Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220645/23/Kon/Fb

Linz, 20.05.1994

VwSen-220645/23/Kon/Fb Linz, am 20. Mai 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des E.K., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K.H., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft G. vom 5. Juli 1993, Ge96.., wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl.Nr. 234/1972 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 650/1989, im folgenden mit ASchG bezeichnet, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben, und das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, daß der Beschuldigte gemäß § 31 Abs.5 ASchG (erste Möglichkeit) zu bestrafen ist.

II. Der Berufungswerber hat 20 % der gegen ihn verhängten Strafe, ds 1.200 S, als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu zahlen.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 31 Abs.2 lit.p ASchG iVm §§ 24, 31 Abs.5, 33 Abs.1 lit.a Z12 und 33 Abs.7 leg.cit. und § 44 Abs.2 erster Satz der Verordnung BGBl.Nr. 267/1954 (BauarbeitenschutzVO); § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG und § 19 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

Im angefochtenen Straferkenntnis wird dem Beschuldigten zur Last gelegt, es als Inhaber des D.

betriebes in G., zu verantworten zu haben, daß am 27.11.1991 auf dem Dach des Wohnhauses M., Dachdeckerarbeiten von Arbeitnehmern seines Betriebes durchgeführt wurden, wobei die Traufenhöhe zwischen 5,2 und 7,4 m und die Dachneigung ca 42 Grad betrug, ohne daß Schutzblenden vorhanden waren, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und auf einer Traufenhöhe von mehr als 5 m über dem Gelände bei Neu- und Umdeckungen geeignete Schutzblenden (Scheuchen) vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Material und Geräten in sicherer Weise verhindern und dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt zu haben:

§ 31 Abs.2 lit.p ASchG iVm § 33 Abs.7 und § 33 Abs.1 lit.a Z12 leg.cit. und § 44 Abs.2 erster Satz BauarbeitenschutzVO, BGBl.Nr. 267/1954.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschuldigten gemäß § 31 Abs.2 lit.p ASchG eine Geldstrafe in der Höhe von 6.000 S, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sechs Tagen verhängt.

Ferner wurde der Bestrafte gemäß § 64 VStG verpflichtet, 600 S als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

Die Erstbehörde erachtet das Nichtvorhandensein von Schutzeinrichtungen wie von geeigneten Schutzblenden bzw das eines über die Traufe reichenden Schutzgerüstes aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates wie der Aussagen der Zeugen W.B.und R.K., wie weiters den in den Aktenvermerken vom 22.4.1992 bzw. vom 8.5.1992 festgehaltenen Angaben des Herrn Ing. W.D. und der Frau H. von der Firma P. in A., für erwiesen.

Aufzuzeigen ist, daß die Erstbehörde nicht von einer Bestellung des Wolfgang Buchenberger zum Bevollmächtigten iSd § 31 Abs.2 ASchG ausgegangen ist.

Die Festsetzung des Strafausmaßes erfolgte in Ansehung der Strafobergrenze von 50.000 S und der Einkommens-, Vermögensund Familienverhältnisse des Beschuldigten, welche sich wie folgt darstellen: 30.000 S Einkommen und der Sorgepflicht für zwei Kinder. Erschwerungs- oder Milderungsgründe wurden bei der Strafbemessung nicht in Rechnung gestellt.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte, vertreten wie eingangs angeführt, rechtzeitig Berufung erhoben und zu deren Begründung im wesentlichen vorgebracht wie folgt:

1) Es hätte in der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter vom 12. Mai 1992 der Anführung des § 24 ASchG bedurft, um die angelastete Tat ausreichend und konkret zu beschreiben. Da dies nicht der Fall sei, liege Vollstreckungsverjährung (richtig wohl: Verfolgungsverjährung) vor.

2) Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens werde weiter darin erblickt, daß keine genauen Beweisergebnisse dahingehend vorliegen, daß das Dach eine Traufenhöhe von mehr als 5 m über dem Gelände aufweise. Weiters lägen keine konkreten Beweisergebnisse dafür vor, daß es sich um eine Neu- oder Umdeckung oder umfangreiche Reparaturarbeiten iSd § 44 BauarbeitenschutzVO gehandelt habe. Ebenso fehlten ausreichende Beweisergebnisse für die Feststellung, daß das von Ing. D. bereitgestellte Gerüst nicht den Erfordernissen des § 43 Abs.4 BauarbeitenschutzVO entsprochen habe. Weiters sei unterlassen worden, in ausreichender Weise auf die Angaben des Ing. D. einzugehen, wonach dieser sich erinnern könne, daß auch seitens der Firma K. Einrichtungen angebracht waren, die den Absturz von Menschen und Materialien verhindern sollten. Es sei weiters ein Verfahrensmangel, daß eine formelle Einvernahme des Ing. W.D. als Zeuge unterblieben sei, da ja dessen Angabe immerhin den Schluß zulasse, daß sich der Zeuge K. schon damals nicht mehr ausreichend hätte erinnern können, wenn er angebe, daß das Gerüst am Vorfallstag nicht verändert worden sei.

Weiters sei unrichtig, daß W.B. nicht zum Bevollmächtigten bestellt worden sei. Die Erstbehörde schenke in ihrer diesbezüglichen Beweiswürdigung den Angaben des zunächst als Beschuldigten vernommenen B. mehr Glauben, als denen des Beschuldigten.

Weiters hätte die Erstbehörde insbesondere auch den Aussagen der Gattin des Beschuldigten, F.

K., wonach sehr wohl W.B. zum verantwortlichen Beauftragten für die gegenständliche Baustelle bestellt worden sei, einer Wertung unterziehen müssen. Zusammenfassend hätte daher die Erstbehörde aus den zweifelhaften Umständen heraus feststellen müssen, daß eine Bestellung des W.B. zum Bevollmächtigten vorgelegen sei und die gegenständliche Übertretung nicht mit Wissen des Beschuldigten begangen worden sei. Ebenso, daß es dieser nicht an der erforderlichen Sorgfalt bei der Beaufsichtigung seines Betriebes oder bei der Auswahl oder Beaufsichtigung des Bevollmächtigten habe fehlen lassen.

Die Erstbehörde hat von der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung gemäß § 51b VStG Abstand genommen und die gegenständliche Berufung sogleich unter Anschluß ihres Verfahrensaktes dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift zur vorliegenden Berufung wurde von der Erstbehörde dabei nicht erstattet.

Der unabhängige Verwaltungssenat hatte, da keine den Betrag von 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied über die gegenständliche Berufung zu entscheiden.

Aufgrund der Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt und aufgrund des Berufungsvorbringens hat der unabhängige Verwaltungssenat zwecks weiterer Beweisaufnahme eine öffentliche mündliche Verhandlung für Freitag, den 6.

Mai 1994 anberaumt und an diesem Tag durchgeführt. Zu dieser Verhandlung wurden neben den Parteien des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens auch Zeugen geladen und vernommen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung steht nachstehender Sachverhalt fest:

W.B. war am Vorfallstag, das ist der 27.11.1991, für die gegenständliche Baustelle M. als Bevollmächtigter iSd § 31 Abs.2 ASchG bestellt. Dies ergibt sich einerseits aus den Angaben des Beschuldigten selbst, der zeugenschaftlichen Aussage seiner Gattin F.

K. und insbesondere aus der glaubwürdigen Aussage des Zeugen R.K.. Letzterer gab an, daß W.

B. auf der Baustelle sein Vorgesetzter war und er seine Anordnungen zu befolgen hatte. Es sei ihm auch bewußt gewesen, daß Buchenberger befugt gewesen sei, Anordnungen in bezug auf Setzung von Maßnahmen betreffend den Arbeitnehmerschutz zu treffen und auch ermächtigt gewesen wäre, ihn, K., nötigenfalls von der Baustelle fortzuschicken, wenn er Anordnungen B. betreffend die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften, nicht befolgt hätte.

Die Stellung als Bevollmächtigter kommt letztlich auch aus den zeugenschaftlichen Angaben B. selbst zum Ausdruck, als dieser angibt, am Vorfallstag der Auffassung gewesen zu sein, daß Schutzblenden nicht erforderlich gewesen seien, weil die Traufenhöhe unter 6 m betragen habe.

Zweifelsfrei steht aufgrund der Angaben der Zeugen K.

und B. fest, daß Schutzblenden iSd § 44 Abs.2 BauarbeitenschutzVO nicht vorhanden gewesen sind.

Die Feststellung der Erstbehörde und die ihr zugrundeliegende Beweiswürdigung, daß abgesehen von den mangelnden Schutzblenden, auch kein für Dacharbeiten geeignetes Schutzgerüst vorhanden war, ist durch das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht widerlegt worden. So gab zwar der Zeuge K. über Befragen des Beschuldigtenvertreters an, nicht hundertprozentig im Sinne einer geringen Restwahrscheinlichkeit ausschließen zu können, daß das in Rede stehende Gerüst doch auch für Dacharbeiten geeignet gewesen sei, erklärte aber gleichzeitig, sich nicht erinnern zu können, daß das Gerüst über die Traufe gereicht habe. Sofern der Zeuge K.

Veränderungen an dem in Rede stehenden Gerüst verzeichnete, so betraf dies nur seitliche Verschiebungen. An Verschiebungen des Gerüstes von der Gebäudefront weg kann sich der genannte Zeuge nicht mehr erinnern. Unabhängig davon war auch nach der Beschaffenheit des Gerüstes, wie sie sich nach den im Akt erliegenen Fotos darstellt, nicht dafür geeignet auch für Dacharbeiten Schutz zu bieten, da es direkt unterhalb des Dachvorsprunges endete. Ebensowenig erscheint dieses Gerüst geeignet gewesen, daß darauf ein als Dachfanggerüst dienender Aufsatz hätte angebracht werden können.

Jedenfalls hätte das Aufbringen eines solchen Aufsatzes eines relativ hohen Arbeitsaufwandes bedurft und hätte vor allem auch dessen Abbau nicht innerhalb der vergleichsweisen kurzen Zeitspanne zwischen dem Eintreffen des Beschuldigten auf der Baustelle und dem des Arbeitsinspektorates erfolgen können.

Der unabhängige Verwaltungssenat erachtet es daher als erwiesen, daß die Arbeitnehmer des Beschuldigten am Vor fallstag am Dach des Hauses M. ohne das Vorhandensein von Schutzblenden oder eines Dachfanggerüstes arbeiteten.

Gemäß § 31 Abs.5 ASchG sind Arbeitgeber neben ihren Bevollmächtigten strafbar, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde.

Der Beschuldigte hat am Vorfallstag die Baustelle zu Kontrollzwecken besichtigt. Dies gab er selbst an und wird auch durch die zeugenschaftlichen Aussagen der Arbeitnehmer K. und B. bestätigt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt befand sich der Beschuldigte im schulderschwerenden Wissen darüber, daß die Arbeiten am Dach des Hauses M. ohne geeignete Schutzvorrichtungen stattfanden, wodurch gegen die Bestimmungen des § 44 Abs.2 BauarbeitenschutzVO verstoßen wurde. Den Behauptungen des Beschuldigten, daß zum Zeitpunkt seines Kontrollbesuches ein Dachfanggerüst vorhanden gewesen wäre, kann aufgrund der obenstehenden Ausführungen kein Glauben geschenkt werden.

Der Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist daher sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht voll erfüllt.

Dem in der Berufung eingangs mit näherer Begründung erhobenen formellen Einwand des Eintritts der Verfolgungsverjährung ist entgegenzuhalten, daß die Nichtanführung des § 24 ASchG in der Aufforderung zur Rechtfertigung keinen Mangel an der Tatumschreibung darstellt und der Beschuldigte insbesondere hiedurch auch nicht in seinen Verteidigungsmöglichkeiten beeinträchtigt worden ist. Soferne im Nichtanführen des § 24 ASchG bloß eine unzureichende rechtliche Qualifizierung der gegenständlichen Tat zu erblicken ist, so ist eine diesbezügliche Ergänzung auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist möglich.

Am Vorliegen der tatbestandsmäßigen Traufenhöhe wie auch der Dachneigung bestehen aufgrund der diesbezüglich konkreten Angaben in der Anzeige des Arbeitsinspektorates, welche durch die im erstbehördlichen Akt erliegenden Gebäudefotos erhärtet werden, keine Zweifel.

Bei der Festsetzung des Strafausmaßes wurde den Bestimmungen des § 19 VStG voll entsprochen. Die verhängte Geldstrafe von 6.000 S erweist sich in Anbetracht der Strafobergrenze von 50.000 S einerseits und des Ausmaßes der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer, welche sich durch das Nichtvorhandensein von Schutzvorrichtungen ergab, als angemessen. Hiezu kommt, daß sich der Beschuldigte im Wissen darüber befand, daß keine Schutzvorrichtungen vorhanden waren. Eine Herabsetzung der im besonderen auch nicht bekämpften Strafe war sowohl aus general- wie auch aus spezialpräventiven Gründen nicht zu vertreten; in Anbetracht seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse, ist dem Beschuldigten die verhängte Strafe auch wirtschaftlich zumutbar.

Aus den dargelegten Gründen war daher der Berufung der Erfolg zu versagen und wie im Spruch zu entscheiden.

zu II.:

Der Kostenspruch ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K o n r a t h

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