Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103662/5/Bi/Fb

Linz, 23.05.1996

VwSen-103662/5/Bi/Fb Linz, am 23. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn J S, H, P, vertreten durch den Sachwalter Rechtsanwalt Dr. G O M, W, S, vom 2. Februar 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 9. Jänner 1996, VerkR96-16699-1995, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das Straferkenntnis zur Gänze behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z2 und 66 VStG, §§ 7 Abs.1 und 60 Abs.3 je iVm 99 Abs.3 lit.a und 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 StVO 1960.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 7 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a, 2) §§ 60 Abs.3 iVm 99 Abs.3 lit.a und 3) §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 StVO 1960 Geldstrafen von 1) und 2) je 200 S und 3) 8.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) und 2) je 12 und 3) 168 Stunden verhängt, weil er am 6. Oktober 1995 um 20.30 Uhr ein Fahrrad auf der B Bundesstraße von S kommend in Richtung F gelenkt habe, wobei er 1) im Gemeindegebiet von F von km bis sein Fahrzeug nicht so weit rechts gelenkt habe, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung oder Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer möglich gewesen wäre, 2) habe er sein Fahrzeug trotz Dunkelheit nicht beleuchtet 3) obwohl vermutet werden konnte, daß er diese Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand durchführte - es seien bei ihm deutliche Symptome einer Alkoholbeeinträchtigung wie undeutliche und lallende Aussprache, schwankender Gang, starker Alkoholgeruch aus dem Mund festgestellt worden - habe er sich am 6. Oktober 1995 um 20.35 Uhr am Gendarmeriepostenkommando F gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 840 S auferlegt.

2. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Berufung wurde die seitens der Erstinstanz dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil aufgrund des Akteninhalts bzw ergänzender Erhebungen ersichtlich war, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Die Berufung wird unter Hinweis auf den Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 2. Juli 1987, mit dem dem Beschuldigten ein Sachwalter beigegeben wurde, und den Beschluß des Bezirksgerichtes O vom 17. April 1991, , mit dem diese Sachwalterschaft auf Vermögens- und Einkommensverwaltung, Personenobsorge und behördliche Vertretung des Betroffenen eingeschränkt wurde, damit begründet, daß zum einen der Beschuldigte prozessual nicht handlungsfähig sei, sondern Verfahrenshandlungen nur durch den Sachwalter rechtswirksam gesetzt werden können. Eine Zustellung zu Handen des Sachwalters sei bislang nicht vorgenommen worden.

In der Sache selbst wird geltend gemacht, daß der Rechtsmittelwerber aufgrund seiner auf eine frühkindliche Hirnschädigung zurückgehenden geistigen Behinderung verwaltungsstrafrechtlich nicht verantwortlich sei, sodaß ihm kein Verschulden angelastet werden könne, weil es ihm an der verwaltungsstrafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit fehle.

Es sei Teil seiner geistigen Behinderung, daß er nicht in der Lage sei, dem willentlichen Verlangen nach Alkoholkonsum zu widerstehen und sich normengerecht zu verhalten. Hinsichtlich des gegenständlichen Vorfalls müsse daher auch die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit in Zweifel gezogen werden, sodaß es zumindest weiterer Beweisaufnahmen bedürfe.

In eventu wird geltend gemacht, daß im Rahmen der Strafbemessung die vorhandene psychische Behinderung zu berücksichtigen sei, wobei ein allfälliges Verschulden die Stufe der Geringfügigkeit gemäß § 51 Abs.1 VStG - auch die Folgen des Vorfalls seien unbedeutend geblieben - nicht überschreite. Jedenfalls seien aber die Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung gemäß § 20 VStG gegeben und bei eventueller Volltrunkenheit werde zu prüfen sein, ob dem Betroffenen aus verwaltungsstrafrechtlicher Sicht ein Verschulden an der Herbeiführung dieser Alkoholisierung angelastet werden könne, was zumindest zweifelhaft sei.

Er beantrage daher, das Straferkenntnis als nichtig aufzuheben und die Strafsache an die Erstinstanz zurückzuverweisen, das Verfahren einzustellen, in eventu die Anwendung des § 21, in eventu des § 20 VStG.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie in den Gerichtsakt des Bezirksgerichtes O. Darin befindet sich der Beschluß auf Bestellung eines Sachwalters für alle Angelegenheiten iSd § 273 Abs.3 Z3 ABGB, wobei dem Rechtsmittelwerber lediglich die Verwaltung und Verwendung seiner laufenden Einkünfte soweit und solange diese eine Barschaft nicht übersteigen, die zur Abdeckung der täglichen Bedürfnisse des Betroffenen erforderlich sind, vorbehalten bleibt.

Begründet wird dies damit, daß der Rechtsmittelwerber unter Bezugnahme auf einen EEG-Befund infolge frühkindlicher Hirnschädigung schwachsinnig ist und nur den sehr niedrigen Intelligenzquotient von 78 erreicht.

Dem Gerichtsakt, insbesondere aus dem neuropsychiatrischen Gutachten vom 20. März 1996, läßt sich entnehmen, daß dem Rechtsmittelwerber der nunmehrige Tatvorwurf der Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung gar nicht bewußt wurde bzw daß dieser die Tragweite dieser Beanstandung durch die Gendarmeriebeamten gar nicht verstanden hat. Er hat dem Gutachter gegenüber angegeben, die Beamten hätten gemeint, er sei alkoholbeeinträchtigt, aber er habe nur zwei Seidel getrunken und deshalb nicht alkoholisiert gewesen.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 3 Abs.1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Dem Rechtsmittelwerber wird vorgeworfen, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort als Lenker eines Fahrrades auf der falschen Fahrbahnseite gefahren zu sein, trotz Dunkelheit das Fahrrad nicht beleuchtet zu haben und schließlich der Aufforderung zur Atemalkoholuntersuchung nicht entsprochen zu haben.

Auf der Grundlage der im Gerichtsakt befindlichen Gutachten und des daraus gewonnenen Gesamteindrucks vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, daß zumindest erhebliche Zweifel daran bestehen, ob der Rechtsmittelwerber zum damaligen Zeitpunkt überhaupt in der Lage war, das Verbotene seines Tuns einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Er hat auch nie eine entsprechende Ausbildung genossen, die ihm den Unterschied zwischen dem Vorwurf einer Alkoholbeeinträchtigung und dem Vorwurf der Verweigerung einer Atemalkoholuntersuchung klar vor Augen geführt hätte.

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen.

Auf dieser Grundlage war spruchgemäß zu entscheiden, wobei zum einen keinerlei Verfahrenskostenbeiträge anfallen und zum anderen von einer Zustellung des Straferkenntnisses an den Sachwalter aus verfahrensökonomischen Gründen Abstand genommen wird.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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