Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-440027/17/SR/Ri, VwSen420344/18/SR/Ri

Linz, 17.12.2002

VwSen-440027/17/SR/Ri, VwSen-420344/18/SR/Ri

Linz, am 17. Dezember 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des J G, Pensionist, geb., A H, A/S wh., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J L und Dr. E W, G , S, vom 9. August 2002 wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 6. August 2002 durch der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zuzurechnende Gendarmeriebeamte, nach der am 15. November 2002 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

  1. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als die am 6. August 2002, um etwa 15.20 Uhr, entgegen Art.4 Abs.1 i.V.m. Art.2 Abs.1 Z2 lit. b PersFrSchG ohne richterlichen Haftbefehl erfolgte Festnahme des Beschwerdeführers und seine anschließende Anhaltung am Gendarmerieposten G bis etwa 18.20 Uhr für rechtswidrig erklärt wird. Das Mehrbegehren wird als unbegründet abgewiesen.
  2. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Steyr) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 1.378 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 und § 67c AVG 1991; Art.3 EMRK; Art.1 Abs.4 PersFrSChG; § 79a AVG iVm Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl II Nr. 499/2001.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 7. August 2002, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 9. August 2002, hat der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.), eine Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 6. August 2002 in der Zeit von 14.30 Uhr bis ca. 18.00 Uhr erhoben und eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter sowie einfachgesetzlicher Rechte geltend gemacht.

Im Einzelnen wurde ausgeführt, dass am 6. August 2002 gegen 14.30 Uhr sechs Gendarmeriebeamte sein Haus umstellt hätten und in der Folge in dieses eingedrungen wären. Von den einschreitenden Beamten sei er nach dem Aufbewahrungsort seiner Faustfeuerwaffe Smith & Wesson befragt und anschließend angewiesen worden, diese auszufolgen. Er sei bereits seit Jahren im Besitz eines Waffenpasses. Die Faustfeuerwaffe habe er ordnungsgemäß in einem Safe sorgfältig verwahrt gehabt. Ein Beamter hätte ihm diese Waffe ohne Ausfolgung einer Übernahmsbestätigung abgenommen. Anschließend wäre er zur Verbringung auf den Gendarmerieposten abgeführt worden. Dabei wäre ihm nicht einmal gestattet worden, sich angemessen zu kleiden. Er wäre lediglich in Unterwäsche und Pantoffel bekleidet weggebracht worden. Diese Maßnahmen wären für ihn nicht nur beschämend, sondern auch körperlich sehr belastend gewesen. Zu keinem Zeitpunkt wäre er von den einschreitenden Beamten über den Grund seiner Festnahme aufgeklärt worden. Offensichtlich hätte er den Gendarmerieposten G um 18.00 Uhr erst nach Rücksprache der Gendarmerie mit der Staatsanwaltschaft in Steyr wieder verlassen dürfen. Am Gendarmerieposten G gelangte ihm zur Kenntnis, dass die Gendarmeriebeamten wegen einer vermeintlichen Bedrohung seiner Ehefrau gegen ihn eingeschritten wären. Eine derartige Drohung habe er ihr gegenüber niemals geäußert. Da weder ein richterlicher Hausdurchsuchungs- bzw. Beschlagnahmebefehl noch ein Haftbefehl vorgelegen wäre, wäre das massive Einschreiten der Gendarmeriebeamten nicht gerechtfertigt gewesen. "Mangels Vorliegen bzw. der Gefahr eines unmittelbar drohenden gefährlichen Angriffs im Sinne des § 39 SPG" wären die Beamten auch nicht zum Betreten und Durchsuchen seines Hauses berechtigt gewesen. Die Beschlagnahme seiner Faustfeuerwaffe wäre ebenfalls nicht als gerechtfertigt anzusehen. Er wäre weder bei der Begehung eines nach den Straf- oder Verwaltungsgesetzen strafbaren Verhaltens auf frischer Tat betreten worden, noch habe er irgendein Verhalten gesetzt, auf Grund dessen ein solcher Verdacht denklogisch bestehen hätte können. Das bloße Vorliegen der "unsubstantiierten behördlichen Vermutung - Bedrohung der eigenen Frau - und der daraus gefolgte Sachverhalt, der durch das qualifizierende Hinzutreten seines Waffenbesitzes seine besondere Gefährlichkeit initiiert und aus dem das Vorliegen einer besonders gefährlichen Situation, in welcher man eingreifen hätte müssen, abgeleitet hätte werden können, könnten keinesfalls die massiven behördlichen Eingriffe in seine verfassungsgesetzlich gewährleisteten und einfachgesetzlichen Rechte rechtfertigen". Durch die geschilderten Eingriffe wäre er in seinen Rechten auf persönliche Freiheit, Wahrung des Hausrechtes, Unverletzlichkeit des Eigentums, Wahrung der Menschenwürde sowie in den im SPG normierten einfachgesetzlichen Bestimmungen zur Wahrung der Rechte des Betroffenen beeinträchtigt worden.

Abschließend stellte der Bf. den Antrag auf kostenpflichtige Erlassung der folgenden Entscheidung:

"a) der Beschwerdeführer ist durch seine Festnahme am 6.8.2002, 14.30 Uhr, durch Beamte des Gendarmeriepostens G, somit durch Organe der BH Steyr-Land, das Eindringen in sein Wohnhaus A/S, A H , und seine nachfolgende Anhaltung bis 18.00 Uhr des gleichen Tages im Wachzimmer des GP G, M R-Straße , durch die Beschlagnahme seiner Faustfeuerwaffe Smith&Wesson, sowie durch das Verbot, sich anzukleiden, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten sowie einfachgesetzlichen Rechten auf persönliche Freiheit, Schutz des Hausrechtes, Unverletzlichkeit des Eigentumsrechtes, Achtung der Menschenwürde, sowie in seinem Recht, nicht entgegen die Rechte des durch sicherheitspolizeiliche Maßnahmen beeinträchtigten wahrenden Bestimmungen des SPG behandelt zu werden, verletzt worden.

b) Der Bund (Bundesminister für Inneres) als Rechtsträger der belangten Behörde ist schuldig, den Beschwerdeführer zu Handen seiner Vertreter gemäß § 79a AVG 1991 die Kosten dieses Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Zwangslage zu bezahlen."

2. Die belangte Behörde hat am 2. September 2002 den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt vorgelegt. Gleichzeitig teilte sie mit, dass auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht verzichtet werde.

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. hat für 15. November 2002 am Sitz des Oö. Verwaltungssenates eine öffentliche mündlichen Verhandlung anberaumt. Hiezu wurden der Bf. über seinen Rechtsvertreter, der Bezirkshauptmann von Steyr-Land, die Zeugen J G jun., M G, K W, RevInsp. F B, GrInsp. H F geladen.

Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2002 gab der Vertreter des Bf. die ladungsfähige Anschrift der Zeugin R G bekannt und beantragte deren Einvernahme. Desweiteren wurde die Beschwerde eingeschränkt und nunmehr wie folgt beantragt:

"a.) Der Beschwerdeführer ist durch seine Festnahme am 6.8.2002, 14.30 Uhr, durch Beamte des GP G, somit durch Organe der BH Steyr-Land, seine Anhaltung bis 18.00 Uhr des gleichen Tages im Wachzimmer des GP G, M R Straße , durch die Beschlagnahme seiner Faustfeuerwaffe Smith & Wesson, sowie durch das Verbot, sich anzukleiden, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten sowie einfachgesetzlichen Rechten auf persönliche Freiheit, Unverletzlichkeit des Eigentums, Achtung der Menschenwürde sowie in seinem Recht, nicht entgegen den die Rechte des durch sicherheitspolizeiliche Maßnahmen beeinträchtigten wahrenden Bestimmungen des SPG behandelt zu werden, verletzt worden.

b.) Der Bund (Bundesminister für Inneres) als Rechtsträger der belangten Behörde ist schuldig, den Beschwerdeführer zu Handen seiner Vertreter gemäß § 79a AVG 1991 die Kosten dieses Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Zwangsfolge zu bezahlen."

Im Zuge der am 15. November 2002 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde Beweis aufgenommen durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt und in die Schriftsätze des Bf. Als Zeugen wurden der Sohn des Bf., J G, geboren am 19.6.1963, M G, R G, K W, RevInsp. B F und GrInsp. H F einvernommen.

3.2. Der unabhängige Verwaltungssenat hat auf Grund der aufgenommenen Beweise den folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt als erwiesen angenommen:

3.2.1. Auf Grund der telefonischen Anzeige des Zeugen J G jun. wurde das Gendarmeriefahrzeug G 1 (besetzt mit den Zeugen RevInsp. B und GrInsp. F) zum Haus des Bf. beordert. Teilweise über Funk und teilweise über das Diensthandy wurde den Beamten mitgeteilt, dass der Bf. seine Gattin, die im Frauenhaus untergebracht ist, telefonisch bedroht habe. Der Bf. wurde als jähzornig und unberechenbar beschrieben. Auf den legalen Waffenbesitz wurde besonders hingewiesen.

Während der Fahrt zum Einsatzort wurde aus Gründen der Eigensicherung über den Gendarmerieposten S ein weiteres Einsatzfahrzeug angefordert. Am Einsatzort trafen somit insgesamt drei Gendarmeriefahrzeuge, jeweils mit zwei Gendarmeriebeamten besetzt, ein. Vor dem Betreten des Hauses des Bf. wurden noch Erhebungen bei seiner Schwiegertochter getätigt. Danach versuchte GrInsp. F den Bf. telefonisch zu erreichen. Da der Bf. das Gespräch nicht entgegen genommen hat, begaben sich die sechs Gendarmeriebeamten zum Haus des Bf. RevInsp. B, ausgerüstet mit einer schusssicheren Weste, betätigte die Glocke. Die Zeugin W öffnete RevInsp. B und führte ihn zum Bf. Dieser ging dem eintretenden Gendarmeriebeamten entgegen. Bekleidet war der Bf. mit einer kurzen Hose (Short), einem Trägerleibchen und Badeschlapfen. Mittlerweile fand sich auch GrInsp. F beim Bf. ein und erläuterte den Grund des Einschreitens. Nach diesen Erläuterungen wurde der Bf. von ihm aufgefordert, seine Faustfeuerwaffe vorzuweisen. Der Bf. ging mit dem Zeugen GrInsp. F in den angrenzenden Raum. Dort öffnete der Bf. den Safe und folgte die Faustfeuerwaffe samt Munition an den Zeugen GrInsp. F aus. Anschließend ging der Bf. in Begleitung eines Beamten zum Pkw. Dort hatte er in einem Täschchen den Waffenpass verwahrt. Nach der Rückkehr in das Wohnzimmer übergab der Bf. GrInsp. F den Waffenpass. Die unverzügliche Ausfolgung einer Beschlagnahmebestätigung unterblieb.

Im Zuge der Amtshandlung teilte GrInsp. F dem Bf. mit, dass am Gendarmerieposten G eine Niederschrift aufgenommen werden müsse. Zu diesem Zweck habe der Bf. zum Gendarmerieposten G mitzukommen. Als Transportmittel wurde das Gendarmeriefahrzeug vorgesehen. Die Benutzung des eigenen Pkw wurde dem Bf. nicht gewährt.

Vor der Fahrt konnte der Bf. ein Kurzarmhemd überziehen und die Badeschlapfen gegen andere tauschen. In Begleitung aller einschreitenden Gendarmeriebeamten wurde der Bf. zum Gendarmeriefahrzeug gebracht. Die gesamte Amtshandlung verlief ruhig und emotionslos. Bei der Fahrt zum Gendarmerieposten befand sich der Bf. allein am Rücksitz des Gendarmeriefahrzeuges. Besondere Sicherungs-maßnahmen wurden dabei nicht getroffen. Am Gendarmerieposten wurde der Bf. von RevInsp. B niederschriftlich einvernommen. Die Befragung begann unmittelbar nach dem Eintreffen am Gendarmerieposten um 16.00 Uhr und endete um 17.10 Uhr. GrInsp. F nahm anfangs an der Befragung teil und führte nach dem Eintreffen der Gattin des Bf. deren Einvernahme durch. Auch nach dem Ende der Einvernahme durfte der Bf. den Gendarmerieposten G nicht verlassen. Bis zu seiner "Entlassung" um ca. 18.20 Uhr wurde der Bf. ständig von einem Gendarmeriebeamten überwacht. Gegen 17.30 Uhr traf seine Schwiegertochter, R G, am Gendarmerieposten G ein. Nach einer Wartezeit von ca. 10 Minuten konnte sie den Raum, in dem sich der Bf. und RevInsp. B befanden, betreten. RevInsp. B setzte die Zeugin davon in Kenntnis, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft abgewartet werden müsse. Während der Wartezeit brachte die Zeugin R G dem Bf. ein Glas Wasser, da dieser den Raum nicht verlassen durfte. Um 18.20 Uhr teilte der Staatsanwalt Dr. R S, Staatsanwaltschaft L, mit, dass er keinen Antrag auf Ausstellung eines Haftbefehles stellen werde. Daraufhin konnten der Bf. und die Zeugin R G den Gendarmerieposten G verlassen.

Am 7. August 2002 brachte der Bf. seine Restmunition zum Gendarmerieposten G. Nunmehr übergab GrInsp. F dem Bf. die vorgesehene Beschlagnahmebestätigung über den abgenommenen Trommelrevolver und 19 Schuss Munition. Als Ort der Beschlagnahme wurde Aschach angeführt und als Datum der 6. August 2002, 15.45 Uhr, bezeichnet. Die Bestätigung wurde sowohl vom Zeugen GrInsp. F als auch vom Bf. unterfertigt. Vor den Namen des Bf. setzte der Zeuge GrInsp F den Ort "G" und das Datum: "6. August 2002" ein.

3.2.2. Zu Beginn des Einschreitens lag die telefonische Bedrohung bereits über zwei Stunden zurück. Die Amtshandlung im Haus des Bf. wurde zügig und zielorientiert durchgeführt und verlief ruhig und emotionslos. Da laut Journalprotokoll die telefonische Anzeige um 15.05 Uhr eingegangen ist und die Einsatzkräfte vor Ort noch Erhebungen bei der Schwiegertochter des Bf. gemacht haben, kann der erste Kontakt mit dem Bf. nicht vor 15.20 Uhr stattgefunden haben. Laut Aktenlage wurde die Niederschrift am Gendarmerieposten G um 16.00 Uhr begonnen. Somit kann die Amtshandlung im Haus des Bf. höchstens 20 Minuten gedauert haben. Diese Annahme lässt sich mit den einzelnen Zeugenaussagen in Deckung bringen und weist darauf hin, dass der Bf. zumindest zeitlich unter Druck stand. Die Zeugen, und der Bf. haben übereinstimmend angegeben, dass bei keinem der verschiedenen Ermittlungsschritte eine förmliche Festnahme durchgeführt worden ist. Im Beweisverfahren ist auch nicht hervorgekommen, dass unmittelbare Zwangsgewalt tatsächlich eingesetzt worden wäre.

Den Zeugenaussagen ist zu entnehmen, dass es nicht der Intention des Bf. entsprochen hat, im Gendarmeriefahrzeug zum Gendarmerieposten G gebracht zu werden. Sein Widerstand gegen eine solche Fahrt wurde im Gespräch und durch die konsequente Art der Führung der Amtshandlung überwunden. Der Bf. stand dabei ständig unter Zeitdruck. Bezeichnend dafür ist das Vorgehen bei der Beschlagnahme der Faustfeuerwaffe, der Munition und der Übergabe des Waffenpasses. Der Zeuge GrInsp. F hat sich nach der Sicherstellung nicht einmal mehr die Zeit genommen, die gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Bestätigung auszufolgen. Bei der Beischaffung des Waffenpasses wurde der Bf. aufgefordert sich zu beeilen (siehe Protokoll - Zeugenaussage W: "Wo bleibt er denn?"). Weiters ging die Übernahme der Faustfeuerwaffe samt Munition so schnell vor sich, dass nicht einmal die anderen Gendarmeriebeamten diese bemerkt hatten.

Die unmittelbar danach vorherrschende Aufbruchstimmung - Fortsetzung der Amtshandlung am Gendarmerieposten zum Zwecke der Anfertigung der Niederschrift - wurde auch von der Zeugin W wahrgenommen. Dass auch GrInsp. F daran gelegen war, die Amtshandlung so schnell wie möglich am Gendarmerieposten G fortzusetzen, lässt sich schon aus seiner Aussage ableiten, wonach er darauf geschaut habe, dass der Bf. freiwillig mitfährt, weil er - der Zeuge - dies als beste Möglichkeit erachtet habe.

Unstrittig ist, dass der Bf. während der Amtshandlung in seinem Haus ständig in Begleitung zumindest eines Gendarmeriebeamten gewesen ist und beim Verlassen des Hauses wurde der Bf. von allen sechs Beamten eskortiert.

So ist zu verstehen, dass sich der Bf. auf Grund der massiven Gendarmeriepräsenz ohne erkennbaren Widerstand gefügt und an der Amtshandlung gezwungenermaßen mitgewirkt hat.

Das Verhalten der Beamten am Gendarmerieposten G (Begleitung beim Aufsuchen der Toilette; Verbot, den Einvernahmeraum kurzfristig zu verlassen) lässt nur den Schluss zu, dass der Bf. in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und ihm ein Verlassen des Gendarmeriepostens nicht gestattet worden ist. Auch wenn der Zeuge RevInsp. B in der mündlichen Verhandlung ausgesagt hat, dass dem Bf. das Verlassen des Gendarmeriepostens nicht ausdrücklich untersagt worden ist, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass dem Bf. die jederzeitige Ortsveränderung freigestanden wäre. Gerade das Gegenteil ist der Fall, da der Zeuge RevInsp. B in Anwesenheit des Bf. der Schwiegertochter erklärt hatte, dass der Bf. den Gendarmerieposten noch nicht verlassen dürfe, da der Staatsanwalt noch nicht informiert worden sei.

Auf ein ausgesprochenes oder durch bestimmendes Verhalten der Beamten faktisch hervorgekommenes "Bekleidungsverbot" kann nach dem Beweisverfahren nicht geschlossen werden. Auch wenn der Bf. während der Amtshandlung zeitlich unter Druck stand, wurde ihm die erforderliche Zeit gewährt, sich adäquat zu kleiden. Selbst die vom Bf. namhaft gemachte Zeugin W hat dargelegt, dass der Bf. das Schuhwerk wechseln konnte und ein Kurzarmhemd überziehen durfte. Daraus, dass er ihrer mehrmaligen Aufforderung, sich auch eine andere Hose anzuziehen, nicht nachgekommen ist, kann den Beamten nicht der Vorwurf gemacht werden, dass sie ihm verboten hätten, sich angemessen zu kleiden.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 74).

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl mwN Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 8. A, 1996, Rz 610).

Da unbestritten kein richterlicher Befehl vorlag, erfolgte das Einschreiten der Gendarmen selbständig. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6.10.1999, 99/01/0120) ausgeführt hat, ist in einem solchen Fall das auf eigener Willensbildung beruhende Organverhalten der Verwaltung zuzurechnen, obwohl das Einschreiten im Dienste der Strafjustiz erfolgte.

4.2.1. Nach Art.5 Abs.1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Absatz 1 lit. a) bis f) und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.

Art.1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (PerFrSchG), BGBl Nr. 684/1988, gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art.1 Abs.2 PersFrSchG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art.1 Abs.3 PersFrSchG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

Die Freiheitsentziehung im Sinne des PersFrSchG und der EMRK umfasst sowohl die Verhaftung (Festnahme) als auch die Anhaltung. Die Verhaftung (Festnahme) ist ein einmaliges Ereignis, sozusagen der Eintritt einer Freiheitsbeschränkung, der vom Willensakt eines Organs (Menschen) getragen wird. Dagegen stellt die Anhaltung die Fortdauer, die Aufrechterhaltung des einmal eingetretenen Zustands der Festgenommenheit dar (vgl. Ermacora, Grundriss der Menschenrechte in Österreich, 1988, Rz 364 ff). Auch dieses Verhalten eines Organs muss von dessen Willen getragen sein. Damit müssen jeweils zwei Elemente vorliegen, nämlich ein tatsächliches Verhalten und der Wille zur Freiheitsbeschränkung. Dieser Wille, durch den das bloße Verhalten erst zum normativen Akt - hier: zum Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - wird, kann etwa dadurch ausdrücklich erklärt werden, dass jemand durch ein Organ "für verhaftet erklärt" wird. Andererseits kann ein Organverhalten auch dann eine Freiheitsentziehung bedeuten, wenn das Organ den Willen nicht ausdrücklich erklärt hat, dieser aber aus seinem Verhalten erschlossen werden muss.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann von einem Eingriff in die persönliche Freiheit nur gesprochen werden, wenn der behördliche Wille primär auf eine Freiheitsbeschränkung gerichtet war, diese sich also nicht bloß als sekundäre Folge anderer Maßnahmen, mit denen Bewegungsbehinderungen verbunden sind, darstellt (vgl etwa VfSlg 5280/1966, 5570/1967, 8327/1978, 7298/1974, 12.017/1989, 12.792/1991). Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1998, B 1341/97, wurde in diesem Zusammenhang aber auch zum Ausdruck gebracht, dass eine nach Art und Umfang überschießende Amtshandlung eine einer Festnahme gleichkommende Beschränkung der persönlichen Freiheit darstellen kann.


4.2.2. Ein wesentliches Kriterium der Freiheitsentziehung ist die Unfreiwilligkeit. Ein freiwilliges Verhalten des Betroffenen kann nicht als Freiheitsbeschränkung gedeutet werden. Schon die Androhung von physischem Zwang genügt, um die Freiwilligkeit auszuschließen. Bloße Einladungen sind hingegen nicht als Androhung von Zwang zu werten. Eine bloße Einladung liegt nach VfSlg 13.156/1992 dann vor, wenn der Betroffene nach eigenem Gutdünken der Einladung auch nicht nachkommen konnte, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass er deshalb unverzüglich und unmittelbar physischem Zwang unterworfen werde. Es handelt sich dabei um ein schlichtes Ansinnen, das keinen individuell-normativen Inhalt aufweist. Ein solches ist auch dann gegeben, wenn keine Androhung der sofortigen Festnahme erfolgt ist oder wenn bloß ein Wunsch geäußert wird, der keinen die sofortige Befolgung erheischenden Befehl darstellt, bei dessen Nichtbefolgung der Betroffene mit der Ausübung von körperlichem Zwang zu rechnen hätte (VfSlg 11.568/1987).

Im gegenständlichen Fall ist aus den Gesamtumständen und dem Verhalten der Gendarmeriebeamten auf einen Festnahme- und Anhaltewillen zu schließen. Dies geht zunächst schon aus der Intention des die Amtshandlung führenden Gendarmeriebeamten GrInsp F (vgl. Tonbandprotokoll, Seite 19, Aussage des Zeugen GrInsp F: "Hätte sich der Bf. geweigert mitzufahren, dann hätte ich zwangsläufig die StA anrufen müssen, um Weisungen einzuholen. Ich habe geschaut, dass der Bf. freiwillig mitfährt. Ich habe dies als die beste Situation erachtet") klar hervor. Auch nach der Schilderung des Bf. lässt das Verhalten des Gendarmeriebeamten GrInsp F nur auf eine tatsächlich erfolgte - wenn auch nicht ausgesprochene - Freiheitsbeschränkung im Sinne einer Festnahme schließen. Der Bf. wurde "unmissverständlich zum Mitfahren mit dem Dienstfahrzeug" aufgefordert. Sein Wunsch, mit dem eigenen Pkw fahren zu wollen, ist unmissverständlich abgelehnt worden. Dieses Ersuchen wurde sowohl vom Zeugen RvInsp B als auch von der Zeugin W wahrgenommen. Letztere konnte sich auch noch daran erinnern, dass einer der Gendarmeriebeamten die Bitte des Bf. mit den Worten "Nein, sie müssen mit uns fahren" (vgl. Tonbandprotokoll, Seite 16, Aussage der Zeugin W) abgelehnt hatte.

Betrachtet man die gesamte Situation (Auftreten von sechs Gendarmeriebeamten - davon einer mit einer schusssicheren Weste; Eskortierung in den Keller, um den Waffenpass zu holen; Konfrontation mit dem Verdacht, eine gerichtlich strafbare Handlung begangen zu haben; Beschlagnahme der Faustfeuerwaffe ohne Ausfolgung einer Bestätigung; Eskortierung zum Gendarmeriefahrzeug, Beaufsichtigung bei der Notdurftverrichtung durch einen Gendarmeriebeamten; Einschränkung der Bewegungsfreiheit am Gendarmerieposten G), so ist das Verhalten der Gendarmeriebeamten nur als Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren.

4.2.3. Nach Art.4 Abs.2 iVm Art.2 Abs.1 Z2 lit.a PersFrSchG darf einem Menschen die persönliche Freiheit auf die gesetzlich vorgesehene Weise u.a. entzogen werden, wenn der Betroffene einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig ist, und zwar zum Zweck der Beendigung des Angriffes oder zur Feststellung des Sachverhaltes, sofern der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht, dass der Verdächtige einen bestimmten Gegenstand innehat; er ist freizulassen, sobald sich ergibt, dass kein Grund zu seiner weiteren Anhaltung vorhanden ist.

Gemäß § 177 Abs.1 StPO kann die vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen ausnahmsweise auch ohne schriftliche Anordnung durch Organe der Sicherheitsbehörden zum Zwecke der Vorführung vor den Untersuchungsrichter in den Fällen des § 175 Abs.1 Z1 StPO (Betreten auf frischer Tat oder im engsten zeitlichen Zusammenhang) oder in den Fällen des § 175 Abs.1 Z2 bis 4 (Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, Tatbegehungs- oder Ausführungsgefahr) erfolgen, wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich ist.

Nach § 177 Abs.2 StPO ist der Festgenommene unverzüglich zur Sache sowie zu den Voraussetzungen der Verwahrungshaft zu vernehmen und sogleich freizulassen, wenn sich dabei ergibt, dass kein Grund zur weiteren Anhaltung vorhanden ist.

4.2.4. Der Vertreter der belangte Behörde hat in der mündlichen Verhandlung eine Festnahme durch die einschreitenden Beamten ausgeschlossen und ist ausschließlich davon ausgegangen, dass der Bf. dem Ersuchen des Gendarmeriebeamten Folge geleistet hat und freiwillig zum Gendarmerieposten mitgefahren ist.

Wie unter Punkt 3.2.2. festgestellt, konnte das Verhalten des Bf. aber nicht als freiwillige Mitwirkung an der Amtshandlung qualifiziert werden. Das Vorgehen der einschreitenden Beamten stellte vielmehr einen Akt verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt mit impliziertem Duldungsbefehl dar.

4.2.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hatte somit zu prüfen, ob die Festnahme auf Art.4 Abs.2 iVm. Art.2 Abs.1 Z2 PersFrSchG oder auf § 177 Abs.1 StPO gestützt werden kann.

4.2.5.1. Unstrittig lag zum Zeitpunkt des Einschreitens kein "Angriff" mehr vor. Die Festnahme kann sich daher nicht auf Art.2 Abs.1 Z2 lit.a PersFrSchG (1. Variante) stützen.

Um sich auf die 2. Variante des Art.2 Abs.1 Z2 lit.a PersFrSchG stützen zu können, hätte die Haft zur sofortigen Sachverhaltsfeststellung notwendig sein müssen. Die Haft ist hier aber nur mit der Einschränkung zulässig, dass der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entstanden sein muss, dass der Verdächtige einen bestimmten Gegenstand innehat.

Im Beweisverfahren ist nicht hervorgekommen, dass die Sachverhaltsfeststellung sofort notwendig gewesen ist. Den einschreitenden Beamten erschien es lediglich tunlicher, die niederschriftliche Befragung am Gendarmerieposten durchzuführen. Darüber hinaus war zum Zeitpunkt des Einschreitens der enge zeitliche Zusammenhang mit der Tat nicht mehr gegeben. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zur "Begehung unmittelbar nach der Tat" unter Punkt 4.2.5.2. verwiesen.

Die beschlagnahmte Faustfeuerwaffe könnte nur dann einen Gegenstand darstellen, wenn deren Innehabung auf die Tatbegehung hingewiesen hätte. Nachweislich wurde bei der "Gefährlichen Drohung" die Faustfeuerwaffe weder direkt noch indirekt angesprochen. Den einschreitenden Beamten wurde aus Gründen der Eigensicherung u.a. die Information "Der Bf. besitzt legal Waffen" gegeben. Dass die (unausgesprochene) Festnahme nicht der sofortigen Sachverhaltsfeststellung gedient hat, bestätigt sich auch durch die Aufrechterhaltung der "Haft" im Anschluss an die abgeschlossene niederschriftliche Befragung des Bf. Diese ist nämlich erst nach der Verständigung des zuständigen Staatsanwaltes aufgehoben worden.

Das Motiv für den Verzicht auf die richterliche Anordnung der Haft ist auch in den Fällen des Art.2 Abs.1 Z2 lit.b und c PersFrSchG das Bedürfnis nach einer besonders raschen Intervention.

Für den Oö. Verwaltungssenat ist aber nicht ersichtlich, welche Umstände die einschreitenden Gendarmeriebeamten daran gehindert hätten, zumindest telefonisch einen Haftbefehl des Journalrichters einzuholen. Insbesondere war nach erfolgter Beschlagnahme der gegenständlichen Faustfeuerwaffe zufolge der übereinstimmenden Schilderung aller Beteiligten die Lage keineswegs derart unübersichtlich oder der Bf. in einer Weise körperlich aggressiv, dass keine Zeit oder Gelegenheit für ein diesbezügliches Telefonat mit dem Diensthandy geblieben wäre, noch dazu, wo sechs Gendarmeriebeamte im Haus des Bf. anwesend waren.

Durch das Vorgehen der Gendarmeriebeamten wurde der Bf. in seinem durch Art.4 Abs.1 iVm Art.2 Abs.1 Z2 PersFrSchG verfassungsgesetzlich gewährleistetem Recht verletzt.

4.2.5.2. Während bei den Haftgründen des § 175 Abs.1 Z2 bis Z4 StPO die ausnahmsweise vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen zum Zwecke der Vorführung vor den Untersuchungsrichter durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung nur dann statthaft ist, wenn sich die Einholung eines richterlichen Befehls wegen Gefahr in Verzug als untunlich erweist, wird letzteres Erfordernis in Bezug auf den Haftgrund des § 175 Abs.1 Z1 StPO nicht aufgestellt. Will man der Regelung des § 177 Abs.1 leg.cit. keinen Wertungswiderspruch unterstellen, so kann das nur bedeuten, dass in einem solchen Falle die Einholung des richterlichen Befehls schon der Natur der Sache nach nicht in Betracht kommt, weil jede Verzögerung zur Vereitelung dieses Haftgrundes führte (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz2, Kommentar, Seite 1155; Foregger/Kodek, StPO7, Anmerkung zu § 177, wonach den Fällen des § 175 Abs.1 Z1 StPO das Moment der Gefahr in Verzug innewohnt).

Da der Sachverhalt, der dem Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens entspricht, von den Organen der Sicherheitsbehörden nicht unmittelbar wahrgenommen worden ist, scheidet diese erste Variante des § 175 Abs.1 Z1 StPO aus. Die vorläufige Verwahrung des Bf. wäre als zulässig zu erachten, wenn er unmittelbar nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens "glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt" wird (zweite Variante des § 175 Abs.1 Z1 StPO). Die Beschuldigung bildet aber nur dann einen Haftgrund, wenn diese "unmittelbar nach der Begehung" des Verbrechens oder Vergehens erfolgt ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat einen Zeitraum von einer halben bis zu einer guten Stunde nach der Tat noch als "unmittelbar nach Begehung" qualifiziert (VfSlg 12.136/1989). Wesentlich ist, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Tat und dem behördlichen Einschreiten gegen einen Verdächtigen vorliegen muss (vgl. VfSlg 7244/1974 und VfSlg 8816/1980; es bedarf also nicht nur eines direkten Zusammenhanges zwischen präsumtiver Tatbegehung und Beschuldigung, sondern auch zwischen Tatbegehung und Verhaftung).

Im gegenständlichen Fall ist die (unausgesprochene) Festnahme deutlich mehr als zwei Stunden nach der Tat erfolgt. Sie wurde somit nicht mehr "unmittelbar nach der Begehung" vorgenommen. Da auch von einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat nicht mehr die Rede sein konnte, kommt § 175 Abs.1 Z1 StPO als Grundlage für die Verhaftung des Beschwerdeführers nicht in Betracht.

Zu prüfen ist weiter, ob ein anderer Haftgrund nach § 175 StPO herangezogen werden könnte. Grundlegende Voraussetzung für eine ohne richterlichen Befehl vorgenommene Festnahme ist der Umstand, dass wegen Gefahr im Verzug die Einholung eines richterlichen Befehls nicht tunlich ist.

Das Beweisverfahren hat keinen Hinweis erbracht, dass Gefahr im Verzug vorgelegen ist. Vor der unausgesprochen gebliebenen Festnahme haben sich mehrere Gendarmeriebeamten im Haus des Bf. befunden. Es lagen keine besonderen Umstände vor, die die Einholung eines richterlichen Befehles nicht erlaubt hätten. Die Amtshandlung ist ruhig und sachlich abgelaufen, der Bf. hat die vorschriftsgemäß verwahrte Faustfeuerwaffe ausgefolgt und den Waffenpass in Begleitung eines Gendarmeriebeamten herbeigeschafft. Dem die Amtshandlung führenden Gendarmeriebeamten wäre es jederzeit möglich gewesen mit dem mitgeführten Diensthandy einen richterlichen Befehl zu erwirken. Von der Kontaktaufnahme mit der "StA" wurde aber bewusst Abstand genommen (arg.: "....habe geschaut, dass der Bf. freiwillig mitfährt").

Bei der gegebenen Sachlage ist kein Grund für die Annahme zu erkennen, dass die telefonische Einholung des Befehls eines Untersuchungs- bzw. Journalrichters untunlich gewesen wäre. Die Festnahme kann somit nicht auf die §§ 175, 177 StPO gestützt werden.

4.3. Der zweite Satz des Art.5 StGG und Art.1 des 1. ZP EMRK enthalten Gesetzesvorbehalte. Demnach kann der zuständige Gesetzgeber Enteignungen entweder unmittelbar vornehmen oder durch Verwaltungsakt vorsehen (VfSlg 2680, 3119, 9911).

Gemäß § 13 Abs.1 WaffenG sind die Organe der öffentlichen Aufsicht bei Gefahr im Verzug ermächtigt,

1. Waffen und Munition sowie

2. Urkunden (ausgenommen Jagdkarten),

die nach diesem Bundesgesetz zum Erwerb, Besitz, Führen oder zur Einfuhr von Waffen oder Munition berechtigen, sicherzustellen, wenn sie Grund zur Annahme haben, dass deren Besitzer durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte; § 50 SPG gilt. Die Organe haben dem Betroffenen über die Sicherstellung sofort eine Bestätigung auszustellen.

4.3.1. Die belangte Behörde hat in der mündlichen Verhandlung die vorläufige Beschlagnahme auf § 13 WaffenG gestützt. Dagegen ist der Bf. davon ausgegangen, dass Gefahr im Verzug nicht vorgelegen ist und hat daher beantragt, den Beschlagnahmeakt für rechtswidrig zu erklären.

4.3.2. Eine Zustimmung zu dieser Amtshandlung konnte nicht festgestellt werden. In der mündlichen Verhandlung ist schlüssig hervorgekommen, dass die Abnahme der Waffe über Anordnung des einschreitenden Organs erfolgt ist und der Bf. die Faustfeuerwaffe, den Waffenpass und die Munition nicht aus freien Stücken übergeben hat. Es wurde somit Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt.

Der Oö. Verwaltungssenat hatte zu prüfen, ob die Sicherstellung zu Recht erfolgte, weil Gefahr im Verzug vorgelegen ist und die Organe der öffentlichen Aufsicht Grund zur Annahme haben konnten, dass der Bf. durch eine missbräuchliche Verwendung der Faustfeuerwaffe das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

4.3.3. Vor Beginn der Amtshandlung erhielten die einschreitenden Gendarmeriebeamten die Information, dass der Bf. seine Gattin, die im Frauenhaus Steyr untergebracht war, telefonisch bedroht hatte und der Bf. legal über Waffen verfügte. Den Beamten wurde auch mitgeteilt, dass die Anzeige vom Sohn des Bf., einem Polizeibeamten, telefonisch am Gendarmerieposten G erstattet worden wäre.

Da in einer solchen Situation die behördliche Maßnahme - Waffenverbot nach § 12 WaffenG - zu spät gekommen wäre, lag Gefahr im Verzug vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat sogar schon einen anonymen Anruf ausreichen lassen, um Gefahr im Verzug anzuerkennen (VwGH 11.5.1983, 82/01/0196).

Zu der im Grunde gleichlautenden Bestimmung im § 12 WaffenG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung einer Waffe nicht nur in Bezug auf ein Verhalten anzunehmen ist, das zu einer gerichtlichen Verurteilung geführt hat (VwGH 18.12.1991, 91/01/0128; 18.1.19995, 93/01/0870). Weiters kommt es auch nicht auf die strafrechtliche Subsumierbarkeit des angezeigten Verhaltens ("Tatbestand der gefährlichen Drohung") für die Verhängung eines Waffenverbotes an (VwGH 6.11.1997, 96/20/0296). Es steht der Verwertung der Angaben der Gattin und der Tochter nicht dagegen, dass die Genannten die Ermächtigung zur gerichtlichen Strafverfolgung zurückgezogen haben (VwGH 10.10.1996, 95/20/0236).

§ 13 WaffenG dient der Verhütung einer missbräuchlichen (dh. "gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch") Verwendung von Waffen und setzt nicht voraus, dass bereits tatsächlich eine missbräuchliche Verwendung durch den Besitzer erfolgt sein muss (vgl. hiezu VwGH 25.3.1999, Zl. 98/20/0279). Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein die Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigender gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht werden könnte. Hierbei ist nach dem Waffengesetz

 allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. die im vorerwähnten Erkenntnis des VwGH vom 25.3.1999 zitierte Judikatur). Nach der Rechtsprechung ist der Begriff der "missbräuchlichen Verwendung" einer Waffe nicht restriktiv auszulegen (vgl. insoweit VwGH 28.11.1995, Zl. 95/20/0255).

4.3.4. Die einschreitenden Beamten konnten aufgrund ihres Informationsstandes (Gefährliche Drohung - "es wird etwas Fürchterliches passieren", getrennte Unterkünfte, ..) zum Zeitpunkt ihres Einschreitens berechtigt annehmen, dass der Bf. durch missbräuchliche Verwendung der Faustfeuerwaffe das Leben, die Gesundheit oder Freiheit von Menschen gefährden könnte.

Die Sicherstellung der Faustfeuerwaffe samt Munition war gemäß § 13 WaffenG zulässig. Das Unterlassen der unverzüglichen Ausstellung der Bestätigung über die vorläufige Beschlagnahme und die vorgenommene Rückdatierung auf dem verspätet ausgestellten Beleg stimmen bedenklich, führen aber nicht zur Rechtswidrigkeit der Sicherstellung schlechthin.

4.4. Gemäß Art.3 MRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher bzw. erniedrigender Strafe oder Behandlung unterzogen werden. Art.1 Abs.4 PersFrSchG legt fest, dass ein Festgenommener unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln ist; er darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind. Auch § 47 Abs.1 SPG gewährleistet in diesem Umfang das Recht auf Achtung der Menschenwürde des Betroffenen und fordert die möglichste Schonung seiner Person ein. Darüber hinaus verweist § 47 Abs.2 SPG auf § 53c Abs.1 und 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991.

4.4.1. Der Bf. hat sich durch das angebliche Verbot, sich anzukleiden, in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten und einfachgesetzlichen Rechten verletzt gefühlt. In den Beschwerdeausführungen brachte der Bf. vor, dass er im Zuge der Festnahme Beschränkungen unterworfen worden wäre.

4.4.2. Eine physische Zwangsmaßnahme verstößt nur dann auch gegen Art.3 EMRK, wenn qualifizierend eine "gröbliche Missachtung des Betroffenen als Person" hinzutritt (vgl. Nachweise bei Mayer, B-VG2, 530, II.1. zu Art.3 EMRK).

Im Beweisverfahren hat sich der Vorwurf des Bf. nicht bestätigt. Wie oben in der Beweiswürdigung dargelegt, hatte der Bf. die Möglichkeit, sich adäquat zu kleiden. Weder Art.3 EMRK noch Art.1 Abs.4 PersFrSchG kann die Verpflichtung entnommen werden, dass die Beamten auf eine witterungsbedingte Bekleidung des Bf. hinwirken müssen.

Dass die Menschenwürde des Bf. auf andere Weise nicht beachtet oder die Festnahme und Anhaltung nicht mit möglichster Schonung vorgenommen worden wäre, wurde weder in der Beschwerde behauptet noch ist ein derartiger Anhaltspunkt im Verfahren hervorgekommen. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach dem Ergebnis des durchgeführten Beweisverfahrens keinen Grund für die Annahme, die Gendarmeriebeamten wären nicht mit der ihnen möglichen Schonung der Person des Bf. vorgegangen. Von einer gröblichen Missachtung der Person des Bf. (Art.3 EMRK) kann nach der gegebenen Sachlage überhaupt keine Rede sein. Aber auch eine Verletzung des Art.1 Abs.4 PersFrSchG 1988 oder des richtungsgleichen § 47 Abs.1 SPG kann der Oö. Verwaltungssenat bei der gegebenen Sachlage nicht erkennen. Daher musste auch der Beschwerde wegen menschenunwürdiger Behandlung ein Erfolg versagt bleiben.

4.5. Aus all diesen Gründen war der vorliegenden Beschwerde sohin gemäß § 67c Abs.3 AVG insoweit stattzugeben, als die Festnahme des Beschwerdeführers ohne richterlichen Haftbefehl für rechtswidrig zu erklären war; hinsichtlich des weiteren Vorbringens war diese hingegen als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis hatte der Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde tätig geworden ist, dem Bf. als der obsiegenden Partei gemäß § 79a AVG 1991 den notwendigen Verfahrensaufwand zu ersetzen. Als Aufwendungen gelten nach § 79a Abs.4 AVG neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen die durch Verordnung des Bundeskanzlers (vgl. Aufwandersatzverordnung UVS BGBl II Nr. 499/2001) festgesetzten Pauschalbeträge für Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand. Danach beträgt der dem Bf. zustehende Schriftsatzaufwand 610 Euro und der Verhandlungsaufwand 755 Euro. Dem Bf. waren daher 1.365 Euro und die noch zu entrichtende Eingabengebühr von 13 Euro, insgesamt daher 1.378 Euro zuzusprechen.

Mangels Antragstellung kein Zuspruch von Verfahrensaufwand zugunsten des Bundes in Bezug auf die abgewiesenen Maßnahmenbeschwerden.

Analog dem § 59 Abs.4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl. zur RV 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 39 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

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