Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300068/6/WEI/Bk

Linz, 02.07.1997

VwSen-300068/6/WEI/Bk Linz, am 2. Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Friedrich H, vom 24. Mai 1996 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 19. April 1996, Zl. 101-6/4-570002515, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem O.ö. Jugendschutzgesetz 1988 zu Recht erkannt:

I. Aus Anlaß der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis wegen entschiedener Sache ersatzlos aufgehoben.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der belangten Behörde vom 19. April 1996 wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 3.3.1995 um 17.15 Uhr in Linz, R, (Lokal "L") als Unternehmer nicht durch geeignete Maßnahmen dafür gesorgt, daß Sie auf die für Ihren Betrieb maßgeblichen Bestimmungen des OÖ. Jugenschutzgesetzes 1988 deutlich sichtbar anzubringen." Dadurch erachtete die belangte Strafbehörde § 16 Abs 2 O.ö. Jugendschutzgesetz, LGBl Nr. 23/1988 als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "gemäß § 17 Abs. 1 Z. 3 leg. cit." eine Geldstrafe von S 500,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 50,-- vorgeschrieben.

In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die aktenkundige Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz vom 6. März 1995. Aus dieser Anzeige gehe unzweifelhaft hervor, daß ein Anschlag im Sinne des Jugendschutzgesetzes nicht vorhanden war, was von der anwesenden Kellnerin mit der Neueröffnung des Lokales begründet worden wäre. Der Beschuldigte habe im Einspruch gegen die Strafverfügung nur festgestellt, daß er die zur Last gelegte Tat nicht begangen hätte und im übrigen trotz Aufforderung keine Stellungnahme abgegeben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bw am 15. Mai 1996 übernommen hatte, richtet sich die am 27. Mai 1996 rechtzeitig zur Post gegebene Berufung vom 24. Mai 1996. Die Berufungsbegründung lautet wörtlich:

"Ich berufe innerhalb offener Frist gegen die mir zur Last gelegte Strafverfügung, da das o.ö. Jugendschutzgesetz in doppelter Ausführung im Lokal sichtbar angebracht ist.

Bei Bedarf können Zeugen namhaft gemacht werden." Damit wird sinngemäß die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens angestrebt.

2. Die belangte Behörde hat ihren Strafakt ohne Begleitschreiben sowie kommentarlos zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten folgenden Sachverhalt festgestellt:

3.1. Die im Akt befindliche Strafverfügung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 23. Mai 1995, Zl. 101-6/4 57-2515, die den gleichen Tatvorwurf wie das angefochtene Straferkenntnis enthält, wurde dem Bw nach dem aktenkundigen Zustellnachweis (Postrückschein RSa) nach zwei erfolglosen Zustellversuchen durch Hinterlegung am Donnerstag, dem 1. Juni 1995, beim Postamt 4010 Linz zugestellt. An diesem Tag hat das Postamt die Sendung auch erstmals zur Abholung bereitgehalten. Der Bw hat in der Folge mit datiertem Schreiben vom 19. Juni 1995 per Telefax Einspruch erhoben, wobei das Telefaxschreiben Freitag, den 23. Juni 1995, 23.22 Uhr, als Zeitpunkt der Übertragung ausweist. Der Eingangsstempel des Bezirksverwaltungsamts des Magistrats Linz datiert naturgemäß vom darauffolgenden Montag, dem 26. Juni 1995. Da der Einspruch in jedem Fall außerhalb der vierzehntägigen Einspruchsfrist erfolgte, erscheint er nach der Aktenlage verspätet.

Das Postamt 4010 Linz teilte über h. Anfrage vom 10. Juni 1997 dem unabhängigen Verwaltungssenat mit, daß die damalige Sendung des Magistrats der Landeshauptstadt Linz am 14. Juni 1995 beim Postamt 4010 Linz behoben worden war.

3.2. Da ein Zustellfehler aus der Aktenlage nicht erkennbar ist, hat der unabhängige Verwaltungssenat dem Bw mit Schreiben vom 16. Juni 1997 zur Überprüfung des Zustellvorganges die Gelegenheit eingeräumt, einen allfälligen Zustellmangel vorzubringen und für den Fall seiner Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt der Hinterlegung eingeladen, unter Vorlage von geeigneten Beweismitteln (Hotelrechnungen, Bestätigungen, Zeugenaussagen) schriftlich bekanntzugeben, wo er sich aus welchem Grunde aufgehalten habe und wann er zur Abgabestelle (Wohnung, Büro bzw Arbeitsplatz) zurückgekehrt sei. Für die Rückäußerung wurde eine Frist von 10 Tagen ab Zustellung dieses Schreibens eingeräumt. Der Bw hat diese Aufforderung am 19. Juni 1997 eigenhändig übernommen und bis dato nicht reagiert. Es war daher davon auszugehen, daß er im Zeitpunkt der Zustellversuche samt nachfolgender Hinterlegung nicht ortsabwesend war.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Prozeßvoraussetzung für die Erlassung eines Straferkenntnisses und in weiterer Folge auch für die meritorische Behandlung einer Berufung gegen ein Straferkenntnis ist, daß noch keine rechtskräftige und verbindliche Entscheidung in derselben Sache vorliegt. Bei Identität der Sache steht einer neuen Sachentscheidung die Rechtskraft des früheren Bescheides entgegen (vgl dazu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, E 18 ff zu § 68 AVG). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß ein Straferkenntnis der belangten Behörde im Hinblick auf das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache nicht hätte ergehen dürfen, wenn die vorangegangene Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen ist. Das angefochtene Straferkenntnis müßte aus Anlaß der Berufung aufgehoben werden.

Gemäß § 49 Abs 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch bei der Strafbehörde erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Wurde der (umfassende) Einspruch rechtzeitig eingebracht, so ist nach § 49 Abs 2 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten und tritt die Strafverfügung außer Kraft. Die Strafverfügung ist gemäß § 49 Abs 3 VStG zu vollstrecken, wenn der Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird. Im Falle eines verspäteten Einspruches hat die Strafbehörde daher mit Zurückweisungsbescheid vorzugehen.

Die Rechtzeitigkeit des am 23. Juni 1995 per Telefax bei der belangten Strafbehörde eingebrachten Einspruches gegen die Strafverfügung vom 23. Mai 1995 ist als Vorfrage im gegenständlichen Berufungsverfahren zu prüfen. Die Einspruchsfrist beginnt mit der erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der Strafverfügung zu laufen.

Nach § 32 Abs 2 AVG (iVm § 24 VStG) enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen können gemäß § 33 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG weder verkürzt noch verlängert werden.

4.2. Im gegenständlichen Fall war davon auszugehen, daß der Bw die hinterlegte Strafverfügung der belangten Behörde am 14. Juni 1995 beim Postamt 4010 Linz abgeholt hat. Die Hinterlegung bei diesem Postamt erfolgte nach zwei erfolglosen Zustellversuchen bereits am Donnerstag, dem 1. Juni 1995. An diesem Tag wurde die Sendung auch erstmals zur Abholung bereitgehalten. Gemäß § 17 Abs 3 Satz 3 Zustellgesetz gelten hinterlegte Sendungen mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Sie gelten nach Satz 4 nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Mit Rücksicht darauf, daß die Sendung ab 1. Juni 1995 zur Abholung bereitgehalten worden ist, galt die Sendung mit diesem Datum als zugestellt. Der nach der Aktenlage nicht ortsabwesende Bw hätte die Sendung schon lange vor dem 14. Juni 1995 abholen können.

Die Einspruchsfrist endete am Freitag, dem 16. Juni 1995, weil der 15. Juni 1995 ein Feiertag war und nach § 33 Abs 2 AVG in diesem Fall der nächste Werktag letzter Tag der Frist ist. Da gemäß § 33 Abs 3 AVG die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden, hätte die Berufung spätestens am 16. Juni 1995 zur Post gegeben werden müssen. Mit Ablauf dieses Tages war das Rechtsmittel als verfristet anzusehen. Der erst am 23. Juni 1995 eingebrachte Telefaxeinspruch wäre daher von der belangten Strafbehörde ohne weiteres Verfahren als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Wegen der nach Ablauf der Einspruchsfrist eingetretenen Rechtskraft der Strafverfügung der belangten Behörde hätte infolge der Sperrwirkung weder ein ordentliches Verfahren eingeleitet noch ein Straferkenntnis erlassen werden dürfen. Der O.ö. Verwaltungssenat hatte daher das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben, ohne daß auf das Vorbringen des Bw einzugehen gewesen wäre.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Dr. W e i ß

Beschlagwortung: Sperrwirkung; ne bis in idem

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