Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280425/13/GU/Pr

Linz, 03.07.1998

VwSen-280425/13/GU/Pr Linz, am 3. Juli 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des Herrn O. P., vertreten durch RA Dr. A. M., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 24.2.1998, Zl. Ge-218-1996/Ew, wegen Übertretung des AZG, nach der am 4. Juni 1998 durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

Der Rechtsmittelwerber hat keine Kostenbeiträge zum Berufungsverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 5 Abs.1, § 9 Abs.2 und 4, § 66 Abs.1 VStG, § 15 a Abs.1 und 2 AZG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat den Rechtsmittelwerber als verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung des Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetzes betreffend die im Unternehmen beschäftigten Kraftfahrer des zur Vertretung nach außen berufenen handelsrechtlichen Geschäftsführers F. S., der Arbeitgeberin R. und St. mit dem Sitz in T., schuldig erkannt es verantworten zu müssen, daß dem Arbeitnehmer T. C. T. beim Lenken des LKWs mit dem Kennzeichen mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t vom 14.5.1996 auf den 15.5.1996 die gesetzlich festgelegte Tagesruhezeit von mindestens neun Stunden nicht gewährt worden sei, indem ihm lediglich vom 14.5.1996, 18.05 Uhr, bis 15.5.1996, 0.15 Uhr, eine Ruhepause von 6 Stunden 10 Minuten gewährt worden sei.

Wegen Verletzung des § 28 Abs.1 a Z1 und 2 iVm § 15 a Abs. 1 und 2 des AZG, BGBl.Nr. 461/1969 in der Fassung BGBl.Nr. 446/1994 in Verbindung mit dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe und in Verbindung mit Art.8 Abs.1 und 6 der Verordnung des Rates EWG Nr. 3820/85 vom 20.12.1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, wurde ihm deswegen in Anwendung des § 28 Abs.1 a AZG eine Geldstrafe von 3.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden und ein 10 %iger Verfahrenskostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren auferlegt.

In seiner dagegen eingebrachten Berufung macht der Rechtsmittelwerber mangelndes Verschulden geltend, indem der Dienstnehmer T., der ansonsten als verläßliche Person bekannt war und mit dem es in punkto arbeitszeitrechtlicher Vorschriften noch nie einen Anstand gegeben habe, auf eigene Faust entgegen der mit dem Berufungswerber grundsätzlich besprochenen gesetzlichen Ruhepause, beginnend am Abend des 14.5.1996 von 18.05 Uhr, diese verkürzt habe, um nach einer Information über das im LKW installierte GSM-Telefon zu seiner akut erkrankten langjährigen Lebensgefährtin, mit der er drei gemeinsame Kinder hat, gefahren ist, um möglichst rasch zu seinen Kindern zu kommen. Er habe dabei keine Rücksprache mit der Firma gehalten.

Für den LKW-Lenker T. habe keine Möglichkeit bestanden, mitten in der Nacht, kurzfristig eine Aufsichtsperson für seine drei minderjährigen Kinder zu organisieren. Der Vorwurf der belangten Behörde, der Berufungswerber habe aus wirtschaftlichen Überlegungen und Gründen Herrn T. zur Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeit veranlaßt, sei aus der Luft gegriffen. Ob T. mit seinem LKW bei Einhaltung der Ruhepause am 15.5.1996 um 9.00 Uhr oder um 12.00 Uhr an der Grenze eintreffe, sei für die R. und S. nicht relevant gewesen, zumal der nächste Tag, der 16.5.1996 ein gesetzlicher Feiertag war, an dem ohnedies LKW-Fahrverbot bestand und deshalb ein weiterer Einsatz des LKWs nicht in Betracht kam. Im übrigen hätten auch die einschreitenden Kontrollorgane das Vorgehen Trans akzeptiert und ihm die Weiterfahrt erlaubt.

Eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch die Nichteinhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften sei nicht anzunehmen, da die Ausnahmesituation wohl die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit des Lenkers angeregt habe, um seinen Kindern in der Notsituation beizustehen.

Der Berufungswerber habe auf die Einhaltung der verletzten Verwaltungsvorschrift nicht hinwirken können, da er einerseits in der Nacht vom 15.5.1996 nicht erreichbar gewesen sei und andererseits eine bewußte Übertretung der Vorschriften durch den Lenker vorlag. Aufgrund der geschilderten Situation treffe der Vorwurf der I. Instanz nicht zu, daß der Berufungswerber keine sorgfältige Disposition getroffen habe, daß auch bei unvorhersehbaren Ereignissen oder Schwierigkeiten die Lenk- und Ruhezeiten durch die Lenker eingehalten werden konnten.

Aufgrund der gegenständlichen Notstandsituation bei dem Lenker T. sei keine wie immer geartete Disposition geeignet gewesen, den Lenker von seinem Fahrtantritt abzuhalten.

Aufgrund der Berufung wurde am 4.6.1998 in Gegenwart des Rechtsmittelwerbers und seines Vertreters sowie von Vertretern des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. In deren Rahmen wurde der Zeuge C. T. T. vernommen, der erstinstanzliche Verfahrensakt und die dort erliegende Anzeige des LGK für OÖ. vom 15.5.1996 samt den Ablichtungen der Tachographenscheibe betreffend das spruchgegenständliche Fahrzeug zur Erörterung gestellt und der Beschuldigte vernommen.

Demnach ist folgender Sachverhalt erwiesen: Der Rechtsmittelwerber ist verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften im Tu. R. und St. mit dem Sitz in T. und wurde als solcher von dem zur Vertretung nach außen berufenen handelsrechtlichen Geschäftsführer vor der ihm angelasteten Tat mit Zustimmung des Beauftragten bestellt und dem Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk gemeldet. Als solcher disponiert er gemeinsam mit dem vorerwähnten handelsrechtlichen Geschäftsführer über den im Unternehmen laufenden Fuhrpark. In der 20. Kalenderwoche des Jahres 1996, sohin von Montag den 13. Mai weg, war der beim U. R. und St. schon seit 9 Jahren beschäftigte Lenker C. T. T. mit dem spruchgegenständlichen LKW, mit Anhänger (höchstzulässiges Gesamtgewicht über 3,5 t), bei der Routinefahrt unterwegs, wobei montags die Fahrt begann und der LKW etwa am 15.5.1996 Nachmittag erwartet werden konnte. Am darauffolgenden Tag, dem 16.5.1996, war Christi Himmelfahrt, sohin ein gesetzlicher Feiertag. Der Lenker T. hatte den Freitag eingearbeitet und sollte die in H. aufgenommene Ladung erst am Montag, den 20.5.1996 in H. entladen.

Auf der Fahrt von H. nach L. erhielt T. im Wege des Autotelefons von seiner Lebensgefährtin, mit der er zusammen drei Kinder hat, von der Ehewohnung in L. aus, in der Nacht vom 14. auf den 15.5.1996 die Nachricht, daß die Lebensgefährtin erkrankt war, starkes Fieber hatte, der Pflege und Versorgung bedurfte, wobei auch keine Personen vorhanden waren, die die Kinder hätten versorgen können.

Aufgrund dieser Nachricht verkürzte der Lenker seine am 14.5.1996 um 18.05 Uhr angetretene Tagesruhezeit auf 6 Stunden 10 Minuten und fuhr am 15.5.1996 um 0.15 Uhr auf deutschem Gebiet Richtung Grenzkontrollstelle, wo er am 15.5.1996 um ca. 9.40 Uhr kontrolliert, wegen der verkürzten Ruhezeit beanstandet wurde und ihm die Weiterfahrt erst nach Einhaltung einer 8-stündigen Fahrtunterbrechung gestattet wurde.

Von dem vorzeitigen Fahrtantritt (um der erkrankten Lebensgefährtin zur Hilfe zu kommen und die Kinder zu beaufsichtigen und zu versorgen) machte der Lenker dem Beschuldigten keine Meldung.

Tran selbst wurde in der Folge von der BPD Linz, wegen Übertretung des Art.8 der EGVO 3820/85 in Zusammenhang mit § 134 Abs.1 KFG mit einer Geldstrafe von 1.000 S belegt.

Bei der Würdigung der Beweise konnte die Aussage des vernommenen Zeugen T. überzeugen, auch wenn in der seinerzeitigen Anzeige des LGK keine Rechtfertigung von ihm vermerkt ist und kein ärztliches Zeugnis über die Erkrankung der Lebensgefährtin vorgelegt wurde. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß bei fiebrigen Erkrankungen nicht gleich ein Arzt aufgesucht wird, wenn sich mit der Hausapotheke und allenfalls Hausmitteln beholfen werden kann und eine Pflege durch Angehörige gegeben ist.

Der Zeuge wurde vor seiner Vernehmung eindringlich auf die Folgen einer falschen Zeugenaussage aufmerksam gemacht und hatte als langjähriger und offensichtlich verläßlicher und gern gesehener Arbeitnehmer des Unternehmens bei einer Aussage in jedwede Richtung nichts zu befürchten. Dies kam auch zum Ausdruck, da er die Behauptungen in der Berufung, der Grenzposten Suben habe ihm die Weiterfahrt gestattet, nicht stützte.

Völlig plausibel erscheint auch die Aussage, daß er bei seiner Rückfahrt von H. Richtung Heimat von seiten des Unternehmens nicht unter Zeitdruck stand, zumal bei einer Ankunft am Nachmittag des 15.5.1996 ein weiterer Einsatz des LKW aufgrund des nachfolgenden Feiertages und des Zwickeltages bei anschließendem Wochendfahrverbot nicht plausibel erscheint. Die sich im Grunde widersprechenden Aussagen des Beschuldigten in der schriftlichen Berufung, wonach nächtens im Unternehmen niemand erreichbar sei und bei seiner Vernehmung bei der mündlichen Verhandlung, wonach alle Fahrer seine Telefonprivatnummer besitzen und er auch nächtens über diese Privatnummer erreichbar sei, werden vom O.ö. Verwaltungssenat realistisch so gesehen, daß den Fahrern die Privatnummer wohl bekannt sein mag, davon aber in der Regel bei einer "bloßen beabsichtigten Unterschreitung der Ruhezeit" kein Gebrauch gemacht wird. Allenfalls wird bei dramatischen Anlässen auf diese Kontaktnummer zurückgegriffen. Im gegenständlichen Fall steht jedenfalls fest, daß der Lenker T. nicht angerufen, sondern auf eigene Faust gehandelt hat. Angesichts des festgestellten Sachverhaltes, welcher unbestrittenermaßen die Verwirklichung der objektiven Tatseite des Unterschreitens der Ruhezeit ausweist, war zur subjektiven Tatseite rechtlich zu bedenken:

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. An diesem letzten Halbsatz, an dessen Rechtmäßigkeit auch im Spannungsfeld zu Art.6 Abs.1 EMRK vom Verfassungsgerichtshof festgehalten wird, nahm der O.ö. Verwaltungssenat Maß. Daß der Beschuldigte, der als verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften der Fa. R. und St. über den Einsatz bestimmter, hier maßgeblicher Teile des Fuhrparks disponiert, für die Unterweisung bezüglich der genannten Vorschriften gesorgt, die Schaublätter kontrolliert und bei festgestellten Mängeln in anderen Fällen Verweise ausgesprochen hat, konnte er bereits in mehreren Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat dartun und mußte darüber nicht gesondert Beweis erhoben werden. Im gegenständlichen Fall hat der Beschuldigte ausgesagt, daß er nach Bekanntwerden des Vorfalles dem Lenker eine Verwarnung erteilt hat. Andererseits war zu bedenken, daß aufgrund der Besonderheit des Einzelfalles dem Beschuldigten beim erstmaligen Ausrutscher des als geschult und immer verläßlich bekannten Dienstnehmers, für eine Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens kein Raum bliebe und ein dem Gesetz nicht zu entnehmendes Erfolghaftungsprinzip zur Anwendung käme insbesondere, wenn man berücksichtigt, daß es bei der verkürzten Ruhezeit nicht um einen wirtschaftlichen Vorteil des Unternehmens ging, sondern rein in der Sphäre des Dienstnehmers gelegene Umstände ausschlaggebend waren.

Der O.ö. Verwaltungssenat kommt daher zum Schluß, daß für einen maßgerechten verantwortlichen Beauftragten, beim gehandhabten Kontrollnetz, selbst unter den zu verlangenden höchsten Ansprüchen die Übertretung nur dann vermeidbar gewesen wäre, wenn er zu Zwecken der permanenten Kontrolle des Lenkers bei diesem im LKW mitgefahren wäre. Dies hieße jedoch, den Bogen des Zumutbaren zu überspannen. Im Ergebnis ist daher der Schluß gerechtfertigt, daß es dem Beschuldigten gelungen ist, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden traf.

Aus diesem Grunde war das Verfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG unter Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses einzustellen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. Guschlbauer Beschlagwortung: Kontrollnetz, Zumutbarkeit, Eigenmacht des Arbeitnehmers

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