Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280179/18/Schi/Ha

Linz, 24.07.1997

VwSen-280179/18/Schi/Ha Linz, am 24.Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des S S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 13.11.1995, Ge96-408-1994, wegen Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 16. Juli 1997 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 45 Abs.1 Z1 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma S Ges.m.b.H & Co.KG, E, zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 3.9.1994 bei der Baustelle F Ges.m.b.H, den Arbeitnehmer T N in einer Höhe von 7 bis 8 m beschäftigt habe, obwohl 1. keine entsprechenden Mittel bzw. geeigneten Einrichtungen zur Verfügung standen, womit ein wirksamer Schutz der Arbeitnehmer gegeben wäre (z.B. Sicherheitsgurt), 2. keine Einrichtungen angebracht waren, die ein Abstürzen der Arbeitnehmer verhindert hätte und 3. keine Aufsetzvorrichtung vorhanden war, die ein Betreten des Fördergerätes erst nach dem Einrücken zugelassen hätte.

Der Bw habe dadurch 1. § 6 Abs.1 ASchG iVm § 7 und § 71 Abs.7 Bauarbeiterschutzverordnung, 2. § 7 Bauarbeiterschutzverordnung und 3. § 71 Abs.7 Bauarbeiterschutzverordnung verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von drei Mal 5.000 S (je 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurden; ferner wurde er verpflichtet, gemäß § 64 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von insgesamt 1.500 S zu leisten.

2. Dagegen hat der Bw mit Schriftsatz vom 13.12.1995 rechtzeitig Berufung erhoben und die Aufhebung der Strafe beantragt.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil in den einzelnen Fällen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

3.2. Gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG wurde die Berufung dem Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk in Vöcklabruck zur Kenntnis gebracht; dieses gab mit Schreiben vom 1.8.1996 eine Stellungnahme ab, welche mit h. Schreiben vom 2.9.1996 dem Bw zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 12.9.1996 hat der Bw eine Gegenäußerung erstattet, in der er seinen Standpunkt im wesentlichen aufrecht erhielt.

3.3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in der Sache am 16. Juli 1997 am Marktgemeindeamt Ebensee eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und durchgeführt, an der der Berufungswerber, ein Vertreter der belangten Behörde und ein Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk teilgenommen haben. Weiters wurden als Zeugen geladen und einvernommen der anzeigende Arbeitsinspektor Ing. S N sowie der Arbeitnehmer T N.

3.4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte sich heraus, daß der ggst. Bauaufzug der Firma Stern & Hafferl gehörte, somit der Bw hier in keiner Weise verantwortlich war, was auch der Vertreter des Arbeitsinspektorates ausdrücklich zugestanden hat; weiters, daß im ggst. Fall der Arbeitnehmer Thomas Neuhuber abgestürzt und ziemlich schwer verletzt worden war. Aus diesem Grund hat der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Gmunden angeregt, zu prüfen, inwieweit hier überhaupt eine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde gegeben ist. Das Arbeitsinspektorat hat mit Telefax vom 17.7.1997 die Strafanzeige an das Bezirksgericht Gmunden bzw. dem Bezirksanwalt beim BG Gmunden über den ggst. Arbeitsunfall wegen Verdachtes der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 StGB dem O.ö. Verwaltungssenat übermittelt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat rechtlich erwogen:

4.1. Gemäß (dem hier noch anzuwendenden) § 31 Abs.2 lit.p ANSchG begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafen bis zu 50.000 S zu ahnden. Zufolge der in dieser Gesetzesstelle enthaltenen Subsidiaritätsklausel darf eine Bestrafung der davon erfaßten Verwaltungsübertretungen nur dann erfolgen, wenn die zugrundeliegenden Taten nicht gleichzeitig einen mit strengerer Strafe bedrohten Tatbestand nach anderen Gesetzen erfüllen. Als solche strengeren anderen Gesetze kommen auch Vorschriften des Justizstrafrechtes in Betracht.

4.2. Im Hinblick auf die schon in der Anzeige des Arbeitsinspektorates sowie des Gendarmeriepostens Gmunden vom 23.12.1994, GZ P3876/94-Pf an das BG Gmunden sowie die in der Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat hervorgekommenen Umstände des Absturzes aus einer Höhe von ca. 7 bis 8 m, wobei der Arbeitnehmer Thomas Neuhuber schwer verletzt worden war, steht hier ein Anwendungsfall der Subsidiaritätsklausel des § 31 Abs.2 ASchG fest.

Unabhängig davon nämlich, ob der Vorfall zu einer gerichtlichen Verurteilung geführt hat oder nicht, vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, daß der in diesem Berufungsverfahren zu prüfen gewesene Lebenssachverhalt den Tatbestand einer fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 StGB objektiv erfüllt. (Zuwiderhandeln des Arbeitgebers gegen das ihm auferlegte Gebot, Gefahren für Leib und Leben der von ihm auf dieser Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer abzuwenden; als sogen. "Garant" hat der Arbeitgeber gegen die ihn treffende persönliche Erfolgsabwendungspflicht verstoßen). (Zu all dem vgl. KIENAPFEL, Grundriß des österreichischen Strafrechts, BT I, 3. A, § 89 RN 10f; zur Garantenstellung des schutzpflichtigen Arbeitgebers: LEUKAUF/STEININGER, Komm, 3.A, § 2 RN 14f).

4.3. Die Verwaltungsübertretungen des Berufungsfalles sind im Sinne der oben wiedergegebenen Subsidiaritätsklausel durch § 88 StGB mit einer strengeren Strafe bedroht, weil für dieses Delikt - anders als im Verwaltungsstraftatbestand gemäß § 31 Abs.2 ANSchG - auch eine primäre Freiheitsstrafe angedroht ist, insbesondere - wie hier - bei einer schweren Körperverletzung (§ 89 Abs.4 StGB).

4.4. Sind aber aus allen diesen Gründen die Voraussetzungen für das Wirksamwerden der Subsidiaritätsklausel für die dem Berufungswerber angelasteten Taten erfüllt, war dem Rechtsmittel im Ergebnis Erfolg beschieden und war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Gleichzeitig war im Grunde des § 45 Abs.1 Z1 zweiter Fall VStG die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

5. Mit dieser Entscheidung entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuerlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Schieferer

Beschlagwortung: Arbeitsunfall, Anzeige an Gericht - keine Verwaltungsübertretung (ANSchG)

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