Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105986/30/Le/Ha

Linz, 13.09.1999

VwSen-105986/30/Le/Ha Linz, am 13. September 1999

DVR.0690392

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E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Herrn Roland K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gerald W, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 6.11.1998, Zl. VerkR96-5958-1997, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

  1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft
  2. Grieskirchen vom 6.11.1998 wurde der Berufungswerber wegen

    1. Übertretung des § 17 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 (im folgenden kurz:

    StVO),

    2. wegen Übertretung des § 4 Abs.1 lit.a StVO und

    3. wegen Übertretung des § 4 Abs.5 StVO zu Geldstrafen in Höhe von

    zu 1. 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 15 Stunden),

    zu 2. 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 60 Stunden) und

    zu 3. 1.500 S (Ersatzstrafe in der Dauer von 45 Stunden) bestraft.

    Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 7.11.1997 um 13.09 Uhr ein näher bezeichnetes Sattelkraftfahrzeug im Ortsgebiet von A auf der K vom Rathausplatz kommend in Richtung Kreuzung mit der W gelenkt und

    1. beim Vorbeifahren und Rechtsabbiegen nicht einen der Verkehrssicherheit und Fahrgeschwindigkeit entsprechenden Abstand zu dem auf der K auf dem Rechtsabbiegestreifen angehaltenen LKW der Marke Mercedes 310D mit dem Kennzeichen eingehalten, zumal er mit seinem Sattelkraftfahrzeug diesen LKW streifte, wodurch dieser links vorne schwer beschädigt wurde.

  3. Er habe es weiters bei diesem Fahrmanöver unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, sofort anzuhalten und
  4. die nächste Polizei oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 24.11.1998, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung brachte der Berufungswerber vor, dass das Strafverfahren in erster Instanz mangelhaft durchgeführt worden sei, weil seinem Beweisantrag auf Einholung eines SV-Gutachtens nicht nachgekommen worden ist. Dieses hätte ergeben, dass aufgrund des großen Massenunterschiedes zwischen seinem LKW und dem Fahrzeug der Zeugin R die Streifung für ihn nicht wahrnehmbar gewesen sei. Er hätte sich im Kollisionszeitpunkt in der Anfahrphase befunden, sodass schon dabei das Motorgeräusch dabei ein allfälliges Kollisionsgeräusch und auch das Hupsignal mit Sicherheit übertönt hat und durch die Bewegungen seines Sattelkraftfahrzeuges beim Anfahren auch die Kollision nicht wahrnehmbar war. Der durch die Streifung an seinem Sattelzug entstandene Schaden war dergestalt, dass der rechte Kotflügel des Sattelauflegers leicht eingedrückt war, wobei er diese Beschädigung mit der Hand ausbiegen konnte. Schon allein deshalb könne die Kollision mit dem Fahrzeug der Zeugin R nur äußerst gering gewesen sein, sodass er diese keinesfalls wahrnehmen musste.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur Klärung der Sachlage hat der unabhängige Verwaltungssenat am 13.9.1999 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, die im Rathaus der Stadt A stattfand. Zu dieser Verhandlung erschien der Berufungswerber persönlich mit seinem Rechtsvertreter; als Zeuge wurde Herr Abteilungsinspektor Josef K gehört, der am Unfallstag die Vernehmung der Zeugin Brigitte R durchführte. Frau R war zur Verhandlung als Zeugin nicht erschienen, sie hatte sich entschuldigt. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung ohne Angabe von Gründen fern.

Anwesend war weiter Herr RR Ing. Hubert S, der als kfz-technischer Amtssachverständiger die Sachlage beurteilte.

    1. Aufgrund dieses Ermittlungsverfahrens ergibt sich im wesentlichen folgender

Sachverhalt:

Der Berufungswerber fuhr am Tattag mit seinem Sattelkraftfahrzeug in A und wollte von der K in die B einbiegen. Aufgrund der für einen Sattelzug relativ engen Kurve musste er sich am linken Fahrstreifen einordnen. Er betätigte den rechten Blinker. Als ihm der Verkehr auf der B das Einbiegen zuließ, fuhr er los und bog in die B ein. Den Kastenwagen der Zeugin Brigitte R sah er zu diesem Zeitpunkt nicht, weil der Sattelzug zum Einbiegevorgang bereits eingeknickt war. Dadurch konnte er im rechten Außenspiegel nur mehr seinen eigenen Sattelanhänger sehen, nicht jedoch das Fahrzeug der Frau R.

Der Berufungswerber gab an, durch die Anfahrgeräusche weder die Streifung am Kastenwagen der Frau R bemerkt zu haben, noch deren Hupsignale.

Aus dem Gutachten des kfz-technischen Sachverständigen ergibt sich, dass sich der Berufungswerber mit seinem Sattelkraftfahrzeug am äußerst linken Fahrstreifen einordnen musste, um in die B einbiegen zu können. Dabei musste er auch die Fahrbahnmitte der B überfahren, um mit den rechten Rädern des Sattelauflegers auf der Fahrbahn zu bleiben und nicht den Gehsteig zu berühren. Dieser Einbiegevorgang wurde anlässlich der Verhandlung vom Sachverständigen mittels Computersimulation nachvollzogen, wobei daraus die Schleppkurve des Sattelanhängers deutlich sichtbar wurde.

Im Rahmen der Beweiswürdigung war zu beurteilen, ob der Berufungswerber vor der Zeugin R, gleichzeitig mit ihr oder nach ihr zur Kreuzung gefahren ist. Gesicherte Angaben darüber liegen nicht vor; der Berufungswerber gab an, zuerst zur Kreuzung gekommen zu sein. Er habe zu diesem Zeitpunkt kein anderes Fahrzeug gesehen.

Zur Frage, ob der Berufungswerber das Kollisionsgeräusch hätte hören oder die Kollision sonst wie bemerken hätte müssen, führte der Sachverständige aus, dass aufgrund des Schadensbildes am LKW (es war lediglich der Kotflügel, der aus Kunststoff bestand, eingedrückt, wobei diese Eindellung vom Berufungswerber mit der Hand ausgebogen werden konnte), der Massenverhältnisse zwischen den beiden Fahrzeugen und der Form des Anstoßes, nämlich einer Streifung, mit Sicherheit gesagt werden kann, dass der Berufungswerber dieses Geräusch nicht gehört oder gespürt hat.

Ob der Berufungswerber zum damaligen Zeitpunkt die Hupsignale hätte hören müssen, konnte bei der Verhandlung nicht eindeutig geklärt werden. In der Anfahrphase erzeugt ein LKW dieses Typs einen Geräuschpegel von etwa 90 dB. Nicht geklärt werden konnte die Lautstärke der Hupe, da das Fahrzeug der Zeugin nicht zu Vergleichszwecken zur Verfügung stand. Es ist eher davon auszugehen, dass der Berufungswerber diese Hupsignale nicht gehört hat, zumal sich zwischen dem Fahrzeug der Zeugin R und seinem Platz im Führerhaus auch der Sattelanhänger befand; überdies wandte der Berufungswerber seine Aufmerksamkeit dem Fahrzeugverkehr auf der B zu.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

4.2. Bei der Beurteilung der gegenständlichen Angelegenheit war zunächst zu klären, ob der Berufungswerber mit seinem Sattelkraftfahrzeug oder die Zeugin Brigitte R zuerst bei der fraglichen Kreuzung waren. Dazu gab es nur die Aussage des Berufungswerbers, der angab, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Kreuzung erreichte, kein anderes Fahrzeug bei dieser Kreuzung war. Frau R hatte dagegen vor der Gendarmerie angegeben, das Sattelkraftfahrzeug sei entweder gleichzeitig oder unmittelbar hinter ihr auf die Kreuzung zugefahren und unmittelbar neben ihr stehen geblieben.

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung kam der unabhängige Verwaltungssenat zum Ergebnis, der Verantwortung des Berufungswerbers zu folgen, wobei nachstehende Gründe dafür maßgeblich waren: es ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber als routinierter LKW-Lenker den Platzbedarf seines Sattelkraftfahrzeuges richtig einschätzen kann. Dies ist bereits daraus ersichtlich, dass er sich zutreffend am linken Fahrstreifen eingeordnet hat. Es kann ihm nun nicht ernstlich zugesonnen werden, dass er in Kenntnis der Schleppkurve seines Sattelfahrzeuges sich zwar richtig einordnet, dann aber ungeachtet eines dort - im Bereich der Schleppkurve seines Sattelanhängers - stehenden anderen Fahrzeuges dennoch nach rechts einbiegt.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es viel wahrscheinlicher, dass die Zeugin Brigitte Rinner die Verkehrssituation falsch eingeschätzt hat, indem sie den am linken Fahrstreifen eingeordneten Sattelzug für einen Linksabbieger hielt, weil ihr nicht bewusst war, welchen Platzbedarf ein nach rechts einbiegendes Sattelkraftfahrzeug hat.

4.3. Die weitere Frage war, ob der Berufungswerber die Kollision wahrnehmen musste oder nicht:

Dazu ist den Ausführungen des Sachverständigen zu folgen, wonach der Berufungswerber den Unfall optisch nicht wahrnehmen konnte, weil das Sattelzugfahrzeug gegenüber dem Sattelanhänger eingeknickt war, sodass im rechten Außenspiegel lediglich ein Teil des Silowagens ersichtlich war.

Zur akustischen Wahrnehmbarkeit des Anstoßes gab der Sachverständige an, dass es sich hiebei nur um eine relativ geringfügige Streifung handeln konnte, die somit als Anstoß im Sinne einer punktförmigen Kollision nicht erfolgte, sondern als Streifung. Dies ergibt kein so lautes Geräusch, wobei zu berücksichtigen war, dass hier nicht Blech auf Blech prallte, sondern Kunststoff auf Blech, was wiederum ein geringeres Geräusch erzeugt.

Nicht geklärt werden konnte die Frage, ob der Berufungswerber die Hupsignale hören musste. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass durch das Anfahrgeräusch des Sattelkraftfahrzeuges, den zwischen der Position des Berufungswerbers als Fahrer und dem gestreiften Kastenwagen befindlichen Sattelanhänger sowie der Tatsache, dass der Berufungswerber in dieser Anfahrphase seine volle Aufmerksamkeit auf den Verkehr auf der B, das Anfahrmanöver und die Schaltvorgänge richten musste, er die Hupsignale subjektiv nicht wahrnehmen konnte. Dass der Berufungswerber auf die Hupsignale der ihn verfolgenden Zeugin Brigitte R nicht aufmerksam wurde, kann damit erklärt werden, dass er von dem Unfall nichts mitbekommen hatte und daher die Hupsignale nicht auf sich bezogen hat.

Somit ist durch das Ermittlungsverfahren hervorgekommen, dass der Berufungswerber den Verkehrsunfall mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht bemerkt hat und nach den Einschätzungen des kraftfahrtechnischen Sachverständen auch nicht bemerkt haben musste, weshalb für ihn auch keine Verpflichtung bestand, anzuhalten und die Gendarmerie zu verständigen. Er hatte sich ferner zum Rechtseinbiegen in die B aufgrund des erhöhten Platzbedarfes eines Sattelfahrzeuges richtig eingeordnet, weshalb er die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht begangen hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen.

Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

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