Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103827/8/Bi/Km

Linz, 03.02.1997

VwSen-103827/8/Bi/Km Linz, am 3. Februar 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn M S, U, L, vom 25. Juni 1996 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 7. Juni 1996, III/S 12.277/96-1, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, auf Grund des Ergebnisses der am 22. und 30.

Jänner 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung samt Verkündung der Berufungsentscheidung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungstrafverfahren im Zweifel in beiden Punkten eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG, §§ 7 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.a und 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 StVO 1960 Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 7 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 StVO 1960 Geldstrafen von 1) 300 S und 2) 8.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 12 Stunden und 2) 7 Tagen verhängt, weil er am 18. April 1996 um 12.15 Uhr in L auf der S zwischen der L und der S ein Fahrrad 1) gegen die erlaubte Fahrtrichtung der als Einbahn geführten S Richtung L gelenkt habe, 2) am 18. April 1996 um 12.16 Uhr in L auf der S nächst dem Haus Nr. 4 trotz begründeter Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung (Geruch der Atemluft nach Alkohol, schwankender Gang, undeutliche Sprache, gerötete Augenbindehäute, weinerliches Benehmen) und trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mittels Alkomat verweigert habe.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von 1) 30 S und 2) 800 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 22. und 30. Jänner 1997 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, des Behördenvertreters Dr. I sowie des Zeugen RI S durchgeführt und die Berufungsentscheidung am 30.

Jänner 1997 mündlich verkündet.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, die Angaben des Meldungslegers und die Anzeige seien insofern unrichtig, als er das Fahrrad nicht gelenkt, sondern gegen die Einbahn geschoben habe. Nicht der Polizist habe ihn zum Alkotest aufgefordert, sondern er selbst habe sich angeboten. Der Polizist sei darauf aber nicht eingegangen, sondern habe ihm nur das Wort im Mund verdreht und sei nur darauf aus gewesen, festzustellen, was er eingesteckt gehabt habe. Er ersuche um Feststellung der Wahrheit und Einstellung des Verfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der beide Parteien gehört wurden und der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen wurde.

Auf der Grundlage des Beweisverfahrens nimmt der unabhängige Verwaltungssenat als erwiesen an, daß der Rechtsmittelwerber am 18. April 1996 mittag mit einem Fahrrad von einer Untersuchung im AKH L, D Ambulanz, kommend auf der S in Richtung L unterwegs war, wo er im Bereich des Hauses Nr. 4 auf den ihm im Polizeifahrzeug entgegenkommenden Meldungsleger traf.

Dieser hat bei seiner zeugenschaftlichen Aussage den Vorfall so geschildert, daß ihm ein Radfahrer, der eine Kopfbedeckung tief in die Stirn gezogen und den Kopf gesenkt hatte, in äußerst unsicherer Fahrweise entgegengekommen sei, sodaß er sich zur Vermeidung eines Verkehrsstaus entschlossen habe, diesen von der Fahrbahn wegzubringen. Er habe den Funkwagen unter Verwendung von Blaulicht gestoppt und den Radfahrer, der in ausholenden Schlangenlinien gefahren sei, angehalten. Dieser sei daraufhin fast vom Rad gefallen und augenscheinlich schwerst beeinträchtigt gewesen.

Er habe frische Einstichstellen im Bereich beider Handrücken (laut Anzeige an beiden Unterarmen) festgestellt und "das Blut sei ihm nachgeronnen". Er habe den Radfahrer, der ihm einen Ausweis gezeigt habe, dann auch als den Rechtsmittelwerber erkannt. Dieser sei ihm von früheren Amtshandlungen als drogenabhängig und zur "Bahnhofszene" gehörig bekannt gewesen; allerdings habe er ihn lange nicht gesehen und daher nicht sofort erkannt. Da ihm der Rechtsmittelwerber gesagt habe, er habe gerade Bier getrunken und ein "Rohyperl" genommen, habe er ihn gefragt, ob er noch mehr davon eingesteckt hätte, worauf ihm der Rechtsmittelwerber insgesamt 3 1/2 Rohypnol-Tabletten, die er angeblich geschenkt bekommen (laut Anzeige im Landhauspark gekauft) habe, gegeben habe.

Die habe er ihm abgenommen, weil sie rezeptpflichtig seien.

Der Rechtsmittelwerber habe nicht gesagt, daß er gerade aus dem AKH komme. Er habe ihn dann wegen der eindeutigen Symptome zum Alkotest und, da die Herkunft der Einstichstellen nicht geklärt gewesen sei, auch aufgefordert, zum Amtsarzt mitzukommen. Der Beschuldigte habe, wie in der Anzeige beschrieben, trotz rechtlicher Belehrungen sowohl den Alkotest als auch den Amtsarzt verweigert, sodaß er ihm die Weiterfahrt untersagt und die Amtshandlung beendet habe. Er schreibe aus Beweisgründen die Verantwortung immer wörtlich mit und in die Anzeige hinein. Daraus geht hervor, daß der Rechtsmittelwerber den Alkotest mit der Begründung verweigert habe, er sei sowieso "drüber" und der Amtsarzt habe keinen Sinn.

Der Rechtsmittelwerber hat ausgeführt, er sei gerade bei einer Routineuntersuchung - er sei HIV-positiv - im AKH gewesen und wäre dort gar nicht behandelt worden, wenn er sich wirklich in einem solchen Zustand, wie vom Zeugen beschrieben, befunden hätte. Er habe nach der Untersuchung einen namentlich genannten Freund im AKH besucht, der mittlerweile verstorben sei, und bei diesem im Krankenzimmer aus einer Dose einige Schluck Bier getrunken. Er habe auf dem Rückweg von einer Bekannten Rohypnol-Tabletten geschenkt bekommen, er glaube, fünf, wisse das aber nicht genau, weil sie teilweise zerbrochen gewesen seien. Er habe das Fahrrad gegen die Fahrtrichtung der S geschoben und bei der Amtshandlung mit dem Meldungsleger, der ihm von früher bekannt gewesen sei - er sei wenige Tage zuvor von einer mehrjährigen Haftstrafe wegen eines Suchtgiftdeliktes in Garsten bedingt entlassen worden - und der ihn eigenartigerweise gleich mit "du" angeredet habe, sei es nur darum gegangen, was er eingesteckt gehabt habe. Er glaube, daß der Meldungsleger, Beamter im Wachzimmer H, nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis auf ihn "angesetzt" worden sei und deshalb versucht habe, ihm irgendetwas nachzuweisen.

Laut schriftlicher Bestätigung und Mitteilung Dris. G, Oberärztin des AKH L, D A, ist der Rechtsmittelwerber am Vorfallstag vormittag zum vereinbarten Untersuchungstermin erschienen, bei dem eine Blutabnahme, ein Beratungsgespräch und eine Inhalation durchgeführt wurde. Da sich aus dem Blutbefund die Uhrzeit der Auswertung mit 11.43 Uhr ergeben hat und das abgenommene Blut mit der internen Post um 10.00 Uhr ins Labor gelangt sein muß, ist davon auszugehen, daß die Blutabnahme vor 10.00 Uhr erfolgt sein muß. Aus den Notizen Dris. G geht hervor, daß sie die Untersuchung samt - in Anbetracht der längeren Abwesenheit des Beschuldigten ausführlicherer - Beratung vorgenommen hat, allerdings sind keine Eintragungen über Hinweise auf Alkohol- oder Drogeneinfluß oder frische Einstichstellen, insbesondere auf den Handrücken, ersichtlich, obwohl solches mit Sicherheit nachge fragt und notiert worden wäre.

Aus der Sicht des unabhängigen Verwaltungssenates bestehen am Wahrheitsgehalt der Zeugenaussage des Meldungslegers, der die Amtshandlung allein geführt hat und dem der Rechtsmittelwerber von früher eher negativ bekannt war, in Teilbereichen erhebliche Zweifel. Zum einen scheint fraglich, daß es dem Zeugen verborgen geblieben sein soll, daß der Beschuldigte wieder in L wohnt, wenn ihm die Suchtgiftkreise der Bahnhofszene dienstlich bestens bekannt sind, und daß ihm der "extrem beeinträchtigte Radfahrer mit dem gesenkten Kopf und der tief hereingezogenen Kappe" nicht sofort als Mitglied dieser Szene aufgefallen sein soll. Bedenklich ist auch, daß sich der Rechtsmittelwerber auf dem Weg vom AKH "frische Einstichstellen auf beiden Handrücken" zugefügt haben soll, wobei ihm noch "das Blut nachrann". Diese Darstellung scheint im Zusammenhang mit den schlüssigen Eintragungen Dris. G sehr übertrieben, wobei sich auch die Frage stellt, ob jemand, der beim Stehenbleiben mit dem Fahrrad derart schwankt, daß er fast zu Boden fällt, noch in der Lage ist, dieses Fahrrad zuvor, wenn auch in Schlangenlinien, zu lenken. Ein solches Unterfangen würde voraussetzen, daß das Halten des Gleichgewichts beim Lenken eines Fahrrades leichter ist als beim Anhalten; nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist derartiges aber auszuschließen.

Der Meldungsleger ließ außerdem keinen Zweifel daran, daß er den Rechtsmittelwerber als zur untersten Gesellschaftsschicht gehörig ansieht, der dementsprechend zu behandeln sei, wobei er bemüht war, seine eigenen Leistungen (Terrorbekämpfung) und die Richtigkeit seiner Lebenseinstellung (man werde ihn nie alkoholbeeinträchtigt antreffen) in den Vordergrund zu rücken. Aufgrund des Umstandes, daß beide früher schon miteinander zu tun hatten und eine Voreingenommenheit des Zeugen wegen der augenscheinlichen Geringschätzung nicht gänzlich auszuschließen ist, gelangt der unabhängige Verwaltungssenat in freier Beweiswürdigung zu der Auffassung, daß seine Glaubwürdigkeit nicht höher ist als die des Rechtsmittelwerbers, die sich in nicht unwesentlichen Belangen als wahr erwiesen hat. Nachvollziehbar ist, daß seine Atemluft nach Alkohol roch, und daß bei der Amtshandlung die Aufforderung zum Alkotest erging, der er nicht nachkam. Hinsichtlich des Lenkens des Fahrrades bestehen jedoch die oben dargelegten erheblichen Zweifel.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß Voraussetzung sowohl für eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 7 Abs.5 StVO als auch des Tatbestandes der §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 StVO das Lenken eines Fahrzeuges ist.

Gerade dahingehend bestehen aber wesentliche Widersprüche in den Aussagen des Meldungslegers und des Rechtsmittelwerbers, die im Rahmen der freien Beweiswürdigung nicht eindeutig zu klären sind.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einstellung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Da die angeführten Widersprüche dem Rechtsmittelwerber nicht zum Nachteil gereichen dürfen, war spruchgemäß zu entscheiden, wobei auch weder bei der Erstinstanz noch im Berufungsverfahren Kostenbeiträge anfallen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

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