Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150249/9/Lg/Hu

Linz, 22.11.2004

 

 

 VwSen-150249/9/Lg/Hu Linz, am 22. November 2004

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 21. September 2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des D V, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. J W, L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 1. Juni 2004, Zl. VerkR96-8451-2003, wegen Übertretung des Bundesstraßenmautgesetzes (BStMG), zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

Rechtsgrundlage:

Zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 VStG.

Zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

  1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 400 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen verhängt, weil er am 1.9.2003 um 17.00 Uhr als Kraftfahrzeuglenker mit einem näher bezeichneten Kfz in Laakirchen auf der Westautobahn A1 auf der Höhe des Strkm 212,210 (Parkplatz der Autobahnraststation Lindach-Nord), eine Mautstrecke benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Am Fahrzeug sei eine Mautvignette angebracht gewesen, welche abgelaufen gewesen sei. Der Berufungswerber habe dadurch den § 20 Abs.1 iVm § 10 Abs.1 und § 11 Abs.1 BStMG verstoßen und sei gemäß § 20 Abs.1 leg.cit. in der genannten Höhe zu bestrafen gewesen.
  2.  

    In der Begründung verweist das angefochtene Straferkenntnis auf die Anzeige. Bezug genommen wird ferner auf den Einspruch gegen die Strafverfügung, eine Stellungnahme des Meldungslegers, eine weitere Stellungnahme des Berufungswerbers, eine Aussage der Gattin des Berufungswerbers und eine niederschriftliche Einvernahme des Meldungslegers vor der BH.

     

    Beweiswürdigend ist festgehalten, dass die vom Berufungswerber vorgelegten Lichtbilder keinen Beweis dafür erbrächten, dass zum Zeitpunkt der Beanstandung die gültige Mautvignette bereits am Fahrzeug angebracht gewesen sei. Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme hätte die Gattin des Berufungswerbers - auch im Namen ihres Sohnes - die Aussage verweigert und lediglich angegeben, dass sich eine gültige Vignette am Fahrzeug befunden habe. Dem gegenüber habe der Meldungsleger glaubhaft darlegen können, dass zum Zeitpunkt der Beanstandung am Fahrzeug keine gültige Mautvignette angebracht gewesen sei.

     

  3. In der Berufung wird ausgeführt, der Betroffene halte daran fest, dass er eine Vignette angebracht habe.
  4.  

  5. Aus dem Akt ist ersichtlich:
  6.  

    Laut Anzeige vom 4.9.2003 sei am Fahrzeug lediglich eine abgelaufene Mautvignette angebracht gewesen.

     

    Nach Strafverfügung rechtfertigte sich der Berufungswerber dahingehend, dass aus vorgelegten Fotos die Anbringung einer gültigen Mautvignette ersichtlich sei. Dies sei auch am 1.9.2003 (dem Betretungstag) der Fall gewesen. Dafür stehe die Ehefrau des Beschuldigten als Zeugin zur Verfügung.

     

    Mit Schreiben vom 24.10.2003 gab der Meldungsleger bekannt, dass zum Tatzeitpunkt mit Sicherheit keine gültige Vignette am Fahrzeug angebracht gewesen sei. Das Aufkleben der gültigen Vignette sei offensichtlich erst nach der Kenntnisnahme des sogenannten Verständigungszettels, möglicherweise erst nach der Strafverfügung, erfolgt.

     

    Mit Schreiben vom 18.11.2003 benannte der Berufungswerber seine Ehefrau und seinen Sohn als Zeugen.

     

    Die am 11.2.2004 im Rechtshilfeweg einvernommene Ehefrau des Berufungswerbers gab bekannt, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Sie mache keine Aussage in dieser Sache. Der Sohn werde ebenfalls keine Angaben machen. Sie könne nur sagen, dass eine gültige Vignette am Auto gewesen sei.

     

    Am 15.3.2004 sagte der Meldungsleger vor der BH Vöcklabruck zeugenschaftlich einvernommen aus, die (auf den Fotos) an der Fahrerseite sichtbare Vignette sei zum Tatzeitpunkt dort nicht angebracht gewesen. Die Vignette auf der Beifahrerseite sei bereits abgelaufen gewesen.

     

  7. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung bestätigte der Meldungsleger seine frühere Aussage. Die vorgelegten Fotos entsprächen nicht der Situation zum Zeitpunkt der Kontrolle. Der Zeuge habe am Kfz einen "Verständigungszettel" hinterlassen. Dazu legte der Zeuge ein Muster des "Verständigungszettels" vor. Es handelt sich dabei um einen (offensichtlich in erster Linie für StVO-Delikte konzipierten) Vordruck, welcher von Organen der Gendarmerie auch für Übertretungen des BStMG verwendet wird. Auf diesem Vordruck heißt es: "Sehr geehrte(r) Fahrzeuglenker(in)! Ihr Fahrzeug mit dem behördl. Kennzeichen ... wurde heute um ... Uhr in ... angetroffen". Nach Aussage des Zeugen wird bei Übertretungen des BStMG eine leerstehende Rubrik mit der Information ausgefüllt, dass das Kfz ohne gültige Mautvignette angetroffen wurde. Weiters findet sich auf dem "Verständigungszettel" der Satz: "Um Ihnen weitere Mühe zu ersparen, können Sie bis ... in der oben bezeichneten Dienststelle gegebenenfalls den Sachverhalt aufklären oder unter Voraussetzung des § 50 VStG eine Organmandatsstrafe bezahlen. Sonst müsste Anzeige erstattet werden.". Nach Aussage des Zeugen werde dieser Hinweis bei Übertretungen des BStMG verwendet. Der Zeuge erklärt dazu, dass dem Betreffenden dann, wenn er sich meldet, die Bezahlung der Ersatzmaut angeboten wird.
  8.  

  9. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 10 Abs.1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs.1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Gemäß § 20 Abs.1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 400 Euro bis 4.000 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 20 Abs. 3 BStMG wird eine Übertretung gemäß § 20 Abs.1 BStMG straflos, wenn der Mautschuldner fristgerecht die in der Mautordnung festgesetzte Ersatzmaut bezahlt.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 300 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs.1). Kann wegen einer von einem Organ der öffentlichen Aufsicht dienstlich wahrgenommenen Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.1 keine bestimmte Person beanstandet werden, so ist nach Möglichkeit am Fahrzeug eine schriftliche Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut zu hinterlassen. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen zwei Wochen ab Hinterlassung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält.

 

5.2. Zum Sachverhalt ist gegenständlich festzuhalten, dass der Unabhängige Verwaltungssenat der zeugenschaftlichen Aussage des Meldungslegers Glauben schenkt. Erwiesen ist ferner, dass der Zeuge den in Rede stehenden "Verständigungszettel" am Kfz befestigt hatte. Nicht erwiesen ist jedoch, dass dem Bw die Bezahlung der Ersatzmaut angeboten wurde. Der bloße Hinweis auf die Möglichkeit, sich bei der Dienststelle zu melden, um den Sachverhalt aufzuklären, kann das Angebot der Ersatzmaut nicht ersetzen.

 

Es stellt sich in rechtlicher Hinsicht die Frage, ob das Angebot der Ersatzmaut eine Voraussetzung für die Strafbarkeit nach dem BStMG darstellt.

 

Bei Verstößen gegen das BStFG sah dieses in § 13 Abs.3 leg.cit. einen Strafaufhebungsgrund (bei Bezahlung der Ersatzmaut "wenngleich auf Aufforderung") vor. Dazu sprach der Verwaltungsgerichtshof (vgl. das Erkenntnis vom 9.9.1999, Zl. 98/06/0105) aus, dass die Tat auch dann nicht straflos wird, wenn "die Aufforderung aus welchen Gründen immer unterblieben" ist. "Nach der klaren Anordnung des Gesetzes ist ... die erfolglose Aufforderung nicht Voraussetzung der Strafbarkeit; die Tat wird vielmehr auch dann nicht straflos, wenn die zuvor genannten Beträge nicht entrichtet werden, mag auch die Aufforderung aus welchen Gründen immer unterblieben sein" (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 18.12.1997, Zl.97/06/0242).

 

Dem gegenüber wurden die Bestimmungen des BStMG (anzuwenden ab 1.1.2003) über die Vorgangsweise der Organe wesentlich detailgenauer; dies trifft insbesondere auch auf die einschlägigen Passagen der als Verordnung einzustufenden Mautordnung zu. Insbesondere aber scheint nunmehr ausdrücklich eine Pflicht der Organe zu bestehen, auf bestimmte Art und Weise die Möglichkeit zur Bezahlung der Ersatzmaut einzuräumen.

 

Wessely, ZVR 07/08, 2004, Seite 229 ff, vertritt dazu die Auffassung, dass ein Rechtsanspruch auf die Aufforderung zur Leistung der Ersatzmaut besteht und verwaltungsstrafrechtliche Ahndung der Mautprellerei ohne vorhergehende Aufforderung nicht in Betracht kommt (Aufforderung als Voraussetzung der Strafbarkeit; vgl. Seite 232).

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Langeder

 

 

 

Beschlagwortung:

Angebot der Ersatzmaut, Strafbarkeitsvoraussetzung

 

 

 

 
 

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