Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240951/2/Gf/Rt

Linz, 28.06.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung des R, vertreten durch RA Mag. A, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 10. Juni 2013, Zl. SanRB96-2012, wegen insgesamt 8 Übertretungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als Spruchpunkt 2. lit. b und lit. c des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit eingestellt, die zu Spruchpunkt 1. verhängte Geldstrafe auf 250 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 4 Stunden sowie die zu Spruchpunkt 2. lit. a verhängte Geldstrafe auf 100 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 11/2 Stunden herabgesetzt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass in dessen Spruchpunkt 1. die Gliederungsbezeichnungen „a)“, „b)“, „c)“, „d)“ und „e)“ sowie in dessen Spruchpunkt 2. die Gliederungsbezeichnung „a)“ und die Wendung „und diverse Flaschen und Gläser mit Mohnöl und Ketchup mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum“ jeweils zu entfallen haben.

 

II. Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf insgesamt 35 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG; § 65 VStG.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 10. Juni 2013, Zl. SanRB96-106-2012, wurden über den Beschwerdeführer insgesamt 8 Geldstrafen in einer Höhe zwischen 200 und 350 Euro (Höhe der Geldstrafen insgesamt: 2.000 Euro; Ersatzfreiheitsstrafen: zwischen 18 und 30 Stunden; Höhe der Ersatzfreiheitsstrafen insgesamt: 180 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 200 Euro; zu zahlender Gesamtbetrag: 2.200 Euro) verhängt, weil er es als Gewerbeinhaber zu vertreten habe, dass in seinem Gasthof einerseits am 23. November 2012 im Zuge der Zubereitung von Speisen intendiert gewesen sei, Öl, Reisblätter und Gewürzbriefe zu verwenden, dessen bzw. deren Mindesthaltbarkeitsdatum jeweils überschritten gewesen sei und dass er verschimmelten Melonensirup und vakuumverpacktes Dunstobst jeweils in der Absicht, diese Lebensmittel an seine Gäste weiterzugeben, gelagert gehabt habe; sowie, dass er andererseits am 4. Dezember 2012 im Zuge der Zubereitung von Speisen vier Packungen Fleisch sowie diverse Gläser und Flaschen mit Mohnöl und Ketchup, deren Mindesthaltbarkeitsdatum jeweils bereits überschritten gewesen sei, in der Absicht, diese Lebensmittel an die Gäste weiterzugeben, gelagert gehabt sowie es zugelassen habe, dass die Dichtungen der Kühlladen für die Aufbewahrung von Schinken und Käse verschimmelt und schadhaft sowie vom ihm immer wieder nachgefüllte Behältnisse (wie Essigflaschen, Ölflaschen und Gewürzgläser) stark verschmutzt gewesen seien. Dadurch habe er am 23. November 2012 in insgesamt fünf Fällen und am 4. Dezember 2013 in einem Fall eine Übertretung des § 5 Abs. 1 Z. 1 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 13/2006 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. II 125/2011 (im Folgenden: LMSVG), i.V.m. § 5 Abs. 5 Z. 2 LMSVG sowie am 4. Dezember 2012 zum einen eine Übertretung des § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG i.V.m. Anh. II Kap. II Z. 1 lit. f der Verordnung (EG) 852/2004 über Lebensmittelhygiene (im Folgenden: VO 852/2004) und zum anderen eine Übertretung des § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG i.V.m. Anh. II Kap. X Z. 3 der VO 852/2004 begangen, weshalb er hinsichtlich der Übertretungen des § 5 Abs. 1 Z. 1 LMSVG nach § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG bzw. hinsichtlich der Übertretungen der VO 852/2004 gemäß § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG zu bestrafen gewesen sei.   

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das dem Beschwerdeführer angelastete Tatverhalten auf Grund entsprechend dokumentierter Wahrnehmungen des im Zuge behördlicher Kontrollen eingeschrittenen Lebensmittelaufsichtsorganes als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe hervorgekommen; seine mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzenden Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (monatliches Nettoeinkommen: 1.500 Euro; keine Sorgepflichten) seien entsprechend berücksichtigt worden. 

1.2. Gegen dieses ihm am 11. Juni 2013 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 18. Juni 2013 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung. 

Darin wird zunächst vorgebracht, dass dem angefochtenen Bescheid weder eine geordnete Sachverhaltsermittlung und ‑darstellung noch eine tragfähige Begründung entnommen werden könne. Weiters könne auf der Ebene des Verschuldens könne insbesondere die Absicht des Inverkehrbringens der beanstandeten Lebensmittel keineswegs als erwiesen angesehen werden, weshalb im Zweifel zugunsten des Rechtsmittelwerbers vom Nichtvorliegen strafbarer Handlungen auszugehen sei. Schließlich hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass der Berufungswerber bislang unbescholten ist und tatsächlich lediglich über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 500 Euro verfügt.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses, in eventu eine Herabsetzung der Höhe der Geldstrafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. SanRB96-106-2012; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden. 

2.2. Gemäß § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat – weil im gegenständlichen Fall eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende (Einzel‑)Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 90 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Z. 1 und i.V.m. § 5 Abs. 5 LMSVG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro zu bestrafen, der Lebensmittel, deren bestimmungsgemäße Verwendbarkeit nicht mehr gewährleistet ist und die daher für den menschlichen Verkehr ungeeignet sind, in Verkehr bringt.

 

Nach § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG i.V.m. Anh. II Kap. II Z 1 lit. f der VO 852/2004 begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro zu bestrafen, der Flächen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, nicht in einem einwandfreien Zustand hält; solche Flächen müssen leicht zu reinigen und erforderlichenfalls zu desinfizieren sein sowie aus glattem, abriebfestem, korrosionsfestem und nichttoxischem Material bestehen, es sei denn, der Lebensmittelunternehmer kann gegenüber der zuständigen Behörde nachweisen, dass auch andere verwendete Materialien geeignet sind.

 

Gemäß § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG i.V.m. Anh. II Kap. X Z 3 der VO 852/2004 begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro zu bestrafen, der Lebensmittel nicht so umhüllt, dass sie nicht kontaminiert werden; insbesondere dann, wenn Metall- oder Glasbehältnisse verwendet werden, ist sicherzustellen, dass das betreffende Behältnis sauber und nicht beschädigt ist.

 

3.2. Vorweg sieht sich der Oö. Verwaltungssenat zu dem grundsätzlichen Hinweis veranlasst, dass unter dem Aspekt des in Art. 4 des 7.ZPMRK verfassungsmäßig gewährleisteten Rechtes auf Schutz vor einer Doppelbestrafung und ‑verfolgung ein auf dem sog. „Kumulationsprinzip“ fußendes Strafrechtssystem – wie etwa jenes des VStG (vgl. dessen § 22) – zwar weder nach der neueren Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl. z.B. EGMR vom 11. Dezember 2012, 3653/05, im Anschluss an EGMR vom 10. Februar 2009, 14939/03 [Fall „Zolotukhin“]) noch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zuletzt VfGH vom 13. Juni 2013, B 422/2013, Pkt. III.2. m.w.N.) grundsätzlich ausgeschlossen ist. Allerdings hindert die Verfassungsbestimmung des Art. 4 des 7.ZPMRK die Vollzugsbehörden daran, „eine Tat, also ein[en] Lebenssachverhalt bzw. dasselbe Verhalten einer Person“ in mehrere strafbare Handlungen zu zerlegen, „obwohl diese strafbaren Handlungen dieselben wesentlichen Elemente („essential elements“) aufweisen und die eine strafbare Handlung den Unrechtsgehalt der anderen in jeder Beziehung mitumfasst“ (vgl. VfGH vom 13. Juni 2013, B 422/2013, Pkt. III.3.3.). Davon ausgehend ist es also auf der Ebene des Gesetzesvollzuges nunmehr generell geboten, die allgemeine Subsidiaritätsklausel des § 22 VStG dahin verfassungskonform auszulegen, dass eine kumulative Verfolgung und Bestrafung – und zwar unabhängig davon, ob bereits ein abgeschlossenes Verfahren („final decision“) vorliegt oder nicht – stets schon dann und insoweit ausgeschlossen ist, als ein und derselbe Sachverhalt („identical or substantially the same facts“) zugleich den Unrechtsgehalt von zwei hinsichtlich ihrer wesentlichen Elemente („essential elements“) identischen Deliktstatbestände erfüllt, wobei zugleich eine sachlich nicht gerechtfertigte Zerlegung eines objektiv einheitlichen Lebenssachverhaltes in einzelne (gleichsam jeweils per se „tatbestandsgerechte“) Teilbereiche unzulässig ist.

 

3.3. Mit Blick auf den gegenständlichen Fall wurde dem Beschwerdeführer zunächst in Spruchpunkt 1., der sich auf den Tatzeitpunkt „23.11.2012 um 10:30 Uhr“ bezieht, unter lit. a) bis lit. e) jeweils angelastet, in fünf (verschiedenen) Fällen Lebensmittel in Verkehr gebracht zu haben, die nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet gewesen seien. Mit Blick auf den Unrechtsgehalt bzw. den Schutzzweck, dem § 5 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 5 Abs. 5 Z. 2 LMSVG dient, handelt es sich dabei jedoch objektiv besehen um einen einheitlichen, nicht weiter zerlegbaren Lebenssachverhalt, sodass deshalb unter Zugrundelegung einer verfassungskonformen, dem materiellen Gehalt der Garantie des Art. 4 des 7.ZPMRK verpflichteten Interpretation des § 22 VStG lediglich eine einzige Bestrafung des Rechtsmittelwerbers hätte erfolgen dürfen. In deren Zuge hätte der Umstand, dass der Beschwerdeführer in fünffacher Weise gegen § 5 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 5 Abs. 5 Z. 2 LMSVG verstoßen hat, zwar im Zuge der Strafbemessung gemäß § 19 VStG als erschwerend berücksichtigt werden können; der Ausspruch von fünf Einzelgeldstrafen erweist sich jedoch als rechtswidrig.

 

Vor diesem Hintergrund und unter Beachtung des Umstandes, dass im gegenständlichen Rechtsmittelverfahren zudem das Verbot der reformatio in peius (vgl. § 51 Abs. 6 VStG) zum Tragen kommt, kann vom Oö. Verwaltungssenat schon von vornherein keine Addition der im angefochtenen Bescheid verhängten Einzelgeldstrafen vorgenommen, sondern im äußersten Fall bloß eine Geldstrafe in jener Höhe, wie diese der höchsten von der belangten Behörde ausgesprochenen Einzelgeldstrafe entspricht, festgesetzt werden.

 

Dazu kommt, dass sich entgegen dem Vorbringen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses dahin, dass „zum Beweis Fotos vom Tatort angefertigt und der Anzeige beigelegt“ worden seien (vgl. S. 7), weder in der Anzeige des Amtes der Oö. Landesregierung vom 5. Dezember 2012, Zl. ESV-1020/0009-0031-2012/RABN, noch in dem von der Erstbehörde vorgelegten Akt tatsächlich ein dementsprechender Nachweis findet.        

 

Unter Bedachtnahme darauf, dass der Beschwerdeführer nur den Umstand der Inverkehrbringung von Öl, Reisblättern und Gewürzbriefchen, dessen bzw. deren Mindesthaltbarkeitsdatum bereits überschritten war, unbestritten gelassen hat (vgl. dazu schon seine Stellungnahme [„Rechtfertigung“] vom 3. April 2013), kann daher auch nur insoweit mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit vom Vorliegen eines tatbestandsmäßigen Verhaltens ausgegangen werden. Diesbezüglich ist zudem auch ein zumindest fahrlässiges und damit schuldhaftes Verhalten zu konstatieren, weil der Rechtsmittelwerber – worauf die belangte Behörde bereits in der Begründung ihres Straferkenntnisses zutreffend hingewiesen hat – gemäß § 21 LMSVG dazu verpflichtet gewesen wäre, diese aus seinem Lokal zu entfernen, jedoch selbst eingesteht, darauf schlicht vergessen zu haben.

 

All dies berücksichtigend findet es daher der Oö. Verwaltungssenat als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen, für das im Wege der Lagerung von Öl, Reisblättern und Gewürzbriefchen, dessen bzw. deren Mindesthaltbarkeitsdatum bereits überschritten war, begangene Delikt des § 90 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Z. 1 und i.V.m. § 5 Abs. 5 LMSVG (Inverkehrbringen von für den menschlichen Verzehr ungeeigneten Lebensmitteln) unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit, der Einsichtigkeit und der Einkommens- und Familienverhältnisse des Rechtsmittelwerbers eine Geldstrafe von 250 Euro festzusetzen.

 

3.4.1. Zwar wurde dem Beschwerdeführer auch mit Spruchpunkt 2. lit. a des angefochtenen Straferkenntnisses eine Übertretung des § 90 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Z. 1 und i.V.m. § 5 Abs. 5 LMSVG angelastet; diese bezieht sich jedoch auf einen anderen Tattag (4. Dezember 2012), sodass insoweit kein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt und diese Bestrafung somit prinzipiell nicht gegen das Doppelverfolgungs- und -bestrafungsverbot des Art. 4 des 7.ZPMRK verstößt.

 

Allerdings ist auch diesbezüglich zu konstatieren, dass sich entgegen dem Vorbringen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses dahin, dass „zum Beweis Fotos vom Tatort angefertigt und der Anzeige beigelegt“ worden seien (vgl. S. 7), tatsächlich weder in der Anzeige des Amtes der Oö. Landesregierung vom 5. Dezember 2012, Zl. ESV-1020/0009-0032-2012/RABN, noch in dem von der Erstbehörde vorgelegten Akt ein dementsprechender Nachweis findet.       

 

Unter Bedachtnahme darauf, dass der Beschwerdeführer (implizit) nur den Umstand unbestritten gelassen hat, Fleisch, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum bereits überschritten war, gelagert zu haben (vgl. die Stellungnahme [„Rechtfertigung“] vom 3. April 2013), kann daher auch nur insoweit mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit vom Vorliegen eines tatbestandsmäßigen Verhaltens ausgegangen werden. Diesbezüglich ist auch von zumindest fahrlässigem und damit schuldhaftem Verhalten auszugehen, weil der Rechtsmittelwerber – wie bereits ausgeführt – gemäß § 21 LMSVG dazu verpflichtet gewesen wäre, dieses aus seinem Lokal zu entfernen.    

 

Davon ausgehend findet es der Oö. Verwaltungssenat sohin als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen, für das im Wege der Lagerung von Fleisch, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum bereits überschritten war, begangene Delikt des § 90 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Z. 1 und i.V.m. § 5 Abs. 5 LMSVG (Inverkehrbringen von für den menschlichen Verzehr ungeeigneten Lebensmitteln) unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit, der Einsichtigkeit und der Einkommens- und Familienverhältnisse des Rechtsmittelwerbers eine Geldstrafe von 100 Euro festzusetzen.

 

3.4.2. Dem gegenüber wurde vom Beschwerdeführer hinsichtlich der mit Spruchpunkt 2. lit. b des angefochtenen Straferkenntnisses angelasteten Übertretung des Anh. II Kap. II Z. 1 lit. f der VO 852/2004 von Anfang an bestritten, dass die Dichtungen der Kühlladen für Schinken und Käse von Schimmel befallen gewesen seien (vgl. seine Stellungnahme [„Rechtfertigung“] vom 3. April 2013). Damit kann aber insoweit auch nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit vom Vorliegen eines tatbestandsmäßigen Verhaltens ausgegangen werden, sodass das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren im Zweifel (vgl. Art. 6 Abs. 2 EMRK) gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen war.

 

Im Ergebnis Gleiches gilt hinsichtlich des durch die Anzeige des Amtes der Oö. Landesregierung nicht näher belegten, vom Beschwerdeführer bestrittenen Tatvorwurfes zu Punkt 2. lit. c des angefochtenen Straferkenntnisses (Übertretung des Anh. II Kap. X Z. 3 der VO 852/2004), wobei insoweit aus dessen Spruch auch nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht, ob die Innen- und/oder die Außenseite der Behältnisse „stark verschmutzt“ gewesen sein soll. Im Zweifel sowie im Hinblick auf die i.S.d. § 44a Z. 1 VStG mangelhafte Spruchkonkretisierung war daher – ganz abgesehen davon, dass eine kumulative Bestrafung wegen einer Übertretung des Anh. II Kap. II Z. 1 lit. f der VO 852/2004 einerseits und wegen einer Übertretung des Anh. II Kap. X Z. 3 der VO 852/2004 andererseits nach der zuvor dargestellten „essential-elements“-Doktrin (s.o., 3.2.) zudem wegen des Doppelbestrafungsverbotes des Art. 4 des 7.ZPMRK gehindert sein dürfte – auch das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

3.5. Aus allen diesen Gründen war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als Spruchpunkt 2. lit. b und c des angefochtenen Straferkenntnisses aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen, die zu dessen Spruchpunkt 1. verhängte Geldstrafe auf 250 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation auf 4 Stunden herabzusetzen sowie die zu Spruchpunkt 2. lit. a verhängte Geldstrafe auf 100 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation auf 11/2 Stunden herabzusetzen war; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe zu bestätigen, dass in dessen Spruchpunkt 1. die Gliederungsbezeichnungen „a)“, „b)“, „c)“, „d)“ und „e)“ sowie in dessen Spruchpunkt 2. die Gliederungsbezeichnung „a)“ und die Wendung „und diverse Flaschen und Gläser mit Mohnöl und Ketchup mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum“ jeweils zu entfallen haben bzw. hat.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde nach § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf insgesamt 35 Euro; für das  Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat hat der Beschwerdeführer hingegen gemäß § 65 VStG keinen Kostenbeitrag zu leisten.


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten ist.

Dr.  G r ó f

 



VwSen-240951/2/Gf/Rt vom 28. Juni 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

32004R0852 Lebensmittelhygiene Anh2;

LMSVG 2006 §5;

MRKZP 07te Art4;

VStG §19;

VStG §22;

VStG §51 Abs6

 

 

* Im Hinblick auf das in Art. 4 des 7.ZPEMRK verfassungsmäßig gewährleistete Recht auf Schutz vor einer Doppelbestrafung und -verfolgung ist ein auf dem sog. „Kumulationsprinzip“ fußendes Strafrechtssystem – wie etwa jenes des VStG (vgl dessen § 22) – zwar weder nach der neueren Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl zB EGMR vom 11. Dezember 2012, 3653/05, im Anschluss an EGMR vom 10. Februar 2009, 14939/03 [Fall „Zolotukhin“]) noch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl zuletzt VfGH vom 13. Juni 2013, B 422/2013, Pkt III.2. mwN) grundsätzlich ausgeschlossen; allerdings hindert die Verfassungsbestimmung des Art. 4 des 7.ZPEMRK die Vollzugsbehörden daran, „eine Tat, also ein[en] Lebenssachverhalt bzw. dasselbe Verhalten einer Person“ in mehrere strafbare Handlungen zu zerlegen, „obwohl diese strafbaren Handlungen dieselben wesentlichen Elemente („essential elements“) aufweisen und die eine strafbare Handlung den Unrechtsgehalt der anderen in jeder Beziehung mitumfasst“ (vgl. VfGH vom 13. Juni 2013, B 422/2013, Pkt. III.3.3.); davon ausgehend ist es also auf der Ebene des Gesetzesvollzuges nunmehr generell geboten, die allgemeine Subsidiaritätsklausel des § 22 VStG dahin verfassungskonform auszulegen, dass eine kumulative Verfolgung und Bestrafung – und zwar unabhängig davon, ob bereits ein abgeschlossenes Verfahren („final decision“) vorliegt oder nicht – stets schon dann und insoweit ausgeschlossen ist, als ein und derselbe Sachverhalt („identical or substantially the same facts“) zugleich den Unrechtsgehalt von zwei hinsichtlich ihrer wesentlichen Elemente („essential elements“) identischen Deliktstatbestände erfüllt, wobei zugleich eine sachlich nicht gerechtfertigte Zerlegung eines objektiv einheitlichen Lebenssachverhaltes in einzelne (gleichsam jeweils per se „tatbestandsgerechte“) Teilbereiche unzulässig ist.

 

* Werden daher in einem Straferkenntnis wegen einer Übertretung des § 5 LMSVG nicht eine Gesamtstrafe (in deren Zuge bei der Strafbemessung gemäß § 19 VStG der Umstand der mehrfachen Begehung allenfalls als erschwerend hätte gewertet werden können), sondern fünf Einzelstrafen verhängt, obwohl sich der zugrunde liegende Lebenssachverhalt objektiv besehen als eine Einheit erweist, liegt in einer solcherart nicht verfassungskonformen Auslegung des § 22 VStG ein Verstoß gegen Art. 4 des 7. ZPEMRK. Gleiches dürfte bezüglich einer kumulativen Bestrafung wegen einer Übertretung des Anh. II Kap. II Z 1 lit f der VO 852/2004 einerseits und wegen einer Übertretung des Anh. II Kap. X Z. 3 der VO 852/2004 andererseits gelten;

 

* Wenn und weil im Rechtsmittelverfahren das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs 6 VStG) zu berücksichtigen ist, kann vom UVS keine Addition der im angefochtenen Bescheid verhängten Einzelgeldstrafen vorgenommen, sondern im äußersten Fall bloß eine Geldstrafe in jener Höhe, wie diese der höchsten von der belangten Behörde ausgesprochenen Einzelgeldstrafe entspricht, festgesetzt werden.

 

 

 

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