Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-105157/5/BR

Linz, 09.02.1998

VwSen-105157/5/BR Linz, am 9. Februar 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Dr. K gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. Dezember 1997, Zl. S 39.237/97-1, nach der am 9. Februar 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die Geldstrafe auf 5.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf vier Tage ermäßigt wird. Der Schuldspruch wird jedoch bestätigt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG iVm § 19, § 20, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, idF BGBl. Nr. 620/1995 VStG.

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demzufolge auf 500 S. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 u. § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem mündlich verkündeten Straferkenntnis vom (am) 18. Dezember 1997 in dessen Punkt 1) über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 8.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen verhängt, weil er am 27. November 1997 um 03.50 Uhr in L ein Fahrrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde - auf dem standardisierten Formularvordruck - aus, daß die Übertretung durch das Geständnis des Berufungswerbers bzw. die Anzeige erwiesen wäre. Die Strafhöhe entspreche dem Verschulden, sowie den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Berufungswerbers.

2. Gegen das o.a. Straferkenntnis richtet sich der Berufungswerber mit seiner nachfolgend wiedergegebenen Berufung:

"Gegen die mir auferlegte Strafe lege ich aus folgenden Gründen Vorstellung ein. 1. Es ist mir bisher nicht bekannt gewesen, daß in Österreich bei der Teilnahme am Straßenverkehr mit dem Fahrrad die gleichen Alkoholgrenzwerte wie beim Führen eines Kraftfahrzeugs herangezogen werden, da in diesem Punkt in meiner Heimat sehrwohl ein Unterschied gemacht wird. Ebenso bin ich verwundert darüber, daß das gleiche Strafmaß wie bei alkoholisiertem Führen eines Kraftfahrzeugs zur Anwendung kommt.

2. Nachdem durch meine Teilnahme am Straßenverkehr am 27.11. 1997 weder Personen noch Sachgüter zu Schaden gekommen sind und ich mich auch nicht entsinnen kann allgemein gültige Verkehrsregeln gebrochen zu haben oder gar ein unsicheres Fahrverhalten gezeigt zu haben, kann ich dem Vorwurf der Verkehrsgefährdung nicht folgen. Dabei gestehe ich jedoch ein, daß ich mich der Ordnungswidrigkeit, mehrere Personen auf einem dafür nicht zugelassenen Fahrrad zu transportieren, schuldig gemacht habe.

3. Im ersten Absatz der Begründung zum Benutzungsverbot für Fahrräder werden insbesondere straffällige Wiederholungstäter, die die Verkehrsordnung nachhaltig gefährden, angeführt.

Dazu möchte ich anmerken, daß ich mich in den vierzehn Jahren in denen ich nun als Kraftfahrer am Verkehr teilnehme, keiner wesentlichen Vergehen schuldig gemacht habe. Dies betrifft auch ganz besonders den Konsum von Alkoholika, zumal ich diese seit meiner Tätigkeit als Assistenzarzt in der Unfallchirurgie völlig meide wenn ich noch beabsichtige ein Kraftfahrzeug zu bewegen. Aber auch als Verkehrsteilnehmer mit dem Fahrrad bin ich bisher in keinem einzigen Fall mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Unverständlich ist mir in diesem Zusammenhang das ausgesprochene Fahrverbot für nicht motorisierte Fahrzeuge. Bedeutet dies doch, daß man mich als notorischen "Verkehrsrowdy" einstuft, ich aber vom LKW über Auto bis zum Motorrad jedes beliebige Fahrzeug, mit Ausnahme eines Fahrrades im Straßenverkehr bewegen darf.

Da das Fahrrad für mich in Linz das hauptsächlich benutzte Fortbewegungsmittel darstellt und ich dieses täglich für meine Anfahrt zur Arbeit benötige, halte ich ein Benutzungsverbot über vier Monate; unter Hinweis auf die vorangehenden Punkte, für unverhältnismäßig hoch.

4. Es ist mir nicht erklärlich, wie durch den Genuß von drei großen Bier, (entspricht etwa 1,5 Liter mit einem anzunehmenden Alkoholgehalt von ca. 4,5 %), verteilt über ca. sieben Stunden, bei einem gesunden jungen Mann mit 75 Kg Körpergewicht eine Fahruntüchtigkeit bzw. eine unter den Strafbereich fallende Alkoholbeinträchtigung, entstehen sollte. Deswegen bezweifele ich auch die Aussagewert des durchgeführten Alkoholtests. Weitere Untersuchungen zur Überprüfung meiner Fahrtauglichkeit wurden nicht angestellt, insbesondere wurde auch keine Blutuntersuchung angeordnet um das zumindest unklare Ergebnis zu verifizieren.

Entgegen dem von mir am 18.12.97 bei Ihnen eingesehenen Protokoll, wurde ich von den Beamten nicht über mein Recht eine Blutalkoholuntersuchung durchführen zu lassen, aufgeklärt. Des weiteren wurden mir auf der Wache nach Abschluß der Untersuchung drei Meßprotokollstreifen vorgelegt, bei denen die durch das im Protokoll angegebene Gerät ermittelteten Atemluftalkoholwerte zwischen 0.39 mg/l und o.5 mg/l schwankten. Die Meßstreifen mit dem niedrigsten, zuerst gemessenen Wert und dem höchsten, später ermittelten Wert, lagen soweit mir ersichtlich dem Protokoll nicht bei. Aufgrund der nicht unerheblichen Schwankungen zweifele ich an der Aussagekraft der durchgeführten Untersuchung. Nach bestem Wissen und Gewissen kann ich die erhöhten Werte nur dadurch erklären, daß ich wie auch bei der Vernehmung am 27.11.1997 angegeben, lediglich wenige Minuten bevor ich angehalten wurde, das letzte nicht mehr ganz halbvolle Glas Bier rasch ausgetrunken habe und dadurch die Werte verfälscht wurden. Ferner wird mir im Protokoll ein leicht veränderter Gang und eine leicht veränderte Sprache bescheinigt. Hierzu möchte ich anmerken, daß einerseits keinerlei weitere Untersuchungen zur Stützung dieser Aussage, wie z.B. R oder F - Fingerversuch, stattgefunden haben und daß selbstverständlich die Vigilanz und Motorik um vier Uhr morgens allein aufgrund der Müdigkeit beeinträchtigt ist." 3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsakt vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zu entscheiden. Da sich die Berufung nicht ausdrücklich nur gegen das Strafausmaß richtete, war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen und durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme des von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsaktes. Ferner durch Beischaffung der einschlägigen deutschen Rechtslage betreffend der Alkoholwertgrenzen für Radfahrer und durch die Vernehmung des Berufungswerbers anläßlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, an welcher auch ein Vertreter der Erstbehörde teilnahm.

4.1. Es ist erwiesen, daß der Berufungswerber nach einem Theaterbesuch von KlinikmitarbeiterInnen einiges an Alkohol konsumierte und anschließend aus einer Laune heraus zwei Frauen auf seinem Fahrrad transportierte. Der im Zuge der Atemluftmessung festgestellte Atemluftalkoholgehalt belief sich auf 0,43 mg/l. Dieses Faktum ist nunmehr unbestritten und wurde vom einsichtigen und geständigen Berufungswerber damit begründet, daß es sich um einen lustigen Abend gehandelt habe und ihm nicht bewußt gewesen wäre, daß auch hinsichtlich des Lenkens eines Fahrrades (damals) in Österreich die gleichen Alkoholgrenzwerte gegolten hätten, wie sie für das Lenken von Kraftfahrzeugen festgelegt sind. Der Berufungswerber ist als in Ausbildung befindlicher Arzt in Linz tätig und war noch nie, auch nicht in diesem Zusammenhang, mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Er zeigte sich bei der Berufungsverhandlung einsichtig und legte glaubhaft dar, daß er dieses Fehlverhalten einerseits bedauere und er sich andererseits des Verbotsfaktums nicht bewußt gewesen sei. Dies konnte ihm durchaus vollinhaltlich geglaubt werden.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

5.2. Der § 20 VStG lautet:

Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden. Bei der Beurteilung der Frage des "beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe" kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an (VwGH 15.12.1989, 89/01/0100). Hier lagen ausschließlich mildernde Umstände vor. Auch der objektive Tatunwert kann beim Lenken eines Fahrrades in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in aller Regel beträchtlich niedriger angenommen werden als dies beim Lenker eines Kraftfahrzeuges der Fall ist. Das beträchtliche Überwiegen der Milderungsgründe liegt nach Ansicht des O.ö. Verwaltungssenates in der bisherigen Unbescholtenheit des Berufungswerbers, in seiner Geständigkeit und auch im Umstand, daß in Deutschland für Radfahrer ein anderer Grenzwert für das Verbot der Teilnahme am Verkehr besteht (1,6 Promille BAW, Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 33. Aufl., S 1339). Aus diesem Grunde schien hier die Anwendung des außerordentlichen Strafmilderungsrechtes jedenfalls gerechtfertigt, wobei mit der Geldstrafe im Ausmaß von 5.000 S unter Bedachtnahme auf die doch über dem Durchschnitt liegenden Einkommensverhältnisse dem Strafzweck noch gerecht werdend erachtet werden konnte. Der gesetzliche Strafrahmen für diese Verwaltungsübertretung liegt zwischen 8.000 S bis 50.000 S. Im Umstand einer betreffend das Lenken eines Fahrrades unter Alkoholeinfluß anderen Rechtslage in Deutschland, vermag sich der Berufungswerber jedoch nicht mit Erfolg auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum berufen. Es muß grundsätzlich jedem Verkehrsteilnehmer zugemutet werden, daß er sich gegebenenfalls über die für ihn wesentlichen ausländischen Rechtsvorschriften ausreichend Kenntnis verschafft. Dies gilt insbesondere für die die Teilnahme am Straßenverkehr regelnden Vorschriften. 5.2.1. Die Bestimmung des § 20 VStG findet nach Aufhebung der mit der 19. StVO Novelle erfolgten Änderung des § 100 Abs.5 StVO 1960 (VfGH 9. Oktober 1997, G 216/96, kundgemacht mit BGBl.Nr. 129/1997 am 20. November 1997) ab diesem Datum wieder Anwendung. Nach § 1 Abs.2 VStG war auch für die Erstbehörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung (18.12.1997) die für den Berufungswerber gegenüber jener der Tatzeit günstigere Rechtslage anzuwenden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Strafmilderung, Überwiegen Milderungsgründe

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum