Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167782/2/Zo/TR/AK

Linz, 26.06.2013

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Gottfried ZÖBL über die Berufung des x, vertreten durch RA Dr. x, xzeile x, x x, vom 29.4.2013, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmanns von Schärding vom 11.4.2013, VerkR96-3771-2012, zu Recht erkannt:

I.            Die Berufung wird im Hinblick auf die Schuld bestätigt, jedoch bezüglich der Strafe insofern stattgegeben, als von einer Bestrafung abgesehen wird.

II.         Der Berufungswerber hat keine Kosten für das Berufungsverfahren zu leisten.

 

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs 4 AVG iVm § 103 Abs 1 Z 1 KFG und § 4 Abs 4 KDV sowie § 21 Abs 1 VStG.

zu II: § 65 VStG.


Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die BH Schärding hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er als Inhaber und somit als das nach § 9 Abs 1 VStG nach außen berufene und verantwortliche Organ der Firma x E.K. Spedition-Lagerung in x, Bundesrepublik x, Am xgraben x, diese sei Zulassungsbesitzerin des KFZ mit dem Kennzeichen x, nicht dafür Sorge getragen habe, dass der Zustand bzw die Ladung des genannten KFZ den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspreche. Das Fahrzeug sei am 14.5.2012 um 10 Uhr in der Gemeinde St. x, B x bei StrKm 59,950, von x gelenkt worden, wobei festgestellt worden sei, dass beim Anhänger der linke Reifen der 2. Achse beschädigt gewesen sei (Drahtgewebe sichtbar). Die Verwendung von Reifen, die mit freiem Auge sichtbare, bis zum Unterbau des Reifens reichende Risse oder Ablösungen des Laufbandes oder der Seitenbänder aufweise, sei verboten. Dadurch habe er § 103 Abs 1 Z 1 iVm § 7 Abs 1 KFG iVm § 4 Abs 4 KDV verletzt, weshalb über ihn gem § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe von 110 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 22 Stunden) verhängt werde.

Weiters werde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 11 Euro verpflichtet (je ein Tag Freiheitsstrafe werde gleich 100 Euro gerechnet).

 

Rechtlich begründete die belangte Behörde die Entscheidung wie folgt:

 

Die von der LVA ÖO am 17.5.2013 gelegte Anzeige sei schlüssig und nachvollziehbar. Sie basiere auf Feststellungen eines technischen Amtssachverständigen der Landesprüfstelle und werde weiters von einem Gutachten im Ermittlungsverfahren gestützt; es sei schlüssig und nachvollziehbar. Die Anzeige und das Gutachten können dem Verfahren bedenkenlos zugrunde gelegt werden.

Danach sei der tatgegenständliche Anhänger vom Lenker x verwendet worden, obwohl der Reifen die genannten Beschädigungen aufgewiesen habe. Aufgrund dieses Mangels sei Gefahr in Verzug vorgelegen. Die Mängel seien erkennbar gewesen. Wenn Gegenteiliges vertreten werde, sei auf die jeweiligen Gutachten des Amtssachverständigen zu verweisen. Danach hätte dem Lenker nach einer allfälligen Vollbremsung die Beschädigung des Reifens (Bremsplatten) infolge der anschließenden Unwucht des Rades bzw Reifens sehr wohl zu Bewusstsein kommen müssen und sei somit eben auch der Schaden bzw Mangel erkennbar gewesen. Die Behörde hege daran auch nicht den geringsten Zweifel. Die gegenteiligen Ausführungen seien als Schutzbehauptungen zu werten. Allgemein gehaltene Behauptungen oder ein bloßes Leugnen reiche für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Ein auf denselben Sachverhalt beruhendes Gutachten, um jenes des Amtsachverständigen allenfalls zu entkräften, sei vom Berufungswerber nicht beigebracht worden. Folglich habe er die Übertretung jedenfalls in objektiver Hinsicht zu verantworten, sei er doch der Inhaber und damit das nach außen vertretungsbefugte Organ der Firma x, welche Zulassungsbesitzerin des zur Tatzeit gelenkten bzw verwendeten Anhänger sei und damit auch für die genannte Firma verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gem § 9 Abs 2 VStG sei im Verfahren nicht behauptet worden.

Hinsichtlich des Verschuldens sei darauf hinzuweisen, dass ihm als Zulassungsbesitzer bzw iSd § 9 Abs 1 VStG als Verantwortlicher eine iSd § 103 Abs 1 Z 1 KFG verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Überwachungsfunktion in Bezug auf den Zustand und die Beladung seiner Fahrzeuge zukomme. Die normierte Sorgfaltspflicht verlange zwar nicht, dass er jedes Fahrzeug selbst überprüfen müsse, ob es dem Gesetz und den darauf gegründeten Verordnungen entspreche. Er habe aber in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer (bzw als § 9 Abs 1 VStG Verantwortlicher) jene Vorkehrungen zu treffen, die mit Grund erwarten lassen, dass gesetzeskonforme Transporte mit verkehrs- und betriebssicheren Fahrzeugen sichergestellt und Verstöße gegen die kraftfahrrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen seien. Dafür reichen bloße Dienstanweisungen an die bei ihm beschäftigten Lenker, regelmäßige mündliche oder schriftliche Mitarbeiterbelehrungen, Schulungen und stichprobenartige Überwachungen und Kontrollen, eingehende Unterweisungen der Dienstnehmer in Hinblick auf die einzuhaltenden Gesetzes-, Verwaltungs- und Sicherheitsvorschriften, Arbeits- und Fahreranweisungen, Betriebsanweisungen für sämtliche zu verwendenden Fahrzeuge, schriftliche Bestätigungen über die getroffenen Unterweisungen durch Unterzeichnung der betreffenden Dienstnehmer, Verteilung von Fahrerhandbüchern, dienstvertragliche Weisungen an die Lenker zur Einhaltung der Vorschriften bis hin zur Androhung der Beendigung des Dienstverhältnisses, Verwarnungen, Nachschulungen und auch Einkommenseinbußen bei Verstößen seitens der Lenker, Aufnahme allfälliger Klauseln in Arbeitsverträge, nachträgliche, durch Einsichtnahme in Liefer- und Wiegescheine vorgenommene Überprüfungen, das bloße zur Verfügung stellen von Arbeits- und Landungssicherungsmitteln ua nicht aus. Auch eine Überwälzung der den Zulassungsbesitzer bzw das nach außen vertretungsbefugte Organ grundsätzlich persönlich treffenden Verpflichtung auf den ohnehin separat unter Strafsanktion stehenden Lenker sei nicht möglich. Der Zulassungsbesitzer (das nach außen vertretungsbefugte Organ) habe vielmehr die Einhaltung seiner Dienstanweisungen auch gehörig zu überwachen. Die Einhaltung der Verpflichtungen des Lenkers habe der Zulassungsbesitzer bzw das nach außen vertretungsbefugte Organ durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems sicherzustellen. Nur ein solches befreie ihn von seiner Verantwortung. Es liege aber nur dann vor, wenn die Überwachung des Zustandes aller im Betrieb eingesetzten Fahrzeuge jederzeit sichergestellt werden könne. Die Größe des Betriebes oder Fuhrparks entbinde den Zulassungsbesitzer bzw den nach außen Verantwortlichen nicht von der Einhaltung gesetzlich auferlegter Verpflichtungen. Mache eine Betriebsgröße eine Kontrolle durch den Berufungswerber selbst unmöglich, so liege es an ihm, ein entsprechendes Kontrollsystem aufzubauen und eine andere Person damit zu beauftragen, um Übertretungen zu vermeiden. Dabei treffe ihn nicht nur die Verpflichtung, sich tauglicher Personen zu bedienen, sondern auch die Weitere, die ausgewählten Personen in ihrer Kontrolltätigkeit zu überprüfen. Zur Erfüllung der obliegenden Verpflichtung gem § 103 Abs 1 Z 1 KFG genüge auch nicht bloß eine Kontrolle des Fahrzeuges beim Verlassen des Betriebsgeländes. Vielmehr habe er durch Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems für die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften auch außerhalb des Betriebsgeländes zu sorgen. Der Berufungswerber habe dargelegt, dass in seinem Unternehmen zwar verschiedene Maßnahmen vorgesehen seien, um allfällige Unregelmäßigkeiten iZm der Befolgung von kraftfahrrechtlichen Vorschriften, insb. was den technischen Zustand der Fahrzeuge betreffe, entgegenzutreten, jedoch seien diese nicht als ausreichende Kontrolltätigkeiten anzusehen, welche ihn entlasten vermögen. Er habe mit seinen Ausführungen allgemein zwar das Bestehen seines Kontrollsystems behauptet, jedoch nicht erkennbar dargelegt, wie dieses Kontrollsystem im Einzelnen beim gegenständlichen Transport hätte funktionieren sollen. Nach der Rsp des VwGH habe er den Nachweis eines lückenlosen Kontrollsystems nicht erbringen können bzw sei es ihm nicht gelungen, das Vorliegen eines geeigneten und ausreichenden Kontrollsystems darzulegen. Vielmehr lasse sein Vorbringen darauf schließen, dass ein den Anforderungen des VwGH entsprechendes Kontrollsystem in seinem Unternehmen nicht existiere, zumal die von ihm angeführten Maßnahmen und Kontrollen die Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem nicht erfüllen.

Damit habe der Berufungswerber nicht glaubhaft machen können, dass ihm an der Verletzung der vorgeworfenen Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe und habe somit die Fahrlässigkeitsvermutung iSd § 5 Abs 1 VStG nicht entkräften können, weshalb auch die subjektive Tatseite der Übertretung erfüllt sei.  

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung macht der Berufungswerber die Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Hinsichtlich ersterer führt der Berufungswerber aus, dass der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht die als erwiesen angenommene Tat bezeichnet habe, sondern sich vielmehr auf den reinen Gesetzeswortlaut beschränke. In der Begründung des Straferkenntnisses seien von der Behörde die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Von der Behörde werde lediglich auf die Anzeige sowie auf das Gutachten des technischen Amtssachverständigen verwiesen und behauptet, dass sowohl die Anzeige, als auch das Gutachten schlüssig und nachvollziehbar seien. Eine Begründung, welche sich bezüglich des erwiesenen Sachverhalts mit einem bloßen den Gesetzeswortlaut enthaltenen Spruch beschränke, sei unzulänglich, da sich nicht entnehmen lasse, aufgrund welcher Sachverhaltsannahmen die belangte Behörde zum angenommenen Straferkenntnis gelange.

Auch der Grundsatz der freien Beweiswürdigung enthebe die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, ihre Überlegungen zu begründen. Die Behörde übersehe bei ihren Ausführungen, dass es sich nicht um ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Fahrzeuglenker, sondern um eines gegen den Zulassungsbesitzer handle.

Nachdem die Behörde zunächst die Ansicht vertreten habe, dass es sich bei dem gegenständlichen Reifenschaden keinesfalls um einen Bremsplatten handeln könne, habe sie sich in der Folge vom technischen Amtssachverständigen eines Besseren belehren lassen müssen.

Dass die Bremsanlage des Fahrzeuges nicht in Ordnung gewesen sei, ergebe sich weder aus dem Spruch, noch habe das Ermittlungsverfahren diesbezügliche Anhaltspunkte bzw Beweisergebnisse geliefert. Es sei dem Straferkenntnis nicht zu entnehmen, welches verwaltungsstrafrechtlich relevante Verhalten ihm die Behörde als Zulassungsbesitzer anlaste und in wie weit ihn ein Verschulden daran treffe.

Ausführungen zur subjektiven Tatseite fehlen völlig. Es werde von der Behörde lediglich dargelegt, es habe nicht glaubhaft gemacht werden können, dass ihn an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.

Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert der Berufungswerber, dass die Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen habe, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre bzw hätte kommen können.

Es sei bestritten worden, dass eine Unwucht des Reifens an der zweiten Achse des Anhängers für den Lenker „bemerkbar“ gewesen sei und es sei diesbezüglich auch die Einholung eines Gutachtens beantragt worden. Hätte die Behörde das beantragte Gutachten eingeholt, wäre sie zur Überzeugung gekommen, dass die Unwucht des Reifens für den Fahrzeuglenker nicht erkennbar gewesen sei. Auch der Fahrzeuglenker hätte dazu befragt werden müssen. Selbst wenn eine Unwucht für den Lenker bemerkbar gewesen sei sollte, stelle sich die Frage, welche Vorkehrungen er als Zulassungsbesitzer für einen plötzlich und unvermutet auftretenden Reifenschaden treffen solle.

Hätte die Behörde ihn einvernommen, wäre sie zur Ansicht gelangt, dass ihm kein verwaltungsstrafrechtlich relevantes Überwachungsverschulden angelastet werden könne.

Die Bremsanlage des Fahrzeuges sei kurz zuvor in einer Fachwerkstätte überprüft worden, ebenso sei die Profiltiefe der Reifen ausreichend gewesen, sodass bei der wöchentlichen technischen Kontrolle und bei der Abfahrtskontrolle keine Unregelmäßigkeiten oder Auffälligkeiten haben festgestellt werden können. Für ein plötzlich notwendiges Vollbremsmanöver eines Fahrzeuglenkers könne er als Zulassungsbesitzer keinerlei Vorkehrungen treffen.

 

3. Der BH von Schärding hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat Oberösterreich, UVS OÖ zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt  sich daher die Zuständigkeit des UVS, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der UVS OÖ hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt.

Da eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe bekämpft wird und auch keine mündliche Verhandlung beantragt wurde, sowie der Berufungswerber zudem rechtsfreundlich vertreten wird (vgl VwGH 18.9.2008, 2006/09/0110 e contrario), hatte gem. § 51e Abs 3 Z 3 VStG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entfallen.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentlicher Sachverhalt:

Gem der Anzeige der LVA hat Herr x am 17.5.2012 den auf die Firma x, x, Bundesrepublik x, zugelassenen Anhänger mit dem Kennzeichen x mit dem LKW (x) in der Gemeinde St. x auf der B x x Bundesstraße bei StrKm 59,950 gelenkt bzw gezogen. Dabei wurde festgestellt dass beim Anhänger der linke Reifen der 2. Achse verwendet wurde, obwohl dieser bis auf die 1. Karkasse und 1. Traglage beschädigt war und die Verwendung von Reifen, die mit freien Auge sichtbare, bis zum Unterbau des Reifens reichende Risse oder Ablösungen des Laufbandes oder der Seitenbänder aufweisen, verboten ist (das Verfahren der zu geringen bzw stark ungleichen Bremswirkung der Betriebsbremsen der 2. Achse wurde eingestellt).

Daraufhin wurde über den Berufungswerber als das gem § 9 Abs 1 VStG nach außen vertretungsbefugte und verantwortliche Organ mit 23.5.2012 eine Strafverfügung wegen Übertretungen nach dem KFG erlassen, wogegen dieser bzw seine rechtsfreundliche Vertretung mit Schriftsatz vom 8.6.2012 Einspruch erhob. Darin bestreitet der Berufungswerber den Vorwurf, er hätte als Zulassungsbesitzer bzw vertretungsbefugtes Organ nicht dafür Sorge getragen, dass der besagte Kraftfahrzeuganhänger den Vorschriften des KFG entspreche. Die Reifen des gegenständlichen Anhängers seien anlässlich der wöchentlichen technischen Kontrolle am Samstag, den 12.5.2012 überprüft worden und waren zu diesem Zeitpunkt in Ordnung. Auch bei der Abfahrtskontrolle seien keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden. Der LKW-Fahrer musste wie er nachträglich erfahren habe, kurz vor der Anhaltung eine Vollbremsung durchführen, wodurch es zu dem Bremsplatten am Reifen gekommen sei.

Mit Schreiben vom 21.6.2012 wurde dem Berufungswerber die gelegte Anzeige der LVA sowie das Gutachten der Landesprüfstelle übermittelt und ihm die Möglichkeit einer Äußerung binnen zwei Wochen eingeräumt, welche in weiterer Folge auf Antrag erstreckt wurde.

Der Berufungswerber gab daraufhin bekannt, dass nach Rücksprache mit der zuständigen Reifenfirma, es nicht richtig und nachvollziehbar sei, dass wie die Behörde ausführe, es unmöglich sei, dass der Schaden von einem Bremsplatten stamme. Die Reifenfirma habe den gegenständlichen Reifen untersucht. Dieser weise einen lokalen Abrieb auf, dessen Form der Bodenaufstandsfläche ähnlich sei. Grund sei das Blockieren des Rades durch ein fehlerhaftes Bremssystem gewesen, weshalb der Schaden von dem Bremsplatten stamme und damit eine Bestrafung nicht geboten sei. Es werde – sofern die Behörde sich mit der Schadensbeschreibung der Reifenfirma nicht zufrieden gebe – ein Gutachten beantragt.

Darauf wurde vom technischen Amtssachverständigen Ing. x von der Abteilung Verkehr des Amtes der Landesregierung in seinem angefertigten Gutachten die grundsätzliche Möglichkeit, dass durch Blockieren eines Rades ein derartiger Reifenschaden entstehe, attestiert. Allerdings seien handelsübliche LKW-Anhänger mit Antiblockiervorrichtungen ausgestattet, wodurch bei richtiger Einstellung derartige Reifenschäden nicht auftreten können. Beim gegenständlichen Fahrzeug sei dennoch ein massiver Reifenschaden festgestellt worden. Dieser könne auch nicht durch eine Vollbremsung, sondern nur durch eine nicht ordnungsgemäß eingestellte bzw fehlerhafte Bremsanlage am Fahrzeug entstehen. Des Weiteren müsse dieser Reifenschaden eine Unwuchtheit des Rades bzw des Reifens hervorgerufen haben, der für den Lenker bemerkbar gewesen sei.

Mit Schriftsatz vom 7.3.2013 führte der Berufungswerber daraufhin aus, dass der Sachverständige in seinen Ausführungen die Möglichkeit eines Reifenschadens durch Blockieren eines Rades bestätige; dies im Gegensatz zur Auffassung der Behörde. Bestritten werde jedoch die Aussage des Gutachters, dass die aufgrund des Reifenschadens entstehende Unwucht für den Lenker erkennbar gewesen sei. Selbst wenn man dieser Auffassung folge, könne er als Zulassungsbesitzer für einen plötzlich aufgetretenen Reifenschaden keinesfalls verantwortlich gemacht werden bzw treffe ihn daran kein Verschulden. Wie der VfGH bereits mehrfach ausgesprochen habe, bedeute § 5 Abs 1 Satz 2 VStG nicht, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen habe, vielmehr habe die Behörde die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltpunkten, die am Verschulden des Beschuldigten Zweifel aufkommen lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären. Für die Auffassung des Amtssachverständigen, dass der Reifenschaden auf eine nicht ordnungsgemäße bzw fehlerhafte Bremsanlage zurückzuführen sei, gebe es keine Beweisergebnisse. Nachdem der betreffende Anhänger erst einige Zeit vorher zur Überprüfung der Bremsanlage in einer Werkstätte gewesen sei, könne ein allenfalls plötzlich auftretender Defekt an der Bremsanlage ihm nicht angelastet werden.

Daraufhin wurde von der Behörde das gegenständliche Straferkenntnis erlassen, wogegen die vorliegende Berufung erhoben wurde. 

 

4.2. Zu dieser Darstellung wird in freier Beweiswürdigung folgendes festgehalten:

Fest steht, dass der linke Reifen der 2. Achse bis auf die erste Karkasse und 1. Traglage abgerieben war und damit nicht den Regelungen des KDV entsprochen hat. Ursache dafür war ein durch Blockieren eines Rades entstandener sog Bremsplatten; dies wurde sowohl von der Reifenfirma als auch grundsätzlich vom Amtssachverständigen des Amtes der Landesregierung festgestellt. Letzterer führt idZ weiter aus, dass der gegenständliche Schaden nur im Zusammenspiel mit einer nicht richtig eingestellten bzw auch fehlerhaften Bremsanlage auftreten könne, da handelsübliche LKW-Anhänger mit Antiblockiervorrichtungen ausgestattet seien; auch die Reifenfirma rekurriert allgemein auf ein fehlerhaftes Bremssystem. Angesichts des vom Berufungswerber (in glaubhafter Weise) vorgebrachten (Fach-)Werkstättenbesuchs nicht einmal zwei Wochen vor der Anhaltung sowie der wöchentlichen technischen Kontrolle zwei Tage davor, erscheint es nach Ansicht der UVS OÖ plausibel zu sein, dass es sich um ein – gesamthaft betrachtet – plötzliches Auftreten eines Mangels gehandelt hat. 

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. § 4 Abs 4 KDV lautet: „Die Tiefe der für die Ableitung des Wassers von der Lauffläche des Reifens erforderlichen Vertiefungen des Laufstreifens (Profiltiefe) muss im mittleren Bereich der Lauffläche, der etwa drei Viertel der Laufflächenbreite einnimmt,

1. bei Kraftfahrzeugen mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h, ausgenommen Motorfahrräder, und bei Anhängern, mit denen eine Geschwindigkeit von 25 km/h überschritten werden darf, am gesamten Umfang mindestens 1,6 mm,

2. bei Kraftfahrzeugen mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h und Anhängern, mit denen eine Geschwindigkeit von 25 km/h überschritten werden darf, jeweils mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3 500 kg mindestens 2 mm,

3. bei Motorfahrrädern mindestens 1 mm,

4. bei Reifen, die für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen oder als Schnee-, Matsch- und Eisreifen bestimmt sind, sofern sie gemäß einer straßenpolizeilichen Anordnung oder gemäß § 102 Abs. 8a KFG 1967 verwendet werden, mindestens 5 mm bei Reifen in Diagonalbauart oder mindestens 4 mm bei Reifen in Radialbauart und

5. bei Reifen, die für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen oder als Schnee-, Matsch- und Eisreifen bestimmt sind, bei Kraftfahrzeugen und Anhängern mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3 500 kg, sofern sie gemäß einer straßenpolizeilichen Anordnung oder gemäß § 102 Abs. 8a KFG 1967 verwendet werden, mindestens 6 mm bei Reifen in Diagonalbauart oder mindestens 5 mm bei Reifen in Radialbauart betragen.

Reifen von Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen müssen mit Indikatoren versehen sein. Diese müssen an mindestens vier gleichmäßig über den Umfang des Reifens verteilten Stellen so angeordnet sein, dass sie dauerhaft und deutlich erkennbar machen, ob die Mindesttiefe der Hauptprofilrillen von 1,6 mm erreicht oder unterschritten ist. Die Reifen dürfen keine mit freiem Auge sichtbaren bis zum Unterbau des Reifens reichenden Risse oder Ablösungen der Lauffläche oder der Seitenwände aufweisen.

 

Gem § 103 Abs 1 Z 1 KFG hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, daß das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung - unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen - den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.

 

Gem § 21 Abs 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

5.2. Die in § 103 Abs 1 Z 1 KFG normierte Pflicht trifft den Zulassungsbesitzer; da die Rechtsform eines Einzelkaufmanns keine juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft darstellt, kommt § 9 Abs 1 VStG nicht zur Anwendung (vgl Wessely in N. Raschauer/Wessely [VStG] § 1 Rz 1).

§ 103 Abs 1 stellt ein sog Ungehorsamsdelikt gem § 5 Abs 1 Satz 2 VStG (VwGH 17.12.1998, 98/11/0109) dar, wonach der Zulassungsbesitzer (in casu der als Einzelhandelskaufmann tätige Berufungswerber) ein mangelndes Verschulden glaubhaft machen muss (vgl Wessely in N. Raschauer/Wessely [Hrsg], VStG [2010], § 5 Rz 24; Beweislastumkehr). Da die Pflicht zur Prüfung einer ordnungsgemäßen Fahrzeugbereitschaft, wozu auch eine ordnungskonforme Bereifung gehört, neben den Lenker auch den Zulassungsbesitzer eines KFZ (vgl VwGH 12.12.1975, 630/75) trifft, hat der Zulassungsbesitzer im Falle eines festgestellten gesetzwidrigen Zustandes darzutun, weshalb ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Zur Erfüllung dieser ihn treffenden Pflichten genügt eine (bloße) Kontrolle  des Fahrzeuges bei Verlassen des Betriebsgeländes nicht; vielmehr hat er durch Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems für die entsprechende Einhaltung der Vorschriften zu sorgen (21.4.1999, 98/03/0350). Ein solches besteht nur dann, wenn dadurch die Überwachung des Zustandes aller Fahrzeuge jederzeit sichergestellt werden kann (vgl VwGH 17.1.1990, 89/03/0165); die bloße Instruierung an die Fahrer, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, reicht nicht aus, zumal eine Überwälzung der den Zulassungsbesitzer grundsätzlich persönlich treffenden Verpflichtung auf den ohnehin separat unter Strafsanktion stehenden Lenker nicht möglich ist. Infolge dessen reichen weder die Kontrolle zwei Tage vor dem festgestellten Verstoß (Samstag, 12.5.2012), noch die Abfahrtkontrolle beim Verlassen des Betriebsgeländes aus, um den Anforderungen des § 103 Abs 1 Z 1 KFG zu entsprechen; dies wurde auch von der erstinstanzlichen Behörde festgestellt, weshalb die in der Berufung diesbezüglich behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes nicht zutrifft.

Ergänzend ist anzuführen, dass auch die vom Berufungswerber ins Treffen geführte Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht zutrifft, da die Behörde sich ordnungskonform gem § 52 AVG, welcher gem § 24 VStG auch im Strafverfahren anzuwenden ist, eines Amtssachverständigen bedient hat und nicht verpflichtet war ein weiteres Gutachten einzuholen, zumal die Aussagen der Reifenfirma und des Amtssachverständigen bezüglich des Tathergangs sich dem Grunde nach nicht widersprechen; zur Bemerkbarkeit für den Lenker, welche vom Berufungswerber moniert wird, hat sich die Reifenfirma nicht geäußert.

 

Angesichts des unvorhergesehenen Ereignisses und der damit korrelierenden wenigen Zeit des Zulassungsbesitzers darauf zu reagieren, ist zu untersuchen, ob nicht § 21 VStG zur Anwendung kommt.

 

Bedingung für die Anwendung dieser Bestimmung ist zum einen das geringfügige Verschulden des Täters und zum anderen die Geringfügigkeit der Folgen der Übertretung; beide Voraussetzungen müssen daher kumulativ vorliegen (VwGH 10.12.1996, 96/04/0154). Liegen sie vor, besteht ein Rechtsanspruch darauf (vgl VwGH 29.11.2007, 2007/09/0229). Angesichts der Tatsache, dass der Berufungswerber regelmäßige Kontrollen durchgeführt hat und damit über ein entsprechendes System zu verfügen scheint sowie das Ereignis unerwartet aufgetreten ist und ihm dadurch sein Reagieren (bzw seine Kontrolle) erschwert wurde, ist nach Ansicht des UVS OÖ von einem geringfügigen Verschulden an der ihm zukommenden Überwachungspflicht auszugehen. Da die Verletzung seiner Pflichten keine schwerwiegenden Folgen nach sich gezogen hat, ist § 21 VStG anzuwenden und daher entsprechend von der Verhängung der Strafe abzusehen.  

   

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Mag. Gottfried ZÖBL

 

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