Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109997/9/Sch/Pe

Linz, 15.03.2005

 

 

 VwSen-109997/9/Sch/Pe Linz, am 15. März 2005

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn J H vom 14. September 2004, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F D, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 2. September 2004, VerkR96-1512-2004-Gg, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 8. März 2005 zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 500 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf fünf Tage herabgesetzt werden.
  2. Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen.

     

  3. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 50 Euro; für das Berufungsverfahren ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 2. September 2004, VerkR96-1512-2004-Gg, wurde über Herrn J H, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 18 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe von 660 Euro sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 350 Stunden verhängt, weil er am 9. März 2004 um 16.44 Uhr auf der A 7 Mühlkreisautobahn auf Höhe Strkm. 15,7 in Fahrtrichtung Nord als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen unter besonderer Rücksichtslosigkeit zu einem vor ihm fahrenden Fahrzeuglenker nicht einen solchen Abstand eingehalten habe, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil er bei einer Fahrgeschwindigkeit von 130 km/h nur einen Abstand von 10 m, was einem Abstand von 0,29 Sekunden entspricht, eingehalten habe, obwohl bei der oben genannten gefahrenen Geschwindigkeit ein Mindestabstand zu dem nächst vor ihm fahrenden Fahrzeug von 36,11 m, was einem Abstand von einer Sekunde entspricht, einzuhalten gewesen sei. Die besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern, insbesondere gegenüber den vor ihm fahrenden Fahrzeuglenker besteht in der eklatanten Unterschreitung des Sicherheitsabstandes, was oftmals Ursache schwerer Verkehrsunfälle ist.

 

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 66 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Anlässlich der eingangs angeführten Berufungsverhandlung wurde in die relevante Videoaufzeichnung Einsicht genommen und diese vom beigezogenen verkehrstechnischen Amtssachverständigen fachlich erläutert. Angesichts dieses Beweismittels und der Ausführungen des Sachverständigen kann für die Berufungsbehörde nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Übertretung begangen hat. Auf der Videoaufzeichnung ist über eine Strecke von etwa 350 m der Nachfahrvorgang samt eingehaltenem Sicherheitsabstand des Berufungswerbers einwandfrei ersichtlich. Der Sachverständige hat in Vorbereitung seines Gutachtens für die Berufungsverhandlung auch anhand des ihm zur Verfügung stehenden Computerprogramms den Mess- und Rechenvorgang, wie er vom anzeigenden Beamten durchgeführt worden ist, nachvollzogen und ist schlüssig begründet zu dem gleichen Ergebnis gelangt. Demnach hat der Berufungswerber bei einer Fahrgeschwindigkeit von 130 km/h zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug einen zeitlichen Sicherheitsabstand von lediglich 0,29 Sekunden eingehalten, welcher einer räumlichen Entfernung von 10 m gleichkommt.

 

Es kann, wenngleich die Aufnahmen der sogenannten "Kennzeichenkamera" bei der Verhandlung nicht eingesehen wurden, aufgrund der entsprechenden Ermittlungen des Sachverständigen kein Zweifel daran bestehen, dass das Fahrzeug des Berufungswerbers identisch mit dem angezeigten ist. Es müsste schon eine beträchtliche und daher geradezu unwahrscheinliche Anzahl von Zufälligkeiten zusammentreffen, dass hier eine Verwechslung möglich wäre. Gegenständlich kann aber davon von vornherein nicht die Rede sein, da der Vorgang vom Sachverständigen, inklusive Einsichtnahme in die Aufzeichnungen der "Kennzeichenkamera", ausführlich nachgeprüft worden ist.

4. Der Anhalteweg für den Lenker eines Fahrzeuges besteht bekanntlich aus dem Reaktionsweg und dem Bremsweg. Als Abstand beim Hintereinanderfahren ist zumindest der Reaktionsweg einzuhalten, welcher die während der Reaktionszeit zurückgelegte Strecke darstellt. Die Reaktionszeit (die Zeit vom Erkennen einer Gefahr bis zum Beginn der Bremshandlung) beträgt ca. eine Sekunde. Sie umfasst die (vermeidbare) "Schrecksekunde" (bis zu einer halben Sekunde) und die eigentliche (nicht vermeidbare) Reaktionszeit.

 

Die Reaktionszeit ist von persönlichen und äußeren Umständen abhängig, wobei durch persönliche Umstände eine Verkürzung, etwa durch eingeschliffene Reaktionshandlungen, gute Disposition (z.B. Ausgeruhtsein), überdurchschnittliche Veranlagung, Jugendlichkeit, Erwartungsspannung, etc. erfolgen kann. Andererseits ist auch eine Verlängerung möglich, etwa aufgrund Ermüdung, minderer Begabung, Unaufmerksamkeit (z.B. Unterhaltung mit einem Beifahrer) etc.

 

Äußere Faktoren, die zu einer Verkürzung der Reaktionszeit führen können, sind übersichtliche Verkehrssituationen, prägnanter Wahrnehmungsgegenstand, etc. Demgegenüber kann eine Verlängerung der Reaktionszeit bewirkt werden durch komplizierte und seltene Verkehrssituationen, weniger auffällige Wahrnehmungsgegenstände, etc.

 

Bei diesem Durchschnittswert von einer Sekunde verbleibt naturgemäß kaum eine Sicherheitsreserve, weshalb bei der Ausbildung von Kraftfahrzeuglenkern in Fahrschulen ein Mindestabstand von zwei Sekunden für den Regelfall als geboten angesehen und daher entsprechend vermittelt wird.

 

Eine Unterschreitung des Ein-Sekunden-Abstandes bewirkt sohin grundsätzlich eine potenzielle Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, und zwar nicht nur des vorausfahrenden Fahrzeuglenkers, sondern auch anderer, die bei Auffahrunfällen lebensnah zudem zu Schaden kommen können.

 

Der Berufungswerber hat gegenständlich zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeuglenker lediglich einen Sicherheitsabstand von 0,29 Sekunden eingehalten, welcher bei einer Fahrgeschwindigkeit von 130 km/h einen Abstand von ca. 10 m darstellt.

Auf der anlässlich der Berufungsverhandlung eingesehenen Videoaufzeichnung ist einwandfrei erkennbar, dass sich dieser Vorgang über eine längere Wegstrecke abgespielt hat.

 

Angesichts des damit verbundenen beträchtlichen Gefährdungspotenziales kann keinesfalls von einem geringfügigen Unrechtsgehalt dieser Übertretung ausgegangen werden. Dazu kommt noch, dass solche Delikte in der Regel einem Fahrzeuglenker nicht nur fahrlässig unterlaufen, sondern - zumindest bedingt - vorsätzlich in Kauf genommen werden.

 

Der Strafrahmen für Delikte, bei denen die Bestimmung des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 zur Anwendung kommt, beträgt von 36 bis 2.180 Euro bzw. als Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen.

 

Die Erstbehörde hat gegenständlich trotz Vorliegens des sehr wesentlichen Milderungsgrundes der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Berufungswerbers das rund 18-fache der gesetzlichen Mindeststrafe verhängt. Abgesehen von dem tatsächlich äußerst geringen eingehaltenen Abstand selbst konnte auf der Videoaufzeichnung kein weiterer besonders gefährlicher Umstand festgestellt werden, sodass die Berufungsbehörde die Ansicht vertritt, dass auch die nunmehr festgesetzte Geldstrafe ausreichen wird, um dem generalpräventiven Aspekt einer Strafe Rechnung zu tragen, aber auch den Berufungswerber davon abzuhalten, künftighin neuerlich eine derartige Übertretung zu begehen.

 

Zu berücksichtigen war auch, dass durch die Bezahlung der Verwaltungsstrafe möglichst keine Sorgepflichten des Berufungswerbers gefährdet werden sollten.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

S c h ö n

 
 

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