Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221646/10/Gu/Pr

Linz, 12.11.1999

VwSen-221646/10/Gu/Pr Linz, am 12. November 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des J. M., vertreten durch Rechtsanwalt Mag. H. P., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 9.8.1999, Zl.101-6/3-330067258, wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes nach der am 28.10.1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung gegen den Schuldspruch wird keine Folge gegeben und dieser mit der Maßgabe bestätigt, dass anstelle des Begriffes "Straferkenntnis" der Begriff "Bescheid" zu treten hat und nach der Wortfolge des Spruches "....... mit dem Kennzeichen " einzufügen ist "....... mit einem Gesamtgewicht über 3,5 t".

Der Straf- und Kostenausspruch des angefochtenen Bescheides hat zu entfallen und es wird dem Rechtsmittelwerber in Anwendung des § 21 Abs.1 VStG wegen den begangenen Verwaltungsübertretungen jeweils eine Ermahnung erteilt.

Für das Berufungsverfahren sind keine Kostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 5, § 21 Abs.1, § 65 VStG; § 15a Abs.1 und 2 AZG iVm Kollektivvertrag, Art.8 Abs.1 und 6 VO EWG 3820/85 und § 28 Abs.1a Z5 AZG; § 16 Abs.1 bis 3 AZG iVm Kollektivvertrag und § 28 Abs.1a Z7 AZG

Entscheidungsgründe:

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fruchtimport GmbH (Komplementärin der J. M. GmbH & Co.) mit dem Sitz in L., es verantworten zu müssen, dass dieses Unternehmen als Arbeitergeberin den Arbeitnehmer W. P. entgegen den Bestimmungen arbeitszeitrechtlicher Vorschriften beschäftigt habe, in dem Letzterer beim Lenken des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen in der Zeit vom 16.6. auf den 17.6.1997 die tägliche Ruhezeit von mindestens neun zusammenhängenden Stunden nicht eingehalten habe und andererseits die Einsatzzeit vom 16.6. auf 17.6.1997 anstatt höchstens 15 Stunden tatsächlich 36 Stunden 30 Minuten gedauert habe.

Wegen Verletzung

  1. einerseits des § 15a Abs.1 und 2 AZG iVm Kollektivvertrag, Art.8 Abs.1 und 6 EWG VO 3820/85 und § 28 Abs.1a Z2 AZG und
  2. § 16 Abs.1 bis 3 AZG iVm Kollektivvertrag und § 28 Abs.1a Z7 AZG

wurden ihm deswegen Geldstrafen von zweimal 3.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit von zweimal drei Tagen und erstinstanzliche Verfahrenskostenbeiträge von 10 % der ausgesprochenen Strafbeträge auferlegt.

In seiner dagegen vom rechtsfreundlichen Vertreter eingebrachten Berufung macht der Rechtsmittelwerber geltend, dass er sich der stattgefundenen Übertretungen nicht schuldig fühle, weil diese durch die Eigenmacht des Lenkers zustande gekommen seien, indem dieser die Zugmaschine in Ungarn zwischenzeitlich für private Ausflüge benutzt habe, wogegen dem Lenker ausreichende Zeit zur Bewältigung des Fahrtauftrages gewährt worden sei und er das Fehlverhalten des Lenkers nicht habe voraussehen können. Im Übrigen habe er im Unternehmen ein dem Stand der Technik entsprechendes Kontroll- und Maßnahmensystem eingeführt. Die Fahrzeuge, so auch das spruchgegenständliche, seien mit einem Satellitenüberwachungssystem ausgerüstet, sodass der Geschäftsführer jederzeit feststellen könne, wo sich ein Fahrzeug befinde und ob es über eine längere Strecke in Bewegung sei.

Der eigenmächtige Lenker sei nach dem Vorfall abgemahnt worden, eine Entlassung hätte aufgrund der arbeitsrechtlichen Bestimmungen erst nach mehrmaliger Abmahnung ausgesprochen werden dürfen.

Mangels Zurechenbarkeit der Tat und in Folge ausreichender Vorsorge zur Hintanhaltung der Übertretung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften beantragt der Rechtsmittelwerber die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

Aufgrund der Berufung wurde am 28.10.1999 die öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Rechtsmittelwerbers und seines Vertreters, sowie des Vertreters des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk durchgeführt, in deren Rahmen der Rechtsmittelwerber vernommen, in die Ablichtungen der maßgeblichen Tachografenscheiben Einsicht genommen und der seinerzeitige Betroffene, Walter Pichler, zeugenschaftlich vernommen; ferner wurden die Auszüge aus dem Firmenbuch ON 1 - 8 sowie ON 12 - 15 des Aktes, sowie die Niederschrift über die Kontrolle am 20.6.1997, der Arbeitsnachweis betreffend Pichler vom 9.6. bis 22.6.1997, sowie der Auszug über die Positionierung des Fahrzeuges M2 (ON 39ff des Aktes) und die Fahreranweisung ON 52 des Aktes erörtert.

Aufgrund des Beweisverfahrens steht fest, dass Pichler als Lenker des spruchgegenständlichen LKW, dessen Gesamtgewicht lt. Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15.6.1997 über 3,5 t betrug, den Auftrag hatte, Obst und Gemüse nach Ungarn zu transportieren, hiefür hinreichend Zeit hatte und hiebei einen einkalkulierbaren Streiktag der Zöllner (wobei der Streik allerdings entfiel) für private Zwecke und für private Ausflugsfahrten mit einer Mitfahrerin zu Unterhaltungszwecken nutzte. Da er die Fahrt mit dem Zugfahrzeug des LKW-Sattelzuges unternahm und hiebei die Tachografenscheiben einlegte, kam es im Ergebnis zu der spruchgegenständlichen Unterschreitung der Ruhezeit bzw. Überschreitung der Einsatzzeit. Das Ermittlungsverfahren hat daher die Verantwortung des Beschuldigten insoweit bestätigt.

Da die Fahrten mit dem Firmenfahrzeug unternommen wurden, war damit der Anwendungsbereich der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften verbunden.

Was die subjektive Tatseite anlangt, so wurde im Beweisverfahren die Installation des Satellitennavigationssystems - einer besonderen Informations- und Überwachungsmöglichkeit eines Peilgegenstandes, in diesem Fall des Fahrzeuges - bestätigt gefunden. Der Rechtsmittelwerber hat bei seiner Vernehmung dargetan, dass vom Lenker auch Arbeitsnachweise verlangt werden, welche einerseits als Plausibilitätskontrolle zum Satellitennavigationssystem und gleichzeitig auch für die Zahlung der Diäten zur Abrechnung dienen. Mit der Kontrolle und dem Nachvollzug sei die Buchhaltung beauftragt. Vom Rechtsmittelwerber selbst werden stichprobenartige Kontrollen der Arbeitsnachweise vorgenommen.

Unter dem Blickwinkel des § 5 Abs.1 VStG und der vom Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens entwickelten Kontrollnetzjudikatur, von der abzugehen der Oö. Verwaltungssenat keinen Anlass sieht, war im Ergebnis anzumerken, dass die Kontrollen auch unter Berücksichtigung des speziellen Falles letztlich nicht ausreichten, um den Mangel jeglicher Fahrlässigkeit zu dokumentieren, zumal die vom Navigationssystem angezeigten bzw. abrufbaren außergewöhnlichen Fahrbewegungen offensichtlich zu keiner Reaktion führten.

Gemäß § 15a Abs.1 und 2 AZG sowie Art.8 Abs.1 der Verordnung EWG 3820/85 iVm dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs ist innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens elf zusammenhängenden Stunden einzuhalten, die höchstens dreimal pro Woche auf nicht weniger als neun zusammenhängende Stunden verkürzt werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird.

Der Arbeitgeber ist gemäß § 28 Abs.1a Z2 AZG mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen, wenn er diese tägliche Ruhezeit nicht gewährt.

Ein gleicher Strafrahmen droht jenem Arbeitgeber gemäß § 28 Abs.1a Z7 AZG, wenn er den Lenker über die gemäß § 16 Abs.2 bis 4 zulässige Einsatzzeit hinaus einsetzt.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Bei der Würdigung des Sachverhaltes konnte auch der Unabhängige Verwaltungssenat zu keinem anderen Ergebnis als zu einem Schulspruch gelangen.

Wie bereits der Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk in der mündlichen Verhandlung ausführte, so verhielt sich der Lebenssachverhalt jedoch an dem, was der Gesetzgeber vor Augen hatte, völlig atypisch, was den Schutzgedanken gegenüber dem Dienstnehmer und die immerhin im hohen Maße getroffene Vorsorge zur Kontrolle auch der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften anlangt.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Bei dem verwirklichten Lebenssachverhalt handelt es sich somit um einen klassischen Fall, der vom Gesetzgeber angebotenen, nach der Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes mit Ansprüchigkeit versehenen Rechtsregel.

Aus diesem Grunde war der Straf- und Kostenausspruch zu beheben.

Nachdem der Rechtsmittelwerber weiterhin die zur Vertretung nach außen berufene Stellung im Unternehmen (der Arbeitgeberin) bekleidet und dieses Unternehmen eine nachhaltige Geschäftstätigkeit entfaltet, erschien der Ausspruch einer Ermahnung erforderlich, um der Einhaltung aller arbeitsrechtlichen Vorschriften Nachdruck zu verleihen.

Aufgrund des Entfalls des Strafausspruches war der Rechtsmittelwerber von der Leistung erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeiträge und weil er im Berufungsverfahren einen Teilerfolg hatte, im Grunde des § 65 VStG auch von der Pflicht befreit, Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens leisten zu müssen.

Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. G u s c h l b a u e r

Beschlagwortung: Lenker fährt in Ungarn spazieren, Anwendungsfall des § 21 VStG

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