Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-106135/2/Le/Km

Linz, 05.03.1999

VwSen-106135/2/Le/Km Linz, am 5. März 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Dr. G E, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 11.1.1999, VerkR96-1478-1998/W, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 11.1.1999 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber 1. wegen Übertretung des § 99 Abs.3a iVm § 20 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 (im folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden) und 2. wegen Übertretung des § 99 Abs.2e iVm § 31 Abs.1 StVO eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 25.1.1998 um ca. 18.15 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen auf der K Landesstraße bei Strkm. 15,420 im Gemeindegebiet von M N in Richtung S gelenkt, wobei er 1. die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen angepaßt hätte, weil er auf schneeglatter Fahrbahn ins Schleudern gekommen sei und einen Verkehrsunfall verursacht habe, und 2. Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, nämlich eine Leitschiene beschädigt zu haben und weder den Straßenerhalter noch die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub verständigt habe.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 10.2.1999, mit der zumindest schlüssig beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Im einzelnen führte der Berufungswerber aus, daß er den in der Anzeige angeführten Fremdschaden nicht erkennen konnte. Weiters glaube er, daß seine zur Tatzeit gewählte Geschwindigkeit den Straßenverhältnissen angepaßt gewesen sei. Seine Geschwindigkeit hätte ca. 30 km/h betragen und wäre nur an der Unfallstelle die Fahrbahn eisig gewesen, sodaß er vorher mit diesen Verhältnissen nicht habe rechnen können. Nach dem Verkehrsunfall sei er aus dem Pkw ausgestiegen, habe diesen und auch die Leitschiene besichtigt, wobei er an dieser keine Beschädigung wahrgenommen habe. Nachdem sich die Unfallstelle in einem Kurvenbereich befand und es leicht bergab ging, wollte er sein Fahrzeug nur mehr von der Gefahrenstelle entfernen. Die Gendarmerie habe er deshalb nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt, da er keinen Fremdschaden feststellen konnte. Erst als er am nächsten Morgen bemerkt hätte, daß die vordere Kennzeichentafel an seinem Pkw fehlte, hätte er sich zur Meldung am Gendarmerieposten entschlossen. Seiner Meinung nach sei bis heute nicht erwiesen, daß er der Verursacher des gegenständlichen Fremdschadens sei. Es könnte bereits vor ihm oder nach ihm jemand gegen die Leitschiene gerutscht sein, sodaß diese beschädigt worden sei.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Da aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ein für die spruchgemäße Entscheidung ausreichend ermittelter Sachverhalt hervorging und weitere Sachverhaltserhebungen nicht mehr notwendig bzw. möglich waren, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.2. Aus diesem Verwaltungsakt steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Berufungswerber erstattete am 26.1.1998 gegen 9.00 Uhr am Gendarmerieposten Kirchdorf persönlich Anzeige über den gegenständlichen Verkehrsunfall. Die Anzeige wurde von der Gendarmerie aufgenommen und wurde festgestellt, daß der nunmehrige Berufungswerber am 25.1.1998 gegen 18.15 Uhr seinen Pkw C X auf der K Landesstraße von M N kommend in Richtung S gelenkt hat. Unmittelbar vor der Ortschaft S kam er in einer Rechtskurve auf der schneebedeckten Fahrbahn ins Schleudern, wobei das Fahrzeug zunächst zum linken Fahrbahnrand schleuderte und von dort weiter zum rechten Fahrbahnrand, wo es auf Höhe des Strkm. 15,420 gegen die Leitschiene stieß und diese beschädigte. Der nunmehrige Berufungswerber gab an, mit geringer Geschwindigkeit gegen die dortige Leitschiene gerutscht zu sein. Nach dem Unfall sei er aus dem Fahrzeug ausgestiegen und habe festgestellt, daß bei seinem Pkw der rechte Scheinwerfer beschädigt worden sei; an der Leitplanke habe er allerdings keine Beschädigung feststellen können. Die Anzeige habe er deshalb erstattet, weil er am nächsten Tag bemerkt hätte, daß die vordere Kennzeichentafel fehlte. Die Gendarmerie konnte die in Verlust geratene Kennzeichentafel jedoch am Unfallort nicht finden. Die Gendarmerie fertigte von der Unfallstelle Lichtbilder an, die im Verwaltungsakt aufliegen. Daraus ist ersichtlich, daß es sich bei der Fahrbahn der K Landesstraße im gegenständlichen Bereich um eine Schneefahrbahn handelte, die jedoch gestreut war. Im Kurvenausgangsbereich (aus der Fahrtrichtung des Berufungswerbers) sind einige längliche dunklere Stellen erkennbar, die auf eine Vereisung schließen lassen.

Die Erstbehörde hat ein Gutachten eines kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen eingeholt zur Frage, ob der Beschuldigte den beim Verkehrsunfall entstandenen Fremdschaden bemerken hätte müssen bzw. ob ihm zumindest objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen seien, aus denen er den Verkehrsunfall und den damit verbundenen Sachschaden erkennen hätte können.

Der kraftfahrtechnische Amtssachverständige beim Amt der Oö. Landesregierung hat daraufhin ein Gutachten erstattet, aus dem hervorgeht, daß aufgrund der Beschädigung der Leitschiene zu schließen sei, daß eine "entsprechend große Stoßkraft" auf sie eingewirkt haben müsse. "Die wirkende Stoßkraft muß für den Beschuldigten eindeutig als Anstoßreaktion bemerkbar gewesen sein." In seinem Schlußsatz kam der Sachverständige zu folgendem Ergebnis: "Aus h.o. Sicht ist festzuhalten, daß der Beschuldigte die Möglichkeit eines Fremdschadens nicht ausschließen konnte, und er aufgrund der vorliegenden Verhältnisse die geeignete Feststellung eines möglichen Schadens herbeiführen hätte müssen". Das Beschädigungsbild am PKW des Berufungswerbers wurde dabei nicht berücksichtigt - zur Klärung der Frage, ob mit dem Scheinwerfer- und dem Blinkerglas die Leitschiene verbogen werden konnte. Auch wurden keine Spuren im Bereich der beschädigten Leitschiene gesichert (zB. Glassplitter).

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder. Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit Geldstrafen in Höhe von je nicht mehr als 10.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Bei der Würdigung der aufgenommenen Beweise ist festzustellen, daß es hinsichtlich des ersten Tatvorwurfes offenkundig ist, daß der Berufungswerber eine zu hohe Fahrgeschwindigkeit eingehalten hat, was zur Folge hatte, daß er ins Schleudern gekommen ist. Ob ihm dies allerdings als Übertretung des § 20 Abs.1 StVO anzulasten ist, bleibt der rechtlichen Beurteilung überlassen. 4.3. § 20 Abs.1 StVO bestimmt, daß der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen hat. Daß der Berufungswerber im gegenständlichen Straßenbereich eine zu hohe Fahrgeschwindigkeit eingehalten hat, ist durch die Tatsache des Schleuderns und des folgenden Anstoßes an die Leitschiene erwiesen. Zu prüfen ist jedoch, ob ihm auch ein Verschulden an dieser Verwaltungsübertretung anzulasten ist:

Die Erstbehörde hat hinsichtlich des Verschuldens keine Feststellungen getroffen. Hinsichtlich der Schuld bestimmt § 5 Abs.1 VStG, daß zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Der Gesetzgeber fingiert somit bei den Ungehorsamsdelikten das Vorliegen von Fahrlässigkeit, eröffnet dem Beschuldigten jedoch die Möglichkeit glaubhaft zu machen, daß ihn im speziellen Fall an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Diese Glaubhaftmachung ist dem Berufungswerber im vorliegenden Fall jedoch gelungen: Er hat bereits vor der Gendarmerie ausgeführt, eine Fahrgeschwindigkeit von ca. 30 km/h eingehalten zu haben. Eine solche Fahrgeschwindigkeit ist bei einer Schneefahrbahn, die noch dazu gestreut ist, sicherlich nicht als überhöht anzusehen. Es kann die weitere Aussage des Berufungswerbers, daß er plötzlich auf eine vereiste Fahrbahnstelle gekommen und dadurch ins Schleudern geraten sei, nicht widerlegt werden. Wie auch aus den von der Gendarmerie angefertigten Lichtbildern ersichtlich ist, war die Fahrbahn der K Landesstraße im gegenständlichen Bereich gestreut. Der Berufungswerber mußte daher nicht davon ausgehen, daß die Fahrbahn in diesem Bereich eisig war und dort überdies kein Rollsplitt lag. Die eingehaltene Fahrgeschwindigkeit von ca. 30 km/h zeigt vielmehr, daß sich der Berufungswerber sehr wohl der Straßenglätte bewußt war und sich dieser Einsicht gemäß verhalten hat. Somit konnte der Berufungswerber ausreichend glaubhaft machten, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

4.4. Hinsichtlich des zweiten Tatvorwurfes hat der Berufungswerber nie in Abrede gestellt, daß er den Anstoß an die Leitschiene nicht bemerkt hätte. Im Gegenteil: Er hatte bereits vor der Gendarmerie angegeben, mit geringer Geschwindigkeit gegen die Leitschiene gerutscht und anschließend ausgestiegen zu sein, um den Schaden zu besehen. Er habe die Beschädigung des rechten Scheinwerfers gesehen, jedoch an der Leitschiene keinerlei Beschädigung feststellen können.

Damit aber war die Beweisthemenvorgabe für den kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen verfehlt bzw. waren die Befundvoraussetzungen für die Erstellung eines Gutachtens nicht in ausreichender Qualität vorhanden. So konnte der Sachverständige das Ausmaß der Beschädigung der Leitschiene lediglich aus Lichtbildern von der Leitschiene erkennen; daß der Sachverständige diese Leitschiene in natura begutachtet und vermessen hätte, ist seinem Gutachten nicht zu entnehmen. Weiters wurden die Beschädigungen am Fahrzeug des Berufungswerbers nicht festgestellt.

Es ist daher davon auszugehen, daß am Fahrzeug des Berufungswerbers, einem Citroen Xantia, lediglich das Streuglas des rechten Scheinwerfers sowie das (daran unmittelbar anschließende) Blinkerglas beschädigt wurden. Weitere Beschädigungen sind nicht aktenkundig.

Bereits aus laienhafter Sicht ist festzustellen, daß Glas bekanntlich spröde ist und bei Berührung mit Metall sehr leicht zerbricht, ohne jenes zu beschädigen. Es wäre daher durchaus möglich, daß durch den Anstoß eines Pkw mit einem Scheinwerfer- und einem Blinkerglas an einer Leitschiene zwar diese Gläser zerbrechen, an der Leitschiene jedoch keine Beschädigungen entstehen.

Dies aber hat zur Folge, daß die in der Berufung vorgebrachte Verantwortung des Berufungswerbers, die Beschädigung könnte möglicherweise auch von einem anderen Fahrzeug stammen, nicht widerlegt werden kann, weil weitere - objektive - Beweise für eine Kausalität des Berufungswerbers nicht gesichert wurden: So gibt es etwa keinen Hinweis darauf, daß im Bereich der beschädigten Leitschiene Glassplitter vom Pkw des Berufungswerbers gefunden wurden. Auch die in Verlust geratene Kennzeichentafel lag nicht am Unfallort.

Es war daher das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, weil der angelastete Sachverhalt nicht mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit erwiesen werden konnte.

Zu II.: Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen. Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. L e i t g e b Beschlagwortung: (Beweiswürdigung) schneeglatte gestreute Fahrbahn; 30 km/h ist nicht zu schnell

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum