Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400084/6/Gf/Hm

Linz, 26.05.1992

VwSen - 400084/6/Gf/Hm Linz, am 26. Mai 1992 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des B, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Bludenz zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird abgewiesen; die vom 18. Mai 1992 bis dato vorgenommene Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft wird gemäß § 5a Abs.6 des Fremdenpolizeigesetzes i.V.m. § 67c Abs.3 AVG für nicht rechtswidrig erklärt.

II. Der Beschwerdeführer ist gemäß § 79a AVG verpflichtet, der belangten Behörde die mit 367 S zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, hält sich seit August 1973 in Österreich als Gastarbeiter auf. Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Bludenz vom 15. Mai 1990, Zl. U198/90, wurde er wegen des Vergehens der Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen und mit Urteil des OLG Innsbruck vom 15. November 1991, Zl. 7Bs453/89, wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt. Im Zeitraum zwischen dem 1. August 1988 und dem 4. April 1991 wurden über den Beschwerdeführer mehrere Verwaltungsstrafen darunter in vier Fällen wegen Übertretung des Art. IX EGVG - verhängt. Aus den im Reisepass des Beschwerdeführers enthaltenen Eintragungen ergibt sich, daß dieser zuletzt über einen vom 11. Mai 1990 bis 31. Jänner 1991 befristeten und sodann über einen vom 29. Mai 1991 bis zum 20. Jänner 1992 befristeten Wiedereinreisesichtvermerk verfügte. Schließlich wurde über den Beschwerdeführer mit dem ihm am selben Tag zugestellten Bescheid des Bezirkshauptmannes von Bludenz vom 18. Mai 1992, Zl. III-3/A-T-642/92, "zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung" die Schubhaft verhängt. In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 19. Mai 1992 um 12.15 Uhr in das Polizeigefangenenhaus Wels überstellt. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Bludenz vom 19. Mai 1992, Zl. III-3/A-T-642/92, wurde über den Beschwerdeführer ein bis zum 31. Dezember 1992 befristetes Aufenthaltsverbot verhängt.

1.2. Gegen die mit dem oa. Schubhaftbescheid verfügte Anhaltung richtet sich die vorliegende, am 19. Mai 1992 um 14.34 Uhr beim O.ö. Verwaltungssenat eingebrachte und auf § 5a des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991 (im folgenden: FrPG), gestützte Beschwerde.

2.1. Im oa. Schubhaftbescheid führt der Bezirkshauptmann von Bludenz begründend aus, daß sich der Beschwerdeführer nach einer Anzeige der Städtischen Sicherheitswache Bludenz seit dem 21. Jänner 1992 widerrechtlich - nämlich ohne gültigen Sichtvermerk - in Österreich aufhalte. Zudem könne er nicht die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel nachweisen. Daher sei der Beschwerdeführer im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung zu nehmen und wegen Gefahr in Verzug einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß er sich bereits seit 1974 in Österreich aufhalte und hier gearbeitet habe, zuletzt jedoch wegen seiner angegriffenen Gesundheit - im besonderen wegen eines Herzinfarktes arbeitslos gewesen sei. Er habe jedoch in der K in B, wo er auch festgenommen worden sei, einen ordentlichen Wohnsitz gehabt und bis dato Arbeitslosengeld bezogen. Die Verhängung der Schubhaft sei somit rechtswidrig.

Aus diesen Gründen wird mit der vorliegenden Beschwerde die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft beantragt.

3.1. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und keine Gegenschrift erstattet, jedoch die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

3.2. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten der Bezirkshauptmannschaft Bludenz zu Zl. III-3/A-T-642/92 und der Bundespolizeidirektion Wels zu Zl. FR-23.661; daraus ging hervor, daß der vom Beschwerdeführer seinen Anträgen zugrundegelegte Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Punkten mit dem Akteninhalt übereinstimmt, sodaß von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 5a Abs. 6 FrPG abgesehen werden konnte.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat vor dem Hintergrund dieser Sachverhaltsfeststellungen über die vorliegende Beschwerde erwogen:

4.1. Gemäß § 5 FrPG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung (Schubhaft) genommen werden, wenn dies entweder im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit (erste Alternative) oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern (zweite Alternative).

Nach § 5a Abs. 1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung durch Beschwerde anzurufen. Zur Entscheidung über eine derartige Beschwerde ist im Falle einer Anhaltung an mehreren Orten - wie im vorliegenden Fall am 18. Mai 1992 in Bludenz und vom 19. Mai 1992 bis dato in Wels - jener unabhängige Verwaltungssenat, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer bei Einbringung der Beschwerde angehalten wird, zuständig, d.h. im vorliegenden Fall also der O.ö. Verwaltungssenat, weil die Beschwerde am 19. Mai 1992 erst eingebracht wurde, nachdem der Beschwerdeführer bereits in die Gewahrsame der Bundespolizeidirektion Wels übergeben worden war. Da die Inschubhaftnahme eine Administrativmaßnahme darstellt und diesbezüglich eine Abtretung wie im Verwaltungsstrafverfahren weder im AVG noch im FrPG vorgesehen ist, bleibt diese Maßnahme aber auch dann der sie bescheidmäßig anordnenden Behörde zuzurechnen, wenn sie - wie hier im Wege der Amtshilfe durch eine andere Behörde vollzogen wird. Belangte Behörde im Beschwerdeverfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat ist daher im vorliegenden Fall der Bezirkshauptmann von Bludenz (und nicht die Bundespolizeidirektion Wels).

4.2. Die auf den o.a. Bescheid des Bezirkshauptmannes von Bludenz (vgl. 1.1.) gegründete Schubhaft wurde von der belangten Behörde "im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung" verhängt und dabei auf § 5 Abs. 1 erste Alternative FrPG gestützt. Wenngleich es nach § 58 Abs. 2 i.V.m. § 60 AVG prinzipiell nicht angehen kann, daß die belangte Behörde nach Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens der Schubhaftbescheid wurde explizit nicht auf § 57 AVG gestützt - noch immer nicht zu beurteilen vermag, aus welchem Grund die Schubhaft nun tatsächlich zu verhängen war, nämlich ob diese entweder zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder zur Vorbereitung einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung oder gar aus mehreren oder allen dieser Gründe (diesfalls wäre jedoch zumindest die Konjunktion "und" anstelle jener von "oder" zu verwenden und der Bescheid auch dementsprechend zu begründen gewesen), kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat keine Kompetenz zu, den Schubhaftbescheid als solchen wegen Rechtswidrigkeit zu beheben. Diese Zuständigkeit obliegt vielmehr ausschließlich der Sicherheitsdirektion als zweitinstanzlicher Behörde (vgl. § 11 Abs. 2 und 3 FrPG).

Der unabhängige Verwaltungssenat hat demgegenüber vielmehr ausschließlich zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen der Verhängung und Anhaltung in Schubhaft tatsächlich vorliegen (vgl. VfGH v. 12.3.1992, G 346/91 u.a.; v. 12.3.1992, B 1334/91) und in diesem Zusammenhang daher auf den Schubhaftbescheid - der hier bloß als ein notwendiges Faktum für das Vorliegen einer als "Schubhaft(beschwerde)" zu beurteilenden Rechtsfrage zu qualifizieren ist - bezügliche Verfahrensfehler (wie auch dessen inhaltliche Rechtswidrigkeiten) nur insoweit wahrzunehmen, als die belangte Behörde dadurch auch zu einer rechtswidrigen Beurteilung der materiellen Voraussetzungen der Verhängung der Schubhaft gelangte. Dies trifft jedoch im vorliegenden Fall allein deshalb, weil die belangte Behörde in ihrer Bescheid"begründung" offensichtlich lediglich den Text des § 5 Abs. 1 FrPG wiedergibt, noch nicht zu.

4.3. Auf der anderen Seite verhalten derartige (materiell betrachtet:) begründungslose "Formelbescheide" den unabhängigen Verwaltungssenat dazu, tatsächlich aus eigenem - und ohne Bedachtnahme oder gar Bindung an die sonst in der Begründung des Schubhaftbescheides zum Ausdruck kommende Rechtsmeinung der belangten Behörde, die im vorliegenden Fall übrigens auch keine Gegenschrift erstattet hat - zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 FrPG vorliegen.

Davon ausgehend läßt sich zunächst nicht ersehen, inwieweit im vorliegenden Fall ein spezifisches Sicherungsbedürfnis, wie es von § 5 Abs. 1 FrPG gesetzlich gefordert wird, bestanden haben soll. Da der Beschwerdeführer einen ordentlichen Wohnsitz hatte, bei seiner Festnahme an diesem auch tatsächlich angetroffen wurde und bis zu diesem Zeitpunkt überdies Arbeitslosengeld bezog und so auch die finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nachzuweisen vermochte, erweist sich die Prognose der belangten Behörde, daß er sich den beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen versuchen wird, vor diesem Hintergrund nicht als plausibel, wenn man nicht auch das zugleich verhängte Aufenthaltsverbot in Betracht zieht. Hält man sich nämlich vor Augen, daß dem Beschwerdeführer mit dem Schubhaftbescheid selbst berechtigterweise lediglich zum Vorwurf gemacht werden konnte, über keinen gültigen Sichtvermerk zu verfügen (die strafgerichtlichen Verurteilungen und die davorliegenden mehrfachen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Verwaltungsübertretungen hat die belangte Behörde damals jedenfalls nicht unmittelbar zum Anlaß genommen, fremdenpolizeiliche Maßnahmen einzuleiten), und wurde bislang diesbezüglich auch kein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, obwohl sich der Beschwerdeführer offensichtlich auch zwischen dem 1. Februar 1991 und dem 28. Mai 1991 ohne gültigen Sichtvermerk in Österreich aufgehalten hat, so erwiese sich die Verhängung der Schubhaft als eine freiheitsentziehende Maßnahme zum Zweck der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit - also im Sinne des § 5 Abs. 1 erste Alternative FrPG - allein aus diesem Grund jedenfalls nicht als gerechtfertigt. Die gleichzeitige Verhängung eines Aufenthaltverbotes läßt jedoch die Vermutung, der Beschwerdeführer werde sich dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme entziehen, zumindest als vertretbar erscheinen.

Schließlich vermag aber jedenfalls die Bestimmung des § 5 Abs. 1 zweite Alternative FrPG im vorliegenden Fall die verhängte Schubhaft zu tragen, wenn diese darauf abstellt, daß ein strafbares Verhalten des Fremden unmittelbar zu befürchten steht. Aus dem von der belangten Behörde verhängten Aufenthaltsverbot ergibt sich nämlich, daß dem Beschwerdeführer, der seit dem 21. Jänner 1992 über keinen gültigen Sichtvermerk verfügte und dem die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufgrund seiner seit 1973 erworbenen Kenntnis der einschlägigen österreichischen Rechtslage sehr wohl bewußt sein mußte, selbst auf einen allfälligen Antrag hin kein Sichtvermerk mehr erteilt werden könnte. Sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet wäre daher jedenfalls strafbar i.S.d. § 14b Abs.1 Z.4 FrPG.

4.4. Die auf dem oben unter 1.1. angeführten Bescheid des Bezirkshauptmannes von Bludenz basierende Schubhaft war daher im Ergebnis durch § 5 Abs.1 zweite Alternative FrPG gedeckt; dies hatte der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß § 67c Abs. 3 AVG festzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren der belangten Behörde nach § 79a AVG antragsgemäß die mit 367 S (Aktenvorlageaufwand; vgl. VwGH v. 23.9.1991, 91/19/0162) zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig bestimmten Kosten zu ersetzen; das Mehrbegehren war hingegen ebenso wie das Kostenbegehren des Beschwerdeführers abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 67c Abs.4 AVG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwSlg 12821 A/1988) oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Linz, am 26. Mai 1992 Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Grof 6

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