Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280020/5/Schi/Ka

Linz, 01.03.1995

VwSen-280020/5/Schi/Ka Linz, am 1. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer aus Anlaß der auf § 89 Abs.4 Sicherheitspolizeigesetz - SPG (BGBl.Nr.

566/1991) gestützten Beschwerde des H S, vom 30.8.1994, betreffend Mitteilung der Bundespolizeidirektion Linz vom 16.8.1994, P-7623 gemäß § 89 Abs.2 SPG wegen Feststellung einer Verletzung von Richtlinien für das Einschreiten nach dem Sicherheitspolizeigesetz den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§ 89 Abs.2, 4 und 5 SPG, BGBl.Nr. 566/1991 iVm § 67 c Abs.3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.

51/1991; Begründung:

1.1. Mit Schriftsatz vom 21.6.1994, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 23.6.1994, wurde Beschwerde gemäß den "§§ 87, 88 und 89 SPG" erhoben sowie gleichzeitig die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt. Begründend wurde ausgeführt, daß aufgrund der zu VwSen-280013/4/Schi/Ka erliegenden Vermögensangaben der Beschwerdeführer (im folgenden: Bf) auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantrage.

1.2. Weiters führt er an, daß er am 6.4.1994 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder operiert worden sei und wegen der Gallenblasenentfernung auf strenge Diät gesetzt wurde. Am 10.5.1994 um ca. 9.00 Uhr erschienen in seiner Wohnung zwei Gendarmeriebeamte, um ihn zwangsweise zur amtsärztlichen Untersuchung durch den unzuständigen Polizeiarzt in die Nietzschestraße vorzuführen, weil er der Ladung zur amtsärztlichen Untersuchung betreffend Hafttauglichkeit nicht Folge leisten konnte. Er habe den Beamten die Krankmeldung und die Befunde des Krankenhauses sowie die Operationsnarbe gezeigt und sich nicht bereit erklärt mitzukommen; diese hätten über Funk Verstärkung angefordert, um Gewalt anzuwenden. In der Überzeugung, daß der Polizeiarzt seine Haftunfähigkeit feststellen müsse und aus Angst vor Verletzungen und Schmerzen sowie um demütigendes Aufsehen zu vermeiden, habe er sich unter Protest bereit erklärt, mitzukommen. Ein Vorführungsbefehl sei ihm nicht ausgefolgt worden; man habe ihn diesen nicht einmal lesen lassen. Er sei sofort in das Polizeigefangenhaus gebracht und durch lautes Lachen eines Beamten verhöhnt worden. Bevor der Polizeiarzt erschien, seien ihm seine persönlichen Gegenstände einschließlich Tabletten abgenommen worden. Im Gegenwart der beiden Gendarmen habe er sich vom Polizeiarzt Dr. Brüll besichtigen lassen müssen (die Narbe). Obwohl er die Befunde vorgelegt habe, habe er ihn ohne nähere Untersuchung mit dem Bemerken für haftfähig erklärt, liegen könne er auch in der Zelle. Zuvor habe er ihn hinausgeschickt, weil der Beamte mit ihm alleine sprechen wollte. Hiebei habe er gehört, wie der Beamte zu ihm gesagt habe, es ginge um die Verjährung (des Verwaltungsstrafverfahrens, VerkR-96-9901/1990/G/Pe der BH Linz-Land). Er sei in eine Art Gemeinschaftszelle gebracht worden. Vorher habe er noch einen bekannten Rechtsanwalt anrufen dürfen, der ihn durch die Einzahlung des Strafbetrages um 15.00 Uhr auslöste. Wesentlich sei auch, daß man ihn zu Mittag ein fettes Essen angeboten habe, welches er verweigerte und ihm der Polizeiarzt nicht die Kreon Kapseln ausfolgen ließ. Im übrigen halte er noch fest, daß er einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens bei der BH Linz-Land gestellt habe, welchem Strafhemmung zukomme und über welchen bis heute nicht entschieden worden sei.

Schließlich erhebe er neben gleichzeitiger Beschwerde gemäß § 87, 89 SPG die Beschwerde gemäß § 87 und § 88 SPG und die Feststellung folgender Rechtswidrigkeiten:

a) Unzulässigkeit der zwangsweisen Vorführung bei Erkrankung gemäß § 54 Abs.1 VStG; b) Verletzung der Menschenwürde entgegen § 36 Abs.2 VStG; c) erniedrigende Behandlung entgegen Art.3 und 6 MRK; d) Verstoß gegen die garantierte persönliche Freiheit gemäß Art.8 StGG; e) eingetretene Vollstreckungsverjährung im Verfahren VerkR96-9901/1990/Ge/Pe gemäß § 31 Abs.3 VStG; f) Nichterledigung des Wiederaufnahmeantrages vom 27.9.1993 zum Zeitpunkt der Amtshandlung.

2.1. Diese Beschwerde wurde mit h. Erkenntnis vom 26.7.1994, VwSen-280019/5/Schi/Ka, gemäß § 88 Abs.1 und 2 SPG und § 67c Abs.3 AVG als unzulässig zurückgewiesen (ebenso wurde der Antrag auf Verfahrenshilfe als unzulässig zurückgewiesen), weil es sich in diesem Beschwerdefall um eine Angelegenheit der Straßenpolizei bzw ein Vollstreckungsverfahren handelt und daher die Beschwerde auf der Grundlage des SPG unzulässig war. Aus dem Parallelakt VwSen-280013 war bekannt, daß es sich hier um ein Vollstreckungsverfahren hinsichtlich eines Strafbetrages wegen einer Übertretung der StVO 1960 handelte.

2.2. Da aufgrund der Angaben des Bf die Möglichkeit bestand, daß eine gemäß § 31 SPG erlassene Richtlinie verletzt worden sei bzw daß seine Eingabe (auch) eine Dienstaufsichtsbeschwerde außerhalb des Anwendungsbereiches der RLV darstellen könnte, wurde eine Kopie der Beschwerde der Bundespolizeidirektion Linz zur allfälligen Behandlung nach § 89 SPG übermittelt.

3.1. Mit Schreiben vom 16.8.1994, P-7623, teilte der Polizeidirektor dem Bf folgendes mit:

"Betreff: Ihre Beschwerde vom 21.6.1994.

Sehr geehrter Herr S! Zu Ihrer Beschwerde, welche vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich anher übermittelt worden ist, wird festgestellt, daß Ihre amtsärztliche Untersuchung am 10.5.1994 um 10.30 Uhr keinen Grund für eine Haftuntauglichkeit ergeben hat.

Den angegebenen subjektiven Beschwerden und der empfohlenen Bauchdeckenschonung wurde durch Verordnung von Liegeerlaubnis Rechnung getragen.

Die Bestellung einer Sonderkost in der Küche für den Mittag des 10.5.1994 war aus organisatorischen Gründen nicht mehr möglich.

Da Sie keine konkreten Angaben zu Medikamenten machen konnten, wurde die Beibringung derselben durch Ihre Lebensgefährtin veranlaßt.

Da Sie bereits um 15.00 Uhr desselben Tages wieder entlassen worden sind, konnten weitere Untersuchungen bzw.

Veranlassungen unterbleiben.

Die Aufnahme im Polizeigefangenenhaus wurde sachlich und korrekt durchgeführt, Sie sind dabei auch nicht verhöhnt oder ausgelacht worden.

Schließlich wird Ihnen mitgeteilt, daß über Auftrag der Staatsanwaltschaft Linz die gegenständliche Angelegenheit von der kriminalpolizeilichen Abteilung untersucht und anschließend der veranlassenden Behörde übermittelt wird." 3.2. Mit Eingabe vom 30.8.1994, beim O.ö. Verwaltungssenat eingelangt am 1.9.1994 hat der Bf einen Antrag gemäß § 89 Abs.4 SPG gestellt und - nach Wiederholung einiger Ausführungen aus dem Schreiben des Polizeidirektors vom 16.8.1994 - begründend ausgeführt, daß ihm tatsächlich die Medikamente abgenommen worden seien. Ein Amtsarzt könne nicht beurteilen, wozu sie dienen? Er sei rechtswidrig gezwungen worden, eine nicht fällige und auch verjährte Strafe zu bezahlen; er befand sich daher ungerechtfertigt bis 15.00 Uhr in Haft. Welcher Beamte werde so ein Verhalten (Auslachen bzw. Verhöhnen) zugeben, soferne sie überhaupt befragt würden. Jedenfalls liege der Tatbestand der Verletzung der Menschenwürde vor. Er beantrage daher die Entscheidung gemäß § 89 Abs.4 SPG durch den Unabhängigen Verwaltungssenat. Weiters verweist er auf die grundsätzliche Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden gegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Im übrigen halte er seine Aufsichtsbeschwerde vollinhaltlich aufrecht.

3.3. Mit h. Schreiben vom 10.1.1995 wurde der Bundespolizeidirektion Linz der Antrag des Bf gemäß § 89 Abs.4 SPG vom 30.8.1994 mit dem Ersuchen übermittelt, den bezughabenden Verwaltungsakt unter Anschluß einer Gegenäußerung dem O.ö. Verwaltungssenat zu übersenden.

3.4. Im Schreiben der BPD Linz vom 10.2.1995, P-7623, wurde der bezughabende Verwaltungsakt mit der Bemerkung dem O.ö.

Verwaltungssenat übermittelt, es sei offensichtlich, daß der gegenständliche Sachverhalt nicht gemäß § 89 SPG beschwerdefähig sei. Desweiteren sei schon aus dem vom Bf angegebenen Sachverhalt ersichtlich, daß keine Richtlinie im Sinne des § 31 SPG bzw RLV BGBl.Nr.266/1993 verletzt wurde.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Gemäß § 89 Abs 2 SPG haben betroffene Beschwerdeführer, die in einer binnen sechs Wochen eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes sei eine gemäß § 31 SPG erlassene Richtlinie verletzt worden, Anspruch, daß ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich dabei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt.

Nach § 89 Abs 4 SPG hat jeder, dem gemäß § 89 Abs 2 SPG mitgeteilt wurde, daß die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, das Recht, binnen 14 Tagen die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist.

Gemäß § 5 Abs 1 SPG versehen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes für die Sicherheitsbehörden den Exekutivdienst. Nach § 5 Abs 2 SPG sind Angehörige der Bundesgendarmerie, der Bundessicherheitswachekorps, der Kriminalbeamtenkorps, der Gemeindewachkörper sowie des rechtskundigen Dienstes bei Sicherheitsbehörden, wenn diese Organe zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind, solche Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

4.2. Gemäß § 31 Abs.1 SPG hat der Bundesminister für Inneres zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens und zur Minderung der Gefahr eines Konfliktes mit Betroffenen durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen. Nach Abs.3 dieses Paragraphen erläßt der Bundesminister für Inneres - soweit diese Richtlinien für Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuständigkeitsbereich anderer Bundesminister gelten sollen - die Verordnung im Einvernehmen mit den in ihrem Wirkungsbereich berührten Bundesministern.

Dieser Abs.3 des § 31 SPG sieht - nicht ganz im Einklang mit dem im § 1 SPG normierten Regelungsinhalt des Gesetzes einen über den Bereich der Sicherheitsverwaltung hinausgehenden Geltungsbereich der Richtlinienverordnung vor. Tatsächlich hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit den Bundesministern für Justiz und für öffentliche Wirtschaft und Verkehr mit Verordnung, BGBl.Nr.266/1993 diese Richtlinien - Verordnung - RLV erlassen.

4.3. Der Wirkungsbereich des BM für öffentliche Wirtschaft und Verkehr ergibt sich aus Teil 2, Abschnitt M der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes; dort scheinen unter Z3 das Kraftfahrwesen und Angelegenheiten der Straßenpolizei auf. Hinsichtlich kraftfahrrechtlicher Amtshandlungen erscheint somit die Geltung der RLV grundsätzlich geklärt, zumal das Kraftfahrwesen gemäß Art.10 Abs.1 Z9 B-VG sowohl in Gesetzgebung als auch in Vollziehung Bundessache ist.

Nicht so aber der Kompetenztatbestand Straßenpolizei im Art.11, da die dort aufgezählten Materien Bundessache in Gesetzgebung und Landessache in Vollziehung sind. Die Vollziehung straßenpolizeilicher Vorschriften ist daher ausschließlich Landessache. Bei der RLV handelt es sich daher nicht um eine Durchführungsverordnung zur StVO; sie wurde vielmehr auf Grundlage des § 31 SPG erlassen. Dazu kommt noch, daß gemäß § 97 StVO "Organe der Straßenaufsicht", die zur Handhabung der Verkehrspolizei berufen sind, in erster Linie die Organe der Bundesgendarmerie, der Bundessicherheitswache und allenfalls Gemeindewachkörper in Betracht kommen; die Behörde kann jedoch gemäß § 97 Abs.3 StVO auch andere Personen als Organe der Straßenaufsicht bestellen. Da solche Organe nicht als "Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes" gelten (§ 5 Abs.2 SPG) kann für sie schon aus diesem Grund die RLV keinesfalls Anwendung finden.

4.4. Mit seinem Vorbringen hat der Bf - im Lichte der vorstehend gemachten Ausführungen - keine Verletzung einer gemäß § 31 SPG erlassenen Richtlinie für das Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes dartun können. Anfechtungsgegenstand nach § 89 Abs.2 und 4 SPG kann nur ein Organverhalten sein, das der aufgrund des § 31 SPG erlassenen Richtlinien-Verordnung, BGBl.Nr.266/1993, des Bundesministers für Inneres widersprechen soll. Da dies gegenständlich nicht der Fall ist, liegt kein tauglicher Beschwerdegegenstand vor, weshalb die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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