Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280025/7/Schi/Ka

Linz, 29.01.1996

VwSen-280025/7/Schi/Ka Linz, am 29. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt; Berichter: Dr. Schieferer; Beisitzer: Dr. Fragner) über die Berufung des M R, K, T, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. F H und Dr.

G H, H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27.12.1994, Ge96-280-1994/Ew, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 5.000 S, ds 20 % der verhängten Strafe, binnen 14 Tagen ab der Zustellung bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 16, 19, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: §§ 64 Abs. 1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27.12.1994, Ge96-280-1994/Ew, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von 25.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) nach § 31 Abs.2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ASchG) verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der M R, Bauunternehmen und Baustoffhandel Gesellschaft mbH (Komplementärges.m.b.H. zur Arbeitgeberin M R, Bauunternehmen und Baustoffhandel Gesellschaft mbH. und Co.KG, T, K) es zu vertreten habe, daß am 5.7.1994, auf der Baustelle Kindergarten Neubau W, KG W, EZ , wie von einem Organ des Arbeitsinspektorates (AI) für den 9.

Aufsichtsbezirk, Linz, anläßlich einer Überprüfung festgestellt wurde, der Arbeitnehmer der genannten Gesellschaft Z V, mit dem Bedienen eines Baudrehkranes - und zwar transportierte der Arbeitnehmer mit dem Kran mit einer Palettengabel Dachziegel auf die Dachfläche - beschäftigt wurde, ohne daß der Arbeitnehmer die für das Führen eines Baudrehkranes notwendigen Fachkenntnisse durch ein entsprechendes Zeugnis (Kranführerausweis) nachweisen konnte, obwohl gemäß § 8 Abs.1 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 6.6.1975 über den Nachweis der Fachkenntnisse für bestimmte Arbeiten Arbeitgeber und deren Beauftragte dafür zu sorgen haben, daß zu den im § 2 Abs.1 genannten Arbeiten (ua gemäß lit.a Führen von Kränen) nur Arbeitnehmer herangezogen werden, die das Vorliegen der für die sichere Durchführung dieser Arbeiten notwendigen Fachkenntnisse durch ein Zeugnis nach § 7 leg.cit. nachweisen und die erforderliche körperliche und geistige Eignung sowie die notwendigen Berufserfahrungen besitzen.

Der Bw habe dadurch eine Übertretung nach § 31 Abs.2 lit.b iVm § 6 Abs.5 ASchG iVm § 8 Abs.1, § 2 Abs.1 lit.a und § 13 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 6.6.1975, BGBl.Nr.441/1975, begangen. Weiters wurde der Beschuldigte gemäß § 64 VStG verpflichtet, einen Kostenbeitrag von 2.500 S (10 % der Strafe) zu den Kosten des Strafverfahrens zu bezahlen.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und beantragt, das angefochtene Straferkenntnis im vollen Umfang aufzuheben und das eingeleitete Strafverfahren einzustellen.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß im gegenständlichen Fall das Tatbild insofern nicht vorliege, als nach § 31 Abs.2 lit.b ASchG nur Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte strafbar seien, wenn sie für Arbeiten, die mit einer besonderen Gefahr verbunden sind, Arbeitnehmer heranziehen, die die notwendigen Sachkenntnisse nicht nachweisen können. Eine Person werde dann herangezogen, wenn sie zu einem bestimmten Zweck eingesetzt wird (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S.688). Voraussetzung für eine "Heranziehung" sei sohin eine zielgerichtete Willensäußerung und eine Entscheidung des Auftraggebers. Der gesetzliche Tatbestand sei damit nur dann gegeben, wenn der Beschäftigte mit Wissen und Willen des Arbeitgebers ohne die entsprechenden Nachweise tätig geworden sei. Derartiges sei nicht festgestellt worden und sei auch nicht der Fall gewesen.

Darüber hinaus sei der Bw seinen Überwachungs- und Kontrollpflichten in ausreichendem Maß nachgekommen. V Z habe gegen seinen ausdrücklich erklärten Willen vom 5.7.1994 über Anordnung des Poliers lediglich zwei Hebebewegungen durchgeführt. Es sei kein vernünftiges Kontrollsystem denkbar, das bei einer auswärtigen Baustelle eine derartige einmalige und kurzfristige Fehlleistung verhindern könnte. Der Geschäftsführer einer Gesellschaft müßte zur Verhinderung derartiger Fehlleistungen an Ort und Stelle ununterbrochen anwesend sein. Unerfüllbare Anforderungen an den Arbeitgeber und seine Bevollmächtigten zu stellen, wäre Willkür. Dies könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Auch die Strafzumessungsgründe seien nicht sachgerecht beurteilt worden. Die abstrakte Gefährdung sei schon dem pönalisierten Tatbestand an sich inhärent. Sie könne nicht zusätzlich als Erschwerungsgrund herangezogen werden. Eine konkrete Gefährdung von Menschen werde zwar behauptet, es wird aber kein Sachverhalt festgestellt, aus dem dies überprüfbar erschlossen werden könnte. In der Tat sei eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten.

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

3.2. Der O.ö. Verwaltungssenat hat gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG die gegenständliche Berufung dem beteiligten AI für den 9. Aufsichtsbezirk in Linz zur Kenntnis übermittelt; mit Schreiben vom 20.12.1995 wurde vom AI (ohne Begründung) beantragt, "das Straferkenntnis vollinhaltlich zu bestätigen".

3.3. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann. Weitere Beweise sind nicht mehr aufzunehmen.

Diesen Sachverhalt, der im übrigen vom Berufungswerber gar nicht bestritten wird, legt der unabhängige Verwaltungssenat auch seiner Entscheidung zugrunde.

3.4. Da somit der maßgebliche Sachverhalt klar gegeben war und auf die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung vom Berufungswerber ausdrücklich verzichtet wurde, sich überdies die Berufungsausführungen lediglich gegen die rechtliche Beurteilung wenden, war eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.2 VStG nicht anzuberaumen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Zunächst ist - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die ausführliche, zutreffende und schlüssige Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zu verweisen, insbesondere auf die Ausführungen hinsichtlich des Kontrollsystems (Seite 5 und 6). Der O.ö. Verwaltungssenat kann hier nur noch ergänzen, daß diese Darlegungen vollinhaltlich der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 24.2.1995, Zl.94/02/0440, 0441 und vom 27.1.1995, Zl.94/02/0422). Danach hängt der Umstand, ob der Arbeitgeber, bzw in den Fällen des § 9 VStG das dort genannte Organ, von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, im Einzelfall davon ab, ob er sich - entsprechend seiner Mitwirkungsverpflichtung zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes darauf mit Recht zu berufen vermag, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen.

Dabei reicht die bloße Erteilung von Weisungen nicht hin, entscheidend ist deren wirksame Kontrolle, wobei vom Arbeitgeber das diesbezügliche Kontrollsystem darzulegen ist. Von der Darlegung eines solchen lückenlosen Kontrollsystems kann allerdings keine Rede sein, zumal selbst stichprobenartige Überprüfungen (im vorliegenden Fall ein- bis zweimal pro Woche) im Sinne der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine ausreichende Kontrolle darstellen (VwGH 23.9.1994, Zl.94/02/0258 und 0259).

4.2. Insofern der Bw unter Hinweis auf § 31 Abs.2 lit.b ASchG ("heranziehen") die Tatbestandsmäßigkeit im vorliegenden Fall in Abrede stellt, weil keine entsprechende zielgerichtete Willensäußerung und diesbezügliche Entscheidung des Auftraggebers erfolgt sei, so ist dazu festzustellen, daß diesem Einwand zufolge der eben dargestellten "Kontrollsystem-Judikatur" des VwGH kein Erfolg beschieden sein kann. Zuzugestehen ist, daß das Vorliegen eines lückenlosen und funktionierenden Kontrollsystems an die Praxis tatsächlich sehr schwierige Anforderungen hinsichtlich Organisation, und vor allem ständiger Überwachung stellt. Im Ergebnis stellt daher dieses System tatsächlich auf den "Erfolg" ab, nämlich der Tatsache der entsprechenden Beschäftigung des Arbeitnehmers, gleichgültig, ob der Arbeitgeber diesen ausdrücklich oder durch konkludentes Handeln dazu "herangezogen" hat oder nicht. Für die Strafbarkeit des Arbeitgebers ist es daher völlig gleichgültig, ob er einen Arbeitnehmer zu einer bestimmten (und für ihn verbotenen) Arbeit ausdrücklich "herangezogen" hat, oder ob dieser - gleichgültig ob aus eigenem Antrieb oder über Anweisung eines anderen Mitarbeiters, wie hier z.B. des Poliers, - tätig geworden ist.

Die Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit der ggst. Verhaltensweise des Bw wurde daher schon ausführlich in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses dargelegt und konnte auch durch die angeführten Berufungsausführungen nicht weiter entkräftet werden.

5. Zur Strafbemessung:

5.1. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

5.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung. Gemäß Art.130 Abs.2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung der Anordnung des § 60 AVG (dieser ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.

5.3. Aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht hervor, daß die belangte Behörde - mangels näherer Angaben durch den Bw - davon ausgegangen ist, daß der Bw kein Vermögen besitzt, keine Sorgepflichten hat und sein monatliches Nettoeinkommen 30.000 S beträgt. Dies blieb auch in der Berufung unbeanstandet. Weiters wurden von der belangten Behörde völlig zu Recht die straferschwerenden Umstände den strafmildernden Umständen (Unbescholtenheit) gegenübergestellt und entsprechend bewertet. Insbesondere wurde auch ausführlich auf den Unrechtsgehalt der Tat bezug genommen und der Umstand, daß der Bw trotz eines schweren Arbeitsunfalles durch den Arbeitnehmer V C am 7.12.1993 als Kranführer diesen wiederum mit einer derartig gefahrengeneigten Tätigkeit betraut hat bzw nicht sichergestellt hat, daß dieser keinesfalls mehr zum Führen eines Baukranes herangezogen wird, ebenfalls zu Recht als erschwerend gewertet. Es ist daher die diesbezügliche, in der Berufung zum Ausdruck kommende Auffassung, unzutreffend.

Da somit die belangte Behörde im Hinblick auf die Strafbemessungsgründe nach § 19 Abs.2 VStG auf alle maßgeblichen Umstände Bedacht genommen hat, konnte ihr bei Ausschöpfung von immerhin der Hälfte der möglichen gesetzlichen Höchststrafe nicht entgegengetreten werden, zumal die belangte Behörde gegenständlich zu Recht bei der Strafbemessung auch spezialpräventive Aspekte besonders herangezogen hat. Es war daher gerade aus spezialpräventiven Gründen eine doch empfindliche Geldstrafe erforderlich.

6. Die Bestätigung des Straferkenntnisses hat zur Folge, daß der Bw auch mit dem gesetzlichen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu belasten war. Die Kosten betragen gemäß § 64 VStG 20 % der verhängten Geldstrafe, sohin im gegenständlichen Fall 5.000 S.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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