Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160908/8/Br/Sta

Linz, 05.12.2005

 

VwSen-160908/8/Br/Sta Linz, am 5. Dezember 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau V T, U M, R, vertreten durch Dr. K W, Rechtsanwalt, U S, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 3. Oktober 2005, Zl. VerkR96-5776-2003, nach der am 5. Dezember 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1,
§ 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002 - VStG;

 

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Wider die Berufungswerberin wurde mit dem o.a. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung wegen der Übertretungen nach § 4 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO und § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3b StVO Geldstrafen von 1.) 120 Euro und 2.) 100 Euro und im Nichteinbringungsfall 1.) drei Tage und 2.) 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt, wobei ihr zur Last gelegt wurde, sie habe am 2.7.2003 gegen 09.00 Uhr den Pkw O Z mit dem Kennzeichen in P auf der bei Strkm. 21,775 (Abfahrt P) gelenkt und sei dort an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen, wobei sie es unterlassen habe

  1. ihr Fahrzeug sofort anzuhalten und
  2. von diesem Verkehrsunfall die nächste Polizei- oder [damals noch] Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:

" Laut Anzeige der PI Gmunden lenkten Sie am 02.07.2003 um 9.00 Uhr den PKw, O Z, Kennzeichen in P auf der (richtig) in Fahrtrichtung G. Bei Straßenkilometer 21,775 wichen Sie aufgrund eines Linksabbiegers aus und streiften dabei den PKW des Linksabbiegers. Bei dieser Streifung entstand beim PKW des Linksabbiegers Sachschaden. Sie haben es nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden als Lenkerin eines PKW's unterlassen, das von Ihnen gelenkte Fahrzeug sofort anzuhalten und es weiters unterlassen, die nächste Polizeiinspektion vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl es auch mit der Geschädigten zu keiner gegenseitigen Namens- und Anschriftsnachweisung gekommen war.

Sie bestreiten die Ihnen angelastete Übertretung und führen aus, dass an Ihrem Fahrzeug kein Schaden ersichtlich ist. Sowohl die Geschädigte als auch die Ihr Fahrzeug begutachteten Beamten wurden zeugenschaftlich einvernommen. Des Weiteren wurden von Ihrem Fahrzeug Bilder angefertigt und wurden Sachverständigengutachten dahingehend eingeholt, ob Sie den Schaden tatsächlich verursachen konnten, und falls ja, ob der Schadenseintritt für Sie bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmbar war.

 

Der technische Amtsachverständige führt in seinem Gutachten vom 28.01.2005 aus, dass die Stellprobe sowie die beigefügten Fotos zeigen, dass die Kontaktierung, wie sie im Akt beschrieben ist, möglich gewesen ist. Ein Verkehrsunfall, wie er im gegenständlichen Fall vorliegt, kann grundsätzlich in Form der akustischen und visuellen Wahrnehmungsmöglichkeiten sowie als Reaktion eines Stoßes bemerkt werden. Grundsätzlich wird festgestellt, dass der angeführte Verkehrsunfall eigentlich nur in visueller Form von Ihnen festgestellt werden konnte. In akustischer Form sowie als Reaktion eines Stoßes konnte die Kollision nicht mit Sicherheit wahrgenommen werden, da die Kollision von geringer Heftigkeit war und die Kollision im Zuge des Anhalte- bzw. Ausweichmanövers erfolgt sein dürfte. Zur visuellen Wahrnehmungsmöglichkeit wird ausgeführt, dass die enge Verkehrssituation beim Annähern an die anhaltenden bzw. nach links abbiegenden Fahrzeuge für Sie ersichtlich gewesen ist. Im Zuge des Ausweichmanövers hätten Sie mit erhöhter Aufmerksamkeit auf allfällige Fahrzeuge achten müssen. Dadurch konnten Sie auch erkennen, dass sich der Abstand zum gegnerischen Fahrzeug stark verminderte. Sie konnten so eine Kontaktierung nicht ausschließen. Weiters hätten Sie durch einen Blick in den linken Außenspiegel eine Überdeckung bzw. eine Berührung der beiden Fahrzeuge erkennen können. Folglich hätten Sie sich im Zweifelsfall vergewissern müssen, ob es zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen ist. Jedenfalls wurde von Ihnen der nötige seitliche Abstand nicht eingehalten.

 

Da dieses Gutachten in Zweifel gezogen wurde, wurde seitens der hiesigen Behörde der technische Amtsachverständige ersucht, zu den Ausführungen des Beschuldigtenvertreters ausführlich Stellung zu nehmen.

 

Der Technische Amtsachverständige führt in seinem Ergänzungsgutachten vom 18.04.2005 aus:

 

"Zu den Ausführungen des Beschuldigtenvertreters wurde Folgendes bemerkt.

 

Die Strafbemessung erfolgte entsprechend den Bestimmungen des § 19 VStG 1991 unter Berücksichtigung Ihrer aktenkundigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse. Der Unrechtsgehalt der Übertretungen sowie das Ausmaß Ihres Verschuldens musste der Strafbemessung zu Grunde gelegt werden. Mildernde oder erschwerende Umstände traten im Verfahren nicht zu Tage. Ihr minimales Einkommen wurde weitestgehend berücksichtigt. Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet."

 

 

2. In der dagegen fristgerecht durch ihre ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung führt die Berufungswerberin aus:

"Gegen den Bescheid der BH Urfahr - Umgebung vom 3. 10. 2005, VerkR96-5776-2003, erhebe ich durch meinen bevollmächtigten Vertreter innerhalb offener Frist nachstehende

 

BERUFUNG

 

an die Berufungsbehörde.

 

Der gegenständliche Bescheid wird seinem gesamten Umfang nach angefochten.

 

Berufungsgründe:

 

a.) Mangelhaftigkeit

b.) Unrichtige rechtliche Beurteilung

 

Zum Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit:

 

Die Behörde stützt ihre Entscheidung ausschließlich auf das Gutachten samt Ergänzung des Amtssachverständigen.

 

In seinem Gutachten führte der Sachverständige aus, dass ein Kontakt des Fahrzeuges der Berufungswerberin mit dem der P L weder akustisch noch als Stoß wahrgenommen werden konnte. Stellproben ergaben, dass eine Kontaktierung möglich gewesen ist. Im Ergänzungsgutachten heißt es weiter, dass es möglich ist, dass keine wirklich merkbaren Spuren an der Stoßstange der Berufungswerberin hinterblieben sind. Zur visuellen Wahrnehmungsmöglichkeit wird ausgeführt, dass der Berufungswerberin "die engen Umstände bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen."

 

Die Behörde geht davon aus, dass die Berufungswerberin eine Kontaktierung nicht ausschließen konnte und sich hätte vergewissern müssen, ob es zu einer Berührung mit Sachschaden gekommen ist.

 

Der Gutachter hat aber keineswegs mit einer Sicherheit, wie sie für die Fällung einer Entscheidung durch die Behörde notwendig gewesen wäre, einen Kontakt der beiden Fahrzeuge festgestellt. Die bloße Möglichkeit des Kontaktes ist keine ausreichende Grundlage, um gegen die Berufungswerberin ein Straferkenntnis zu erlassen. Die Behörde hat es unterlassen, weitere Erhebungen zur Klärung des Sachverhaltes durchzuführen. Jedenfalls ist es nicht nachvollziehbar, warum für die Berufungswerberin die visuelle Wahrnehmungsmöglichkeit der Kollision als gegeben angesehen wird, wo sie doch eine solche weder akustisch noch durch einen Stoß wahrnehmen konnte. Bei Nichtvorliegen dieser beiden Wahrnehmungsmöglichkeiten besteht keine Veranlassung, eine Kollision anzunehmen und daher auch keine Veranlassung, das Fahrzeug anzuhalten, eine Polizeiinspektion zu verständigen oder sich gegenseitig Namen und Adressen nachzuweisen.

 

Das Verfahren hat daher bei weitem nicht genügend und vor allem keine konkreten Anhaltspunkte für die Verhängung eines Straferkenntnisses über die Berufungswerberin ergeben. Die Behörde hätte genauere Erhebungen durchführen müssen oder angesichts des Ergebnisses der bisherigen Erhebungen von einer Bestrafung der Berufungswerberin Abstand nehmen müssen.

 

Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

 

Die Normen der §§ 99 Abs.2 lit a und Abs.3 lit.b StVO bestrafen den Lenker eines Fahrzeuges mit Geldstrafe, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht und er insbesondere nicht anhält oder nicht die nächste Polizeidienststelle verständigt bzw. einen bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet.

 

Die Berufungswerberin hatte keine Veranlassung, ihr Fahrzeug anzuhalten und die nächste Polizeidienststelle zu verständigen, da sie überhaupt keinen Unfall wahrgenommen hat. Weder konnte noch hat sie eine Kollision mit dem Linksabbieger vor ihr auf akustische Art und Weise oder durch einen Stoß wahrnehmen bzw. wahrgenommen. Dass sie einen Kontakt visuell hätte wahrnehmen können, obwohl sie nichts gehört und auch keinen Stoß verspürt hat, widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und ist der Berufungswerberin daher diesbezüglich kein verwaltungsstrafrechtlicher Vorwurf zu machen. Da für die Berufungswerberin also keinerlei Möglichkeiten gegeben waren, um einen Unfall überhaupt wahrzunehmen, hat sie keinen Verstoß gegen § 99 Abs. 2 lit a StVO zu verantworten.

 

Darüber hinaus bleibt dazu am Rande auszuführen, dass auch P L, deren PKW von dem PKW der Berufungswerberin gestreift worden sein soll, auch nicht sofort angehalten hat, sondern erst am nächsten Parkplatz stehen blieb. Auch hat sie den gegenständlichen Vorfall nicht umgehend, sondern erst Stunden später bei der Polizei angezeigt.

 

Hätte sie sofort angehalten, so wäre die Berufungswerberin dadurch gegebenenfalls ebenfalls zum Stehenbleiben veranlasst worden, obwohl dafür natürlich keinerlei Verpflichtung bestanden hätte.

 

Insbesondere konnten, wie die Herren RevInsp. S und E bei ihrer Vernehmung am 9. 3. 2004 übereinstimmend angaben, am Fahrzeug der Berufungswerberin keinerlei Spuren eines Unfalles festgestellt werden; dies trotz einer eingehenden Untersuchung des PKWs der Berufungswerberin durch die beiden Beamten.

 

Auch der Gutachter geht davon aus, dass ein Kontakt keine Spuren am PKW der Berufungswerberin hinterlassen musste. Dies hat die Berufungswerberin selbst auch bei ihrer Vernehmung vor dem Gendarmerieposten Hellmonsödt am 12. 7. 2003 angegeben.

 

Insofern entbehrt der Vorwurf des § 99 Abs.3 lit. b StVO gegen die Berufungswerberin jeglicher Grundlage.

 

Aufgrund obiger Ausführungen stellt die Berufungswerberin den

 

ANTRAG:

 

1.) Die Berufungsbehörde möge das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr - Umgebung vom 3. 10. 2005, zu GZ VerkR96-5776-2003, ersatzlos beheben.

 

In eventu

 

2.) die verhängte Geldstrafe herabsetzen.

 

Schärding, 25.10.2005 V T"

 

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung war gemäß § 51e Abs.1 VStG durchzuführen.

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der Berufungsverhandlung. Als Zeugin einvernommen wurde Frau P L. Der Amtssachverständige Ing. J. L erörterte und ergänzte das von ihm erstattete Gutachten. Die persönlich zur Berufungsverhandlung geladene Berufungswerberin wurde als Beschuldigte gehört.

Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht teil.

 

 

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

 

4.1. Die Berufungswerberin war mit dem o.a. Pkw auf der von V kommend in Richtung G unterwegs. An der Kreuzung bei Stkm 21.775 erkannte sie etwas verspätet zwei verkehrsbedingt anhaltende Fahrzeuge. Sie konnte ihr Fahrzeug gerade noch knapp am Vorderfahrzeug zum Stillstand bringen. Konkret kam sie rechts versetzt mit ihrer linken Stoßstange zum linken Fahrzeugheck des Vorderfahrzeuges zum Stillstand.

Weder von der Berufungswerberin noch von der Lenkerin des Vorderfahrzeuges wurde dabei ein Kontaktgeräusch wahrgenommen. Die Lenkerin des Vorderfahrzeuges, die Zeugin L, glaubte jedoch einen leichten Ruck verspürt zu haben.

Sie setzte in der Folge aber selbst die Fahrt in Richtung G fort, ohne mit der in gleicher Richtung fahrenden Berufungswerberin Kontakt aufzunehmen. Erst auf einem Kaufhausparkplatz in G stellte sie am rechten hinteren Kotflügel einige geringfügige Kratzspuren fest. Diese vermeint sie dem vorherigen Ereignis zuordnen zu können.

Die Berufungswerberin wurde etwa drei Wochen nach diesem Vorfall von ihrem Heimatgendarmerieposten verständigt, wobei seitens der Gendarmeriebeamten an ihrer Stoßstange keinerlei Hinweise auf den angeblichen Fahrzeugkontakt gefunden werden konnten.

Der Vorfall ereignete sich bereits am 2.7.2003 um 09:00 Uhr auf der, bei Strkm 21.775. Die Anzeige wurde erst am 4.9.2003 vom Gendarmerieposten Gmunden erstellt. Die behauptete Schadensverursachung wird im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens dadurch unterstrichen, dass L am 12.11.2003 im Rechtshilfeweg vor der Stadtpolizei Vöcklabruck zeugenschaftlich befragt angab, bei der Vorbeifahrt einen "Ruck" verspürt zu haben. Der Schaden sei vorher noch nicht vorhanden gewesen.

 

 

4.1.1. Unstrittig kann hier nur das knappe Heranfahren an das Fahrzeug von L als erwiesen gelten.

Durch den Sachverständigen wurde laut Gutachten vom 28.1.2005 eine Stellprobe mit typengleichen Fahrzeugen vorgenommen. Diese führte wohl zum Ergebnis einer möglichen Schadensverursachung angesichts der korrespondierenden Höhen der Bezug habenden Berührungspunkte. Der Sachverständige räumte jedoch ein, dass eine Wahrnehmbarkeit des Kontaktes in Form einer Stoßreaktion nicht mit Sicherheit schlussgefolgert werden könne. Andererseits wird vom Sachverständigen im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens die Meinung vertreten, dass auf Grund der Knappheit des Heranfahrens an das Fahrzeug von Frau L mit einem Kontakt bei entsprechender Aufmerksamkeit gerechnet werden hätte müssen. Ebenfalls wäre dies laut Sachverständigen durch einen Blick in den linken Rückspiegel in Form einer dadurch feststellbaren Überdeckung der Fahrzeuge erkennbar gewesen.

Diese Schlussfolgerung revidierte der Sachverständige schließlich im Lichte des Ergebnisses der Berufungsverhandlung auf Grund der seitlich versetzten Anhalteposition zum Fahrzeug der Berufungswerberin.

Letztere beteuerte abermals glaubhaft von einem Kontakt damals nichts bemerkt zu haben. Selbst die Zeugin L erklärte sich an der Unfallstelle über den vermeintlichen Fahrzeugkontakt nicht sicher gewesen zu sein. Aus diesem Grund habe sie mit der Berufungswerberin keinen Kontakt aufgenommen sondern habe selbst ihre Fahrt bis nach Gmunden fortgesetzt, ehe sie den vermeintlich bei diesem Ereignis entstandenen Schaden feststellte.

Schon in der Ergänzung dieses Gutachtens am 18.4.2005 schränkte der SV weiter ein und vermeinte, dass der mögliche Kontakt von der Berufungswerberin auch nicht zwingend als akustische oder Stoßreaktion wahrgenommen werden konnte. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde folglich seitens des Sachverständigen auch noch die visuelle Wahrnehmbarkeit über den linken Außenspiegel verneint.

Auf Grund der nunmehrigen Beweislage war der Berufungswerberin in ihrer Verantwortung zu folgen und davon auszugehen, dass - falls der Fahrzeugkontakt tatsächlich stattgefunden haben sollte - dieser von ihr zumindest nicht bemerkt werden musste.

Die Verantwortung der Berufungswerberin findet letztlich sowohl in den Ausführungen der Zeugin L als auch Jenen des Sachverständigen Deckung.

Als gesichert kann daher gelten, dass sich für Berufungswerberin weder ein Ruck noch ein akustischer Hinweis auf den - was hier dahingestellt bleiben muss - als möglich erscheinenden Fahrzeugkontakt ergeben hat.

Da sich in der Realität immer wieder Situationen ergeben die auch im fließenden Verkehr ein knappes Vorbeifahren erzwingen, kann hier angesichts der spezifischen Umstände in der Weiterfahrt auch der Berufungswerberin und folglich der ebenfalls unterbliebenen Meldung, jedenfalls kein schuldhaftes Verhalten seitens der Berufungswerberin erblickt werden. Wenn die Behörde erster Instanz vermeinte die Berufungswerberin hätte sich vom "möglichen" Schaden überzeugen müssen, übersah sie offenbar, dass dies angesichts der Weiterfahrt der Zweitbeteiligten schlechthin unmöglich gewesen wäre.

Anders wäre die Situation etwa im Fall des Ausparkens zu beurteilen gewesen. Hier wäre wohl bei einer so knappen Situation im Zweifel Nachschau zu halten gewesen, ob allenfalls eine Streifung stattfand. Diese Möglichkeit blieb hier der Berufungswerberin im fließenden Verkehr durch das Unterbleiben jeglicher - im Fall eines Streifkontaktes wohl zu erwartenden - Reaktion der Zweitbeteiligten (etwa durch Betätigung der Hupe), insbesondere deren Weiterfahrt als vorderes Fahrzeug verschlossen. Dies grundsätzlich auch mit Blick auf eine empirische und der Lebensnähe folgenden Beurteilung.

Da hier nicht einmal gesichert gelten kann, ob die festgestellten Kratzer überhaupt von der Berufungswerberin verursacht wurden, verhielt diese sich in der konkreten Situation bei realistischer Betrachtung nicht anders, als sich wohl auch jede andere Person in ihrer Lage verhalten hätte. Der Hinweis des SV auf eine Erkennbarkeit über den Rückspiegel, worauf seitens der Behörde erster Instanz der Schuldspruch gestützt wurde, ist letztlich vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vom Sachverständigen selbst zurückgenommen worden.

Der Berufungswerberin war daher in ihrer Verantwortung im vollem Umfang zu folgen gewesen.

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Nach § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen,

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalls Schäden für Personen oder

Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben die im Abs.1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf (nur) unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Die Berufungswerberin unterließ hier wohl die bei einem Verkehrsunfall gebotene Verhaltensregel.

Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes iSd § 4 Abs.1 lit.a StVO ist der tatsächliche Eintritt eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden sowie die Kenntnis des Täters hievon. Hinsichtlich des letzteren Umstandes genügt es, wenn ihm objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte. Es würde wohl alleine die Schuldform der Fahrlässigkeit reichen (VwGH 11.9.1979, ZfVB 1980/4/1233).

Die Pflicht an der Unfallstelle auch anzuhalten dient der nachfolgenden Feststellung von Sachverhaltselementen gemeinsam mit dem Zweitbeteiligten, insbesondere zur Sicherung von Spuren oder sonstiger konkreter Beweismittel die für die 'Aufklärung des Unfallgeschehens' erforderlich sind (vgl. auch VwGH 27.10.1977, 2002/76, VwGH 13.3.1981, 02/2245/80 sowie VwGH 20.2.1991, 90/02/0152 mit Hinweis auf VwGH 15.5.1990, 89/02/0048 und 89/02/0164).

Wenn nun - wie oben festgestellt - die Zweitbeteiligte (Geschädigte) nicht einmal selbst an der Unfallstelle anhielt und der angeblich stattgefundene Kontakt weder unmittelbar optisch noch akustisch, sowie auch nicht als Stoßreaktion wahrgenommen werden konnte und darüber hinaus auch sonst keine von außen kommenden Signale der Berufungswerberin zugänglich wurden die auf einen Unfall schließen lassen hätten können, vermag ein solches Beweisergebnis auch einen Schuldvorwurf der bloß fahrlässigen Begehungsweise nicht tragen.

Den § 4 StVO so auszulegen, dass in solchen Fällen quasi vorsichtshalber immer anzuhalten und nachfolgend eine Meldung zu erstatten wäre - selbst wenn die möglicher Weise Zweitbeteiligte sich schon vorher vom Unfallort entfernte und auch keine konkreten Anhaltspunkte auf einen Schaden vorhanden sind - würde jegliches Sorgfaltsgebot überspannen und wäre schlechthin realitätsfern. Letzteres mit Blick darauf, dass die Zweitbeteiligte sich selbst, ohne auf den vermeintlichen Vorfall aufmerksam zu machen, von der angeblichen Unfallsstelle durch den Verkehrsfluss bedingt entfernte und darüber hinaus offenkundig auch ihrerseits keine Meldung ohne unnötigen Aufschub erstattet hat.

 

 

5.2. Als rechtliche Konsequenz ergibt sich iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG daher, dass selbst schon bei bloßem Zweifel am Tatvorwurf von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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