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des Landes Oberösterreich
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VwSen-230599/2/Kei/Shn

Linz, 10.11.1998

VwSen-230599/2/Kei/Shn Linz, am 10. November 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Kenneth E, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 28. Juli 1997, Zl. III/KENNETH EJESIS-41820/96-4, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 45 Abs.1 und § 51 Abs.1 VStG.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die im Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG), lautet:

"Sie haben am 10.12.1996, 14.45 Uhr bis 15.05 Uhr in Linz, Haltestelle Hauptbahnhof, Straßenbahn Linie 3, die öffentliche Ordnung durch besonders rücksichtsloses Verhalten ungerechtfertigt gestört, indem sie anläßlich einer Fahrscheinkontrolle von ESG-Bediensteten sich äußerst renitent verhielten, laut zu schreien begannen und versuchten, die Kontrollorgane wegzudrängen, um aus der Straßenbahngarnitur flüchten zu können und dabei auch diese Organe an der Bekleidung rissen sowie beim Eintreffen der Sicherheitswachebeamten weiterhin laut schrien und mit den Händen um sich schlugen." Der Berufungswerber (Bw) habe dadurch eine Übertretung des "§ 81/1 SPG" begangen, weshalb er gemäß "§ 81/1 SPG" zu bestrafen gewesen sei - und zwar mit einer Geldstrafe von 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 5 Tage).

2. Gegen dieses dem Bw am 4. August 1997 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 14. August 1997 bei der belangten Behörde eingelangt ist und die fristgerecht erhoben wurde. Der Bw brachte in der Berufung im wesentlichen vor (auszugsweise wörtliche Wiedergabe): "Der Berufungswerber hat, wie bereits aktenkundig, mehrfach ausgeführt, daß die gegenständliche Angelegenheit einerseits auf Unkenntnis des Fahrscheinverkaufes in Linz beruht, andererseits auf Sprachschwierigkeiten. Diese Angaben des nigerianischen Staatsbürgers, der sich regulär in Österreich aufhält, sind durchaus glaubwürdig. Dafür spricht auch die äußerst geringe gerichtliche Strafe. Wenn auch ein Zeuge ausführt, daß der Berufungswerber laut war, so mag dies durchaus auf den verschiedenen Mentalitäten beruhen. In jedem Fall ist die Strafe im Verhältnis zum 'Vorfall' und im Verhältnis auch zum Einkommen des Berufungswerbers weitaus überhöht. Es wird daher der Berufungsantrag gestellt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, das Verfahren an die 1. Instanz rückzuverweisen oder in der Sache selbst zu entscheiden und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, eine Ermahnung auszusprechen oder zumindest die verhängte Strafe weitgehend herabzusetzen." 3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz vom 26. August 1997, Zl. S-41.820/96-4, Einsicht genommen und Auskünfte des Landesgerichtes Linz eingeholt. 4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. § 81 Abs.1 SPG lautet: Wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden. § 85 SPG lautet:

Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn eine Tat nach den §§ 81 bis 84 den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Der 1. Absatz des Artikel 4 des Protokolles Nr.7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten samt Erklärungen (= Art.4 Abs.1 des 7. ZP MRK) lautet: Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

4.2. Mit Protokolls- und Urteilsvermerk des Landesgerichtes Linz vom 20. März 1997, Zl. 21 EHv 120/96, der in Rechtskraft erwachsen ist, wurde der Bw wegen dem Vorfall am 10. Dezember 1996 von 1445 bis 1505 Uhr in Linz ua im Bereich der Haltestelle Hauptbahnhof der Straßenbahnlinie 3 wegen Verletzung der §§ 15 Abs.1, 269 Abs.1 erster Fall, 83 Abs.1 erster Fall und 84 Abs.2 Z4 StGB bestraft. Vor dem Hintergrund der Bestimmungen des § 85 SPG und des Art.4 Abs.1 des 7. ZP MRK, der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (= EGMR) im Fall "Gradinger gegen Österreich" (Zl. 33/1994/480/562 vom 23. Oktober 1995) und der Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte (= EKMR) im Fall "Marte Achberger gegen Österreich" (Zl. 22541/93 vom 9. April 1997) - in diesen beiden Entscheidungen wurde eine Verletzung des Art.4 des 7. ZP MRK festgestellt - war im gegenständlichen Verfahren - um dem Grundsatz "ne bis in idem" zu entsprechen - spruchgemäß (Spruchpunkt I) zu entscheiden. 5. Bei diesem Verfahrensergebnis hat der Bw gemäß § 66 Abs.1 VStG keinen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilage Dr. Keinberger

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