellt.

 

Ist somit aus der objektiven Sichtweise ex ante eine Verdachtslage auf einen Verstoß gegen das Glücksspielgesetz gegeben, so endet zumindest die Mitwirkungspflicht (siehe zur vorzunehmenden Art der Abgrenzung in ähnlichen Konstellationen Lienbacher, Ist staatsanwaltliches Handeln ein zulässiger Kontrollgegenstand, in Lienbacher/Wielinger, Jahrbuch Öffentliches Recht 2010, 73 f). Denn es geht dann nicht mehr nur um die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben zur Kontrolle der Einhaltung des Glücksspielgesetzes, sondern um strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen im Hinblick auf einen Verstoß.

 

Das Argument, dass durch das bloße Einschreiten von Hilfsorganen - deren Verhalten der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde zuzurechnen ist - der öffentlichen Aufsicht (Finanzpolizei) noch kein formaler Beginn eines Strafverfahrens im Sinne des § 32 VStG (arg. noch keine behördliche Verfolgungshandlung) erfolgt sei, vermag am oben dargelegten, verfassungsrechtlich gebotenen Interpretationsergebnis, das nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs aus der materiellen Bedeutung des Anklageprinzips nach Art 90 Abs 2 B-VG folgt und daher auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt (vgl mN Mayer, B-VG4 [2007] Art 90 B-VG Anm III), sachlich nichts zu ändern. Es liegt auf der Hand, dass das bloße Abstellen auf behördliche Verfolgungshandlungen und ein Ausblenden des Verfolgungsverhaltens von Hilfsorganen nur ein der Aushöhlung und Umgehung dienender Formalismus wäre, der dem Wesensgehalt des verfassungsrechtlichen Selbstbezichtigungsverbots und der Unschuldvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK diametral zuwiderliefe.

 

Vor diesem Hintergrund ist nun aus der Zusammenschau des Akteninhalts, insbesondere der Anzeige der Finanzpolizei samt der aufgenommenen Fotodokumentation, und aus dem Umstand, dass in Oberösterreich auch das kleine Glücksspiel immer verboten war (weshalb keine Übergangsfristen gemäß § 60 Abs 25 GSpG in Betracht kommen) zu erkennen, dass für das Einschreiten der Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmung des § 52 GSpG im Vordergrund stand. So wurde laut Feststellungen der Finanzpolizei beim Eintreffen im Lokal 1 Gerät betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden. Zudem ist aus der Fotodokumentation ersichtlich, dass das Gerät mit der Nr. 6 bereits mit Versiegelungsplaketten versehen ist. Insbesondere hieraus kann der eindeutige Schluss gezogen werden, dass schon im Zeitpunkt des Einschreitens der Finanzpolizei um 8:45 Uhr die oben beschriebene Verdachtslage vorlag und endete bei verfassungskonformer Auslegung die Mitwirkungspflicht gemäß dem § 50 Abs 4 GSpG. Bestätigt wird dieser Schluss, da im Rahmen eines Amtshilfeersuchens das Finanzamt Linz selbst ausführt, dass der Umstand von verbotenen Ausspielungen von den Organen der Finanzpolizei Linz selbst eindeutig festgestellt wurde (s Seite 2 der Stellungnahme vom 27. Februar 2012).

 

Mangels einer Mitwirkungspflicht an der Strafverfolgung und Aufklärung von Delikten war daher auch keine mit Strafe bedrohte Handlung möglich.

 

4.4. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat zudem so weit zu konkretisieren, dass diese erstens nach Tatort und Tatzeit unverwechselbar feststeht sowie zweitens eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und damit auch die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985); im Spruch sind daher alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

 

Der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhalten nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Umschreibung der Tat bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, Zl. 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, Zl. 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, Zl. 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Spruchgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, Zl. 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, Zl. 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, Zl. 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, Zl. 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, Zl. 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, Zl. 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, Zl. 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, Zl. 97/06/0170).

 

4.5.1. Die Bestimmung des § 50 Abs 4 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung verpflichtet verschiedene Adressaten, nämlich Veranstalter und Anbieter von Glücksspielen und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, unmittelbar zur Mitwirkung. Zu diesen Varianten unmittelbarer Täterschaft kann jeweils eine Beteiligungssituation hinzutreten. Beispielsweise ist denkbar, dass der Veranstalter oder Anbieter von Glücksspielen dazu beiträgt oder anstiftet, dass eine bereithaltende Person der Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Weiters ist zu bedenken, dass – wie es im gegenständlichen Fall gegeben ist – eine juristische Person als Veranstalter bzw Anbieter in Frage kommt und wiederum ein außenvertretungsbefugtes Organ (zB Geschäftsführer) im Rahmen des § 9 VStG verantwortlich ist. In diesem Zusammenhang haftet das außenvertretungsbefugte Organ wiederum in zwei Varianten. Entweder setzt das Organ selbst in zurechenbarer Weise ein rechtswidriges Verhalten für die juristische Person oder das außenvertretungsbefugte Organ muss sich ein rechtswidriges Verhalten von Mitarbeitern als Organisationsverschulden zurechnen lassen.

 

Da nun die Art der Täterschaft einer Verwaltungsübertretung nach dem § 50 Abs 4 iVm § 52 Abs 1 Z 5 GSpG in vielen Erscheinungsformen möglich ist, hat im Spruch des Straferkenntnisses eine genaue Aus- und Anführung zur Täterschaft und Beteiligung iSd § 7 VStG zu erfolgen, um dem Beschuldigten eine entsprechende Verteidigung zu ermöglichen. Erfolgt diese Differenzierung und Konkretisierung nicht, so ist der Spruch des Straferkenntnisses nicht iSd Anforderungen nach § 44a Z 1 VStG bestimmt und unverwechselbar und daher mit Rechtswidrigkeit behaftet. So hat beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof zur Beteiligungsform der Beihilfe klargestellt, dass im Spruch sowohl die Tatumstände zu konkretisieren sind, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zur verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglicht, als auch jenes konkrete Verhalten darzustellen ist, durch welches der Tatbestand der Beihilfe verwirklicht wird (vgl VwSlg 13112 A/1990 und VwSlg 13224 A/1990).

 

4.5.2. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Tatbegehungsformen hätte die belangte Behörde eine differenzierte und konkretisierte Fassung des Tatvorwurfes vornehmen müssen. Ihre Ausführungen decken sich stattdessen weitgehend mit dem Gesetzeswortlaut im § 50 Abs 4 GSpG und reichen für die Bestimmtheit iSd § 44a Z 1 VStG nicht hin. Durch die substanzlose Verwendung der verba legalia wird nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs noch keine Konkretisierung im Sinne der Anforderungen des § 44a Z 1 VStG vorgenommen. Denn es reicht nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatzeit und Tatort wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Diese einzelfallbezogene Konkretisierung des Spruches iSd § 44a Z 1 VStG ist einerseits deshalb erforderlich, damit der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und andererseits um den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl VwGH 18.10.2011, Zl. 2011/02/0281 unter Bezugnahme auf Vorjudikatur) und damit der Gefahr einer allfälligen Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (vgl speziell für Übertretungen nach dem GSpG VwGH 12.3.2010, Zl. 2010/17/0017).

 

4.5.3. Im konkreten Fall wird der Bw zunächst als außenvertretungsbefugtes Organ der X angesprochen und ihm dann aber persönlich vorgeworfen, dass er es als Veranstalter (arg. "... in der Funktion als ...") von Glücksspielen zu verantworten habe, dass gegen die Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstoßen wurde, da er selbst (arg. "... Sie ... haben ... ") keinen Einblick in die Gerätebuchhaltung gewährt habe. In weiterer Folge wird jedoch in den zitierten Rechtsvorschriften wiederum § 9 Abs 1 VStG angeführt. Hinzutritt, dass die belangte Behörde ohne weitere Bezugnahme auf die X in der Zustellverfügung Herrn X zu Handen seines Rechtsanwaltes persönlich anführt. Der zuvor erwähnten Unklarheiten im Spruch wird daher eine weitere hinzugefügt. Aus der Begründung des Bescheides der belangten Behörde wiederum wird auf Seite 2 letzter Absatz ersichtlich, dass dem Tatvorwurf (welcher überdies im Spruch jeglicher Anführung eines Lebenssachverhaltes entbehrt) möglicherweise das zurechenbare Verhalten einer Angestellten der X zugrunde gelegt wird, da hier das "Fehlverhalten" der "X." ins Treffen geführt wird. Bestätigt wird dies dadurch, als die belangte Behörde im Rechtlichen weiter ausführt, dass der Bw nicht genügend Vorkehrungen getroffen habe um die Verwirklichung des Tatbildes zu verhindern. Anders gewendet: der Bw habe kein ausreichendes Kontrollsystem installiert. Diese Unterlassung wird dem Bw sodann auch schuldhaft – ohne nähere Feststellung, Darlegung der Rechtsgrundlage und Subsumtion zum Vorsatz, welcher gerade nicht von der Verschuldensvermutung des § 5 VStG erfasst ist – zur Last gelegt.

 

Zusammengefasst kann somit nicht mit der geforderten Klarheit erkannt werden, welche Tat dem Bw vorgeworfen wird bzw. welcher Tat der Bw für schuldig erkannt wird. Ist der Bw als Verantwortlicher gem. § 9 Abs 1 VStG oder als Privatperson angesprochen? Welches Verhalten hat der Bw gesetzt oder gerade nicht gesetzt? Wird dem Bw ein Verhalten einer Dritten Person zugerechnet? usw.

 

Im Übrigen wurde die Mitwirkungspflicht von Veranstalter, Inhaber und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, erst durch die Novelle BGBl I 112/2012 dahingehend erweitert, dass diese Personen "dafür zu sorgen [haben], dass eine anwesende Person den in § 50 Abs 4 GSpG normierten Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt". Diese Bestimmung war auf den vorliegenden Tatzeitpunkt allerdings nicht anzuwenden. Entgegen den diesbezüglichen Parlamentarischen Materialien (vgl. die Regierungsvorlage BlgNR 1960 24. GP zu § 50 Abs 4 zweiter Satz GSpG), war eine derartige Vorkehrungspflicht des genannten Personenkreises aus dem auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Gesetzestext – schon allein vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich gebotenen besonders strengen Legalitätsprinzips im Strafrecht – keineswegs abzuleiten (vgl. mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 573). So reichen nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im strafrechtlichen Kontext bereits für den Rechtsunterworfenen oder die vollziehende Behörde bestehende "rechtliche Unklarheiten" einer Norm aus, um einen Verstoß gegen das Determinierungsgebot zu begründen (VfSlg. 15.543/1999). Eine in diesem Zusammenhang "einwandfreie Gesetzesanwendung" war aber – wie von den zitierten Erläuternden Bemerkungen selbst eingeräumt – aufgrund der offensichtlich notwendigen "Klarstellung" des Normtextes nicht möglich. Schon aus diesem Grund war daher – im Lichte dieser restriktiven verfassungsrechtlichen Vorgaben – hinsichtlich § 50 Abs 4 GSpG streng am (eindeutigen) Gesetzeswortlaut festzuhalten und war daher zum Tatzeitpunkt die mangelnde Vorkehrung, dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person den Mitwirkungspflichten entsprechend nachkommt, nicht strafbar.

 

Eine Zurechnung des Handelns von Angestellten und Mitarbeitern dem strafrechtlich Verantwortlichen gegenüber wäre daher einzig und allein im Rahmen der mittelbaren Täterschaft nach § 7 VStG denkbar, was aber mangels entsprechender Spruchkonkretisierung iSd § 44a Abs 1 VStG im vorliegenden Fall von vornherein ausgeschlossen ist.

 

4.5.4. In Bezug auf einen Tatvorwurf wie den gegenständlichen, dass der Bw "keinen Einblick in die Gerätebuchhaltung (weder elektronisch noch schriftlich) des vorläufig beschlagnahmten Gerätes gewährt" habe, fehlt es dem Spruch an der erforderlichen Konkretisierung, da dieser nicht geeignet ist, dem Bw eine individuelle Tat unverwechselbar vorzuwerfen. So geht aus dieser Formulierung nicht hervor, ob dem Bw vorgeworfen wird, dass er den Kontrollorganen keinen Einblick in von ihm tatsächlich geführte Aufzeichnungen gewährte, oder ob ihm vielmehr die Tatsache vorgeworfen wird, dass er trotz gesetzlicher Verpflichtung keine entsprechenden Aufzeichnungen geführt hat. So deuten die Ausführungen in der Bescheidbegründung auf den Vorwurf hin, dass eine entsprechende Buchführungspflicht unter Hinweis auf § 131 BAO nicht wahrgenommen wurde, und räumt auch die Finanzpolizei in ihrer Stellungnahme vom 12. Jänner 2012 selbst ein: "Dass es keine Gerätebuchhaltung gibt, mag zwar den Tatsachen entsprechen, … befreit den Beschuldigten jedoch nicht vom Vorwurf des Verstoßes gegen die Bestimmung des § 50 Abs. 4 GSpG, da eine Gerätebuchhaltung schon durch die Bestimmung des § 131 BAO zu führen ist".

 

Weiters wäre es auch denkbar, dass dem Bw mit der genannten Formulierung die Mitwirkungspflicht hinsichtlich nicht von ihm geführter sondern lediglich in den Glücksspielgeräten selbst abrufbarer Gerätebuchhaltungen vorgeworfen wird (arg.: "elektronisch").

 

Aus der gegenständlichen Spruchformulierung geht daher nicht eindeutig und unzweifelhaft hervor, welches Verhalten dem Bw tatsächlich vorgeworfen wird.

 

Ferner bleibt hinsichtlich des Spruches auch die Frage offen, ob dem Bw selbst die Nichtgewährung von Einblicken in Aufzeichnungen (Gerätebuchhaltungen) im Rahmen der Kontrolle vorgeworfen wird, oder ob ihm das Verhalten seiner Angestellten zugerechnet und damit dieses vorgeworfen wird.

 

Gesamt betrachtet enthält der Spruch daher keinen eindeutigen Tatvorwurf, der hinreichend klar und für den Beschuldigten unzweifelhaft zuordenbar formuliert ist; im Übrigen führte selbst die Heranziehung der Bescheidbegründung diesbezüglich zu keiner entsprechenden Klarstellung.

 

4.5.5. Im Übrigen muss der Spruch nach § 44a Abs. 1 VStG die als erwiesen angenommene Tat enthalten. Einerseits wäre im Zusammenhang mit der Frage nach einer solchen Tat denkbar, dass der Bw den Kontrollorganen keine Einblicke in von ihm tatsächlich geführte Aufzeichnungen gewährte, dass es Aufzeichnungen trotz Buchführungspflicht nicht gab oder dass auf den Geräten selbst abrufbare elektronische Gerätebuchhaltungen den Kontrollorganen nicht gezeigt wurden. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG in der auf den Tatzeitpunkt anzuwendenden Fassung wäre dabei allerdings alleine der erstgenannte Umstand, dass kein Einblick in tatsächlich geführte Aufzeichnungen gewährt wurde, strafbar:

 

Denn unter "geführten" Aufzeichnungen iSd § 50 Abs. 4 GSpG sind schon dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zufolge ausschließlich tatsächlich geführte Aufzeichnungen zu verstehen; ob dabei eine Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen besteht oder nicht, ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Selbst wenn also Aufzeichnungen grundsätzlich zwingend geführt werden müssten, diese allerdings rechtswidriger Weise tatsächlich nicht geführt werden, wäre dies jedenfalls nicht unter den Tatbestand der Nichtgewährung von Einblicken in die geführten Aufzeichnungen zu subsumieren.

 

Wenn die Erstbehörde und die Finanzpolizei daher darauf hinweisen, dass eine Gerätebuchhaltung schon durch die Bestimmung des § 131 BAO zu führen sei, und allein schon mit einem diesbezüglichen Nicht-Entsprechen ein Verstoß des Bw gegen die Bestimmung des § 50 Abs. 4 GSpG verbunden sei, so sind sie damit nicht im Recht. Die Verletzung einer derartigen abgabenrechtlichen Sollvorschrift wäre in einem allfälligen Abgabenverfahren gegebenenfalls mit einer Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung nach § 184 BAO verbunden bzw. stellte allenfalls eine mit einer Geldstrafe bis zu 5000 Euro zu ahndende Finanzordnungswidrigkeit nach § 51 Finanzstrafgesetz dar, kann aber darüber hinaus nicht zu einer Strafbarkeit wegen unterlassener Mitwirkung nach § 50 Abs. 4 GSpG führen. Das Glücksspielrecht kennt im Übrigen keine dem § 131 BAO vergleichbare Aufzeichnungspflicht. Strafbar nach der glücksspiel­rechtlichen Mitwirkungsbestimmung ist ausschließlich die Nichtgewährung des Einblicks in geführte Aufzeichnungen, nicht aber in nach anderen Rechtsvorschriften allenfalls zu führende Aufzeichnungen. Maßgeblich ist daher ausschließlich, welche Aufzeichnungen vom Bw tatsächlich geführt wurden, und ob er diesbezüglich Einblick gewährt hat, und nicht, ob der Bw nach abgabenrechtlichen Bestimmungen zur Führung derartiger Aufzeichnungen verpflichtet gewesen wäre.

 

Dass aber entsprechende Buchhaltungsunterlagen vom Bw tatsächlich geführt worden wären, konnte im vorliegenden Verfahren nicht erwiesen werden.

 

Wenn also § 50 Abs. 4 GSpG eine Einblicksmöglichkeit in geführte Aufzeichnungen im Rahmen der Überwachung der Einhaltung des GSpG Kontrolle festschreibt, kann diese Bestimmung naturgemäß nur dahingehend verstanden werden, dass unter "geführten" Aufzeichnungen nur solche verstanden werden können, die an Ort und Stelle im Zeitpunkt der Kontrolle verfügbar sind. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Zweck der glücksspielrechtlichen Bestimmung nach § 50 Abs. 4 GSpG, dem gemäß den Organen der öffentlichen Aufsicht zum Zwecke der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG ein rasches und effizientes Handeln durch entsprechende Einsichts- und Überprüfungsmöglichkeiten an Ort und Stelle im Zeitpunkt ihres Einschreitens ermöglicht werden soll. Wesentlich dabei ist das Ziel der Erlangung hinreichender Verdachtsmomente durch die Organe der öffentlichen Aufsicht im Zeitpunkt der Kontrolle. Damit können aber auch nur die vor Ort befindlichen Unterlagen maßgeblich sein. Das Ziel derartiger Überwachungskontrollen, allenfalls bei entsprechend eruiertem begründetem Verdacht iSd § 53 Abs. 1 GSpG eine vorläufige Beschlagnahme vorzunehmen, um neuerliche Verwaltungs­übertretungen bis zum ordentlichen Beschlagnahme­bescheid­verfahren umgehend zu verhindern, könnte im Übrigen durch weitwendige Ermittlungstätigkeiten der Kontrollorgane nicht zweckmäßig verfolgt werden; für die den Behörden zur Seite gegebenen finanzpolizeilichen Hilfsorgane kann daher einzig und allein die an Ort und Stelle vorgefundene Aufzeichnungssituation relevant sein, um einen entsprechenden Verdacht für eine vorläufige Beschlagnahme zu begründen. Allenfalls beim Steuerberater – und damit räumlich im Zeitpunkt der Kontrolle durch die Abgabenbehörde nicht greifbare – aufliegende allgemeine Buchhaltungsunterlagen sind daher nicht unter die Begrifflichkeit "geführter" Aufzeichnungen iSd § 50 Abs. 4 GSpG zu subsumieren.

 

Da somit im vorliegenden Fall nicht erwiesen werden konnte, dass den Kontrollorganen vom Bw kein Einblick in am Ort der Kontrolle "geführte" – dh somit dort tatsächlich vorhandene – schriftliche Aufzeichnungen gewährt worden wäre, scheidet eine diesbezügliche Bestrafung des Bw auch aus diesem Grund von vornherein aus. Den Kontrollorganen wäre im Übrigen eine umfassende Überprüfungsmöglichkeit nach § 50 Abs. 4 GSpG am Kontrollort eingeräumt gewesen, weshalb eine – dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende – Nachschau nach den vermuteten Buchhaltungsunterlagen vor Ort im Fall eines diesbezüglichen Verdachtes auf ihr Verbergen am Kontrollort selbst jederzeit offengestanden wäre.

 

Weiters waren in den Geräten selbst enthaltene Buchhaltungsaufzeichnungen von der Mitwirkungspflicht, Einblick in die geführten Aufzeichnungen zu gewähren, im Tatzeitpunkt noch nicht erfasst, weshalb ein derartiger Tatvorwurf auch aus diesem Grund jedenfalls unzulässig wäre. Denn erst mit der Novelle BGBl I 112/2012 wurde zusätzlich zur Verpflichtung, Einblick in die geführten Aufzeichnungen zu gewähren, die Verpflichtung zu Einblicken in die "Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen" festgeschrieben. Selbsttätige elektronische Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen können dem Bundesgesetzgeber zufolge nicht auch gleichermaßen als "geführte" Aufzeichnungen iSd hier anzuwendenden Gesetzeswortlautes qualifiziert werden, weshalb solche Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen selbst – wie etwa in den Geräten selbst enthaltene Gerätebuchhaltungen – daher zum Tatzeitpunkt (noch) nicht von der Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG erfasst gewesen sind.

 

4.6. Die belangte Behörde hat daher weder im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung einen entsprechend den Umständen des Einzelfalles konkretisierten verwaltungsstrafrechtlich relevanten Tatvorwurf erhoben, der die Identität der Tat mit ausreichender Bestimmtheit formuliert und unverwechselbar erscheint. Mangels einer geeigneten behördlichen Verfolgungshandlung ist insofern auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 52 Abs 5 GSpG die Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Dem Unabhängigen Verwaltungssenat war es außerdem als Berufungsbehörde, die gemäß dem § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG bei ihrer Entscheidungsbefugnis auf den Gegenstand des Spruches des Straferkenntnisses beschränkt ist, verwehrt, eine ganz neue Anlastung vorzunehmen und dabei wesentliche Tatmerkmale auszutauschen.

 

5. Im Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis im Hinblick auf wesentliche Spruchmängel mangels einer zutreffend angelasteten Verwaltungsübertretung aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

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