Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105050/2/BI/KM

Linz, 07.08.1998

VwSen-105050/2/BI/KM Linz, am 7. August 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau C S, L, K, H, vertreten durch RAe Dr. M S, Dr. T C, P, S, vom 28. Oktober 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 9. September 1997, VerkR01-1522-1995, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Aus Anlaß der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren mit der Feststellung, daß ein Umstand vorliegt, der die Strafbarkeit aufhebt, gemäß §§ 45 Abs.1 Z2 iVm 31 Abs.3 VStG eingestellt.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben zitierten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 7 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 500 S (12 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 7. Juli 1995 um ca. 11.30 Uhr den PKW, Kennzeichen , auf der H, Strkm 2,390, in P im Gemeindegebiet G von L in Richtung K gelenkt habe und bei ungenügender Sicht und bei Gegenverkehr nicht am rechten Fahrbahnrand gefahren sei, wobei die Fahrbahnmitte überfahren worden sei. Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 50 S auferlegt. 2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.1 VStG). 3. Die Rechtsmittelwerberin wendet ausdrücklich Verjährung ein, da innerhalb von sechs Monaten ab Beginn der Verjährungsfrist keine Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs.2 VStG vorgenommen worden sei. Außerdem sei das gegen sie geführte Verwaltungsstrafverfahren bereits gemäß § 99 Abs.6 lit.c StVO eingestellt worden, zumal im Akt ein Vermerk enthalten sei, wonach das Verfahren mit 12. September 1995 erledigt sei. Weiters habe die Staatsanwaltschaft S zu BAZ 205/95 die Strafbarkeit geprüft, wobei demnach die Straftat zugleich den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung erfüllt habe, sodaß das Verfahren auch aus diesem Grund gemäß § 99 Abs.6 lit.c StVO einzustellen gewesen wäre. Sie sei der Ladung zur mündlichen Verhandlung bei der BPD G nicht gefolgt, sondern ihr Rechtsvertreter habe aufgrund der Ladung mit der Erstinstanz Kontakt aufgenommen, wo ihm mitgeteilt worden sei, daß das Verfahren nicht mehr "unter den laufenden" sei und daher die Ladung als gegenstandslos betrachtet werden könne. Ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot könne ihr deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil die Breite der Fahrbahn dort nur 3,85 m betrage, sodaß das Gebot des Fahrens auf halbe Sicht Anwendung finde. Sie habe dem Rechtsfahrgebot, wie aus den Lichtbildern erkennbar, wohl entsprochen und beantrage daher, der Berufung Folge zu geben. Der Berufung beigelegt war eine Kopie der Strafanzeige des Gendarmeriepostens M vom 2. September 1995 an den Bezirksanwalt beim Bezirksgericht in G und an die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Daraus ist ersichtlich, daß sich der Verkehrsunfall am 7. Juli 1995 ereignet hat, wobei die Anzeige sowohl der Erstinstanz zur verwaltungsstrafrechtlichen Beurteilung als auch eine Ausfertigung davon dem Bezirksanwalt beim Bezirksgericht in G zur strafrechtlichen Beurteilung übermittelt wurde. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft S, Bezirksanwalt beim Bezirksgericht G, vom 26. September 1995 wurde gemäß Art. IV des Verkehrsrecht-Anpassungsgesetzes 1971 die vom GPK M zu P 375/95 gegen die Rechtsmittelwerberin wegen § 88 Abs.1 StGB erstattete Anzeige gemäß § 90 Abs.1 StPO zurückgelegt. Diese Mitteilung langte laut Eingangsstempel bei der Erstinstanz am 27. September 1995 ein.

Am 9. Jänner 1996 erging ein Rechtshilfeersuchen an die BPD G, die Rechtsmittelwerberin als Beschuldigte zu vernehmen, wobei ihr die auch anhand der Anzeige deutlich umschriebenen Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 7 Abs.2 und 10 Abs.1 jeweils iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zur Last gelegt wurden. Der Ladung der BPD G vom 27. Februar 1996 zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren hat die Rechtsmittelwerberin keine Folge geleistet.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen: Gemäß § 7 Abs.2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, insbesondere in unübersichtlichen Kurven, vor Fahrbahnkuppen, bei ungenügender Sicht, beim Überholtwerden und bei Gegenverkehr, am rechten Fahrbahnrand zu fahren er darf hiebei aber nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen.

Zum Berufungspunkt der behaupteten Verjährung infolge Unterbleiben einer Verfolgungshandlung innerhalb der Frist des § 32 Abs.2 VStG ist auf Art IV Verkehrsrecht-Anpassungsgesetz 1971, BGBl.Nr. 274, zu verweisen. Gemäß Abs.1 dieser Bestimmung ist, wenn die Anzeige wegen eines Verkehrsunfalls vom öffentlichen Ankläger zurückgelegt oder ein gerichtliches Verfahren wegen eines Verkehrsunfalls rechtskräftig ohne Schuldspruch des Angezeigten beendet wird, dies der nach dem Unfallort zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde dieser mitzuteilen. Die Mitteilung obliegt bei Zurücklegung der Anzeige dem öffentlichen Ankläger, in allen anderen Fällen aber dem Gericht. Gemäß Abs.2 leg.cit. ist die Zeit von der Erstattung der Strafanzeige wegen eines Verkehrsunfalls bis zum Einlangen der in Abs.1 genannten Mitteilung bei der zuständigen Verwaltungsbehörde in die Verjährungsfrist (§ 31 Abs.2 des VStG) nicht einzurechnen. Daraus folgt, daß die Verfolgungsverjährungsfrist im gegenständlichen Fall nicht mit dem Tag des den zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen zugrundeliegenden Verkehrsunfalls zu laufen begann, sondern erst mit dem Datum des Einlangens der Mitteilung des Bezirksanwalts beim Bezirksgericht G von der Zurücklegung der Strafanzeige gemäß § 90 Abs.1 StPO, nämlich mit 27. September 1995. Die Frist des § 32 Abs.2 VStG endete demnach mit 27. März 1996. Das Rechtshilfeersuchen der Erstinstanz an die BPD G um Vernehmung der Rechtsmittelwerberin als Beschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren vom 9. Jänner 1996 erfolgte daher fristgerecht iSd § 32 Abs.2 VStG, wobei sich aus dem Akt ergibt, daß die Rechtsmittelwerberin aufgrund der Ladung am 20. März 1996 mit der BPD G telefonisch Kontakt aufgenommen hat, woraus zu schließen ist, daß ihr die Ladung auch zugegangen ist. Es wurde daher nicht nur fristgerecht eine Verfolgungshandlung durch die Erstinstanz gesetzt, sondern diese ist der Rechtsmittelwerberin sogar innerhalb der Frist zur Kenntnis gelangt. Zum weiteren Berufungspunkt der bereits erfolgten Einstellung des Verfahrens ist aus dem Akt ersichtlich, daß seitens der Erstinstanz ein mit 9. Juli 1997 datiertes Rechtshilfeersuchen an die BPD S erging, dem rechtsfreundlichen Vertreter der Rechtsmittelwerberin die bisherigen Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben. Laut Mitteilung der BPD S vom 15. Juli 1997 habe der rechtsfreundliche Vertreter mitgeteilt, daß ihm telefonisch seitens der Erstinstanz gesagt worden sei, daß der Akt nicht mehr "unter den laufenden" geführt werde. Laut Aktenvermerk der Erstinstanz vom 9. September 1997 wurde das zur Zl. VerkR01-1522-1995 geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 VStG eingestellt, da auf Grund mangelnden Beweismaterials "die der Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann". Auf diesem Aktenvermerk ist mit Rotstift angeführt "nur hinsichtlich des Tatbestandes nach § 10 Abs.1 StVO 1960". Damit ist nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates eindeutig umschrieben, daß sich die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nur auf den Tatvorwurf gemäß § 10 Abs.1 StVO 1960 bezogen hat, nicht aber auf die im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte Übertretung gemäß § 7 Abs.2 StVO 1960.

Abgesehen davon, daß seitens des unabhängigen Verwaltungssenates nicht nachvollziehbar ist, mit welcher Begründung der Tatvorwurf des § 7 Abs.2 StVO 1960 aufrechterhalten wurde, wenn hinsichtlich des aus demselben Vorfall resultierenden Tatvorwurfs gemäß § 10 Abs.1 StVO 1960 "mangelndes Beweismaterial" vorlag, wobei auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides dazu nichts zu finden ist, sind seit dem gegenständlichen Vorfall am 7. Juli 1995 bereits mehr als drei Jahre verstrichen. Da im Art IV Abs.2 VAPG 1971 nur ein ausdrücklicher Verweis auf § 31 Abs.2 VStG enthalten ist, nicht aber auf die Bestimmung des § 31 Abs.3 VStG, wonach wenn seit dem in Abs.2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen sind, ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden darf, ist die dreijährige Frist tatsächlich ab dem Zeitpunkt des Vorfalles zu berechnen. Gemäß § 45 Abs.1 Z2 hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

Da die Verjährung im gegenständlichen Fall im Laufe des Berufungsverfahrens eingetreten ist, war spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß auch keinerlei Verfahrenskostenbeiträge anfallen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung: Art. IV Abs.2 Verkehrsrecht-AnpassungsG gilt nur für die Verfolgungsverjährung gemäß § 32 As.2 VstG; die Frist des § 32 Abs.3 VstG ist weiterhin vom Tatzeitpunkt zu berechnen.

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