Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240506/2/SR/Ri

Linz, 15.07.2004

 

 

 VwSen-240506/2/SR/Ri Linz, am 15. Juli 2004

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des K S, geb., vertreten durch RA Dr. E K, Astraße, L gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 9. Februar 2004, Zl. SanRB96-20-2002, wegen Übertretung des § 7 Abs. 1 lit. c i.V.m. § 8 lit. f i.V.m. § 74 Abs. 1 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG), BGBl. Nr. 86/1975 i.d.F. BGBl. I Nr. 150/2000, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt.

 

Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z. 3 und 51e Abs. 2 Z.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002- VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben es als gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VStG verantwortlicher Beauftragter - Betriebsleiter - der Fa. E - M H Gesellschaft mbH., Wstraße, L, zu verantworten, dass, wie am 19.10.2001 um 8.50 Uhr anlässlich einer Probenziehung durch ein Lebensmittelaufsichtsorgan der BH Linz-Land, im Betrieb E - M H GesmbH, L, Wstraße, festgestellt wurde, die entnommene Probe "E Mixed Pickles" lt. Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in L, als falsch bezeichnet gemäß den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes 1975 zu beurteilen war, da die Beschriftung der Probe den Hinweis "ohne Konservierungsstoffe" trägt. Wie jedoch aus dem Befund der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz hervorgeht, weißt das Produkt einen Gehalt von 262 mg/kg am Benzoesäure auf. Das Lebensmittel wurde somit mit zur Irreführung geeigneten widersprüchlichen Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung wesentlich sind, wie über Art, Beschaffenheit, Haltbarkeit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen in Verkehr gebracht.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 7 Abs. 1 lit. c. i.V.m. § 8 lit. f i.V.m § 74 Abs. 1 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG) BGBl. Nr. 86/1975 i.d.F. BGBl. I Nr. 105/2000.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie gemäß § 74 Abs. 1 LMG eine Geldstrafe von 36 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Stunden, verhängt.

Ferner haben Sie gemäß § 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) 10 % der Strafe, das sind 3,60 Euro, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

Gemäß § 64 Abs. 3 VStG haben sie außerdem die in diesem Strafverfahren entstandenen Barauslagen (Untersuchungsgebühr) von 98,71 Euro für die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Linz durchgeführten Untersuchungen zu ersetzen.

Der zu zahlende Gesamtbetrag beläuft sich somit auf 138,31 Euro.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."

 

2. Gegen dieses dem Vertreter des Bw am 11. Februar 2004 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz am 25. Februar 2004 und somit rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. Die Behörde erster Instanz wirft dem Bw erstmals im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vor, dass er das gegenständliche "Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten, widersprüchlichen Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung wesentlich sind, wie über Art, Beschaffenheit, Haltbarkeit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen in Verkehr gebracht" habe.

 

2.2. Der Bw hat in der Berufungsschrift u.a. ausgeführt, dass bei der Umstellung der Befüllung auf das Kleingebinde ein geringfügiger Anteil an Benzoesäure mitübernommen worden sein könnte. Weiters lasse der Vorwurf (Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses) trotz seines Umfanges, bezogen auf das Inverkehrbringen nicht mit der gemäß § 44a Z 1 VStG gebotenen Deutlichkeit erkennen, worin die Inverkehrbringung bestanden habe, beziehungsweise durch welche Vorgangsweise diese bewirkt worden sein soll. Das angefochtene Straferkenntnis sei infolge mangelhafter Tatumschreibung rechtswidrig.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten (Vorlage mit Schreiben vom 1. Juli 2004) festgestellt, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Berufungsvorbringen hinreichend geklärt erscheint.

 

  1. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 74 Abs. 1 LMG 1975 macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 7.200 Euro zu bestrafen, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 LMG ist unter Inverkehrbringen das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feihalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht.

 

Ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, dass die Ware in ihrer dem Gesetz nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt.

 

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 74 Abs. 7 LMG 1975 ein Jahr. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Nach § 32 Abs.2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als beschuldigtengerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

4.2. Die Behörde erster Instanz hat es unterlassen, den Tatvorwurf innerhalb der Verjährungsfrist gesetzmäßig zu konkretisieren. Dem Bw war es daher nicht möglich, auf die ihm vorgeworfene Tat konkret einzugehen (arg.: Ausführungen in der Berufungsschrift - ...worin das Inverkehrbringen bestanden hat ...). Erstmalig im angefochtenen Straferkenntnis wirft die Behörde erster Instanz dem Bw das Inverkehrbringen vor, ohne dies entsprechend § 1 Abs. 2 LMG 1975 zu konkretisieren und zu umschreiben.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Tat so eindeutig zu umschreiben, dass kein Zweifel besteht, wofür der Täter zur Verantwortung gezogen wird. Diesen Anforderungen ist dann entsprochen, wenn die Tat dem Beschuldigten in so konkreter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Beschuldigte rechtlich davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein (vgl. z.B. das Erkenntnis eines verstärken Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. 11.894/1).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (VwGH 3.9.1996, 96/04/0080 u.a). Sache des Berufungsverfahrens ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (VwGH 19.3.1997, 93/11/0107 u.a). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher nicht zulässig (VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses der Erstbehörde ist einer zulässigen Korrektur durch den Oö. Verwaltungssenat nicht zugänglich. Dieser ist nämlich nach § 66 Abs. 4 AVG nicht befugt, den Tatvorwurf auszutauschen. Der Tatvorwurf der Erstbehörde orientiert sich nicht am Wortlaut des herangezogenen Straftatbestands und ist deshalb aus rechtlicher Sicht unschlüssig. Eine Konkretisierung der Tat iSd § 44a Z 1 VStG muss zeitlich und örtlich in Abhängigkeit vom herangezogenen Verwaltungsdelikt so präzise vorgenommen werden, dass der Tatvorwurf unverwechselbar erscheint.

 

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).

 

Die Kontrolle gemäß § 37 LMG 1975 fand am 19. Oktober 2001 statt. Mit Schreiben vom 5. Juni 2002 wurde Mag. M B als gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VStG verantwortlicher Beauftragter des Betriebes E M H GesmbH, L, Wstraße aufgefordert, den verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichen bekannt zu geben. Mag. M B wurde in diesem Schreiben lediglich zur Kenntnis gebracht, dass anlässlich einer Probenziehung im gegenständlichen Betrieb festgestellt worden ist, dass die entnommene Probe als falsch bezeichnet gemäß den Bestimmungen des LMG 1975 beurteilt werden muss, da die Beschriftung der Probe den Hinweis "ohne Konservierungsmittel" trägt, die Probe jedoch einen Gehalt von 262 mg/kg an Benzoesäure aufgewiesen hat. In der Strafverfügung vom 18. Juni 2002 wurde dem nunmehrigen Bw ein vergleichbarer verwaltungsstrafrechtlicher Vorwurf gemacht.

 

Der Einspruch vom 5. Juli 2002 und die Stellungnahme vom 7. Februar 2003 zeigen aber deutlich, dass sich der Bw nur mit "Falschbezeichnung" auseinandergesetzt hat und ihm der - verspätet gemachte - Vorwurf des Inverkehrbringens des untersuchten Produktes zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst war.

 

Innerhalb der Jahresfrist des § 74 Abs. 7 LMG 1975 wurden von der Behörde erster Instanz gegen den Bw zwar Verfolgungshandlungen gesetzt, die jedoch nicht alle rechtserhebliche Merkmale aufgewiesen haben.

 

4.3. Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, da Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Auf die weiteren Berufungsgründe war nicht mehr einzugehen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 
 
 

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