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des Landes Oberösterreich
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VwSen-104669/2/Ki/Shn

Linz, 14.07.1997

VwSen-104669/2/Ki/Shn Linz, am 14. Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Günther Z, vom 21. Mai 1997 gegen das Straferkenntnis der BPD Linz vom 14. Mai 1997, III/S-40.577/96 2, hinsichtlich Faktum 1 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 1 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Diesbezüglich entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die BPD Linz hat mit Straferkenntnis vom 14. Mai 1997, III/S-40.577/96 2, über den Berufungswerber (Bw) ua gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 600 S (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt, weil er am 30.11.1996 um 22.10 Uhr in Linz, Wiener Str. 171 als Fußgänger die Straße nicht in angemessener Eile überquert, sondern durch sein schleichendes Tempo mehrere Fahrzeuglenker zum Abbremsen der Fahrzeuge genötigt hat, um einen Verkehrsunfall zu verhindern (verletzte Rechtsvorschrift § 76 Abs.5 StVO 1960). Außerdem wurde er hinsichtlich dieser vorgeworfenen Übertretung gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 60 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schreiben vom 21. Mai 1997 Berufung und er bringt vor, daß er sich vor dem Überqueren der Fahrbahn vergewissert habe, daß er den Verkehr in keinster Weise behindert und er die Fahrbahn zügig und auf kürzestem Wege überquert habe. Es habe sich bis auf den Wagen der Funkstreife kein Fahrzeug genähert.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.1 VStG).

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und wie folgt erwogen:

Gemäß § 76 Abs.5 StVO 1960 haben Fußgänger die Fahrbahn in angemessener Eile zu überqueren. Außerhalb von Schutzwegen haben sie den kürzesten Weg zu wählen; hiebei dürfen sie den Fahrzeugverkehr nicht behindern.

Dem Tatvorwurf liegt eine Anzeige der BPD Linz (Wachzimmer Bulgariplatz) zugrunde. Der Meldungsleger führte aus, daß der Angezeigte die Fahrbahn der Wiener Straße, Breite ca 14 m, ohne auf den Verkehr zu achten, überquert habe. Er habe die Fahrbahn nicht auf den kürzesten Weg sondern schräg, wobei auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite die Abweichung vom Ausgangspunkt ca 15 m betrug, überquert. Weiters habe er es an der gebotenen Eile missen lassen, er habe lediglich ein schleichendes Tempo vorgelegt und so mehrere Fahrzeuglenker veranlaßt, ihre Fahrzeuge abzubremsen, um einen Verkehrsunfall zu verhindern. Der Angezeigte habe kein einziges Mal auf den ihn zukommenden Verkehr (Blick nach links) geachtet. Der Angezeigte sei leicht alkoholisiert, jedoch örtlich und zeitlich voll orientiert gewesen. Im erstinstanzlichen Verfahren wurde der damalige Lenker des Dienstfahrzeuges zeugenschaftlich einvernommen. Dieser hat ausgesagt, daß der Bw von rechts nach links über die Fahrbahn gegangen sei, wobei er weder nach links oder rechts blickte. Er habe mit sturem Blick ganz langsamen Schrittes die Fahrbahn überquert, ohne in irgendeiner Weise auf den Verkehr zu schauen. Dabei sei er auch nicht auf kürzestem Weg über die Fahrbahn gegangen, sondern er sei schräg darüber geschlendert. Er (der Zeuge) habe daher den Funkwagen zunächst abbremsen und dann sogar zur Gänze anhalten müssen, um den Angezeigten nicht anzufahren. Er habe sich voll auf seine Fahrt konzentriert und könne daher nicht angeben, ob auch andere Fahrzeuge behindert wurden. Die Amtshandlung habe nicht er geführt, er habe diese aber mitbekommen und es habe sich der Angezeigte äußerst uneinsichtig, provokant und frech verhalten. Der Genannte sei laienhaft erkennbar erheblich alkoholisiert gewesen und habe daher beim Gehen als auch beim Stehen erheblich geschwankt.

Zunächst wird festgestellt, daß auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist. Nach diesem Grundsatz ist das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrundezulegen. Wenn sohin nach Durchführung der Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Zur Auslegung der obzitierten Bestimmung des § 76 Abs.5 StVO 1960 wird festgestellt, daß der Begriff "angemessene Eile" nicht ausdrücklich gesetzlich definiert wurde. Dieser Begriff ist daher einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen, wobei die jeweilige konkrete Verkehrssituation einerseits und die individuellen Möglichkeiten des die Fahrbahn überquerenden Fußgängers andererseits miteinzubeziehen sind.

Was nun das tatbildmäßige Handeln iSd § 76 Abs.5 StVO 1960 anbelangt, so liegt nach mehrfachen Entscheidungen des OGH eine Behinderung des Verkehrs nur dann vor, wenn das Verhalten des Fußgängers auf der Fahrbahn einen Kraftfahrer zu einer Vollbremsung nötigt (vgl OGH vom 11.5.1982, 2 OB 88/82, ZVR 1983 55). Darüber hinaus wäre eine Behinderung des Fahrzeugverkehrs auch dahingehend denkbar, daß die Fahrzeuglenker durch das Verhalten des Fußgängers genötigt würden, ihre Fahrzeuge über einen längeren Zeitraum anzuhalten, ohne daß dem Fußgänger (unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 3 StVO 1960) ausgewichen werden kann.

In freier Beweiswürdigung der Angaben der Meldungsleger kommt die erkennende Berufungsbehörde - völlig unpräjudiziell für das noch anhängige Verfahren (Faktum 2) - zum Ergebnis, daß diese zwar im wesentlichen nicht widersprüchlich und auch nicht unschlüssig sind, daß jedoch, insbesondere auch im Hinblick auf die bereits dargelegte Auslegung der Gesetzesbestimmung, nicht ausreichen, den gegenständlichen Sachverhalt als erwiesen anzusehen. Wenn auch der Meldungsleger in der Anzeige festgehalten hat, daß mehrere Fahrzeuglenker veranlaßt wurden, ihre Fahrzeuge abzubremsen, um einen Verkehrsunfall zu verhindern, so hat doch der zweite als Zeuge einvernommene Beamte ausgeführt, daß er nicht angeben könne, ob auch ein anderes Fahrzeug behindert wurde, da er sich voll auf seine Fahrt konzentriert habe. Im Hinblick darauf, daß jeder Lenker eines Kraftfahrzeuges das gesamte Verkehrsgeschehen zu beachten hat und ihm daher auffallen muß, wenn andere Fahrzeuge im unmittelbaren Umfeld des eigenen Fahrzeuges behindert werden, ist der Gedanke nicht unschlüssig, daß eben iSd Berufungsvorbringens keine anderen Fahrzeuge behindert wurden, zumal eine solche Behinderung anderer Fahrzeuge dem Lenker des Funkstreifenwagens sonst wohl aufgefallen wäre. Daß der als Zeuge einvernommene Beamte zu diesen Wahrnehmungen subjektiv befähigt gewesen wäre, kann nicht in Zweifel gestellt werden, ist diesem doch trotz der fortgeschrittenen Tageszeit (ca 22.00 Uhr) aufgefallen, daß der Bw mit "sturem Blick" die Fahrbahn überquert hat.

Eine Abweichung in den Angaben der beiden Beamten findet sich auch dahingehend, daß der die Anzeige verfassende Beamte ausgeführt hat, der Angezeigte sei leicht alkoholisiert, jedoch örtlich und zeitlich voll orientiert gewesen. Der als Zeuge einvernommene Beamte hat hingegen ausgesagt, der Genannte sei laienhaft erkennbar erheblich alkoholisiert gewesen und habe sowohl beim Gehen als auch beim Stehen erheblich geschwankt.

Dazu kommt, daß laut Angaben des als Zeugen einvernommenen Beamten dieser sein Fahrzeug zwar abbremsen bzw sogar anhalten mußte, von einer Vollbremsung war jedoch weder in der Anzeige noch in der dargelegten zeugenschaftlichen Aussage die Rede. Eine Behinderung iSd oben dargelegten Judikatur des OGH liegt daher offensichtlich nicht vor. Darüber hinaus geht aus der Anzeige bzw der zeugenschaftlichen Aussage auch nicht hervor, daß eine sonstige zum strafbaren Verhalten führende Behinderung des Funkstreifenwagens stattgefunden hat. Unbestritten handelt es sich bei der Wiener Straße im Bereich des vorgeworfenen Tatortes um eine 14 m breite Einbahnstraße und es wäre, Gegenteiliges wurde nicht dargelegt, nach objektiven Kriterien dem Lenker des sich nicht im Einsatz befindlichen Funkstreifenwagens durchaus möglich gewesen, das Fahrzeug am Bw vorbeizubewegen.

Nachdem somit nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit festgestellt werden kann, daß das Kriterium der Behinderung des Fahrzeugverkehrs durch den Bw gegeben ist, war der Berufung hinsichtlich Faktum 1 des Straferkenntnisses Folge zu geben. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Mag. K i s c h

Beschlagwortung: Die Tatbestandsmäßigkeit des § 76 Abs.5 StVO hängt einerseits von der jeweiligen konkreten Verkehrssituation und andererseits von den individuellen Möglichkeiten des Fußgängers ab.

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