Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230747/2/Gf/Km

Linz, 09.04.2000

VwSen-230747/2/Gf/Km Linz, am 9. April 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des G K, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 11. Februar 2000, Zl. Sich96-376-1999, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 11. Februar 2000, Zl. Sich96-376-1999, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 800 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 54 Stunden) verhängt, weil er am 22. Mai 1999 auf einem Parkplatz vor einem Supermarkt den Lenker eines anderen PKW beschimpft und diesem daraufhin ins Gesicht gespuckt habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 156/1998 (im Folgenden: SPG), begangen, weshalb er nach der letztgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses ihm am 8. März 2000 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 14. März 2000 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde im Wesentlichen begründend aus, dass die dem Rechtsmittelwerber angelastete Tat aufgrund einer Anzeige des GP Enns und einer entsprechenden Zeugenaussage als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernd sowie dessen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse entsprechend berücksichtigt worden.

2.2. Dagegen bringt der Berufungswerber vor, dass die Aussage des einvernommenen Zeugen nicht den Tatsachen entspreche; vielmehr habe er die ihm angelastete Übertretung in Wahrheit nicht begangen.

Daher wird - erkennbar - die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Linz-Land zu Zl. Sich96-376-1999; von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung wurde gemäß § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG abgesehen, weil im angefochtenen Straferkenntnis lediglich eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist und keine der Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag gestellt hat.

4. Über die gegenständliche Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen, der durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

4.2. Im gegenständlichen Fall behauptet der Zeuge im Wesentlichen, vom Rechtsmittelwerber im Zuge einer Auseinandersetzung wegen des Verhaltens beider im Straßenverkehr u.a. beschimpft und im Gesicht bespuckt worden zu sein. Dies wurde vom Beschwerdeführer, der vorbringt, seinerseits vom Zeugen geschlagen und verletzt worden zu sein, von Anfang an bestritten. Die anzeigelegenden Sicherheitsorgane sind erst zu einem Zeitpunkt am Vorfallsort eingetroffen, als sich der Zeuge bereits entfernt gehabt hatte; sie konnten die angelastete Übertretung sohin nicht aus eigenem wahrnehmen.

Im Ergebnis steht damit Aussage gegen Aussage.

4.3.1. Wie sich insbesondere aus § 43 Abs. 1 VStG ergibt, ist die Erstbehörde schon von Gesetzes wegen nicht gehindert, im Zuge ihres Ermittlungsverfahrens eine mündliche Verhandlung unter gleichzeitiger Anwesenheit beider Kontrahenten durchzuführen und deren Aussagen aufgrund des unmittelbaren persönlichen Eindruckes zu würdigen. Bei der hier gegebenen Sachlage wäre dies offenkundig überhaupt eine wesentlich zielführendere Vorgangsweise gewesen als die Beweiswürdigung (abgesehen davon, dass auch der Zeuge nur im Rechtshilfeweg einvernommen wurde) lediglich auf den formalen Aspekt, dass der Zeuge gemäß § 24 VStG i.V.m. § 50 AVG im Gegensatz zum Beschuldigten der Wahrheitspflicht unterliegt, zu stützen.

4.3.2. § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG sieht vor, dass der Unabhängige Verwaltungssenat von einer öffentlichen Verhandlung absehen kann, wenn im angefochtenen Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

Der Oö. Verwaltungssenat versteht diese Anordnung zum einen grundsätzlich nicht dahin, dass das ihm sonach eingeräumte Ermessen schon von vornherein insoweit gesetzlich eingeschränkt wäre, dass eine Verhandlung dennoch stets dann durchgeführt - und damit in Konstellationen wie der vorliegenden ein entsprechendes Versäumnis der Erstbehörde stets substituiert - werden müsste, wenn der Sachverhalt vom Berufungswerber bestritten wird. Zum anderen ist zu bedenken, dass die belangte Behörde eine entsprechende Klarstellung auch aus eigenem unschwer dadurch herbeiführen hätte können, dass sie diese Gegenüberstellung im Zuge einer Berufungsvorentscheidung (vgl. § 24 VStG i.V.m. § 64a AVG) nachholt.

4.3.3. Nach allgemein herrschender Auffassung hat die Behörde das öffentliche Interesse, im Verwaltungsstrafverfahren im Besonderen das Interesse der öffentlichen Hand an der Verwirklichung des staatlichen Strafanspruches, zu vertreten. Ausgehend davon, dass im gegenständlichen Fall von Anfang an Aussage gegen Aussage stand und die belangte Behörde weder im Zuge ihres ordentlichen Verfahrens noch im Gefolge einer Berufungsvorentscheidung eine Gegenüberstellung der beiden Kontrahenten vornahm und schließlich auch keinen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung stellte, ergibt sich daraus insgesamt, dass die Erstbehörde offenbar kein zwingendes Interesse am Nachweis der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine Übertretung gemäß § 81 Abs. 1 SPG hat.

4.3.4. Bei dieser Sachlage sieht es aber auch der Oö. Verwaltungssenat - schon im Hinblick darauf, dass ihm von Verfassungs wegen primär eine judizielle Funktion zukommt (vgl. die Art. 129 ff B-VG) - nicht als seine Aufgabe an, gleichzeitig noch die Funktion eines Anklagevertreters wahrzunehmen.

Verfassungskonform interpretiert ist daher § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG im Ergebnis nicht dahin auszulegen, dass dem UVS hinsichtlich Notwendigkeit der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung von vornherein kein Ermessen zukäme, wenn der Berufungswerber die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens bestreitet; vielmehr kann im Sinne des Gesetzes auch dann davon abgesehen werden, wenn sich aus der bisherigen Vorgangsweise ergibt, dass die belangte Behörde den Strafanspruch des Staates nicht dem § 40 Abs. 1 VStG entsprechend zielstrebig verfolgt (wie z.B. bei Aussage gegen Aussage weder im ordentlichen Verfahren noch im Zuge der Berufungsvorentscheidung eine Gegenüberstellung vorgenommen und auch selbst keinen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung gestellt) hat.

4.4. Davon ausgehend kann es daher im gegenständlichen Fall aufgrund widersprechender Aussagen und in Ermangelung eines objektiven, selbst in die Auseinandersetzung nicht involvierten Zeugen auch nicht als mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit als erwiesen angesehen werden, dass der Beschwerdeführer den Zeugen am Vorfallstag tatsächlich beschimpft und ihm ins Gesicht gespuckt hat; vielmehr war unter den gegebenen Umständen im Zweifel gemäß Art. 6 Abs. 2 MRK von der Unschuld des Rechtsmittelwerbers auszugehen.

4.5. Der vorliegenden Berufung war sohin gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. G r o f

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