Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401302/4/SR/JO

Linz, 05.06.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X auch X, geboren am X, Staatsangehöriger der russischen Föderation, derzeit aufhältig im PAZ X, vertreten durch X, wegen Verhängung und Anhaltung in Schubhaft seit 3. April 2013 durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.        Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

II.     Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2013) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 3. April 2013, GZ: Sich40-1815-2013, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 2 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 Abs. 1 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG sowie zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet und wird im PAZ X vollzogen.

 

Die belangte Behörde führte in der Begründung nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen wie folgt aus:

 

Sie wurden gemeinsam mit Ihrem Ehepartner und Ihrer Tochter am 21.03.2013 um 14:10 Uhr von der Polizeiinspektion X in X auf der Ax Südautobahn bei Ihrer Einreise in das Bundesgebiet kontrolliert.

 

Hierzu hält die Polizeiinspektion X mit einer Wahrnehmungsmeldung an die Asyl und Fremdenbehörden wörtlich fest:

 

[......]

 

Oa X, X u X reisten, am 20.03.2013 mit dem Flugzeug (Boarding Card im Anhang) von Moskau nach Barcelona (Spanien). Am 21.03.2013 gegen 14:10 Uhr wurden sie bereits im Bereiche A2 in Fahrtrichtung Wien einer Kontrolle unterzogen.

Als Lenker fungierte oa X.

Bei der Befragung des X gab dieser an, in die Ukraine zu fahren und habe die anderen Personen am Flughafen Barcelona aufgenommen, weiteres wollte er keine Angaben mehr machen und hatte für eine längere Reise auch kein Gepäck bei sich(keine Reisetasche, keine zusätzliche Kleidung).

Oa X u X gaben an, nach Graz zu fahren, weil sie hatten im Internet gesehen das Graz eine schöne Stadt sei. Weiters war X hoch schwanger. Auch hatten sie für eine derartige Reise kein Gepäck bei sich sondern nur ein paar Kunststoff – Tragtaschen (keine Kleidungsstücke, keine Reisetasche).

X hatte in seiner Umhängetasche ein paar zusammengerollte Rubel und ca 1.000,- Euro in Hunderterscheinen bei sich.

Weiters wurden ein Gebetsbuch in Arabischer Schrift und ein weiteres Schriftstück in arabischer Schrift vorgefunden, wobei sie angaben, dass dies ein Glücksbringer sei.

Alle drei russischen StAng [wiesen bei der Kontrolle ein gültiges Reisedokument vor] hatten ein gültiges italienisches C Visa mit Einreisestempel – Flughafen Barcelona.

 

Nachdem die vorliegenden Angaben realitätsfremd sind, berichtete mit vorliegender Sachverhaltsdarstellung die Polizeiinspektion X dem Bundesasylamt Graz.

 

Am 29.03.2013 stellten Sie mit Ihrem angeführten Ehepartner und Ihrer angeführten Tochter einen Asylantrag in der Erstaufnahmestelle X. Dabei brachten Sie keine Reisedokumente zur Vorlage und erbaten aufgrund Mittellosigkeit um staatliche Unterstützung. Worauf Ihnen mit Ihrem Ehepartner und Ihrer Tochter – wenn auch nur vorübergehend – eine bundesbetreute Unterkunft in der Erstaufnahmestelle X zugewiesen wurde.

Über einen anderwärtigen ordentlichen Wohnsitz verfügen Sie im Bundesgebiet der Republik Österreich nicht.

 

Die von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizeiinspektion X unter Beiziehung eines Dolmetschers der Sprache Russisch) aufgenommenen Niederschriften mit dem Bf und seiner Gattin wurden in den bekämpften Bescheid integriert und vollständig wiedergegeben.

 

Übereinstimmend geben der Bf und seine Gattin an, dass sie am 25. März 2013 den Herkunftsstaat mit dem Pkw verlassen hätten und illegal ausgereist wären. Über ein Reisedokument hätten sie nie verfügt. Der russische Inlandspass sei ihnen abgenommen worden und den gültigen Personalausweis hätten sie zu Hause gelassen. Die Reise, die vom 25. bis 29. März 2013 gedauert und ihren Ausgangspunkt mit der illegalen Einreise in die Ukraine genommen habe, wurde allgemein gehalten beschrieben. Für die „Reise“ habe der Vater insgesamt 4.500 Euro bezahlt.

 

Zum Sachverhalt führte die belangte Behörde weiter aus:

 

Am 31.03.2013 und am 02.04.2013 verließen Sie entgegen Ihrer Mitwirkungspflicht gemeinsam mit Ihrem Ehepartner ungerechtfertigt die Erstaufnahmestelle X.

 

Am 02.04.2013 verständigte das Bundesasylamt Graz die Erstaufnahmestelle X darüber, dass der eingangs angeführte Wahrnehmungsbericht zu jenen Personen vorliegt, welche ident zu vorliegenden Asylantragstellungen zu AIS: 13 04.002 bis 004 ist.

 

Daraufhin leitete das Bundesasylamt Erstaufnahmestelle X  über Sie, als auch über Ihren Ehepartner und Ihrer gemeinsamen Tochter Konsultationen und damit ein Ausweisungsverfahren nach Italien ein.

 

Am 03.04.2013 wurden Sie fremdenpolizeilich zu vorliegender Sachlage niederschriftlich erstbefragt und Ihnen dabei das Ermittlungsergebnis und die Einleitung des Ausweisungsverfahrens mit der Zustellung der Mitteilung gem. § 29 AsylG zur Kenntnis gebracht. In der zitierten niederschriftlichen Befragung führten Sie unter Beizug eines Dolmetschers der Sprache Russisch wie folgt wörtlich an:

 

Sie sind im Besitz der roten Karte und unterliegen der besonderen Mitwirkungspflicht.

 

1.    Haben Sie die Informationsblätter vom Bundesasylamt über das Verfahren in der Erstaufnahmestelle erhalten?

Ja

2.    Haben Sie das Informationsblatt zur besonderen Mitwirkungspflicht erhalten?

Ja

3.    Warum haben Sie trotz der Mitwirkungspflicht bis jetzt 2 Mal die Erstaufnahmestelle verlassen?

X: Wir waren bei einem Lebensmittelgeschäft. Wir haben nicht gewusst, dass wir die Erstaufnahmestelle nicht verlassen dürfen.

Ich habe hier ein Rezept für eine Salbe zur Behandlung der rechten Schulter. Deshalb muss ich heute zur Apotheke.

Der Überweisungsbeleg für die Gynäkologie wird Frau X ausgefolgt.

4.    Wie sind Sie zur Erstaufnahmestelle gekommen? Bitte schildern Sie wann Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben und wie Sie nach Österreich eingereist sind.

X: Wir sind von zu Hause bis zur ukrainischen Grenze mit dem Auto meines Vaters, X, gefahren. Bei der ukrainischen Grenze hat der Schlepper gewartet und wir sind mit einem PKW nach Österreich gekommen. Wir wissen nicht über welche Länder wir gereist sind. Das hat alles mein Vater organisiert. Ich glaube der PKW war ein VW Passat, silber. Wir können keine lateinischen Buchstaben lesen. Ich habe keine Karten gesehen. Wir sind ca. 1,5 Stunden zu Fuß über die Grenze gegangen. Das hat uns der Fahrer so gesagt. Auf der anderen Seite hat uns der Schlepper wieder abgeholt. Der Schlepper hat nicht gesagt, über welche Grenze wir gegangen sind.

5.    Sind Sie im Besitz von Dokumenten? Haben Sie Reisepässe? Wo befinden sich diese?

X: Wir haben nur Kopien unserer Inlandspässe und die Geburtsurkunde unserer Tochter. Mein Zeugnis als Koch habe ich bei der Polizei abgegeben.

Sie werden darauf hingewiesen, dass Sie vor einer Behörde sind und Falschaussagen strafbar sind.

6.    Haben Sie Auslandspässe?

X: Nein, wir haben nur die Inlandspässe.

7.    Wo sind Ihre Auslandspässe?

X: Wir hatten noch nie Auslandspässe. Ich hätte auch keine Reisepass bekommen, wenn ich diesen beantragt hätte.

X: Ich hatte auch noch nie einen Auslandsreisepass. Wir haben auch nicht angesucht um Reisepässe, weil wir von vornherein wussten, dass wir keine bekommen.

8.    Warum hätten Sie bei der Beantragung keinen Reisepass bekommen?

X: Ich war die letzten drei Monate nicht zu Hause. Die Reisepässe stellt die Sicherheitspolizei aus und diese kennt meine Familie und wenn sie meinen Führerschein sehen, kontrollieren sie mich überall.

9.    Was haben Sie in Barcelona gemacht?

X: Wir waren nie in Barcelona.

 

Wir haben eine Mitteilung dass ein Herr X und eine Frau X mit einem Kind in Barcelona waren.

10. Sind Sie sich sicher, dass Sie nie in Barcelona waren?

X: Wir waren nie in Barcelona.

11. Was wollten Sie in Italien?

X: In Italien waren wir auch nie.

12. Was haben Sie bei der italienischen Botschaft gemacht?

X: Wir waren nie bei der italienischen Botschaft und wir wissen auch nicht, wo die italienische Botschaft ist.

 

Es werden Ihnen Kopien Ihrer Reisepässe und Ihrer Schengenvisa von Italien, welche bis 15.06.2013 gültig sind, vorgelegt.

13. Sind das Ihre Reisedokumente?

X: Nein.

X: Nein. Die Fotos sind unsere.

 

14. Wie kommen Ihre Fotos in diese Reisepässe?

X: Das wissen wir nicht.

15. Sind Sie mit einem russischen Staatsbürger, der ein spanisches Aufenthaltsrecht hat, nicht nach Österreich gefahren?

X: Ich kann die Schilder nicht lesen. An der ukrainischen Grenze hat mein Vater mit dem Schlepper ausgemacht, dass wir nach Europa kommen. Wir wissen nicht, wie wir gefahren sind. Wir kennen uns nicht aus. Wir wollten nach Europa. Den russischen Mann kennen wir nicht.

Sie wurden bei Ihrer Einreise in Völkermarkt kontrolliert.

16. Wo befinden sich Ihre Reisepässe?

X: Wir haben keine Pässe mitgehabt.

Es wird Ihnen hiermit mitgeteilt und die Information ausgehändigt, dass Konsultationen seit dem 02.04.2013 mit Italien geführt werden und somit ein Ausweisungsverfahren nach Italien eingeleitet wurde. Sie haben durch Ihre Visa von Italien davon auszugehen, dass Ihr Verfahren nach Italien abgeschlossen und Sie nach Italien überstellt werden.

X: Wir kennen uns mit Visa usw. nicht aus. Wir möchten auch nicht nach Italien.

 

Ich habe Sie vorhin darauf hingewiesen, dass Falschangaben negative Folgen haben werden und auch strafbar sind.

 

Ich teile ihnen mit, dass Sie, Herr X, in Schubhaft genommen werden. Frau X, Sie kommen nach X und haben eine tägliche Meldeverpflichtung bei der PI X.

 

17. Wo sind Ihre Reisepässe?

X: Wir haben diese Reisepässe nie gesehen. Das hat wahrscheinlich mein Vater ausstellen lassen. Entweder die Schlepper hatten diese Reisepässe oder mein Vater.

18. Sollen wir eine Gegenüberstellung mit dem Polizeibeamten machen, der Sie kontrolliert hat? Das ist ein gerichtlicher Straftatbestand; Unterdrückung von Dokumenten, Erschleichung von Leistungen und Falschangaben.

X: Nocheinmal. Vielleicht hat mein Vater die Reisepässe noch. Ich habe die Reisepässe nie gehabt.

19. Warum lügen Sie?

X: Seit 2010 werde ich immer wieder verhört. Soll ich jetzt ins Gefängnis?

20. Was spricht gegen Italien?

X: Ich will nicht nach Italien.

X: Ich will auch nicht nach Italien. Bevor ich nach Italien fahre, fahre ich zurück nach Hause. Wenn ich zurück nach Hause komme, wird mein Mann verhaftet und ich werde wieder die ganze Zeit zum Verhör gebracht.

X: Wir wollen nicht nach Italien. Ich möchte hier ruhig leben.

 

Wir wissen, dass Sie kontrolliert wurden. Wir wissen, dass Sie zu Hause kein Problem haben, ansonsten wären Ihnen die Reisepässe nicht ausgestellt worden. Wir wissen, dass Sie über Barcelona in die EU eingereist sind.

 

Die zitierte niederschriftliche Befragung wurde Ihnen daraufhin vorgelesen und durch den Dolmetscher ins Russische übersetzt. Daraufhin verweigerten Sie jegliche Unterschrift und gaben beiderseits mehrmals und unverkennbar zu verstehen, dass Sie eher nach Russland rückkehren würden, als nach Italien zu reisen.

 

Letztlich gestanden Sie auch ein, die vorgelegten Reisepässe von Österreich nach Hause zu Ihrem Vater gesendet zu haben. 

 

Sie geben damit, entsprechend auch Ihrer Verhaltensweise und Ihrer getätigten Falschangaben unverkennbar zu verstehen, dass Sie als "Schutzsuchender nach der Genfer Flüchtlingskonvention" sogar soweit gehen, dass Sie einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat der russischen Föderation sogar den Vorzug gegenüber einer Ausreise nach Italien geben.

 

Vorweg ist festzuhalten, dass aufgrund der nunmehr aufliegenden Informationen erwiesen ist, dass Sie mit Ihrem Visa am Luftweg eigenständig, "legal" über Barcelona (nachgewiesen durch Einreisestempel) in die europäische Union einreisten.

Festzuhalten ist auch, dass trotz des grundlegend aufrecht gültigen Schengenvisa von Italien Ihre Einreise in das Bundesgebiet illegal und dadurch auch Ihr Aufenthalt illegal ist, zumal der Zweck Ihrer Einreise nicht jenem der Gültigkeit des Sichtsvermerks entsprach.

Aufgrund Ihrer Asylantragstellung, wird Ihre Einreise und Ihr Aufenthalt zu einem illegalen Akt und irregulären Reisebewegung.

 

Hervorzuheben ist, dass Sie bewusst falsche Angaben tätigten, Irreführung betrieben und Beweismittel vernichtet oder unterdrückt haben. Auf die offenkundigen, aufliegenden, erwiesenen und aufgezeigten Divergenzen mag nicht mehr näher eingegangen werden. Folglich haben Sie Dokumente und Unterlagen bewusst vernichtet und den Behörden im Bundesgebiet unterdrückt. Und zwar mit dem einzigen Zweck, die Zuständigkeit Italiens damit zu verbergen.

Damit sprechen Sie sich mit vorliegender Verhaltensweise deklariert und vehement gegen eine Überstellung und Prüfung Ihrer internationalen Schutzsuche in den für Sie tatsächlich zuständigen Mitgliedstaat Italien aus, welche Ihnen unter Vorgabe Ihrer zur Asylantragstellung abweichenden Einreisezeck den vorliegenden Sichtsvermerk erteilte.

Sie betreiben damit bewusste Irreführung der Behörden, unterdrücken Unterlagen, Beweismittel und Dokumente und wirken in Ihrem Asylverfahren nicht mit. Über die Konsequenzen falscher Angaben wurden Sie mehrfach und das nicht nur mündlich mittels Dolmetscher, sondern auch schriftlich in Ihrer Muttersprache nachweislich belehrt.

Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass Sie eine organisierte professionelle kriminelle Unterstützung (Schlepper) mit Ihrer Einreise beauftragt hätten, tatsächlich aber Ihre – in Bedachtnahme des eigentlichen Einreisezweckes und erfolgten Handlungsweise – illegale Einreise in schlepperorganisierter Art und Weise selbst organisierten und in professionellster Art abhandelten. Hierbei nahmen Sie unter Anderem besonders in Bedacht, einen Sichtsvermerk von einem abseits stehenden Staat (Italien) zu jenem der beabsichtigten Asylantragstellung (Österreich) zu erlangen. Darüber hinaus reisten Sie über einen weiteren Staat, und zwar über Spanien mit dem italienischen Einreisetitel ein, und zwar mit dem offensichtlichen Zweck Ihre Spuren der Einreise und Reisebewegung nach Österreich zu verwischen.

 

Das Nichtvorlegen der Reisedokumente wirft grundsätzlich zwei Möglichkeiten auf, einerseits die Vernichtung solcher Unterlagen, andererseits das bewusste Unterdrücken. Beiderseits ist Ihr Interesse dasselbe, kein Interesse an rechtstaatlichen Verfahren, an der Mitwirkung und Wahrheitsfindung zu haben. Das zeigt auch eindrucksvoll Ihre bewussten Falschangabe in der Erstbefragung sowie zudem gegenüber der Fremdenbehörde, wobei Sie dabei trotz Vorhaltung sogar so weit gehen, den erwiesenen Sachverhalt vehement abzustreiten. Sie haben trotz eindringlicher Belehrung und mehrmaligem Nachfragen gegenteilige falsche Angaben tätigten und das in einer umfangreichen, ausführlichen und zusammenhängender Geschichte, welche unverkennbar mit Ihrer Ehefrau abgesprochen und erlernt wurde. Denn Ihre beiderseitigen Angaben weisen eine deckende Parallelität auf.

 

Am 02.04.2013 leitete das Bundesasylamt Erstaufnahmestelle X gegenüber Sie, Konsultationen mit Italien und damit ein Ausweisungsverfahren nach Italien ein.

Gleichgehend wurde die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck über das eingeleitete Ausweisungsverfahren in Kenntnis gesetzt.

 

Im Rahmen Ihrer Antragstellung gingen Sie getrost davon aus, dass Sie nicht nach Italien rückgeschoben werden, sofern Sie nicht wahrheitsgemäße Angaben tätigen. Erst seit der eingeleiteten Ausweisung nach Italien, und Ihrer Kenntnissetzung darüber, sind Sie in Kenntnis der aufgeflogenen Sachlage. Und zwar dass Ihr Vorhaben nicht fruchtete, und Ihnen trotz Ihrer peniblen Planung und Durchführung eine Abschiebung nach Italien droht. Dass Sie über die Regelung des Dublinabkommens bescheid wissen, liegt auf der Hand. Andernfalls hätten Sie nicht Ihre Dokumente verschwinden lassen und vollkommen falsche Angaben zu Ihrer Reiseroute getätigt.

Bislang, und zwar bis zur besagten Mitteilung der Einleitung des Ausweisungsverfahrens waren Sie nicht in Kenntnis darüber, dass Ihre Falschangeben aufgeflogen und Ihre Verfahren an Italien zurückgewiesen werden wird. Weswegen von einer besonderen Fluchtgefahr erst ab dem heutigen Tag auszugehen ist.

 

Mit der Zustellung dieser Mitteilung wurde die Exekutive der Erstaufnahmestelle X mit Ihrer Festnahme beauftragt. Die Mitteilung des eingeleiteten Ausweisungsverfahren nach Italien wurde Ihnen am 03.04.2013 unmittelbar vor Verhängung der Schubhaft zur Kenntnis gebracht.

 

Seitens der BH Vöcklabruck wird festgehalten, dass Sie sich gegenwärtig – aufgrund der Tatsache dass Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sind - unberechtigt im Bundesgebiet aufhalten.

 

Eine aktuell zu Ihrer Person durchgeführte Überprüfung im bundesweiten zentralen Melderegister hat ergeben, dass Sie – abseits der Ihnen anlässlich der Einbringung Ihres Asylantrages zur Verfügung gestellten bundesbetreuten Unterkunft in der Erstaufnahmestelle X - über keinen polizeilich gemeldeten Wohnsitz im Bundesgebiet der Republik Österreich verfügen.

 

In vorliegender Sachlage wird im Besonderen hervorgehoben, dass Sie falsche Angaben im Asylverfahren getätigt, wesentliche und relevante Sachverhalte nicht, bzw. in veränderter Form mit dem offensichtlichen Ziel vorbrachten, ein inhaltliches Verfahren in Österreich zu erwirken, und den tatsächlichen Sachverhalt verschleiern zu können.

 

Ihre Zielstrebigkeit und durchdachte Handlungsweise mit der letztlich auch nach Österreich durchgeführten Einreise, Vernichtung oder Unterdrückung von Beweismittel, Verschleierung Ihrer Reiseroute, und trotz mehrmaliger Belehrung getätigter bewusster Falschangaben in einer unvergleichbaren zusammenhängenden Auflistung falscher Tatsachen zeigt auf, dass Sie alles daran setzen, um einer drohenden Überstellung nach Italien zu entgehen. Umso mehr muss in Ihrem vorliegenden Einzelfall davon ausgegangen werden, dass Sie einer Beendigung dieses Aufenthalts mit allen Mitteln entgegen wirken werden. Und wenn Sie bereits zu Anbeginn Ihres Verfahrens zu Mitteln der Falschangaben, Unterdrückung von Unterlagen und Dokumente und der Irreführung der Behörden greifen, so ist bei Fortschreiten des Verfahrens umso mehr davon auszugehen, dass Sie sich letztlich auch dem Verfahren entziehen und in die Anonymität abtauchen werden. Insbesondere dann, wenn die Bekanntgabe der Absicht Ihrer Rückführung nach Italien erfolgt.

 

Sie haben bereits in der Vergangenheit durch Ihre illegale Grenzübertritte in und innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie infolge Ihres illegalen Grenzübertrittes ins Bundesgebiet der Republik Österreich in einer unmissverständlichen Art und Weise zu erkennen gegeben, dass Sie in gar keiner Weise gewillt sind die Rechtsordnung Ihres Gastlandes Österreich bzw. die jeweiligen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Bereich des Fremdenrechtes zu respektieren.

 

Ob Sie nunmehr in Österreich tatsächlich ein weiteres Durchlaufen eines Asylbegehrens anstreben würden, muss stark in Frage gestellt werden. Zumal Ihre Irreführung aufgeflogen ist. Ein weiters Indiz dafür, dass Sie ein Durchlaufen eines Asylverfahrens in Österreich nicht mehr anstrebten und Sie daher auch nicht bereit sein werden sich den Behörden fortlaufend im vorliegenden Dublinverfahren zur Verfügung halten, ist das Faktum, dass Sie keine Bezugspunkte in Österreich haben und einer Rückkehr in jenen Staat sogar den Vorzug geben würden, in welchem Sie einer Verfolgung ausgesetzt seien (so zumindest anhand Ihrer Deklaration der internationalen Schutzsuchen in Österreich). Das bekunden Sie bereits mit dem Verhalten nicht wahrheitsgemäße Angaben zu tätigen und wesentlichen Serverhalt bewusst zu verschweigen. Darüber hinaus muss berechtigt auch davon ausgegangen werden, dass sobald Ihnen eine Rückführung in anzusehender Distanzierung Ihrer Interessen in den Ausgangspunkt droht, Sie einem Abtauchen in die Anonymität und einer illegalen Weiterreise erneut den Vorzug geben werden. Wenn Ihnen nunmehr in Ihrer Landessprache die Einleitung des Ausweisungsverfahrens nach Italien bekannt gegeben wird, ist folglich umso mehr davon auszugehen dass Sie tatsächlich kein Interesse mehr an einem Asylverfahren in Österreich haben werden, und Ihnen nunmehr Österreich gleichfalls wie zuletzt Spanien, Frankreich, die Schweiz und oder Italien ebenso nur noch als Zwischenaufenthalt und Durchreise dient. Es ist deshalb naheliegend dass Sie in gleicher und gewohnter Weise ebenso in Österreich unverzüglich in die Anonymität abtauchen und Ihre Reise in weitere Mitgliedstaaten –wenn auch illegal- weiter fortsetzen werden. Und das insbesondere um einer drohenden Rückstellung in den für Sie zuständigen Mitgliedstaat, nämlich Italien, zu entgehen. Aus diesen Gründen ist im Besonderen davon auszugehen, dass Sie an einem Aufenthalt in Österreich ab sofort ebenso wenig bestrebt sein werden als an Ihren Aufenthalten in den bisherigen durchreisten Mitgliedstaaten. Demzufolge ist es nicht nur naheliegend, sondern davon auszugehen, dass Sie sich in Österreich unverzüglich dem Verfahren entziehen, Ihre Unterkunft aufgeben, in die Anonymität abtauchen und weiterhin weitere illegale Grenzübertritte begehen werden. Insbesondere dann, sobald Ihnen die Absicht einer Ausweisung und Rückstellung nach Schweden bekannt gegeben wird.

 

In Abwägung einer Gesamtschau des vorliegenden Sachverhaltes ist zwingend von einer enormen Fluchtgefahr auszugehen. Es wurde Ihnen in der fremdenpolizeilichen Amtshandlung durch die Vorlage der Ausweisungsverfahren des Bundesasylamtes über Sie nach Italien bekannt, dass Ihre Unterdrückung von Dokumente, Irreführung der Behörden und die bewusste versuchte Erschleichung eines Aufenthaltstitels nach dem Asylgesetz aufgeflogen ist und Ihnen nunmehr die Rückführung nach Italien droht. Auch haben Sie ein Vertrauen gegenüber Ihnen dermaßen missbraucht, dass Ihnen solches nicht mehr ohne Weiters wieder zugesprochen werden kann. Wessen aber für eine Anordnung gelinderer Mittel, einer Abstandnahme der Sicherung außerhalb Freiheit entziehender Maßnahmen zwingend erforderlich ist.

Dem gegenüberstehend ist Ihre Ehefrau in der 29 Schwangerschaftswoche und hat zudem eine minderjährige Tochter. Aufgrund dessen hatte eine Ermessensentscheidung in Abwägung einer Gesamtschau des Sachverhaltes dahingehend zu erfolgen, dass über Ihre Frau – und zwar in Bedachtnahme Ihrer Schwangerschaft und dem mind. Kind – von der ansonsten zwingend erforderlichen Verhängung der Schubhaft Abstand zu nehmen, über Sie mit erhöhten Sicherungsmaßnahmen wie einer täglichen Meldeverpflichtung gelindere Mittel anzuwenden und lediglich über Ihnen als Ehemann die Schubhaft zu verhängen war.

Die vorliegenden Sicherungsmaßnahmen mögen aber in Gesamtschau der Familie nicht als "Geiselhaft" sondern vielmehr als solche der gelindersten anwendbarer Mittel der Sicherung der gesamten Familie betrachtet werden.

 

Nachdem aufgrund der Gesamtheit des geschilderten Sachverhaltes sowie infolge dessen, dass Ihnen auch das Bundesasylamt Ihre Hoffnung auf eine Legalisierung Ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet der Republik Österreich nicht erfüllen konnte, und gegen Sie bereits –und das im Zulassungsverfahren in kurzer Zeit nach erfolgter Asylantragstellung - eine durchsetzbare Ausweisung gemäß § 10 AsylG. eingeleitet hat, ist zu befürchten, dass Sie sich – auf freiem Fuß belassen – dem weiteren Zugriff der Behörde unverzüglich – und ohne eine drohende Überstellung nach Italien zuzuwarten - entziehen werden. Demzufolge ist zur Sicherung der Ausweisung nach den Bestimmungen des AsylG. sowie zur Sicherung Ihrer Abschiebung Ihre Anhaltung in der Schubhaft unbedingt erforderlich.

 

Der Verwaltungsgerichtshof stellt in seiner ständigen Judikatur fest, dass die Einhaltung fremdenpolizeilicher Vorschriften für den österreichischen Staat, vor allem in Zeiten eines erhöhten Zuwanderungsdruckes, von eminentem Interesse ist.

 

Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass Sie – nach einem neuerlichen Abtauchen in die Anonymität – dem österreichischen Staat weiters finanziell zur Last fallen könnten. Da Sie Ihren Unterhalt im Bundesgebiet bestreiten müssen, ist die Gefahr sehr groß, dass Sie dies auf illegale Art und Weise bewerkstelligen werden. Nachdem Sie bereits mehrfach unter Beweis gestellt haben, dass Sie keinen Wert an der Einhaltung der Rechts- und Werteordnung in Ihren Gastländern legen, ist auch davon auszugehen, dass Sie Ihren erforderlichen Unterhalt auch im Bundesgebiet oder in der europäischen Union notfalls durch illegaler Beschäftigung oder anderwärtiger strafrechtlicher Begehen erwirtschaften werden.

Denn für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verfügen Sie nicht über ausreichende Barmittel. Eine rechtmäßige Beschäftigung können Sie nicht ausüben, da Sie weder im Besitz einer arbeitsmarkt- noch aufenthaltsrechtlichen Bewilligung sind. Es müssten daher für den weiteren Aufenthalt öffentliche Mittel aufgewendet werden bzw. ist der Schluss zulässig, dass Sie versuchen durch Begehung strafbarer Handlungen Ihren Unterhalt zu fristen.

 

Überdies ist im Besonderen die Gefahr nach Abtauchen in die Anonymität sehr groß, dass letztlich Österreich für die inhaltliche Prüfung gemäß Dublinabkommen zuständig werden könne, sofern den Erfordernissen des Abkommens – einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht nachgekommen werde! Wessen Erzwingen durch einen Aufenthalt in der Anonymität nicht im öffentlichen Interesse stehen kann.

Insbesondere ist auch darauf hinzuweisen, dass es wahrlich unverhältnismäßig wäre, wenn Österreich aufgrund des Untertauchens des Fremden entsprechend der Regelung des Dublinaquins schlussendlich zur inhaltlichen Führung des Asylverfahrens des Fremden zuständig werden würde, wessen Verhinderung gerade durch die getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahmen im Einklang mit den internationalen Bestimmungen vermieden werden soll.

Bezüglich wird explizit auf Artikel 13 der Dublinverordnung hingewiesen.

Der Artikel 19 Abs. 4 i.V.m. den ausführenden Erläuterungen K 34 regelt, dass die Zuständigkeit des ersten Dublinstaates mit dem Zeitpunkt endet, mit welchem der zweite Dublinstaat es nicht schaffte den betroffenen AW trotz Zustimmung des ersten Dublinstaates zu überstellen. Der zweite Dublinstaat tritt ab diesem Zeitpunkt an die Stelle des ersten Dublinstaates.

Diese Bestimmung verdeutlicht einmal mehr die enorme Wichtigkeit eines funktionierenden "Dublin-Out-Regimes".

 

Auch wenn die einzelnen angeführten Punkte für sich alleine keinen Sicherungsbedarf erkennen lassen mögen, so liegen im vorliegenden Fall konkrete und stichhaltige Gründe kumuliert vor, welche ein Prognose dahingehend rechtfertigen, dass Sie sich dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werden. Die Prognoseentscheidung seitens der bescheiderlassenden Behörde bezüglich eines drohenden Abtauchens Ihrerseits in die Anonymität ist aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens als schlüssig begründet anzusehen. Im konkreten Fall ist davon auszugehen, dass Sie den weiteren Ausgangs des Verfahrens nicht abwarten werden würden.

 

Ihre In-Haft-Nahme und Anhaltung ist somit nicht als bloß reine präventive Vorbereitungshandlung für die bevorstehende Außerlandesbringung anzusehen, sondern aufgrund Ihres Verhaltens zu deren Sicherung notwendig. Angesichts des gegebenen Sachverhalts hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck jedenfalls keinen Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann, weswegen die Anwendung gelinderer Mittel – und zwar selbst mit erhöhten Auflagen wie beispielsweise täglicher Meldeverpflichtung – und der damit direkt verbundener Vertrauenszuspruch an Ihnen, nicht möglich ist. 

 

Die Verhängung der Schubhaft ist somit im Ergebnis verhältnismäßig, da bei der gegebenen Sachlage, insbesondere Ihrem geschilderten bisherigen und auf dieser Basis zu prognostizierenden Verhalten festgestellt und erwartet werden kann, dass in diesem Fall ein überwiegendes Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Ihrem Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit gegenüber steht.

 

Es bestehen aufgrund der gegebenen Sachlage konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Sie sich – wenn Ihnen dies möglich wäre – unverzüglich den fremdenpolizeilichen Maßnahme durch Untertauchen in die Anonymität entziehen würden.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck kommt letztlich nach umfassender Einzelfallprüfung des Sachverhaltes zum Schluss, dass eine Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft im konkreten Fall vorliegt. Denn dem Recht des Fremden auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Um dieses Ziel zu gewährleisten war der Eingriff in Ihr Recht auf den Schutz der persönlichen Freiheit erforderlich.

 

Aus all diesen unstrittigen Feststellungen lässt sich ableiten, dass Sie ein hohes Maß an Selbstorganisation betreffend Ihrer Reisebewegung aufweisen und losgelöst von etwaigen Asylverfahren bzw. fremdenrechtlichen Hürden die für Ihnen am günstigen scheinende Reiseroute und Reiseziel mit Erfolg umsetzten. Hinzu tritt, dass Sie in jeder Hinsicht zu erkennen geben, dass jenes Land, in wessen mittels vorliegenden Ausweisungsverfahren Ihre Außerlandesbringung beabsichtigt ist, bzw. ansteht, keine Reiseoption für Sie darstellt. Zumal Sie diese beabsichtigte Abschiebung wiederum an den Ausgangspunkt Ihrer vormaligen illegalen Reisebewegung bringen würde, verhärtet sich besonders im fortgeschrittenen Verfahren die zu ziehende Prognose Ihres Fortfahrens der illegalen Handlungsweisen. Sodass nunmehr der Schluss zu ziehen ist, dass Sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nunmehr dieser vorhersehbaren behördlicher Beendigung Ihres illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet durch Abtauchen in die Anonymität entziehen werden. So erkennt auch der unabhängige Verwaltungssenat in seinen aktuellen Rechtsprechungen, so beispielsweise im Erkenntnis vom 29.11.2012 zu VwSen-401237/4/MB/WU, dass in vorliegender Sachlage ein Sicherungsbedarf im höchsten Ausmaß dermaßen gegeben ist, sodass hierbei gelindere Mittel keine anwendbare Option darstellen.

 

Sie haben bereits mehrfach, und das über einen längeren Zeitraum hinweg, entschieden und in Folge mehrfacher durchgeführter Belehrungen bewusst und nachhaltig das Ihnen entgegen gesetzte Vertrauen derart missbraucht, dass Ihnen auch in dieser Hinsicht kein entsprechendes Vertrauen mehr entgegen gebracht werden kann, als dass von einer Verhaltensänderung in jenem Ausmaße ausgegangen werden könnte, dass Sie sich zum Zweck des weiteren fremdenpolizeilichen Verfahrens, nämlich der Beendigung Ihres illegalen Aufenthaltes mit der Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet auch abseits Freiheit entziehender Maßnahmen zur Verfügung der Fremdenbehörden halten werden würden. Denn eine Sicherungsmaßnahme durch Anwendung gelinderer Mittel setzt auch entschieden ein entsprechendes entgegenbringendes Vertrauen voraus. Wessen Sie mit Ihrer Verhaltensweise bislang derart erschütternd missbrauchten, als dass auch in dieser Hinsicht eine Anwendung gelinderer Mittel keine rechtfertigbare Begründung fand.

 

Abschließend ist anzuführen, dass Sie eine ärztliche Bestätigung mit Angabe der ICD-10 Kategorisierungen der Erkrankung im laufenden Verfahren in Österreich nicht zur Vorlage gebracht haben. ( ICD steht für International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems und ist das wichtigste, von der WHO herausgegebene und weltweit anerkannte Diagnoseklassifikationssystem der Medizin.)  Eine Einstufung der Klassifikation Ihrer angeführten Erkrankungen ist somit hier Amts nicht bekannt und kann daher zur Beurteilung der Sachrelevanz auch nicht herangezogen werden.

 

Die Behörde ist daher im Zuge einer umfassenden Einzelfallprüfung in allen Belangen zum Ergebnis gelangt, dass die Verhängung der Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohles dringend erforderlich und geboten ist.

 

Der vorliegende Sachverhalt lässt somit einen Vorrang der Anordnung gelinderer Mittel nicht zu, und wie der Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung vom 03.10.2012 zu Zln.: 140/11-11; G1/12-12; G3/12-12 unter 2.3.1, bereits festhält, hat die Behörde keine freie Wahlmöglichkeit zwischen der Anordnung gelinderer Mittel und der Verhängung von Schubhaft.

 

Diese Tatsachen rechtfertigen nicht nur sondern veranlassen vielmehr die bescheiderlassende Behörde im Übrigen dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel zu verhängen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf durch seine Vertreterin mit Telefax vom 31. Mai 2013 (FAX Kennung 31. Mai 2013 12:38), eingelangt am 3. Juni 2013, Schubhaftbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

Den Sachverhalt schilderte die Vertreterin wie folgt:

 

Der BF reiste mit seiner Frau X und seiner Tochter X am 21.03.2013 ins Bundesgebiet ein. Am 29.03.2013 stellten der BF und seine Frau einen Asylantrag.

 

Am X wurde X, die Tochter von X und dem BF, in Österreich geboren. X wurde zwei Monate zu früh geboren und benötigt daher regelmäßige medizinische Betreuung. Am 26.06.2013 muss X zu einem Kontrolltermin ins Krankenhaus. Im Asylverfahren ist nicht mit der Erlassung eines Bescheides vor dem 01.07.2013 zu rechnen, da das Bundesasylamt, da zu diesem Zeitpunkt die Transportfähigkeit von X überprüfen wird (vergl. Niederschrift der Einvernahme von X vom 27.05.2013 vor dem Bundesasylamt Erstaufnahmesteile X, AZ 13 04.003).

 

Über den BF wurde mit Bescheid vom 03.04.2013. GZ: Sich40-1815-2013, der Erstbehörde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft verhängt. Der BF befindet sich seither in Schubhaft.

 

Dagegen richtet sich die eingebrachte Beschwerde.

 

Sowohl die Schubhaftverhängung als auch die Anhaltung in Schubhaft sind rechtswidrig.

 

Begründend führte die Vertreterin aus:

 

1. Unverhältnismäßigkeit der Haft

Art. 1 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit lautet:

 

„(1) Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).

(2) Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.

(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht

(4)Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind."

 

Art 1 Abs. 3 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit sieht demnach vor, dass jede Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist. Im konkreten Fall stützt sich die Schubhaft auf § 76 Abs. 2 FPG.

 

§ 76 Abs. 2 FPG spricht von „kann, dies bedeutet, dass nicht automatisch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG, Schubhaft zu verhängen ist, sondern eine individuelle Prüfung stattzufinden hat. Dies wurde Fall des BF unterlassen.

 

Bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die gesamte Bestimmung des § 76 FPG im Lichte des aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit erfließenden unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist.

 

Von der Behörde ist daher bei der Anwendung des § 76 Abs. 2 FPG zu prüfen, ob die Schubhaft notwendig ist, um eines der oben genannten Verfahren oder die Abschiebung, Zurückschiebung oder Durchbeförderung eines Fremden zu sichern.

 

Genau dies trifft auch im Fall des BF zu: über ihn wurde ohne ausreichende Begründung die Schubhaft angeordnet. Mit der konkreten Situation des BF hat sich die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid nicht hinreichend auseinander gesetzt. Der angefochtene Bescheid lässt daher auch eine nachvollziehbare Begründung dahingehend vermissen, weshalb anzunehmen sei, dass die Schubhaft notwendig sei.

 

Bloß allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte, wie die von der Erstbehörde herangezogenen, können nicht genügen, um die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit eines Freiheitsentzuges im Einzelfall zu begründen (VfGH 28.09.2004, B 292/04 unter Hinweis auf VfSSg. 14.981/1997).

 

Misst die belangte Behörde dem seit seiner Einreise gezeigten Verhalten des Fremden, der unmittelbar nach dieser aus eigenem das Bundesasylamt aufsuchte, um dort seinen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, nach Antragstellung in die Grundversorgung aufgenommen wurde, sich daraufhin im ihm zugewiesenen Quartier aufhielt und immer am Verfahren beteiligte, keine Bedeutung zu, so verkennt sie die Rechtslage, Diese Umstände, die gegen die Annahme der beißen, er werde sich dem Verfahren zu entziehen trachten, sprechen, dürfen bei der Beurteilung, ob ein Sicherungsbedarf gegeben ist, nicht außer Betracht bleiben (VwGH 08.07.2009,2007/21/0085).

 

Ungeachtet des Vorliegens eines Tatbestandes nach § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 (hier: Z 2) kann die Schubhaftnahme eines Asylwerbers nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesem Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (VwGH 27.05.2009, 2008/21/0196).

 

Für die Befürchtung, der Fremde werde sich dem weiteren Verfahren entziehen und für die Behörden nicht erreichbar sein, müssen vor allem aus dem bisherigen Verhalten des Fremden ableitbare spezifische Hinweise bestehen (VwGH 30.04.2009,2006/21/0341).

Es kann dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls nicht zugesonnen werden, er sei davon ausgegangen, alle potenziellen "Dublin-Fälle" seien statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen (19.06.2008, 2007/21/0070).

 

Zur Prüfung des Sicherungserfordernisses ist auf alle Umstände des konkreten Falls Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311), jedoch muss die konkrete Situation des Betroffenen geprüft werden - sogar wenn der Fremde vorher in einem sicheren Drittstaat einen Asylantrag gestellt hat (VfGH 29.09.2004, B 292/04). In einem solchen Fall ist auch der Grund für eine allfällige Weiterreise nach Österreich nach Stellung eines Asylantrags in einem anderen Staat und die dabei eingeschlagene Vorgangsweise zu berücksichtigen (VwGH 28.06.2007, 2006/21/0051).

 

Insbesondere kann die dem BF angelastete Ausreiseunwilligkeit alleine nicht das Sicherungserfordernis begründen (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311). Der VwGH hat in seiner ständigen Judikatur die Erforderlichkeit der Prüfung jedes individuellen Einzelfalles hervorgehoben (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0045). In allen Fällen der Verhängung von Schubhaft besteht die Verpflichtung, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Sicherung des Verfahrens und der Sicherung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen; Schubhaft kann immer nur als ultima ratio verstanden werden,(VfGH 15.06.2007, B 1330/06). Schubhaft ist hingegen nicht als Standard-Maßnahme gegenüber Asylwerbern anzuwenden; weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der Mangel finanzieller Mittel sind für sich genommen als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0239).

 

Im konkreten Fall hat der BF nach seiner Einreise ins Bundesgebiet freiwillig einen Asylantrag gestellt. Er hat sich danach bis zu seiner Festnahme in dem ihm zugewiesenen Quartier in der Erstaufnahmestelle X aufgehalten.

 

Die belangte Behörde führt aus, dass aufgrund der falschen Angaben zu seinem Reiseweg, welche der BF im Asylverfahren getätigt hat, eine „besondere Fluchtgefahr" vorliegen würde. Dabei übersieht die belangte Behörde jedoch, dass der BF diese nur getätigt hat um die Zuständigkeit eines anderen „Dublin-Staates" zu verschleiern und somit nur getätigt hat um sein Asylverfahren in Österreich führen zu können. Aus dem angeführten Sachverhalt ergibt sich somit das Gegenteil. Der BF hat offensichtlich ein Interesse am österreichischen Asylverfahren und hätte sich diesem daher nicht bereits fünf Tage nach der Asylantragsteilung wieder entzogen.

 

Am X wurde X, die Tochter des BF, geboren. Da diese zwei Monate zu früh geboren wurde benötigt sie regelmäßige medizinische Betreuung. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist offensichtlich, dass der BF nicht mit seiner Familie in die „Illegalität“ abtauchen würde, da er dann keinen Zugang zur medizinischen Betreuung für seine Tochter mehr hätte und somit deren Leben in Gefahr bringen würde. Seit der Einvernahme am. 27.05.2013 vor dem Bundesasylamt Erstaufnahmestelle X ist außerdem klar, dass das Bundesasylamt im Asylverfahren des BF und seiner Familie nicht vor dem 01.07.2013 entscheiden wird. Damit erscheint die Dauer der Anhaltung des BF, welcher am 03.04.2013 in Schubhaft genommen wurde und mindestens bis über den 01.07.2013 weiter angehalten werden würde, nicht mehr verhältnismäßig.

 

Beweis: Niederschrift der Einvernahme von X vom 27.05.2013 vor dem Bundesasylamt Erstaufnahmestelte X, AZ 13 04.003

 

Aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsgebots und wegen der Formulierung des Art 2 Abs 1 Z 7 PersFrG („um zu sichern") kann auch die Ausweisungsabsicht zur Rechtfertigung eines Freiheitsentzuges nur dann hinreichen, wenn die Verhängung der bzw. Anhaltung in Schubhaft tatsächlich notwendig ist, um die Außerlandesschaffung zu sichern.

 

Das erforderliche Sicherungsbedürfnis, welches die Anordnung von Schubhaft rechtfertigen könnte, liegt beim BF nicht vor.

 

Die Schubhaftverhängung und die weitere Anhaltung in Schubhaft sind daher rechtswidrig.

 

2. Nichtanwendung des gelinderen Mittels

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 18.05.2001, ZI. 2001/02/0048 ausgesprochen und in ständiger Judikatur bekräftig hat, hat die schubhaftverhängende Behörde die Anwendung des gelinderen Mittels zu prüfen. Dies wurde im konkreten Fall unterfassen.

 

Die Auffassung, das Belassen eines Fremden auf freiem Fuß könnte immer dann, wenn ein Sicherungsbedürfnis zu bejahen ist, keine Gewähr für die Verfahrenssicherung bieten, hätte zur Folge, dass das Sicherungsbedürfnis nie anders als durch Anhaltung in Haft gedeckt werden könnte. Diese Ansicht entspricht aber mit Blick auf § 77 FrPolG 2005, der ausdrücklich (unter den dort näher angeführten Voraussetzungen) die Sicherung der Schubhaftzwecke auch auf andere Art als durch Haft vorsieht, nicht dem Gesetz (VwGH 18.02.2009, 2006/21/0261).

 

Der UVS Oberösterreich hat in einem vergleichbaren Fall in seinem Erkenntnis vom 06.12.2012, zur GZ VwSen-401240/4/Gf/Rt, die Schubhaft für rechtswidrig erklärt weil die belangte Behörde den Vorrang der Anordnung des gelinderen Mittels nicht beachtet hat und „nicht in einer nachvollziehbaren Weise - geschweige denn auch entsprechend belegt - zu erkennen gegeben hat, dass sei überhaupt die Anordnung gelinderer Mittel (sowie konkret: welcher dieser Mittel) in Erwägung gezogen und davon ausgehend das Vorliegen einer derartigen ultima-ratio-Situation, die sogar eine vorgängige Anordnung solcher Maßnahmen ausgeschlossen, sondern vielmehr die unverzügliche Schubhaftverhängung als geboten angenommen hat". Der UVS Oberösterreich führt im oben genannten Erkenntnis weiters aus es gehe „weder aus diesem Bescheid noch aus dem von der Behörde vorgelegten Akt hervor, dass der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck die Anordnung gelinderer Mittel überhaupt de facto erwogen hat; konsequenterweise fehlt sodann auch eine fallbezogene und auf entsprechenden Belegen fußende Auseinandersetzung mit der Frage, welches dieser Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als das am ehesten Zielführende anzusehen ist sowie - davon ausgehend - in welchen Umständen gegenständlich eine derartige ultima-ratio-Situation begründet war, dass nicht einmal mit einer zumindest vorgängigen Anordnung dieses gelinderen Mittels, sondern nur mit einer unverzüglichen Schubhaftverhängung das Auslangen gefunden werden konnte."

 

Da die belangte Behörde die Möglichkeit der Verhängung des gelinderen Mittels nicht geprüft hat, ist die Schubhaft rechtswidrig.

 

3. Widerspruch zur Verordnung (EG) Nr. 1560/2003

 

Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist lautet:

 

„KAPITEL III

DURCHFÜHRUNG DER ÜBERSTELLUNG

Artikel 7

Modalitäten der Oberstellung

(1) Die Übersteifung in den zuständigen Mitgliedstaat kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen:

a) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist;

b) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Uhrzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden;

c) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staats überstellt wird."

 

Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass es eine Rangordnung der Überstellungsmodalitäten gibt bzw. dass eine freiwillige Ausreise des Asylwerbers in den zuständigen Mitgliedsstaat prioritär ist. Auch die österreichische Rechtsordnung geht von der grundsätzlichen Annahme aus, dass Gesetze zwar mit Zwangsandrohung, aber zunächst ohne Zwangsausübung eingehalten werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass ein Gesetz bzw. eine gesetzlich ergangene Entscheidung von den Rechtsunterworfenen grundsätzlich respektiert und eingehalten wird. Erst, wenn sich herausstellt, dass dies nicht der Fall ist, kann zu Zwangsmaßnahmen gegriffen werden. Eine automatische Schubhaftverhängung, d.h. die grundsätzliche Annahme ein Gesetz würde von den Rechtsunterworfenen generell nicht befolgt werden - wie sie derzeit in der Praxis stattfindet - findet keine Deckung in der österreichischen Verfassung.

 

Nach Abschluss des Verfahrens über die (Un-)Zuständigkeit Österreichs ist zunächst dem Asylwerber die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise zu geben. Erst wenn sich herausstellt, dass der Asylwerber nicht freiwillig ausreist bzw. zu verstehen gibt, dass er dies nicht tun wird, ist eine Haftverhängung zulässig.

 

Die Schubhaftverhängung des BF ohne Einhaltung dieser Abfolge steht daher sowohl in Widerspruch zur oben genannten Verordnung, als auch zur österreichischen Verfassung und Ist daher inhaltlich rechtswidrig.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach betont, dass die Verhängung der Schubhaft in "Dublin-Fällen" nicht zu einer Standardmaßnahme gegen Asylwerber werden darf (VwGH 05.07.2011, 2008/21/0028). Besondere Gesichtspunkte, die erkennen ließen, es handle sich hier um eine von den typischen "Dublin-Fällen" abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf Grund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Beschwerdeführer geschlossen hätte werden können, sind dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

 

Es werden daher die

Beschwerdeanträge gestellt, der UVS im Land Oberösterreich möge

die Verhängung der Schubhaft und

die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären sowie

Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung (Schriftsatz- Verhandlungsaufwand) und der Eingabegebühr zuerkennen.

 

3.1. Mit E-Mail vom 3. Juni 2013 übermittelte die belangte Behörde Niederschriften, die mit dem Bf und seiner Gattin im Bundesasylamt am 27. Mai 2013 aufgenommen worden sind.

 

Dabei führte der Bf aus, dass er die Reisepässe (seinen und die der Gattin und der Tochter) verbrannt habe. Sein „Berater“ habe ihm geraten, diese zu vernichten.

Die Ausreise mit der Familie sei über Moskau und Spanien erfolgt. Von Spanien sei er mit einem Taxi nach Österreich gefahren.

 

Auszug aus der Niederschrift:

 

V: Italien hat dem Aufnahmeersuchen der Republik Österreich entsprochen. Daher wird beabsichtigt, Ihren in Österreich gestellten Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen und Ihre Ausweisung nach Italien zu veranlassen.

F: Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

A: In Italien gibt es kein Asyl. Das weiß ich. Wie soll ich in Italien mit einem Kleinkind auf der Straße leben. Hier leben die Verwandten meiner Frau, deswegen kamen wir hierher. Wenn ich nach Italien wollte, wäre ich auch nach Italien gefahren. Schicken Sie mich nach Italien, werden mich die italienischen Behörden nach Russland schicken.

F: Woher wissen Sie, dass die italienischen Behörden Sie nach Russland schicken werden?

A: Es gibt dort kein Asyl, mein Verfahren wird sicher nicht bearbeitet und ich werde nicht als Flüchtling aufgenommen.

F: Waren Sie schon jemals in Italien?

A: Nein.

F: Gibt es weitere Gründe, die einer Überstellung nach Italien entgegenstehen würden?

A: Ich befürchte, dass mich die italienischen Behörden nach Russland schicken. In diesem Fall würde ich in Russland gefoltert werden.

 

F: Möchten Sie zu den Ihnen am 03.04.2013 ausgefolgten Feststellungen zum Mitgliedstaat Italien eine Stellungnahme abgeben?

A: Ich habe das nicht gelesen.

Feststellung: Sie wurden bereits im Zuge der Erstbefragung zu Ihren Problemen in Russland befragt.

F: Entsprechen diese Angaben den Tatsachen oder haben Sie etwas zu berichtigen?

A: Die Angaben, die ich dort gemacht habe, sind richtig. Ich habe vor kurzem von einem Freund gehört, dass es in meiner Heimat wieder zu zwei Attentaten gekommen ist. Wenn so etwas passiert, werden junge Männer wie ich von den Behörden mitgenommen und nicht mehr in Ruhe gelassen.

F: Wollen Sie noch etwas vorbringen, was nicht zur Sprache gekommen ist und Ihnen wichtig erscheint?

A: Ich habe auf meine Berater in Russland gehört und das gesagt, was diese mir geraten haben. Ich bereue es sehr, dass ich hier in Österreich nicht sofort die Wahrheit gesagt habe.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Befragung durch das Bundesasylamt am 27. Mai 2013 beantwortete die Gattin des Bf folgende Fragen:

 

F: Besitzen Sie Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

A: Vor etwa einem Jahr wurde mein russischer Inlandspass von der Polizei mitgenommen und ich habe ihn nicht mehr zurückbekommen. Die Kopien hatte ich zu Hause. Meinen Reisepass und den meines Mannes hat mein Mann weggeworfen.  Geburtsurkunde für meine Tochter X habe ich noch nicht bekommen.

 

F: Haben Sie Verwandte in Österreich, im Bereich der EU bzw. Norwegen oder Island, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Abgesehen von meinem Mann X und meinen beiden Töchtern X und X leben noch mein Bruder und die Schwester meiner Mutter in Österreich.

 

F: Wie lange leben Ihr Bruder und Ihre Tante in Österreich?

A: Mein Bruder lebt seit Oktober 2012 in Österreich, meine Tante seit etwa neun Jahren.

 

F: Ist Ihr Bruder aufenthaltsberechtigt in Österreich?

A: Ja, er hat eine Frau aus Wien geheiratet und hat dann ein Visum bekommen. Meine Tante hat dasselbe Visum.

 

F: Wie alt ist Ihr Bruder?

A: Er ist 1990 geboren.

 

F: Haben Sie Kontakt zu Ihrem Bruder?

A: Er ist taubstumm und wir schreiben uns gelegentlich „SMS“.

 

F: Hatten Sie in den letzten neun Jahren Kontakt zu Ihrer Tante?

A: In diesen neun Jahren habe ich ein paar Mal telefoniert. Meine Mutter hat mehr Kontakt zu ihr. Meine Tante war aber letztes und vorletztes Jahr jeweils ein Mal auf Urlaub bei uns. Seitdem ich in Österreich bin, habe ich etwa einen Monat lang schon bei ihr gewohnt.

 

F: Wie kamen Sie nach Österreich?

A: Wir reisten zunächst nach Moskau, wo wir zwei Tage geblieben sind. Danach flogen wir nach Spanien, wo wir ein paar Stunden geblieben sind. Anschließend fuhren wir mit einem Taxi nach Österreich. Der Taxifahrer war ein Russe.

 

Befragt gebe ich an, dass wir für diese Fahrt € 1.500,-- bezahlt haben. Wir haben viel für diese Reise ausgegeben, allein für die Visa bezahlten wir insgesamt etwa € 4.200,--.

 

F: Wo wurden diese Visa ausgestellt?

A: Diese Visa wurden in Moskau ausgestellt.

 

V: Italien hat dem Aufnahmeersuchen der Republik Österreich entsprochen. Daher wird beabsichtigt, Ihren in Österreich gestellten Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen und Ihre Ausweisung nach Italien zu veranlassen.

F: Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

A: Es mag sein, dass die italienischen Behörden zugestimmt haben. Ich glaube aber nicht, dass das stimmt. Die Behörden in Italien werden uns sicher nicht helfen, im Gegenteil, sie werden uns sicher nach Russland schicken. Nach Russland können wir aber nicht.

 

F: Wieso glauben Sie, dass die italienischen Behörden Ihnen nicht helfen werden?

A: Ich habe noch nie gehört, dass es in Italien ein Asylverfahren gibt. Deswegen glaube ich auch nicht, dass uns die Italiener helfen werden.

 

F: Gibt es weitere Gründe, die einer Überstellung nach Italien entgegenstehen würden?

A: Eigentlich ist es mir egal, in welchem europäischen Land wir bleiben. Ich glaube aber, dass uns die Italiener wieder nach Russland schicken.

 

F: Möchten Sie zu den Ihnen am 03.04.2013 ausgefolgten Feststellungen zum Mitgliedstaat Italien eine Stellungnahme abgeben?

A: Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.

 

F: Wie geht es Ihren beiden Töchtern?

A: Beiden geht es eigentlich gut. Da X aber viel zu früh zur Welt gekommen ist, müsste sie alle drei Tage von einem Arzt angeschaut werden. Ich habe aber noch keinen Termin bekommen. Auch haben die Ärzte im Krankenhaus in Leoben gesagt, dass so ein kleines Kind noch nicht reisefähig ist. Außerdem haben mir die Ärzte gesagt, dass ich am 26. Juni 2013 mit meinem Kind unbedingt zu einer Kontrolle ins Krankenhaus müsste.

 

Anmerkung: Der Antragstellerin wird zur Kenntnis gebracht, dass eine Überstellung vor dem 1. Juli 2013 nicht stattfinden wird. Außerdem wird eine weitere Einvernahme den Gesundheitszustand von X betreffend stattfinden.

F: Haben Sie das verstanden?

A: Ja.

 

F: Wollen Sie noch etwas vorbringen, was nicht zur Sprache gekommen ist und Ihnen wichtig erscheint?

A: Für mich ist es das Wichtigste, das mein Mann entlassen wird. Ich brauche ihn, ich bin mit meinen beiden Kindern alleine. Auch möchte ich, dass meine Tochter ärztlich betreut wird. Ich habe bereits einmal ein Kind in der Schwangerschaft verloren, ich mache mir Sorgen um mein Kind.

 

Stellungnahme des Rechtsberaters: Angesichts der notorisch prekären Versorgungslage in Italien, des Umstandes, dass die Antragstellerin zu einer vulnerablen Gruppe gehört und der Umstände der Frühgeburt und der Transportunfähigkeit der Tochter beantrage ich die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes.

 

3.2. Mit E-Mail vom 4. Juni 2013 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich und erstattete folgende Gegenschrift:

 

Im Besonderen wird auf die ha. Aktenunterlagen und den bereits im Schubhaftbescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck ausgeführten Sachverhalt hingewiesen. Weiters wird im Besonderen hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer zu eingangs angeführte Asyl-Antragstellung unmittelbar vor einer Erlassung einer durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung – mangels Zuständigkeit Österreichs gemäß dem Dublinabkommen - aus dem Bundesgebiet nach Italien steht.

 

Die zitierte durchsetzbare Ausweisung steht unmittelbar vor deren Erlassung. Eine Zustimmung der Übernahme gemäß dem Dublinabkommen liegt seitens des Mitgliedstaats Italien über die gesamte Familie (auch über das in Österreich nachgeborene Kind –seit 22.05.2013-) vor. 

 

In Bezug der eingebrachten Beschwerde darf nicht nur auf die gegenständlichen Aktenunterlagen, dem Schubhaftbescheid und der am 03.04.2013 seitens der BH Vöcklabruck durchgeführten Einvernahme hingewiesen werden. In ständiger Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer weiteren, fortlaufenden Anhaltung in Schubhaft war insbesondere zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seine Verhaltensweise nicht geändert hat. Sofern konnte dem Beschwerdeführer seitens der BH Vöcklabruck nicht jenes Vertrauen zugesprochen werden, welches im Gesamtkontext der Familie betrachtet, erforderlich wäre um das gegenständliche Ausweisungsverfahren und die nahe bevorstehende Überstellung des Beschwerdeführers mit seiner Familie nach Italien abseits Freiheit entziehender Maßnahmen zu sichern. So stellt hervorhebend das unveränderte Nichtmitwirken   die unrichtige Angabe zum Verbleib der Reisedokumente beispielsweise war. Zu Beginn des Verfahrens stritt der Beschwerdeführer die Existenz der Dokumente vehement ab, und bekannte sich erst nach unzähligen Vorhalten dazu, dass sich die Dokumente bei seinem Vater in Russland befänden. Hierzu gibt der Beschwerdeführer nunmehr aktuell zu Protokoll, die Dokumente durch Verbrennen vernichtet zu haben. Seine Ehefrau hingegen zitiert, die Dokumente weggeschmissen zu haben. In diesem Zusammenhang ist auch aufzuzeigen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Kontrolle am 21.03.2013 einen erheblichen Bargeldbetrag von zumindest 1000 Euro bei sich hatte, dessen Verbleib neun Tage später im Rahmen seiner Asylantragstellung in gleicher Weise wie der Besitz von Reisedokumente verschleiert wurde. Auch wurden nahe Bezugspunkte in Österreich - wie nunmehr bekannt bewusst – nicht genannt. Und zwar mit dem Zweck sich allfällig an einer den Behörden nicht bekannter Örtlichkeit in der Anonymität aufhalten zu können. Betrachtend der in der Anhaltedatei hervorgehenden wöchentlicher Geldaushilfen durch Bezugspunkte an den Beschwerdeführer, muss zwingend davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer mit seiner Familie entgegen deren Angaben finanzielle Rücklagen samt deren Reisedokumente bei nicht genannter Bezugspersonen hinterlegend versteckt hält. Auch wenn einzelne Details wie der Verbleib der Dokumente, das Verschwinden erheblicher Barmittel und das Verschweigen von Bezugspunkte in Österreich keine wesentliche Relevanz auf das gegenständliche Ausweisungsverfahren und der bevorstehenden Abschiebung der Familie nach Italien haben, so legt eine zusammenhängende Kombination dieser einzelnen Tatsachen die Vorgangsweise des Beschwerdeführers mit dessen Familie dar. Nämlich, sich notfalls mit seiner Familie abseits der Behörden auch ohne Grundversorgung über eine gewisse Zeit in der Anonymität aufhalten und damit eine drohende Beendigung seines illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet unterbinden zu können. Ob der Beschwerdeführer abseits der nunmehr bekannten Bezugspunkte noch weitere Bezugspersonen in Österreich verfügt, ist nicht bekannt. Weitere Bezugspersonen nannte die Familie nicht. Es wäre jedoch realitätsfremd davon auszugehen, dass die Familie keine weiteren Bezugspunkte in Österreich mehr verfügen würde, und daher sich nicht mehr abseits den Behörden bekannter Örtlichkeiten in der Anonymität aufhalten zu können. Dem entgegen gilt es als erwiesen, dass insbesondere jene Migranten* die bereits über Bezugspunkte im Zielstaat verfügen, darauf zurückführenden Zugang zu einem weitläufigen Netzwerk einer Personengruppe gleicher Herkunft haben.

Beachtend dessen, dass bereits Bezugspersonen der Familie Unterschlupf gaben und damit den illegalen Aufenthalt unterstützten, muss auch davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer noch weitere –  den Behörden nicht bekannten gegebene – Bezugspersonen verfügt, mithilfe welcher sich der Beschwerdeführer mit seiner Familie in der Anonymität aufhalten kann. Der in diesem Zusammenhang in der Beschwerdeschrift vorgebrachten Argumentation nicht in die Anonymität abtauchen zu wollen, da damit der medizinische Zugang insbesondere für das nachgeborene Kind verwehr wäre, muss aufgrund der bisherigen Verhaltensweise der Familie objektiv entgegen gehalten werden.

Insbesondere dann wenn dies mit Ängsten des Wohl des neu geborenen Kindes, der Durchlebten Risikoschwangerschaft und einer schon einmal erlebten Fehlgeburt begründet wird. So wäre in objektiver Betrachtungsweise ein medizinischer Zugang während der Schwangerschaft mindestens genauso begehrenswert wie medizinische Kontrollen nach einer Frühgeburt. Dies entspricht allerdings nicht dem Verhalten der Familie. So reiste die Familie in einem fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft über strategische aber enorme Umwege nach Österreich ein. Und nachdem endlich ein medizinischer Zugang in Folge der Asylantragstellung und der Anordnung gelinderer Mittel gegeben war, tauchte die Ehefrau mit Ihrem Kleinkind nach nur einem Tag in die Anonymität ab, und gab in fortgeschrittener Schwangerschaft trotz –deklarierter enormer Ängste abermals eine Fehlgeburt zu erleiden- dem Entzug vor den Behörden der medizinischen Versorgtheit den Vorrang. Hierbei erwies sich die Anordnung gelinderer Mittel über die Kindesmutter in Berücksichtigung derer Schwangerschaft und deren Kleinkind mit der Auferlegung der Unterkunftnahme im Gasthof X in X, der behördlich organisierte Transport am 03.04.2013 nach X und die erhöhte Auflage der täglichen Meldeverpflichtung bei der Polizeiinspektion X als keine ausreichende Sicherungsmaßnahme, nachdem die Frau mit deren Kind nach nur einem Tag, und zwar am 04.04.2013 in die Anonymität abtauchte und sich erst Wochen nach der Geburt des Kindes bei den Asylbehörden zu erkennen gab.

Auch die weiteren Argumentationen der gesetzten Handlungsweise des Beschwerdeführers klaffen von der Realität weit auseinander. So begründet der Beschwerdeführer beispielsweise sein Verhalten auf Anraten nicht genannter Personen im Herkunftsstaat (siehe Anraten der Vernichtung der Reisedokumente). Die gesamte Handlungsweise der Art und Weise der irregulären Migration der Familie lässt hingegen nicht mehr auf einzelne herkömmliche "Ratschläge", sondern vielmehr auf ein nicht außer Acht zu lassendes Höchstmaß an Selbstorganisation schließen.

 

Gelindere Mittel konnten somit im vorliegenden Fall seitens der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, weder zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft noch nach fortlaufender Prüfungen der Verhältnismäßigkeit angewendet werden. Ein im betreffenden Einzelfall prognostizierbarer Entzug aus einem gelinderen Mittel hinderte die belangte Behörde an deren Anwendung. Die erfolgte Anwendung gelinderer Mittel über die Frau und dem minderjährigen Kind und die Anordnung der Schubhaft über den Beschwerdeführer stellte in Rücksichtnahme auf das minderjährige Kind und der fortgeschrittenen Schwangerschaft die gelindeste Form der anwendbaren Sicherungsmaßnahmen über die gesamte Familie dar.  Nachdem aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes dringend davon auszugehen ist, dass sich der Beschwerdeführer selbst mit erhöhten Auflagen von Sicherungsmaßnahmen wie eine tägliche Meldeverpflichtung bei einer Polizeiinspektion nicht hindern würde, eine zugewiesene Unterkunft aufzugeben und sich durch Abtauchen der drohenden Ausweisung und Abschiebung nach Italien zu entziehen. Eine Erwägung einer weiteren erhöhten Sicherungsmaßnahme im Rahmen des gelinderes Mittels, wie eine gesetzlich vorgesehene Einhebung einer finanziellen Sicherheitsleistung konnte nicht in Betracht gezogen werden, da der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben nach vollkommen mittellos ist. Es konnte – und zwar bezogen auf den Einzelfall – keine geeigneten Sicherungsmaßnahmen gefunden werden, die die Hemmschwelle des Beschwerdeführers gegenüber einem weiteren Mitwirken am Verfahren herabsetzen und gegenüber einem Abtauchen und einem Entzug  soweit hoch setzen würde, welche letztlich in Betrachtung der gesamten vorliegenden Sachlage ein Vertrauen gegenüber den Fremden soweit herstellen würde, und eine Sicherungsmaßnahme abseits freiheitsentziehender Maßnahme zulassen und begründen ließe.

 

Um die im Interesse des Staates gebotenen Ziele zu gewährleisten, war daher der Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig und demzufolge war im gegeben Einzelfall von der Alternative der Anordnung eines Gelinderen Mittels Abstand zu nehmen und ein konkreter und akuter Sicherungsbedarf  - welchem im gegenständlich vorliegenden Fall ausschließlich durch die Anordnung einer Schubhaft Folge getragen werden kann - zu bejahen.

 

Um den illegalen Aufenthalt in unmittelbar bevorstehender Außerlandesbringung auch faktisch beenden, ein Abtauchen in die Anonymität verhindern, die durchsetzbare Ausweisung auch durchführen zu können, wird seitens der BH Vöcklabruck beantragt die vorliegende Schubhaftbeschwerde KOSTENPLICHTIG abzuweisen.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

3.4. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – im Übrigen vom Bf nicht substantiell widersprochenen - unter den Punkten 1., 2., 3.1. und 3.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 68/2013, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.  

 

Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.   wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.   wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.   wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

4.1.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde vom 3. April 2013 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf Internationalen Schutz, so kann gemäß § 76 Abs. 6 FPG diese aufrechterhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs. 2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1. in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

4.3.1. Die belangte Behörde hat sich auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gestützt.

 

Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 1 (wie auch Abs. 2) FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass er sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

4.3.2. Obwohl sich das Asylverfahren des Bf in einem frühen Stadium befindet, ist die belangte Behörde von einem hohen Sicherungsbedarf ausgegangen und hat die dafür sprechenden Gründe im Schubhaftbescheid und in der Gegenschrift umfassend angesprochen.

 

4.3.3. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf mit seiner Familie am 21. März 2013 in Österreich eingereist, erst am 29. März 2013 einen Asylantrag in Österreich gestellt und das Bundesasylamt am
3. April 2013 die belangte Behörde von der Einleitung des Ausweisungsverfahrens (§ 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG) in Kenntnis gesetzt hat. Auf Grund der geführten Konsultationen erteilte Italien am 10. Mai 2013 nachträglich die Zustimmung zur Übernahme des Bf samt seiner Familie und zur Führung der Asylverfahren. Der Bf ist somit Asylwerber und unterliegt betreffend Schubhaftverhängung grundsätzlich dem § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG.

 

Auf Grund der Kontrolle des Bf (und seiner Familie) in X am 21. März 2013 um 14.10 Uhr und der Einsichtnahme in die vorgewiesenen Reisedokumente ist erwiesen, dass der Bf und seine mitreisenden Familienangehörigen über ein gültiges italienisches Visum verfügten und über Spanien in die Europäische Union eingereist sind.

 

Die belangte Behörde konnte daher mit Recht annehmen, dass der in Österreich gestellte Antrag mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werde.

 

Nach der Judikatur der Höchstgerichte ist nicht bei jedem sogenannten Dublin-Fall von einem erhöhten Sicherungsbedarf auszugehen; allein der in Rede stehende Fall ist doch grundlegend anders gelagert als ein "Regel-Dublinfall".

 

4.3.4. Im vorliegenden Fall ergibt sich betreffend den Sicherungsbedarf – entgegen der Ansicht in der Beschwerde - ein eindeutiges Bild:

 

Es ist zwar zutreffend, dass den Umständen der völligen Mittellosigkeit, Wohnsitzlosigkeit und des Fehlens integrationsbegründender Beziehungen im Bundesgebiet sowie einer Ausreiseunwilligkeit eines Fremden alleine betrachtet nicht zwingend die Annahme eines hohen Sicherungsbedarfes und in der Folge die Verhängung der Schubhaft zu folgen haben, allerdings ergeben sich im vorliegenden Fall doch besondere Aspekte.

 

Der Bf wirkt nur in Randbereichen am Verfahren mit. Wie sich den dargestellten Niederschriften und Schriftsätzen entnehmen lässt, versuchte der Bf sowohl den Einreiseweg als auch den Einreisezeitpunkt gezielt zu verschleiern und – abgesprochen mit seiner Gattin – sein Vorbringen glaubwürdig zu gestalten. Selbst nach eindeutigen Vorhaltungen stellt sich der Bf unwissend, uninformiert, schiebt ausweichend seinen Vater vor und bringt auch noch die Sprach- und Schriftbarriere ins Spiel.

 

In der Beschwerdeschrift nimmt der Bf weder auf die umfangreichen Ermittlungsergebnisse und die umfassende individuelle Schubhaftprüfung Bezug. Einleitend wird lapidar der Einreisezeitpunkt außer Streit gestellt. Bei den anschließenden Ausführungen werden unreflektiert allgemeine Aussagen in den Raum gestellt, die diametral zu unstrittigen Sachverhaltselementen und der tatsächlichen Verfahrensführung stehen.

 

Beispielsweise ist anzuführen: individuelle Prüfung wurde unterlassen; Schubhaft ohne ausreichende Prüfung angeordnet; mit der konkreten Situation nicht hinreichend auseinandergesetzt; bloße allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte; unterlassene Prüfung des gelinderen Mittels; Schubhaft als Standardmaßnahme; Ausreiseunwilligkeit alleine kein Sicherungserfordernis; potenzieller Dublinfall.

 

Bezeichnend für den Bf ist auch sein Umgang mit dem bisherigen Geschehensablauf. Nach längerem Leugnen räumt der Bf sowohl in der Befragung am 27. Mai 2013 als auch in der Beschwerdeschrift vom 31. Mai 2013 ein, dass die Einreise in Österreich am 21. März 2013 erfolgt ist. Bedingt durch die Kontrolle am 21. März 2013 und die nachfolgend zu Tage getretenen Beweismittel konnte der Bf sein bisheriges Vorbringen nicht mehr aufrechterhalten. Dennoch will er in der Beschwerdeschrift vom 31. Mai 2013 sein bisheriges Verhalten schönen, indem er davon schreibt, dass er „unmittelbar nach der Einreise“ aus eigenem das Bundesasylamt aufgesucht und dort einen Asylantrag gestellt habe. (Unbestrittene) Tatsache ist aber, dass sich der Bf mit seiner Familie bereits seit dem 21. März in Österreich aufgehalten und erst am 29. März 2013 einen Asylantrag gestellt hat. Von einem „unmittelbar nach der Einreise gestellten Asylantrag“ kann daher nicht die Rede sein.

 

Obwohl dem Bf auf Grund der Kontrolle am 21. März 2013 und der Dokumentation seiner Reisedokumente bewusst sein musste, dass seine Anwesenheit in Österreich registriert worden ist, versuchte er den Aufenthalt ab diesem Zeitpunkt nachhaltig zu leugnen und auf Ermittlungsfehler der österreichischen Behörden zurückzuführen.

 

Wie die auszugsweise wiedergegebenen niederschriftlichen Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des Bundesasylamtes und der belangten Behörde zeigen, trägt der Bf nicht von sich aus zur Ermittlung des notwendigen Sachverhaltes bei. Er reagiert lediglich auf Vorhaltungen, versucht Beweisergebnisse im ersten Ansatz zu leugnen und in der Folge in ein unschlüssiges und widersprüchliches Konstrukt einzubinden.

 

Ob der Bf die Reisedokumente tatsächlich verbrannt hat ist mehr als fragwürdig. Bei den ersten niederschriftlichen Befragungen, bei denen sich der Bf und seine Gattin noch gemeinsam in Freiheit befunden haben, haben beide ein nahezu deckungsgleiches Vorbringen erstattet. Absprachen vor der niederschriftlichen Einvernahme am 27. Mai 2013 scheinen nicht mehr möglich gewesen zu sein. Damit ist auch die Diskrepanz in den Aussagen betreffend Verbleib der Reisedokumente erklärbar. Im Gegensatz zum Vorbringen des Bf geht seine Gattin davon aus, dass der Bf die Reisedokumente nur weggeworfen hat.

 

Betrachtet man das Verhalten des Bf im Zusammenhang, dann scheint das Aufsuchen der österreichischen Behörden in erster Linie der Sicherung seiner grundlegenden Bedürfnisse und jener seiner hochschwangeren Gattin gedient haben. Wie die weitere Entwicklung der Schwangerschaft gezeigt hat, dürfte diese der ärztlichen Hilfe bedurft haben. Ohne Versicherungsschutz und aus der Illegalität heraus wäre ihr diese Hilfe nicht gewährt worden.

 

Wiederholt weist der Bf in der Beschwerdeschrift darauf hin, dass er nach seiner Einreise im Bundesgebiet „freiwillig“ einen Asylantrag gestellt habe und die falschen Angaben nur der Verschleierung dienten, um ein Asylverfahren in Österreich führen zu können. Abgesehen davon, dass eine „unfreiwillige Asylantragstellung“ kaum denkbar ist, hat der Bf auch nicht unverzüglich einen Asylantrag gestellt. Wäre ihm tatsächlich daran gelegen gewesen, hätte die Antragsstellung bereits am 21. März 2013 erfolgen können. Auch hätte der Bf gegenüber den kontrollierenden Beamten sein Schutzbedürfnis zum Ausdruck bringen können. Wie in der Beschwerde eingeräumt, dürfte der Bf dies auch deshalb unterlassen haben, um die Einreise über einen Dublin-Staat verschleiern zu können. Die Verschleierung wäre zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen, da die Beamten die Einreise aus den vorgewiesenen Reisedokumenten rekonstruieren hätten können.

 

Bedeutsam für den Bf ist der Verbleib in Österreich. Diesen will er mit allen Mitteln erreichen. Das Asylverfahren soll den Aufenthalt sicherstellen und scheint nur vordergründig dem Schutz vor Verfolgung dienen. Bestätigung findet diese Annahme bereits im Vorbringen vom 3. April 2013. Darin bringen der Bf und seine Gattin vehement zum Ausdruck, dass sie nicht nach Italien wollen. Begründet wird die Weigerung zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ansatzweise. Jedenfalls stellen der Bf und seine Gattin klar, dass sie eine Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Abschiebung nach Italien vorziehen werden. Ziel des Bf ist ausschließlich ein Verbleib in Österreich („Wir wollen nicht nach Italien. Ich möchte hier ruhig leben“.) In der ergänzenden Befragung am 27. Mai 2013 tritt zu Tage, dass ein Bruder und eine Tante der Gattin in Österreich leben und die Gattin des Bf bereits einen Monat bei der – seit neun Jahren in Österreich aufhältigen – Tante wohnt. Daraus ist zu schließen, dass der Bf und seine Gattin das Neugeborene im Kreise der Verwandtschaft und nicht in einer Flüchtlingsunterkunft in Italien, umgeben von Fremden, aufziehen wollen.

 

Zusammengefasst muss der Bf als Fremder bezeichnet werden, der sich nach zielgerichteter Planung ein „Wunschland“ ausgesucht und den Plan konsequent umgesetzt hat. Sein Verhalten zeigt eindeutig, dass es ihm nicht um die Erlangung von Asyl somit um den Schutz vor staatlicher Verfolgung, sondern um die Sicherung seines Aufenthalts, der umfassenden medizinischen Versorgung seiner Gattin in einem für ihn wirtschaftlich attraktiven Staat der EU geht. Dabei weist er ein Höchstmaß an Flexibilität auf.

 

4.4. Entgegen den Beschwerdeausführungen ist der Sicherungsbedarf äußerst hoch. Bereits vor der Asylantragsstellung hat sich der Bf mit seiner hochschwangeren Frau unangemeldet im Bundesgebiet aufgehalten. Zwar hat er, bedingt durch die notwendige medizinische Versorgung seiner schwangeren Frau, den Kontakt mit den Behörden gesucht. Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass der Bf, in Freiheit belassen, sich den zuständigen Behörden zur Verfügung gehalten hätte. Der bisherige finanzielle Einsatz und die generalstabsmäßige Planung und Umsetzung zeigen, dass sich der Bf unter keinen Umständen von seinem Ziel – ruhiges Leben in Österreich – abbringen lassen wird. In Kenntnis, dass ihm ein Asylverfahren in Österreich nicht offensteht, er dadurch auch keine Aufenthaltsberechtigung erlangen kann und ihm nach der bevorstehenden Verfahrensbeendigung die Abschiebung nach Italien droht, wird er alles unternehmen, um die fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu unterlaufen. Der Bf und seine damals hochschwangere Gattin haben in der nahen Vergangenheit alles daran gesetzt, um ihr Ziel zu erreichen und bereits einmal tagelang in der Illegalität verbracht. Im Hinblick auf das familiäre Umfeld ist auch in der Zukunft (wie bereits in der Vergangenheit – siehe Ausführungen in der Gegenschrift) ein Untertauchen in der Anonymität nicht von der Hand zu weisen. Selbst wenn sich die Kernfamilie des Bf zukünftig den Behörden zur Verfügung halten würde, wäre es für den Bf leicht abzutauchen. Eine Versorgung im Untergrund wäre durch die Familienmitglieder leicht zu bewerkstelligen. Nicht einmal in der Beschwerde hat der Bf eine grundsätzliche Bereitschaft zur Ausreise nach Italien erkennen lassen.

 

Der belangten Behörde folgend ist im vorliegenden Fall – in Zusammenschau all der eben beschriebenen Sachverhaltselemente – von einem besonders hohen sowie akuten Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – fraglos ehestmöglich dem Zugriff der Behörde entzogen haben würde. Je weiter dieses Verfahren fortschreitet, desto höher ist auch die Gefahr des Untertauchens anzusetzen. Diese bestand aber schon zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme massiv.

 

4.5.1. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses im vorliegenden Fall fraglos überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

4.5.2. In Anbetracht des besonders hohen Sicherungsbedarfes scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht bzw. eine finanzielle Sicherheitsleistung würden das Ziel der Schubhaft nicht haben gewährleisten können, zumal der Bf - wie oben dargestellt – spontan die Gelegenheit nutzen würde, um sich dem Verfahren zu entziehen.

 

Im vollen Wissen der für ihn ungünstigen Entwicklungen durch die in absehbarer Zeit zu erwartende durchsetzbare asylrechtliche Ausweisung und die darauf erfolgenden Schritte der österreichischen Behörden, würde eine tägliche Meldepflicht also nicht ausgereicht haben, um ihn zu einer nachhaltigen Mitwirkung zu bewegen.  

 

Dies aber hat zur Konsequenz, dass die belangte Behörde die Anwendung eines gelinderen Mittels zu Recht ausschloss, wobei anzumerken ist, dass sie dies im angefochtenen Bescheid sehr wohl – auch hinsichtlich der einzelnen Varianten des gelinderen Mittels – thematisierte.

 

4.6. Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal die gesamte Familie des Bf von der Abschiebung nach Italien betroffen ist.

 

4.7.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1.     zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2.     vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

4.7.2. Der Bf wird gegenwärtig seit knapp zwei Monaten in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte Frist noch nicht ausgeschöpft ist. Da Italien bereits der Übernahme zugestimmt hat, es nur mehr einer weiteren Klärung (Reisetauglichkeit des Neugeborenen und der Mutter) bedarf und die Feststellung, dass diese gegeben ist, Anfang Juli 2013 erwartet wird, ist davon auszugehen, dass die Verfahrensbeendigungen der Asylverfahren und die Abschiebungen in den zuständigen Dublin-Staat in naher Zukunft erreichbar sind.

 

Das Ziel der Schubhaft ist zum Entscheidungszeitpunkt somit absolut zeitnah erreichbar, da aktuell keine Umstände bekannt sind, die dagegen sprechen würden.

 

4.8. Es sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom 31. Mai 2013 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen war, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 18,20 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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