Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160954/9/Zo/Da

Linz, 15.02.2006

 

 

 

VwSen-160954/9/Zo/Da Linz, am 15. Februar 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn P G, geb. , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H M, S, vom 4.11.2005 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 26.8.2005, VerkR96-3382-2005, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 6.2.2006 und sofortiger Verkündung der Entscheidung zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2.  

  3. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z2 VStG.

Zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Erstinstanz wirft dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vor, dass er am 12.1.2005 um 15.56 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen S- auf der A1 bei Strkm 206,195 gelenkt habe und dabei die in diesem Bereich erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 60 km/h überschritten habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Z10a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von 364 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 162 Stunden, Verfahrenskostenbeitrag 36,40 Euro) verhängt wurde.

Dieses Straferkenntnis begründet die Erstinstanz damit, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung auf Grund einer Radarmessung erwiesen ist und die geltend gemachte Ausnahme iSd § 26 StVO 1960 nicht vorgelegen sei, weil es sich um keine zulässige Einsatzfahrt gehandelt habe.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in welcher der Berufungswerber vorbringt, dass er zwar die ihm vorgeworfene Geschwindigkeit gefahren sei, er jedoch eine Einsatzfahrt mit Blaulicht und Folgetonhorn durchgeführt habe, weshalb er gemäß § 26 Abs.2 StVO 1960 an Verkehrsverbote bzw. Verkehrsbeschränkungen nicht gebunden gewesen sei.

 

Er sei ehrenamtlicher Mitarbeiter des Österreichischen Roten Kreuzes und habe den Auftrag erhalten, dass Einsatzteam in Phuket (Thailand) nach der Tsunamikatastrophe zu leiten. Der Abflug sei für 12.1.2005, 23.15 Uhr beim Flughafen Schwechat vorgesehen gewesen, die Einsatzbesprechung hätte um 19.00 Uhr in 1020 Wien, Nordportalstraße 248, durchgeführt werden sollen, weshalb er seine Abfahrt in Salzburg um 15.00 Uhr geplant hatte. Unmittelbar vorher habe er erfahren, dass die Einsatzbesprechung auf 18.00 Uhr vorverlegt wurde und in das Generalsekretariat des ÖRK in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 32, verlegt wurde. Er habe deshalb den Auftrag erhalten, unter Verwendung der Einsatzzeichen nach Wien zu fahren.

 

Der gegenständliche Hilfeseinsatz im Rahmen der Tsunamikatastrophe gehöre zu den Aufgaben des Roten Kreuzes und die Teilnahme an der Einsatzbesprechung sei für ihn unbedingt erforderlich gewesen. Er habe daher die Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der A1 nicht einhalten können.

 

Er habe Blaulicht und Folgetonhorn verwendet, weshalb sein Fahrzeug jedenfalls als Einsatzfahrzeug gegolten habe, selbst dann, wenn er diese Signale widerrechtlich verwendet hätte. Er sei daher nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkung gebunden gewesen. Er habe bei der gegenständlichen Fahrt weder Personen gefährdet noch Sachen beschädigt, weshalb er allen Pflichten als Lenker eines Einsatzfahrzeuges nachgekommen ist.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Gmunden hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt, Einholung einer Stellungnahme des Generalsekretariats des ÖRK sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 6.2.2006, bei welcher der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter sowie die Erstinstanz gehört wurden.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber lenkte zur Vorfallszeit ein mit Blaulicht und Folgetonhorn ausgestattetes Fahrzeug des Roten Kreuzes auf der A1 in Fahrtrichtung Wien. Er verwendete sowohl Blaulicht als auch Folgetonhorn und überschritt bei Strkm 206,195 im Bereich einer Autobahnbaustelle die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 60 km/h.

 

Der Berufungswerber befand sich auf der Fahrt zu einem Hilfseinsatz im Rahmen der Tsunamikatastrophe, wobei er als Einsatzleiter eines Kriseninterventionsteams des Roten Kreuzes eingeteilt war. Der Abflug war für 23.15 Uhr vorgesehen, der ursprüngliche Termin für die Einsatzbesprechung war 19.00 Uhr, dieser wurde jedoch auf 18.00 Uhr vorverlegt, wovon der Berufungswerber um ca. 14.00 Uhr telefonisch verständigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich zu Hause befunden. Er ist dann zur Einsatzzentrale des Roten Kreuzes Salzburg gefahren, um sich dort einen Dienstwagen zu besorgen. Von Salzburg ist er kurz vor 15.00 Uhr weggefahren. Ursprünglich war für den gegenständlichen Einsatz als Psychologe Dr. He vorgesehen gewesen, wobei dieser bereits in Thailand war und die örtlichen Verhältnisse gut kannte. Dieser ist jedoch ausgefallen und es wurde als Psychologe Dr. Ho eingeteilt, welcher noch keinerlei Erfahrung bei Auslandseinsätzen hatte. Der Berufungswerber entschloss sich daher, das Blaulicht zu verwenden, weil ihm klar war, dass er anders die Einsatzbesprechung nicht mehr rechtzeitig erreichen könne. Dies hat er auch der Leitstelle in Salzburg mitgeteilt, wobei von dieser der Blaulichteinsatz akzeptiert wurde. Auf Grund des Umstandes, dass der nunmehr eingeteilte Psychologe Dr. Ho keine Erfahrung mit Auslandseinsätzen hatte und auch die internen Abläufe des Roten Kreuzes nicht kennt, erschien dem Berufungswerber seine Teilnahme an der gesamten Einsatzbesprechung jedenfalls erforderlich.

 

Der Berufungswerber ist dann tatsächlich zwischen 17.30 Uhr und 17.45 Uhr in Wien eingelangt, wobei er glaubwürdig versicherte, dass er ab jenem Zeitpunkt, als ihm klar war, dass er den Termin einhalten könne, ohnedies die Einsatzzeichen nicht mehr verwendet hat.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 26 Abs.1 StVO 1960 dürfen die Lenker von Fahrzeugen, die nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften mit Leuchten mit blauem Licht oder blauem Drehlicht und mit Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinander folgenden verschieden hohen Tönen ausgestattet sind, diese Signale nur bei Gefahr im Verzuge, z.B. bei Fahrten zum und vom Ort der dringenden Hilfeleistung oder zum Ort des sonstigen dringenden Einsatzes verwenden.

 

Gemäß § 26 Abs.2 StVO 1960 ist der Lenker eines Einsatzfahrzeuges außer in den im Abs.3 angeführten Fällen bei seiner Fahrt an Verkehrsverbote oder an Verkehrsbeschränkungen nicht gebunden. Er darf jedoch hiebei nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

5.2. Es ist unstrittig, dass der Berufungswerber die gegenständliche Verwaltungsübertretung tatsächlich begangen hat. Zu prüfen ist, ob er auf Grund der Verwendung der Einsatzzeichen an die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung nicht gebunden war. Dazu ist vorerst festzuhalten, dass die Verwaltungsstrafbehörde verpflichtet ist, bei ihr angezeigte Verwaltungsübertretungen zu verfolgen. Sie ist daher auch verpflichtet, im Fall einer bei einer Einsatzfahrt begangenen Verkehrsübertretung zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Einsatzfahrt überhaupt vorgelegen sind. Dies ergibt sich schlüssig aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.3.2004, Zl. 2003/02/0214. In diesem Fall hat der VwGH die Bestrafung eines Lenkers eines Einsatzfahrzeuges wegen eines vorschriftswidrigen Überholmanövers bestätigt, weil im Ergebnis die Voraussetzungen für die Einsatzfahrt gar nicht vorgelegen sind (der VwGH spricht in diesem Fall von einem "potentiellen Einsatzfahrzeug"). Die Erstinstanz hat daher zu Recht geprüft, ob bei der gegenständlichen Fahrt die Voraussetzungen des § 26 Abs.1 StVO vorgelegen sind.

 

Der Erstinstanz ist auch darin zuzustimmen, dass ein verspätetes Erscheinen des Berufungswerbers bei der Einsatzbesprechung nicht unmittelbar zu einer Gefährdung von Menschenleben geführt hätte, weshalb - bei sehr strenger Auslegung - Gefahr im Verzug jedenfalls nicht direkt vorgelegen ist. Es darf aber auch nicht übersehen werden, dass die psychische Betreuung von Angehörigen und Helfern in einem derartigen Katastrophenfall ebenfalls eine wesentliche Hilfeleistung für die Betroffenen darstellt und zumindest präventiv mithilft, mögliche Kurzschlusshandlungen von psychisch extrem belasteten Betroffenen zu verhindern. Der Berufungswerber hat auch glaubhaft dargelegt, dass im konkreten Einzelfall seine persönliche Anwesenheit während der gesamten Einsatzbesprechung erforderlich war, weil eben das zweite Mitglied des Einsatzteams keinerlei Auslandserfahrung hatte.

 

Der Gesetzgeber hat zum Ausdruck gebracht, dass Einsatzfahrten auf ein Minimum begrenzt werden sollen, weshalb eine strenge Auslegung des § 26 Abs.1 StVO durchaus angebracht ist. Es erscheint daher - objektiv und im nachhinein besehen - zumindest zweifelhaft, ob es sich bei der gegenständlichen Fahrt um eine zulässige Einsatzfahrt iSd § 26 Abs.1 StVO 1960 gehandelt hat. Aber auch wenn man dies verneint, ist noch zu prüfen, ob den Berufungswerber ein allfälliges Verschulden daran trifft, dass er irrtümlich die Voraussetzungen einer Einsatzfahrt angenommen hat. Er hat die Vorverlegung der Einsatzbesprechung so kurzfristig erfahren, dass er diese nur noch unter Missachtung verkehrsrechtlicher Vorschriften erreichen konnte. Eine andere Möglichkeit, die Besprechung rechtzeitig zu erreichen, stand ihm zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung. Er hat seine beabsichtigte Einsatzfahrt auch seiner Zentrale mitgeteilt und diese hat ihm nicht widersprochen. Auf Grund der oben dargestellten Umstände ist es auch evident, dass er an der Einsatzbesprechung persönlich teilnehmen musste. Dem Berufungswerber ist insgesamt ein Irrtum über das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes des § 26 StVO 1960 zuzugestehen. Dieser Irrtum kann ihm nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des UVS nicht vorgeworfen werden, weil ihm in seiner damaligen Situation nicht zugemutet werden konnte, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Einsatzfahrt bis ins letzte Detail zu prüfen. Bei der Beurteilung dieses konkreten Falles darf man nicht vergessen, dass es sich beim Tsunamieinsatz um den größten Auslandseinsatz österreichischer Hilfsorganisationen handelte und ein enormer Koordinations- und Organisationsaufwand bewältigt werden musste. Dass dabei einzelne Beteiligte auch Entscheidungen getroffen haben, welche - im nachhinein betrachtet - nicht 100 %ig optimal waren, ist durchaus verständlich.

 

Unter Abwägung all dieser Umstände trifft den Berufungswerber jedenfalls kein Verschulden, weshalb im Ergebnis seiner Berufung stattzugeben war.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Z ö b l

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