Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108401/9/Br/Pe

Linz, 02.09.2002

VwSen-108401/9/Br/Pe Linz, am 2. September 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn KP, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 18. Juni 2002, Zl. VerkR96-203-2002-OJ, nach der am 21. August 2002 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002 - AVG iVm § 19 Abs.1 u.2, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung wegen der Übertretung nach § 14 Abs.8 iVm § 37a Führerscheingesetz (kurz FSG) eine Geldstrafe von 300 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden verhängt, weil er am 21. Dezember 2001 um 17.30 Uhr den LKW, lenkte, obwohl der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,30 mg/l betragen habe.

1.1. Begründend stützte die Behörde erster Instanz ihre Entscheidung auf das Ergebnis der Atemluftuntersuchung mittels Alkomat, welches vom Berufungswerber nicht bestritten wurde. Seiner Nachtrunkverantwortung wurde, insbesondere mit Blick auf die kurze Zeitdauer vom Abstellen des Pkw bis zum Betreten des Hauses, nicht gefolgt.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber Folgendes aus:

"Ich erhebe Einspruch zu Ihrer Begründung, über mich die Strafe von Euro 330.- zu verhängen und den Behauptungen der Beamten entgegne ich wie folgt:

Herr L schätzt das weniger als 1 Minut zwischen Zuschlagen der Autotüre u. Betreten des Hauses vergangen sind (Ich habe angegeben, nicht zu wissen ob es 1 Minute oder etwas mehr oder weniger gewesen sind). Tatsächlich brauche ich für diese Wegstrecke gemessene 15 Sekunden. Das heißt, in den verbliebenen 40 Sekunden (oder mehr) ist ein kurzes Gespräch und ein Schluck Bier durchaus möglich.

Die Beamten schätzen die Entfernung von der Haustüre bis zu meinem geparkten KFZ, wo sich mein Nachbar und ich aufhielten auf nur ca. 4 Meter. Tatsächlich sind es gemessene mind. 9 Meter. Sogar bei einem Abstand der geschätzten 4 Meter hätten diese keinesfalls eine weitere Person wahrnehmen können, da die Hauseingangstüre geschlossen war und sich die Beamten, wie diese selbst angegeben haben, im Vorhaus mit meiner Gattin unterhalten haben, Diese Türe ist soweit Schalldicht, dass mit Sicherheit auf diese Entfernung keine weitere Unterhaltung außerhalb hörbar sein kann. Außerdem ist der Eingangsbereich mit einem Bewegungsmelder ausgestattet, welcher die Außenbeleuchtung erst bei Öffnen der Gartentüre einschaltet. Das heißt, bei absoluter Dunkelheit außen, wie zu dieser Jahres- u. Tageszeit üblich und eingeschaltem Vorhauslicht ist es unmöglich durch die dicke milchige Rippverglasung meiner Haustüre jemanden zu sehen (Spiegeleffekt). Es hat auch keiner der Beamten vor oder während oder nach meinen Eintreten durch die offene Tür hinausgeschaut.

Ich habe auch nie behauptet, dass mich mein Nachbar mit einem Bier empfangen habe, sondern lediglich angegeben, dass dieser zufällig an seinem PKW arbeitete und eine offene Flasche Bier dabei hatte bzw. mitnahm als er mich zufahren sah und mir entgegengekommen ist.

Ich kann auch aus heutiger Sicht keinen Fehler meinerseits entdecken, weil ich nach dem Abstellen meines KFZ, trotz vorhergehendem Lenken u. in Kenntnis der Anwesenheit der Exekutive noch schnell die halbe Flasche getrunken habe und dann erst ins Haus gegangen bin. Allerdings hätte ich dann mit Sicherheit das Haus nicht betreten, falls ich diese Alkoholmenge schon vor dem Abstellen meines KFZ konsumiert hätte.

Alle meine Angaben sind überprüfbar, beweisbar und vor allem Wahrheitsgemäß"

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurden die zwei einschreitenden Gendarmeriebeamten GrInsp. L und RevInsp. N, sowie GS und die Ehefrau des Berufungswerbers, PP, zeugenschaftlich einvernommen. Der Berufungswerber wurde als Beschuldigter zur Sache befragt. Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm ohne Angabe von Gründen an der Berufungsverhandlung nicht teil.

Im Anschluss an die Berufungsverhandlung wurde im Wege der med. Amtssachverständigen der Landessanitätsdirektion, Frau Dr. SH, der Anteil der Atemluftkonzentration von einer halben Flasche Bier nach einer Zeitdauer von 30 Minuten bei einem 80 kg schweren Mann, rückgerechnet. Der Berufungswerber verzichtete im Rahmen der Berufungsverhandlung ausdrücklich auf eine gesonderte Stellungnahme zu diesem Beweisergebnis.

3.1. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe, zwecks unmittelbarer Darstellung und entsprechender Würdigung des Berufungsvorbringens in Wahrung eines fairen Verfahrens iSd Art.6 EMRK, geboten.

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

4.1. Der Berufungswerber lenkte am 21.12.2001 um 17.30 Uhr einen Lkw bis zu seinem Haus. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich bereits die zwei mit einer Überprüfung nach dem Waffengesetz behördlich beauftragten Gendarmeriebeamten im Haus des Berufungswerbers. Sie erklärten dessen Ehefrau, der Zeugin P, den Grund ihres Einschreitens. Kurze Zeit später war das Vorfahren eines Kraftfahrzeuges wahrzunehmen, wobei Frau P den Gendarmeriebeamten kundtat, dass offenbar soeben ihr Mann heimgekommen wäre. Während der Berufungswerber aus seinem Fahrzeug ausstieg, wurde er von seinem in unmittelbarer Nähe verweilenden Nachbarn - dem Zeugen GS - nach dem Grund der Präsenz der Gendarmerie befragt. Weil Sitz gerade eine bereits geöffnete, aber noch weitgehend volle Bierflasche in der Hand hielt, erwiderte der Berufungswerber auf die Frage seines Nachbarn, "er möge ihn aus der Flasche trinken lassen." Dies tat der Berufungswerber indem er einen kräftigen Zug aus der Flasche tat, wobei er diese aber nicht austrank.

Maximal eine halbe Minute später betrat der Berufungswerber sodann sein Haus. In der Folge zeigte er sich gegenüber den Gendarmeriebeamten nur wenig kooperationsbereit und bedeutete ihnen, wegen einer zu besuchenden Weihnachtsfeier, für die waffenrechtliche Überprüfung keine Zeit zu haben. Er ließ den Beamten wissen, dass sie gehen mögen.

Da jedoch beim Berufungswerber Alkoholgeruch wahrnehmbar war, wurde er in dieser Situation zur Atemluftuntersuchung beim GP Gallneukirchen aufgefordert. Diese Untersuchung erbrachte das hier unbestrittene Ergebnis von 0,30 mg/l.

Ein Viertel Liter Normalbier enthält etwa 10 g Etanol, wobei diese Alkoholmenge bei einer 80 kg schweren Person zu einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 0,18 Promille bewirkt (Widmarkformel: Reduziertes Körpergewicht = 80 kg x Reduktionsfaktor 0,7 = 56 kg; 10 g : 56 kg = 0,18 Promille). Geht man zu Gunsten des Beschuldigten davon aus, dass zum Messzeitpunkt bereits die gesamte Nachtrunkmenge resorbiert war, so ergibt die Berechnung eine Blutalkoholkonzentration von 0,42 Promille was mit dem Umrechnungsfaktor 1:2 auf eine Atemalkoholkonzentration von 0,21 mg/l schließen lassen würde (gutachterliche Stellungnahme der Landessanitätsdirektion vom 23. August 2002, AZ: San-232966/1-2002-Has/Ang).

4.2. Nach Anhörung des Zeugen S gelangte der unabhängige Verwaltungssenat zum Ergebnis, dass der Zug des Berufungswerbers aus der Bierflasche jedenfalls nicht widerlegbar ist. Seine diesbezüglichen Angaben waren spontan und wirkten keinesfalls rekonstruiert. Sie sind mit den Angaben des Berufungswerbers in sich stimmig und letztlich unter Berücksichtigung des Naturells der beiden Persönlichkeiten auch nicht gänzlich lebensfremd. Über diesbezüglichen Vorhalt erklärte etwa der Berufungswerber durchaus aufrichtig anmutend, dass dies unter guten Nachbarn eben üblich sei. Ferner wurde die Frage über den Flascheninhalt zum Zeitpunkt des Trunkes und danach vom Zeugen und Berufungswerber im Ergebnis ident bezeichnet, wobei die Darstellungen aber andererseits durchaus auch nicht abgesprochen anmuteten. Vom Ablauf her ist es durchaus möglich, dass sich dieser Vorgang innerhalb einer halben Minute oder auch noch kürzer zutragen konnte, ohne dass die Gendarmeriebeamten hiervon Kenntnis erlangen konnten. Gleichzeitig mag angesichts der kurzen Zeitspanne den Gendarmeriebeamten diese vom Berufungswerber - wenn auch in etwas anderer Form - vorgetragene Verantwortung gänzlich unglaubwürdig erschienen sein. Er verantwortete sich letztlich von Anfang an gleich. Ebenfalls stellt sich die Zeugenaussage des RevInsp. N vor der Behörde erster Instanz in diesem Sinn dar.

Wengleich es durchaus an den Haaren herbeigezogen anmuten mag, dass jemand beim Aussteigen aus seinem Fahrzeug spontan aus der Bierflasche des zufällig anwesenden Nachbarn trinkt, ist dies hier durch eine unter Wahrheitspflicht abgelegte Zeugenaussage dokumentiert. Mangels jeglicher objektivierbarer Anhaltspunkte des Gegenteils, wäre es unzulässig diese auch vom Weg-Zeitablauf im Rahmen des Möglichen liegende und vor allem übereinstimmend geschilderte Darstellung als wahrheitswidrig abzuqualifizieren. Sie ist in keinem Punkt im Widerspruch zu den Wahrnehmungen der Meldungsleger, wenngleich die Meldungsleger mit durchaus nachvollziehbarem Grund und mangels diesbezüglicher Kontaktnahme mit dem Zeugen GS, der Schilderung des Berufungswerbers nicht folgten.

Aus sachverständiger Sicht wird der Anteil des Nachtrunkes mit 0,09 mg/l rückgerechnet.

Berücksichtigt man dann in weiterer Folge auch noch den Verkehrsfehler des Atemluftmessgerätes im Umfang von 0,2 mg/l, liegt zum Zeitpunkt des Lenkendes der AAG - selbst unter der Annahme, dass die Nachtrunkmenge noch nicht gänzlich resorbiert war - mit Sicherheit immer noch unter dem gesetzlichen Grenzwert von 0,25 mg/l. Angesichts dieser Fakten kann von einem Beweis einer Grenzwertüberschreitung zum Zeitpunkt des Lenkendes nicht ausgegangen werden.

Im Lichte der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur freien Beweiswürdigung nach § 45 Abs.2 AVG und einem fairen Verfahren, ist an einen Beweis ein strengerer Maßstab als bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen (vgl. VfSlg 12649; sowie Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).

Da schon bei bloßen Zweifel an der Zurechenbarkeit der Tatbegehung der Tatbeweis als nicht erbracht gilt, war in diesem Punkt das Verfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen (VwGH 12.3.1986, 84/03/0251 u.a. mit Hinweis auf ZfVB 1991/3/1122).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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