Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167768/9/Bi/Ka

Linz, 08.07.2013

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitz: Mag. Alfred Kisch, Berichterin: Mag. Karin Bissenberger, Beisitz: Mag. Josef Kofler) über die Berufung des Herrn x, vom 17. April 2013 gegen das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 2. April 2013, S-39269/12-1, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 19. Juni 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt wird, die Geldstrafe jedoch auf 1.600 Euro  und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 Wochen herabgesetzt.  

 

II. Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf 160 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.100 Euro (17 Tage EFS) verhängt, weil er am 29. September 2012, 15.55 Uhr, in Linz, Hauptstraße 1-5, Tiefgaragenausfahrt „Neues Rathaus“ nächst Flußgasse, linke Ausfahrtsschranke, den Pkw x in einem durch Alkohol beeinträchtigten und fahruntüchtigen Zustand in Betrieb genommen habe, da bei einer Messung mittels Atemluftalkoholmessgerätes ein Alkoholgehalt der Atemluft von 1,25 mg/l festgestellt werden habe können.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 210 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsver­teilung zuständige 4. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 19. Juni 2013 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines Rechtsvertreters x, des Vertreters der Landes­polizeidirektion Mag. x sowie der Zeugen x (H) und x (S) durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurden verzichtet.   

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der Schuldspruch des Straf­erkenntnisses, wonach der den Pkw beim Ausfahrtsschranken der Tiefgarage in Betrieb genommen habe, decke sich nicht mit den in der Begründung umschriebenen Tatsachenfeststellungen, wonach er den Pkw im Untergeschoß in Richtung Ausfahrt, die er blockiert habe, gelenkt habe. Er sei unmittelbar vor der Ausfahrtsschranke verblieben und habe den Pkw nicht in die Flußgasse gelenkt. Die Einschaltung der Polizei sei gerade deshalb erfolgt, weil er sein Fahrzeug nicht in Betrieb genommen habe – er habe die Tiefgarage nicht verlassen.

Mit Hinweis auf das VwGH-Erkenntnis vom 31.5.2012, 2012/02/0938 (gemeint wohl: „.../0038“), macht der Bw geltend, auch in seinem Fall fehle die rechtliche Grundlage für eine Bestrafung nach §§ 99 Abs.1 bis 1b StVO und nur diese stelle einen bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 StVO (gemeint wohl: FSG) dar. 

Im Erkenntnis des UVS vom 5. Dezember 2012, VwSen-523301/2/Sch/Eg, sei diese Judikatur zur Kenntnis genommen und dargelegt worden, dass verwaltungsstrafrechtlich betrachtet Verkehrsvergehen in einer Tiefgarage oder einem Parkhaus nicht behördlich zu ahnden seien, was demnach nicht nur für untergeordnete Übertretungen die Halte- oder Parkvergehen, sondern auch für Alkoholdelikte, Fahrerflucht und Lenken ohne Lenkberechtigung gelte. Das angefochtene Straferkenntnis widerspreche der Judikatur des VwGH und der aktuellen Rechtsprechung des UVS OÖ.

Im Übrigen wird mit 29.3.2013 eingetretene Verjährung eingewendet hinsichtlich einer fehlerhaften Konkretisierung des Tatortes. Während des erstinstanzlichen Verfahrens sei die Judikatur des VwGH bereits bekannt gewesen, wonach Tatorte innerhalb von Tiefgaragen vom Geltungsbereich der StVO ausgenommen seien. Daher sei ihm der Tatort bislang im Verwaltungsstrafverfahren nie konkret vorgehalten worden, sogar der Spruch des Erkenntnisses vermeide eine konkrete Tatortfeststellung.

Letztlich wird die überhöhte Strafe als unangemessen gerügt und eine solche von 1.000 Euro als angemessen bezeichnet. Beantragt wird Verfahrenseinstellung nach einer mündlichen Verhandlung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört wurden und der Zeuge H unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 28 StGB einvernommen wurde. Auf die Einvernahme der Zeugin S wurde verzichtet, weil das Ergebnis der Atemalkoholuntersuchung nicht in Zweifel gezogen wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Am Samstag, dem 29. September 2012, hatte der Zeuge H Dienst als Portier in der Tiefgarage des Neuen Rathauses in Linz-Urfahr, Hauptstraße 1-5. Die Tiefgaragenein- und ausfahrt befindet sich in der Flußgasse nahe dem Gelände des Urfahraner Marktes, der an diesem Tag eröffnet wurde. Die Tiefgarage des Neuen Rathauses steht zur Marktzeit an Samstagen für alle Kfz-Lenker offen, die der Gebührenpflicht nachkommen. Die Tiefgarage ist lediglich zwischen 01.00 und 05.00 Uhr Früh geschlossen.

Dem Zeugen H fiel nach eigenen Aussagen gegen 16.00 Uhr ein aus dem Untergeschoß der Tiefgarage kommendes Hupgeräusch auf, sodass er in der Auffahrt aus dem unteren Tiefgeschoß Nachschau hielt. Dort fiel ihm ein Pkw auf, auf dessen Lenkersitz der ihm zunächst unbekannte Bw saß und nicht in der Lage war, den offenbar abgestorbenen Motor zu starten, wobei der Pkw beim Loslassen der Bremse in Richtung der hinter ihm befindlichen Fahrzeuge zurückrollte. Der Zeuge, der den beschädigten Rückspiegel des Pkw auf dem Beifahrersitz liegen sah, sprach den allein im Fahrzeug befindlichen Bw an, konnte ihm aber nicht helfen. Auf dem Weg zur Portiersloge nahm er einen Aufschrei mehrere Leute wahr. Als er sich umdrehte, schoss der vom Bw gelenkte Pkw an ihm vorbei und kam mit der Motorhaube unter dem Ausfahrtsschranken zum Stehen. Der Lenker stieg aus und wollte beim Ticketautomaten bezahlen, was aber nicht möglich war, weil  er nach Aussagen des Zeugen H ein ungeeignetes Stück Papier in der Hand hielt. Er beschwerte sich beim Zeugen, warum das nicht gehe. Der Zeuge H schilderte in der Verhandlung, der unbekannte Lenker sei ihm unter Alkoholeinfluss stehend und desorientiert vorgekommen, sodass er sich entschlossen habe, die Polizei zu verständigen.

Später sei ein nachkommender Fahrzeuglenker ersucht worden, den immer noch vor dem Ausfahrtsschranken stehenden Pkw des Bw auf die Seite zu fahren, um den nachkommenden Fahrzeugen die Ausfahrt aus der Tiefgarage zu ermöglichen.

  

Die Zeugin RI S forderte den Bw zur Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt auf, die mit dem zuletzt vorher am 29. November 2012 ordnungsgemäß geeichten und bei der nächsten halbjährlichen Überprüfung durch den Hersteller am 29. Mai 2013 für „in Ordnung“ befundenen Atemluft­untersuchungsgerät Dräger Alcotest 7110 A, SerienNr. ARDD-0028, durchgeführt wurde. Bei zwei anstandslos durchgeführten Blasversuchen um 16.43 und 16.45 Uhr erzielte der Bw einen günstigsten Atemalkoholwert um 16.43 Uhr von 1,25 mg/l. Er gab an, er habe zwischen 10.00 und 12.00 Uhr zwei Bier getrunken.  

 

In der Berufungsverhandlung verantwortete sich der Bw dahingehend, er könne sich erinnern, den Urfahraner Markt besucht zu haben in der festen Absicht, sich später ein Taxi zu nehmen. Er habe keinerlei Erinnerung an das vom Zeugen H dargelegte Geschehen, sondern könne sich erst wieder daran erinnern, dass die Polizei mit Blaulicht gekommen sei, und an den Alkotest.

 

In der Verhandlung wurde geklärt, dass der Bw mit dem Pkw die Tiefgarage nicht verlassen hat, weil ihm die Bezahlung der Parkgebühr nicht gelungen ist und er daher kein Ausfahrtsticket besaß. Die Tiefgaragenausfahrt liegt in der Flußgasse, wobei laut Zeugen H der Ausfahrtsschranken ca 3 m innerhalb der Gebäudekante des Komplexes des Neuen Rathauses gelegen ist und ca 4 m vom Verlauf der Fahrbahn der Flußgasse. Das vom Zeugen H wahrgenommene Lenken erfolgte von der Auffahrt vom unteren Tiefgeschoß in die Ausfahrtsebene der Tiefgarage bis zum linken Ausfahrtsschranken.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 %o oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

Gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 %o oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt.

 

Unbestritten ist der Atemalkoholgehalt des Bw von 1,25 mg/l um 16.43 Uhr des 29. September 2012, der 2,5 %o Blutalkoholgehalt entspricht. Der Bw bestreitet auch nicht, dass der Pkw vor dem Ausfahrtsschranken abgestellt war, als seine Erinnerung „wieder einsetzte“. Die Darlegungen des Zeugen H über die Lenkereigenschaft des allein im Fahrzeug befindlichen Bw auf der von ihm wahrgenommenen Fahrstrecke von der Auffahrt aus dem unteren Tiefgeschoß  bis zum Ausfahrtsschranken ist aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungs­senates nachvollziehbar und glaubwürdig. Das Lenken des Pkw auf der vom Zeugen H beschriebenen Strecke bis zum vor der Ausfahrt in die Flußgasse gelegenen linken Ausfahrtsschranken schließt die Inbetrieb­nahme des Pkw durch Starten des Motors in sich – eine in der Berufung behauptete Fehlkonstruktion der Tatanlastung gemäß § 44a Abs.1 VStG, die die Inbetriebnahme vor dem Ausfahrts­schranken (als Teil der geschilderten Strecke) umfasst, vermag der Unabhängige Verwaltungssenat nicht zu erkennen, zumal jedes Lenken eines Kraftfahrzeuges auch eine Inbetriebnahme (nicht im Sinne eines Startvorgangs sondern als Funktion des Motors) umfasst.

 

Gemäß § 1 Abs.1 StVO 1960 gilt dieses Bundesgesetz – somit auch die „Alkohol-Bestimmungen“ – für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.

Unter dem Begriff „Straße“ ist gemäß § 2 Abs.1 Z1 StVO eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen zu verstehen.

 

Die vom Bw befahrene Tiefgarage ist eine Straße insofern, als diese, ähnlich einer Brücke oder einem Tunnel, auf einer Landfläche erbaut wurde – auch wenn sie über weitere Ebenen nach unten verfügt – und die für jedermann unter den gleichen Bedingungen, nämlich durch Lösen eines Tickets bei der Einfahrt,  Bezahlung der Parkgebühr gegen Entwertung des Tickets und Einstecken des Tickets beim dafür vorgesehenen Automaten zum Öffnen des Ausfahrts­schrankens, benützt werden kann. Der Schranken dient in diesem Fall nicht dem Vorbehalt des Ausschlusses eines bestimmten Personenkreises von der Benützung der Tiefgarage sondern ausschließlich der Bezahlung der Parkgebühr. Die in Rede stehende Tiefgarage steht für jedermann offen, nämlich sowohl Lenkern von Fahrzeugen als auch dem Fußgängerverkehr, zumal die Tiefgarage über mehrere Aus- bzw Aufgänge in verschiedene Richtungen verfügt und damit auch der Überwindung von Wegstrecken dient. Die im Gebäudekomplex des Neuen Rathauses befindliche Tiefgarage ist nicht ausschließlich dort Beschäftigten vorbehalten, sondern stellt am Wochenende und gerade zu Zeiten des Urfahraner Marktes einen wesentlichen Teil der Parkraumbewirtschaftung im Stadtteil Urfahr dar und wurde vom Bw, der kein Inhaber einer speziellen Berechtigung ist, zur Vorfallszeit als Privatmann benützt.   

  

Der Bw macht geltend, bei der in Rede stehenden Tiefgarage handle es sich nicht um eine Straße mit öffentlichem Verkehr und verweist dazu auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 2012, 2012/02/0038: Demgemäß sind „Straßen Landflächen, die dem Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr dienen, also der räumlichen Fortbewegung von einem Ort zu einem anderen Ort durch Personen und Fahrzeuge (aus den vielfältigsten Motiven), wobei als Zweck der Fortbewegung die Raumüberwindung im Vordergrund stehen muss. Steht ein anderer Zweck als der der Raumüber­windung im Vordergrund und ist die Raumüberwindung lediglich Nebenzweck, dann kann eine Landfläche, die einem solchen „anderen Zweck“ dient, nicht als Straße iSd StVO qualifiziert werden (mit Hinweis auf E 20. Mai 2003, 2003/02/0073). Auch wenn ein Parkhaus eine bestimmte Landfläche in Anspruch nimmt, ist unzweifelhaft, dass ein anderer Zweck als jener der Raumüber­windung – nämlich des Abstellens und Parkens von Fahrzeugen in diesem Gebäude – im Vordergrund steht. § 1 Abs.1 StVO 1960 ist in diesem Fall nicht anwendbar und fehlt daher die rechtliche Grundlage für eine Bestrafung nach § 24 Abs.1 lit.b StVO.“

 

Im Erkenntnis 2003/02/0073 war davon auszugehen, dass der do  Beschwerde­führer ein Kraftfahrzeug abseits der offenbar von den Veranstaltern eines „Treffens“ für das Abstellen von Fahrzeugen (und das Campieren) vorgesehenen Fläche über eine Wiese gelenkt hat, die demnach keine Straße mit öffentlichem Verkehr darstellt.

Im Erkenntnis 2012/02/0038 war das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 24 Abs.1 lit.b iVm 23 Abs.2 und 9 Abs.7 StVO in einem Parkhaus bzw einer dazugehörigen „Verbindungbrücke“ als Tatort aus den obigen Über­legungen verneint. Dass ein Parkhaus eine „Landfläche“ darstellt, wurde hingegen nicht angezweifelt.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei einer wie im ggst Fall für jedermann zugänglichen Tiefgarage jedenfalls um eine Landfläche handelt, die dem allgemeinen Fahrzeug- und Fußgängerverkehr offensteht. Einzuräumen ist, dass der Hauptzweck der Tiefgarage in der Unter­bringung des Fahrzeuges für eine bestimmte Zeitspanne gegen Bezahlung einer Gebühr gelegen ist und die Raumüberwindung lediglich einen Nebenzweck darstellt, wenngleich es dem Fußgängerverkehr praktisch möglich ist und freisteht, die Tiefgarage zum Zweck der Raumüberwindung (im Sinne einer Abkürzung) zu verwenden.

 

Folgt man den Gedankengängen im E vom 31. Mai 2012, 2012/02/0038, wäre  die bisherige umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes zu den Kriterien einer Qualifikation einer Landfläche als Straße mit öffentlichem Verkehr insofern obsolet, als damit in letzter Konsequenz keinerlei Parkplätze mehr als Straßen im Sinne des § 1 Abs.2 StVO anzusehen wären. Damit stünde es jedermann frei, in auch unter massiver Alkoholeinwirkung fahruntüchtigem Zustand und ohne im Besitz einer Lenkberechtigung zu sein dort ein Fahrzeug zu lenken, andere durch seine Fahrweise zu gefährden, Unfälle mit Sach- oder/und Personenschaden zu verursachen, Fahrerflucht zu begehen usw, ohne eine verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung deswegen befürchten zu müssen. Da jeder Parkplatz logischerweise zum Abstellen eines Fahrzeuges bestimmt ist, würden darunter nicht nur alle Gasthaus-, Hotel-, Autobahnraststätten- bzw Kunden­parkplätze jeglicher Art fallen, sondern auch alle Parkflächen und einzelnen Parkplätze vor Geschäften, Firmengebäuden, Einkaufs­zentren, Bahnhöfen, schließlich auch Campingplätze, Parkhäuser und eben auch Tiefgaragen (wobei sich letztere nur in der Parkraumerweiterung durch mehrere Ebenen von normalen Parkplätzen unterscheiden). Abgesehen davon dürften dort auch gemäß § 1 Abs.2 letzter Satz StVO mangels Befugnissen die Organe der Straßenaufsicht nicht einschreiten, sondern müssten warten, bis der Lenker sich zur „Raumüberwindung“ entschlossen hat, um ihn überhaupt anhalten zu dürfen. Inwiefern die Befolgung von Bodenmarkierungen, Anordnungen für das Abstellen eines Fahrzeuges oder die Befolgung zB der Bestimmungen der §§ 23 und 24 StVO oder auch des bewilligungslosen Abstellens eines Kraftfahrzeuges ohne Kennzeichen gemäß § 82 Abs.2 StVO überhaupt in der StVO geregelt werden dürften, wenn diese Flächen nach § 1 Abs.1 StVO gar nicht unter dieses Bundesgesetz fallen, bleibt dahingestellt.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 1 StVO 1960 im Hinblick auf die Qualifikation als Straße mit öffentlichem Verkehr nach logischen Gesichtspunkten nachvollziehbar, sinnvoll und (was für Straßenbenützer ohne juristische Vorbildung nicht unwichtig ist) allgemein verständlich. Die Neueinführung eines Kriteriums „Hauptzweck Raumüberwindung“ findet sich zum einen so nicht in der StVO und würde für die Rechtssicherheit wesentliche nachteilige Folgen nach sich ziehen.

 

Nach der bisherigen Rechtsprechung war fast jede Verkehrsfläche (aber eben keine Wiese wie im E 2003/02/0073) als Straße mit öffentlichem Verkehr zu qualifizieren, Ausnahmen bildeten – nachvollziehbar und völlig klar geregelt – ausschließlich bestimmten Personen (zB Hausbewohnern, Firmenangehörigen uä) vorbehaltene Parkflächen. Das Merkmal der Raumüberwindung als vordringlicher Zweck der Fortbewegung als Kriterium für eine Straße mit öffentlichem Verkehr ist eine Konstruktion, die im Wortlaut des § 1 Abs.1 StVO selbst keine Deckung findet und die der Verwaltungs­gerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits wieder relativiert: Im Erkenntnis vom 24. Mai 2013, 2010/02/0120, wurde das Lenken eines Motorrades in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (0,6 mg/l AAG) auf einem Campingplatz der Bestimmung der §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1 lit.a StVO unterstellt und die Beschwerde gegen den verurteilenden Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg als unbegründet abgewiesen. Dabei handelte es sich um ein eingezäuntes Gelände in Privat­eigentum, bei dem der Schranken mit dem Schild „Zufahrt nur für Campinggäste“ offen war, sodass für jedermann unter den gleichen Bedingungen die Möglichkeit bestand, beim stattfindenden Grillfest Gast des öffentlich zugänglichen Campingplatzes und der dortigen Jausenstation zu werden. Damit wurden die Zufahrtswege zu den einzelnen Abstellplätzen des Campingplatzes nach dem Wortlaut des § 1 Abs.1 StVO 1960 als Straßen mit öffentlichem Verkehr beurteilt – vom Kriterium einer „Raumüberwindung“ als Zweck der Fortbewegung auf diesen Verkehrs­flächen ist im Erkenntnis keine Rede. Ein derartiger Zweck steht beim Befahren eines Campingplatzes wohl genauso wenig im Vordergrund wie beim Befahren einer für jedermann allgemein zugänglichen, gebühren­pflichtigen Garage. Beides dient dem Abstellen des Fahrzeuges für die Dauer des Besuchs einer Veranstaltung, bei der (in nicht geringer Menge) Alkohol getrunken wurde.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht kein Unterschied im Befahren eines zB Parkplatzes eines Einkaufszentrums, der jedermann zum Abstellen eines Kraftfahrzeuges offensteht, und einer mit mehreren Ebenen ausgestatteten Parkgarage, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen befahren werden kann – zum Vorfallszeitpunkt musste auch die Parkgebühr von jedermann bezahlt werden, nur war der Bw dazu aufgrund seiner inzwischen aufgrund des erheblichen Alkoholkonsums zweifellos bestehenden Fahruntüchtig­keit nicht mehr in der Lage, weshalb er die Tiefgarage nicht mehr verlassen konnte. Dass er dort bleiben wollte, ist (schon aufgrund der eindeutigen Schilderungen des Zeugen H) wohl nicht anzunehmen. 

 

Zusammenfassend war daher für den Unabhängigen Verwaltungssenat davon auszugehen, dass der Bw den ihm zur Last gelegten Tatbestand auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs.1 StVO 1960 erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, zumal von einer Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG keine Rede sein kann.

 

Mit Erkenntnis des UVS OÖ vom 5. Dezember 2012, VwSen-523301/2/Sch/Eg, wurde dem Bw aus dem in Rede stehenden Anlass gemäß §§ 24 Abs.1 iVm 7 Abs.1 und 3 Z1 FSG die Lenkberechtigung unter Hinweis auf VwGH 23.11.1993, 93/11/0134, entzogen; dagegen ist eine Beschwerde beim Verwaltungs­gerichtshof zu GZ 2013/11/0038 anhängig.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 von 1.600 Euro bis 5.900 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von 2 bis 6 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Gemäß § 19 Abs.1 VStG in der seit 1. Juli 2013 geltenden Fassung BGBl.I Nr.33/2013 sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetz­buches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die von der Erstinstanz verhängte Strafe diente augenscheinlich dem Zweck, eine im Sinne der Rechtssicherheit „aussagekräftigere“ Entscheidung durch eine Kammer des Unabhängigen Verwaltungssenates herbeizuführen. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass der Bw bislang verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist, noch nie in Bezug auf Alkohol negativ in Erscheinung getreten ist und in der Verhandlung völlig glaubhaft seine Verfehlung reumütig eingestanden hat. Für die Verhängung einer höheren als der gesetzlichen Mindeststrafe findet sich nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates auch bei den gegebenen finanziellen Verhältnissen des Bw kein sachlicher Anlass. Damit ist sowohl der Bedeutung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter „Leib und Leben“ (im Sinne „körperliche Integrität“) bzw „Eigentum“ als auch der Intensität deren Beeinträchtigung durch die Tat – der Bw hat durch sein Verhalten unter Alkoholeinfluss im festgestellten Ausmaß die dort gerade anwesenden weiteren Benützer der Tiefgarage in Bedrängnis gebracht und damit zweifelsohne die Verkehrssicherheit massiv gefährdet – Genüge getan, wobei die gesetzliche Mindeststrafe general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen standhält. 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Mag. Kisch

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 27.06.2014, Zl.: 2013/02/0193-8

 

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