Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520514/3/Br/Pe/Gam

Linz, 10.02.2004

 

 

 VwSen-520514/3/Br/Pe/Gam Linz, am 10. Februar 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W U, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, vom 13. Jänner 2004, Zl. VerkR21-272-2002, zu Recht:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 AVG idF BGBl.I Nr. 117/2002 iVm § 7 Abs.1 und Abs.3 Z2 FSG zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 129/2002;

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Bescheid hat die Behörde erster Instanz "auf Grund der vom Gendarmerieposten Neuhofen/Krems erstatteten Verkehrsunfallanzeige, GZ. 1981/02 Neu vom 16.6.2002, der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz, 7 Bs 178/03 vom 11.9.2003, bzw. des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung in erster Instanz dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse "B" welche ihm am 3.9.1985 von der Bundespolizeidirektion Steyr, unter AZ: F 598/85, ausgestellt wurde, vorübergehend auf die Dauer von 3 Monaten - gerechnet ab Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides - entzogen.

Ebenfalls wurde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit eine Nachschulung als begleitende Maßnahme angeordnet und ergänzend ausgesprochen, dass die Entzugsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung endet."

 

 

2. Die Behörde erster Instanz führte in ihrer Entscheidungsbegründung folgendes aus:
"zu 1.:
 

Auf Grund der in der Präambel bereits näher bezeichneten Anzeige der Gendarmerie Neuhofen/Krems wurde gegen Sie mit Ladungsbescheid vom 17.9.2002 ein Verfahren zur Entziehung Ihrer Lenkberechtigung eingeleitet.

Anlässlich Ihrer - anwaltlich vertretenen - Einvernahme am 15.10.2002, wurde Ihnen der Grund des Verfahrens zur Kenntnis gebracht und mitgeteilt, dass das Entziehungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage i.S. des § 38 AVG ausgesetzt wird.

Nunmehr wurden Sie in der Berufungsverhandlung des OLG Linz am 11.9.2003 schuldig erkannt, "Sie haben am 20.5.2002 in Neuhofen/Krems

1 . als Lenker des PKW Citroen Saxo mit dem amtlichen Kennzeichen unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit sowie der Einhaltung einer für das Ortsgebiet überhöhten Geschwindigkeit von über 60 km/h, bei einer Blutalkoholkonzentration von über 0,5 Promille sowie regennasser und rutschiger Fahrbahn, mithin unter besonders gefährlichen Verhältnissen dadurch, dass Sie an der Kreuzung B 139 - P A um einen Auffahrunfall zu vermeiden, eine Notbremsung einleiteten und Ihr Fahrzeug nach links verrissen, sodass Sie mit dem von G K gelenkten entgegenkommenden PKW mit dem amtlichen Kennzeichen kollidierten, fahrlässig den Lenker dieses PKW's und seine drei Autoinsassen am Körper verletzten, wobei G K eine Zerrung der Halswirbelsäule, verbunden mit einer mehr als drei Tage dauernden Gesundheitsschädigung, M V eine Schädelprellung, einer Zerrung der Halswirbelsäule und eine Prellung des linken Kniegelenkes, verbunden mit einer mehr als drei Tage dauernden Gesundheitsschädigung, P V eine Nasenprellung sowie A V eine Zerrung der Halswirbelsäule erlitten;

2. durch die zu 1. geschilderte Tathandlung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit der weiteren Autoinsassen im PKW des G K, nämlich B St und ihre Beifahrerin B Z herbeigeführt. Sie haben hiedurch zu 1. das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 3 (81 Abs. 1 Ziff. 1) StGB, zu 2. das Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (81 Abs. 1 Ziff. 1) StGB begangen" und Sie wurden hiefür unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach § 88 Abs. 3 StGB in Neubemessung der Strafe zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 (zwei) Monaten verurteilt.

 

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

 

In Ihrer Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme brachten Sie im wesentlichen vor, dass Sie seit September 1985 im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung seien und in diesem Zeitraum lediglich im Jahre 1999 eine Anonymverfügung zugesandt bekamen, nie einen Verkehrsunfall verursacht haben und auch sonst keine wie immer gearteten Anzeigen bezüglich Verkehrsübertretungen gegen Sie eingebracht wurden.

Seit 1988 stehen Sie im Dienst der Bundespolizeidirektion Linz, dies bedeute, dass Sie seit diesem Zeitraum von über 15 Jahren Einsatzfahrzeuge lenken und auch dabei keinen Verkehrsunfall verursacht haben.

Wenn Ihnen nunmehr mitgeteilt werde, dass nun aufgrund mangelnder Verkehrszuverlässigkeit, dies einzig und allein wegen des Vorfalles vom 20.5.2002, ein Entziehungsverfahren eingeleitet werde, so dürfe nochmals eindringlich auf das bisherige unfallfreie Fahren (Einsatzfahrzeuge über 15 Jahre) hingewiesen werden.

Gehe man davon aus, dass der Vorfall vom 20.5.2002 bereits mehr als 1 1/2 Jahre bzw. fast 20 Monate zurückliege, so erscheine dieses Verfahren nicht mehr gerechtfertigt.

Bei einer richtigen Wertung gemäß § 7 FSG könne man nicht davon ausgehen, dass bei Ihnen keine Verkehrszuverlässigkeit gegeben sei.

Mit Ausnahme des bedauerlichen Vorfalles vom 20.5.2002 haben Sie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens bewiesen, dass Sie absolut verkehrszuverlässig seien. Ein Entzug der Lenkberechtigung fast 20 Monate nach dem Vorfall sei nicht mehr angebracht. Eine mangelnde Verkehrszuverlässigkeit könne, wenn man auch den Zeitraum vor dem Vorfall in Betracht ziehe, nicht angenommen werden.

 

Beim Vorfall vom 20.5.2002 handle es sich um ein einmaliges Fehlverhalten.

 

Ein Entzug der Lenkberechtigung würde es fast unmöglich machen, Ihrem Beruf nachzukommen, da Sie am Lande (Adlwang) wohnen und es infolge der Dienstzeiten (06.00 Uhr bis 18.00 Uhr bzw. 18.00 Uhr bis 06.00 Uhr), Überstunden ohne Vorankündigung bis in die Nachtstunden, regelmäßige Nacht-, Sonn- und Feiertagsdienste nicht möglich sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.
Auch die Möglichkeit einer Fahrgemeinschaft bestehe nicht.

Ihre Gattin könne Sie nicht zum Dienst nach Linz bringen, da ein 18 Monate altes und ein 2 Monate altes Kind zu versorgen sei.

 
Hierüber hat die Behörde wie folgt erwogen:

 

Nach § 7 Abs. 1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

  1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
  2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG hat insbesondere zu gelten, wenn jemand: "als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Vergehen setzt, dass an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat;"

Für die Wertung der in Abs. 3 beispielweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit ist ein strenger Maßstab anzuwenden, wobei es darum geht, aus dem bisherigen Verhalten des zu Beurteilenden im Straßenverkehr die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Hiebei ist die charakterliche Veranlagung einer Beurteilung zu unterziehen, wobei alle Handlungen der zu beurteilenden Person, die nach außen in Erscheinung treten und der Behörde bekannt sind, zu analysieren und zu werten und eine Zukunftsprognose aufzustellen ist.

Dazu ist auf Grund der Aktenlage zunächst festzustellen, dass der Angezeigte im Zusammenhang mit dem eingangs bereits ausführlich dargelegten besonders gefährlichen Verhältnissen (überhöhte Geschwindigkeit im Ortsgebiet von über 60 km/h, regennasse und rutschige Fahrbahn, Blutalkoholkonzentration von über 0,5 Promille ... ) einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursachte.

Diesbezüglich bedarf es im Hinblick auf das gerichtliche Urteil keiner neuerlichen Auseinandersetzung.

Zu diesen besonders gefährlichen Verhältnissen kommt auch noch die Tatsache, dass er gegenüber den einschreitenden Gendarmeriebeamten angab, B Z habe den PKW gelenkt. Diese Verschleierung musste ebenfalls als besonders verwerflich gewertet werden, zumal dadurch eine ordnungsgemäße Ermittlung seines Atem-/bzw. Blutalkoholgehaltes vereitelt wurde.

Dem Wohlverhalten in jener Zeit, in der das Entziehungsverfahren anhängig ist - im vorliegenden Fall seit Zustellung des Ladungsbescheides am 19.9.2002 - kann hingegen nur geringere Bedeutung zu kommen.

 

Durch die Tatsache, dass das gemäß § 38 AVG ausgesetzte Verfahren erst nach rechtskräftiger Entscheidung der Vorfrage durch das zuständige Gericht weitergeführt bzw. abgeschlossen wurde, verliert nach ha. Ansicht die Entziehung nicht ihre sachliche Rechtfertigung. Nach sinngemäßer Anwendung des Erkenntnisses des VfGH vom 14.3.2003 stellt die Fernhaltung eines vorübergehend verkehrsunzuverlässigen Lenkers vom Straßenverkehr nur einen von mehreren Gründen dar, der eine befristet ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung rechtfertigt.

Die Entziehung der Lenkberechtigung ist nicht (nur) als Maßnahme der polizeilichen Gefahrenabwehr konzipiert, die eine unmittelbar effektive und sofortige Sicherung bewirkt, sondern sie entfaltet vor allem auch insofern einen Schutzeffekt im Interesse der Verkehrssicherheit, dass sie auf den Lenker ermahnend und erzieherisch wirkt.

Da ein Erziehungseffekt schon darin besteht, dass dem Lenker die Entziehung droht, entfaltet bereits der Zeitraum während der Dauer des Strafverfahrens beim Lenker erzieherische Wirkung.

 

Nach der Bestimmung des § 24 Abs. 1 Ziff. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Ziff 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen (§ 25 Abs. 3 FSG).

 

Auf Grund des eingangs angeführten Sachverhaltes und dessen Wertung gelangte die Behörde zur Auffassung, dass Sie vorübergehend nicht verkehrszuverlässig sind, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

zu II.:

 

Nach § 24 Abs. 3 FSG kann die Behörde bei der Entziehung der Lenkberechtigung begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen.

Da im gegenständlichen Fall durch die Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten gesetzt wurde, dass an sich geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, war eine Nachschulung anzuordnen."
 

2.1. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung:

"In umseits näher bezeichneter Verwaltungsrechtssache wird gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 13.01.2004, AZ: VerkR21-272-2002, zugestellt am 14. Jänner 2004, binnen offener Frist das Rechtsmittel der

 

Berufung

 

erhoben.

 

Der oben näher bezeichnete Bescheid wird seinem gesamten Inhalt nach, somit in Punkt 1.

 

(Entziehung der Lenkerberechtigung) und Punkt 11. (Anordnung einer Nachschulung) angefochten.

 

Als Berufungsgründe werden geltend gemacht: Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache.
 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einschreiter die Lenkerberechtigung für die Klasse B, vorübergehend auf die Dauer von 3 Monaten, gerechnet ab Vollsteckbarkeit des Entziehungsbescheides, entzogen; weiters wurde mit dem angefochtenen Bescheid eine begleitende Maßnahme (Nachschulung) angeordnet, sodass sich der Einschreiter dieser begleitenden Maßnahme (Nachschulung) zu unterziehen hat.

 

Der angefochtene Bescheid stützt sich im wesentlichen auf die nunmehr vorliegende rechtskräftige Entscheidung, betreffend das Strafverfahren 15 Hv 16 / 03 t, Landesgericht Steyr, bzw. Urteil OLG Linz GZ: 7 Bs 178 / 03, wonach der Einschreiter am 20.05.2002 einen Verkehrsunfall verursacht hat, und zwar im Sinne der Bestimmungen des § 88 Abs. 1 und 3 (§ 81 Abs. 1 Z 1) StGB, sowie nach § 89 (81 Abs. 1 Z 1) StGB. Über den Einschreiter wurde eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Monaten verhängt, wobei diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde (§ 43 Abs. 1 StGB).

Im konkreten Fall wird dem Berufungswerber im anhängigen Entziehungsverfahren als erschwerend angelastet, dass die ursprüngliche Tathandlung unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen wurde. Daraus wird in weiterer Folge die mangelnde Verkehrszuverlässigkeit abgeleitet und wurde die Lenkerberechtigung mit dem angefochtenen Bescheid vorübergehend auf die Dauer von 3 Monaten entzogen.

 

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, dass die Tat "unter besonders gefährlichen Verhältnissen" begangen wurde:

 

Gemäß den Bestimmungen des FSG ist für die Wertung der angeführten Tatsachen unter anderem die seither verstrichene Zeit und auch das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Auch wenn bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit grundsätzlich ein strenger Maßstab anzuwenden ist, sind aber auch aus dein bisherigen Verhalten des zu Beurteilenden im Straßenverkehr die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid - so wie sie selbst angibt - nur aufgrund der Aktenlage entschieden hat, nämlich dass der nunmehrige Berufungswerber im Zusammenhang mit dem angeführten Verkehrsunfall diesen unter besonders gefährlichen Verhältnissen verursachte.

Die Behörde hat aber selbst angeführt, dass auch aus dem bisherigen Verhalten des zu Beurteilenden im Straßenverkehr entsprechende Schlüsse zu ziehen seien und auch die charakterliche Veranlagung einer Beurteilung zu unterziehen sei, wobei auch alle Handlungen der zu beurteilenden Person, die nach aussen in Erscheinung treten und der Behörde bekannt sind, zu analysieren und zu bewerten sind und eine Zukunftsprognose aufzustellen ist.

 

Dies ist nicht geschehen.

Da diese Umstände für die endgültige Bewertung einer allfälligen Verkehrszuverlässigkeit von der Erstbehörde nicht herangezogen wurden, wird auch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens eingewendet.

Wie bereits ausgeführt, reicht die reine Aktenlage nicht aus, um eine abschließende Beurteilung im Sinne einer Verkehrszuverlässigkeit oder nicht Verkehrszuverlässigkeit hinsichtlich des Berufungswerbers abgeben zu können.

Beim Berufungswerber ist grundsätzlich eine positive Zukunftsprognose gegeben und hätte auch die Erstbehörde eine solche Zukunftsprognose aufzustellen können.

 

Dazu wird noch wie folgt ausgeführt:

Vorerst ist anzuführen, dass der Berufungswerber seit September 1985 durchgehend im Besitz einer gültigen österreichischen Lenkerberechtigung ist. In diesem Zeitraum hatte dieser lediglich im Jahre 1999 eine Anonymverfügung zugesandt erhalten. Ansonst gab es im gesamten Zeitraum (seit 1985 bis dato) keine wie immer gearteten Verwaltungsübertretungen, welche im Zusammenhang mit dem Lenken eines Fahrzeuges stehen.

Weiters hat der Berufungswerber im genannten Zeitraum, nämlich seit 1985, nie einen Verkehrsunfall verursacht und wurden auch sonst keine wie immer gearteten Anzeigen, bezüglich Verkehrsübertretungen, eingebracht (mit Ausnahme der oben angeführten Anonymverfügung 1999, wegen einer geringfügigen Geschwindigkeitsübertretung).

 

Seit 1988 stehe der Berufungswerber im Dienste der Bundespolizeidirektion Linz. Dies bedeutet insbesondere, dass dieser seit diesem Zeitraum von über 15 Jahren Einsatzfahrzeuge lenkt und mit diesen bereits unzählige Einsatzfahrten vorgenommen hat und - wie bereits oben angeführt - weder im Dienst noch privat bisher einen Verkehrsunfall verursacht und verschuldet hat.

 

Wenn nunmehr mitgeteilt wird, dass aufgrund mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (dies einzig und allein aufgrund des Vorfalles vom 20.05.2002) ein Entziehungsverfahren hinsichtlich der Lenkerberechtigung eingeleitet wird, so wird nochmals eindringlich auf den oben dargestellten Sachverhalt verwiesen, insbesondere dass der Berufungswerber seit 1985 unfallfrei fährt; weiters dass dieser auch in der Tätigkeit als Polizist seit 1988 ständig Einsatzfahrzeuge, somit über 15 Jahre, unfallfrei gelenkt hat.

Geht man davon aus, dass auch der gegenständliche Vorfall (Verkehrsunfall vom 20.05.2002) bereits mehr als 1 1/2 Jahre bzw. fast 20 Monate zurück liegt und der Berufungswerber von 1985 bis zum 20.05.2002 und auch danach ein tadelloses Verhalten im Straßenverkehr an den Tag legte, so erscheint die nunmehrige Einleitung des Führerscheinentzugsverfahrens nicht mehr gerechtfertigt.

Bei einer richtigen Wertung (gemäß § 7 FSG) kann man nicht davon ausgehen, dass beim Berufungswerber keine Verkehrszuverlässigkeit gegeben ist.

Mit Ausnahme des bedauerlichen Vorfalles vom 20.05.2002 hat der Berufungswerber aufgrund seines bisherigen Verhaltens im Straßenverkehr bewiesen, dass er absolut verkehrszuverlässig ist. Ein Entzug der Lenkerberechtigung fast 20 Monate nach dem Vorfall - wobei in diesem Zeitpunkt keine wie immer gearteten Unfälle oder sonstige Übertretungen verursacht wurden - ist daher nicht mehr angebracht.

Eine mangelnde Verkehrszuverlässigkeit kann daher nach einem so langen Beobachtungszeitraum, insbesondere wenn man auch den Zeitraum vor dem Vorfall in Betracht zieht, nicht angenommen werden.

Bei einer richtigen Wertung wäre daher davon auszugehen, dass der Berufungswerber aufgrund seines bisherigen Ablaufes (unfallsfreies Fahren seit 1985), sowie der Tätigkeit als Polizist (ebenfalls unfallfreies Fahren von Einsatzfahrzeugen von über 15 Jahren), absolut verkehrzuverlässig ist.

Beim Vorfall vom 20.05.2002 handelte es sich somit um ein einmaliges Fehlverhalten.

 

Selbst wenn man diese aufgezeigten Umstände berücksichtigt, wäre eine positive Zukunftsprognose aufzustellen gewesen.

Es wurde bereits mehrmals ausgeführt, dass es sich um einen einmaligen Vorfall handelt, welchen der Berufungswerber nunmehr zu vertreten hat. Im Hinblick auf den doch bereits längere Zeit zurück liegenden Vorfall (20. Mai 2002) und aufgrund der oben aufgezeigten Umstände, insbesondere dass der Berufungswerber sowohl als Kraftfahrzeuglenker, einerseits als Privatperson und andererseits als Lenker von Einsatzfahrzeugen, weder vor dem besagten Vorfall noch nach diesem Vorfall eine Verkehrsübertretung begangen hat, hätte die Behörde bei einer richtigen Bewertung dieses Sachverhaltes zur Auffassung gelangen müssen, dass der Berufungswerber - auch nicht vorübergehend - nicht verkehrszuverlässig ist.

 

Eine Entzug der Lenkerberechtigung auf die Dauer von 3 Monaten daher nicht angebracht und auch nicht die damit zusammenhängende Anordnung einer begleitenden Maßnahme (Nachschulung).

 

Der Einschreiter stellt daher den

A n t r a g

 

die Berufungsbehörde möge in Stattgebung der Berufung den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dieser zur Gänze behoben werde und die Einstellung des Verfahrens verfügen;

in eventu: aufgrund nicht erledigter Beweisanträge das Verfahren an die Erstbehörde zurück verwiesen, oder in eventu:

nach Durchführung des Verfahrens in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben.

 

Kremsmünster, am 22.01.2004 J K"
 
 

3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2.Halb-satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier unterbleiben (§ 67d Abs.2 Z1 letzter Satz AVG).

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt, sowie durch Einholung einer Information bei der dienstvorgesetzten Stelle des Berufungswerbers.

 

4. Der Berufungswerber verursachte am 20.5.2002 als Lenker eines Pkw einen Verkehrsunfall mit Personenschaden. Im bereits zitierten Urteil des OLG Linz wurde gegen ihn festgestellt, er habe es beim Lenken an der erforderlichen Sorgfalt und Aufmerksamkeit missen lassen, sowie habe er durch Einhaltung einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit im Ortsgebiet (ca. 60 km/h), bei einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 0,5 Promille und regennasser und rutschiger Fahrbahn, mithin unter besonders gefährlichen Verhältnissen, einen Frontalzusammenstoß verschuldet.

Er wurde wegen dieses Verhaltens zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter bedingter Strafnachsicht unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren verurteilt.

Der Berufungswerber ist Sicherheitswachebeamter bei der Bundespolizeidirektion L. Er gilt laut Mitteilung seines Vorgesetzten als engagierter und tadelloser Beamter der auch nach diesem Vorfall bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt Funkwägen lenkt (siehe AV v. 10.2.04). Laut Aktenlage bestehen hinsichtlich des Berufungswerbers lediglich eine Vormerkungen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Jahr 1999. Es ist davon auszugehen, dass er - abgesehen von diesem hier verfahrensgegenständlichen Vorfall vom Mai 2002 - als Fahrzeuglenker nicht mehr negativ in Erscheinung getreten ist.

 

4.1. Der Berufungswerber hat damit wohl eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 FSG gesetzt. Diese ist gemäß § 7 Abs.4 FSG einer Wertung zu unterziehen, wobei u.a. die seit der Begehung verstrichene Zeit und das Verhalten in dieser Zeit zu berücksichtigen ist.

Im konkreten Fall wäre ein Führerscheinentzug nur dann möglich, wenn der Berufungswerber durch das Verhalten vom 20.5.2002 auch noch zum Zeitpunkt der Rechtskraft dieses Entzugsverfahrens (Mindestdauer der Entziehung gemäß § 25 Abs.3 FSG drei Monate), noch für weitere drei Monate als verkehrsunzuverlässig angesehen werden müsste. Eine derartige Prognosebeurteilung lässt das damalige Verhalten des Berufungswerbers insbesondere mit Blick auf sein bisher tadelloses Verhalten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr zu.

Damit ist der Berufungswerber mit seinem Vorbringen im Recht.

Er hat zwar ein objektiv gefährliches Verhalten gesetzt, wobei dieses laut Begründung des Berufungsurteils (OLG v.11.9.2003, 7 BS 178/03) nicht in der beim Berufungswerber durch Alkoholbeeinträchtigung gründenden Rechtsvermutung der Fahruntauglichkeit nach § 5 Abs.1 StVO, wohl aber in Verbindung mit mehreren ungünstigen Faktoren, die "nach der allgemeinen Erfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit den Eintritt eines Schadens erwarten lassen", gründet. Der vom Erstgericht ins Treffen geführte Erschwerungsgrund der im Zusammenhang mit diesem Unfall getätigten Falschaussage wurde vom Berufungsgericht als nicht einschlägig qualifiziert. Erschwerend im gerichtlichen Verfahren wurde jedoch das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen sowie die Verletzung und Gefährdung von mehreren Personen gewertet.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß den allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung darf eine solche im Sinne des § 3 Abs.1 FSG nur Personen erteilt (und daher auch nur belassen) werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand

 

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand

...

Z2 beim Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol oder Suchtmittel beeinträchtigten Zustand auch einen Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht hat und diese Tat daher auf Grund des § 99 Abs. 6 lit. c StVO 1960 nicht als Verwaltungsübertretung zu ahnden ist;

 

(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

(3) Bei der Entziehung kann die Behörde auch zusätzlich begleitende Maßnahmen (Nachschulung oder Driver Improvement mit oder ohne Fahrprobe, Einstellungs- und Verhaltenstraining oder Aufbauseminar) anordnen. Sie hat eine Nachschulung anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt.

...

 

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

...

5.2. Wie oben bereits ausgeführt hat sich der Berufungswerber sowohl vor diesem Ereignis als auch wieder bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt stets wohlverhalten, wobei seine dienstliche Tätigkeit als Polizeibeamter als zusätzlicher Ingerenzfaktor für das Vorliegen seiner Verkehrszuverlässigkeit gesehen werden kann. Somit entbehrt es hier sachbezogener Anhaltspunkte nach nunmehr fast zwei Jahren, den Berufungswerber nun drei Monate von der Teilnahme am Straßenverkehr fern zu halten und ihn einer Nachschulung zu unterziehen (vgl. etwa h. Erk. v. 17.11.2003, VwSen-520413/9/Zo/Pe, sowie VwGH v. 28. Juni 2001, 2001/11/0114 mit Judikaturhinweisen u. das zur vergleichbaren Rechtslage nach dem KFG 1967 ergangene Erkenntnisse VwGH 30. Juni 1992, 91/11/0124, sowie das bereits zum FSG 1997 ergangene Erkenntnis VwGH 27. Mai 1999, Zl. 98/11/0198, sowie auch VwGH 25.11.2003, 2002/11/0223).

 

In weiterführender Betrachtung lässt sich etwa im gegenständlichen Fall sachlich nicht wirklich nachvollziehen inwiefern in der Persönlichkeit des Berufungswerber, der nach diesem Ereignis - wenn auch aus verfahrensrechtlichen Gründen - vorerst von der Teilnahme am Verkehr nicht ausgeschlossen werden konnte und er sich darin in der Folge offenkundig bewährte, nun nach so langer Zeit für drei Monate ein Risiko für die Verkehrssicherheit erblickt werden sollte. Ist der Rechtsbegriff "Wertung" von bestimmten Tatsachen an sich schon ein weitgehend Unbestimmter - die in Deutschland herrschende Praxis spricht vergleichbar von Risikoeignung (Himmelreich/Janker, MPU Begutachtung, 2. Auflage, Rn 512) - so muss dieser letztlich mit empirisch belegbarem Inhalt erfüllt werden, um nicht als reiner Straftatbestand verkannt und auch als solcher wirksam zu werden.

Auch die im Zusammenhang mit der Geschwindigkeitsüberschreitung ergangene jüngste Judikatur des VfGH 14.3.2003, G203/02, wonach einem solchen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat auszusprechenden Entzug ein Erziehungseffekt zugedacht wird, greift für diesen Fall gerade nicht.

Schließlich darf dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Sinnesart" in Verbindung mit einer "bestimmten erwiesenen Tatsache und deren Wertung" keine zu einer gänzlichen Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit führender Auslegungsmöglichkeit eröffnet sein, indem etwa ohne konkrete Bezugnahme auf Mensch und Zeit von einem bestimmten Fehlverhalten ohne dabei auf die Wesentlichkeit des Zeitfaktors Bedacht zu nehmen, ein Schluss auf eine "die Verkehrssicherheit gefährdende Sinnesart" gezogen wird.

Hinzuweisen ist auf die zu diesem Problemkreis einschlägige Literatur und dazu ergangene ebenso umfangreiche Rechtsprechung in Deutschland. Die Rechtslage ist mit der h. geltenden durchaus vergleichbar. Dort wird die Heranziehung einer gerichtlichen Verurteilung als Wertungskriterium für einen Entzug der Lenkberechtigung nur unter besonderen und gutachterlich zu untermauernden Umständen als möglich erachtet. Dem Zeitfaktor und der dazwischen liegenden Einstellungsänderung kommt dabei ebenfalls eine entscheidende Bedeutung zu (ebenfalls Himmelreich/Janker, MPU Begutachtung, Ein juristischer Leitfaden zur psychologischen Beurteilung der Fahreignung, 2. Auflage, Rn 253, 444 u.a.).

 

Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen sind.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

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