Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110721/2/Li/Rd/Ga

Linz, 05.09.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Linkesch über die Berufung des A A, vertreten durch die Rechtsanwälte H-U S, S, O, H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27.6.2006, VerkGe96-69-2005/Hw/Ep, wegen einer Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes  zu Recht erkannt:

 

I.          Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.         Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: §  66 Abs.1 und 2 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerber  (im Folgenden: Bw) der Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.2 GütbefG iVm Art.3 Abs.1 und Art.6 Abs.4  der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002, für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden,  verhängt.

 

Ferner wurde der Bw gemäß § 64 VStG verpflichtet, 10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

 

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben [wie von Organen des Z L, Z S L, am 2.5.2005 um ca. 13.00 Uhr auf der Autobahn A1, Parkplatz Ansfelden, Gemeinde Ansfelden, anlässlich einer Zollkontrolle festgestellt wurde] am 2.5.2005 als Staatsbürger eines Drittstaats (Türkei) einen gewerblichen Gütertransport (Sammelgut) mit einem Sattelzugfahrzeug und einem Sattelanhänger (amtl. Kennzeichen:  und ) des Güterbeförderungsunternehmens O K in  H, R, mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von insgesamt mehr als 3,5 Tonnen von der Türkei nach Deutschland durch Österreich hindurch und somit auf dem Gebiet der Gemeinschaft durchgeführt, ohne dass Sie bei diesem grenzüberschreitenden Verkehr den Kontrollberechtigten bei der Kontrolle in Ansfelden auf Verlangen eine Fahrerbescheinigung vorzeigen konnten."  

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis wurde vom Bw rechtzeitig Berufung eingebracht und darin ausgeführt, dass ausweislich einer Auskunft der Freien und Hansestadt, Behörde für Bau und Verkehr vom 9.5.2003, Fahrerbescheinigungen, wie sie die Bezirkshauptmannschaft Schärding verlangt, nicht ausgestellt werden. Zur Begründung verweise die Freie und Hansestadt Hamburg auf die Verordnung EG Nr. 881/92 und (EG) Nr. 3118/98 des Rates hinsichtlich der Einführung einer Fahrerbescheinigung. Gemäß der Neufassung des Art.6 Abs.2 der Verordnung 881/92 werde die Fahrerbescheinigung von dem Mitgliedstaat auf Antrag des Inhabers der Gemeinschaftslizenz für jeden Fahrer ausgestellt, der Staatsangehöriger eines Drittstaates ist und den er rechtmäßig  gemäß den Vorschriften und Tarifverträgen dieses Mitgliedstaats beschäftigt.

Nach Art.6 Abs.4 der Verordnung ist die Fahrerbescheinigung Eigentum des Verkehrsunternehmers, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt. Es wurde in Verbindung mit der in Europa einheitlichen EU-Lizenz eine weitere einheitliche Fahrerbescheinigung geschaffen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Gemeinschaftslizenz im innereuropäischen Verkehr sollen nachprüfen können, ob die Fahrer aus Drittstaaten rechtmäßig beschäftigt sind, und zwar ausschließlich nach den Vorschriften und Tarifverträgen des Staates, in dem der Unternehmer seinen Betriebssitz unterhält.

Damit fallen Firmen mit Agenturverträgen und/oder bilateralen Verkehren nicht unter den Geltungsbereich der Verordnung.

Die EU-Fahrerbescheinigung sei nicht auszustellen, wenn die grenzüberschreitenden Beförderungen unter Einsatz von CEMT- oder bilateralen Genehmigungen durchgeführt werden.

Der gewerbliche Güterkraftverkehr der Fa. K werde in Richtung Ost-/Südosteuropa bzw in die Türkei und zurück unter Verwendung einer CEMT- oder bilateralen Genehmigung vorgenommen. Der gewerbliche Güterverkehr werde nicht im Bereich der Europäischen Gemeinschaft abgewickelt.

Deutsche Transportunternehmer, die Binnenbeförderungen in Deutschland durchführen, dürfen wie bisher auch Kraftfahrer aus Drittstaaten nur einsetzen, wenn diese über eine gültige Arbeitsgenehmigung und einen Aufenthaltstitel verfügen. Eine Binnenbeförderung habe der Beschuldigte nicht ausgeführt.

Nach diesen Feststellungen der Behörde für Bau und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg sei im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass eine Fahrerbescheinigung nicht auszustellen sei, da der Beschuldigte grenzüberschreitende Beförderungen unter Einsatz von CEMT- bzw bilateralen Genehmigungen durchführe. Der Beschuldigte habe die EU-Lizenz vorgelegt. Es könne nicht sein, dass hier Strafen verhängt werden, für eine fehlende Fahrerbescheinigung, die von deutschen Behörden aus den og. Gründen nicht ausgestellt werden. Der Beschuldigte sei Angehöriger eines Drittstaats mit Wohnsitz in einem Drittstaat, der ausschließlich Transporte aus der EU in Drittstaaten und umgekehrt durchführe.

Die Fa. O K, A T, H sei Inhaber der Gemeinschaftslizenz mit der Nr.  , die sie berechtige, entsprechende Anträge auf Erteilung einer Fahrerbescheinigung bei den zuständigen Behörden zu stellen. Die Freie und Hansestadt Hamburg als zuständige Behörde für das Ausstellen von Fahrerbescheinigungen lehne die Ausstellung im vorstehenden Fall ab, mit der Begründung, dass eine EU-Fahrerbescheinigung nicht auszustellen sei, wenn die grenzüberschreitenden Beförderungen unter Einsatz von CEMT- oder bilateralen Genehmigungen ausgeführt werden. Eine bilaterale Bescheinigung habe der Beschuldigte vorgelegt.

Der Beschuldigte sei Angestellter der Fa. K, S E C M K, I M N. , A, die mit der Fa. O K, H einen Agenturvertrag unterhalte.

Dies sei unter Vorlage der Bescheide der Freien und Hansestadt Hamburg nachgewiesen worden. Unter diesen Umständen könne dem Beschuldigten nicht der Vorwurf gemacht werden, er hätte bei gehöriger Sorgfalt erkennen müssen, dass er ohne Fahrerbescheinigung österreichische Straßen nicht befahren dürfe.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen (§ 51e Abs.2 Z2 VStG).

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat hierüber erwogen:

 

4.1. Gemäß § 23 Abs.2 Z5 GütbefG, BGBl. Nr. 593/1995 idF BGBl. Nr. 32/2002 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen ist, wer als Lenker unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt,.

 

Gemäß Art.3 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002, unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.6 Abs.4 der zitierten Verordnung ist die Fahrerbescheinigung Eigentum des Verkehrsunternehmers, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt. Eine beglaubigte Abschrift der Fahrerbescheinigung ist in den Geschäftsräumen des Verkehrsunternehmers aufzubewahren. Die Fahrerbescheinigung ist den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen.

 

4.2. Gemäß  § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

4.3. Diesen  Anforderungen  wird insofern nicht entsprochen, als die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses dem Bw zur Last gelegt hat, dass er "... am 2.5.2006 als Staatsbürger eines Drittstaats (Türkei) einen gewerblichen Gütertransport ... durchgeführt hat, ohne dass er bei diesem grenzüberschreitenden Verkehr den Kontrollberechtigten bei der Kontrolle in Ansfelden auf Verlangen eine Fahrerbescheinigung vorzeigen konnte".

 

Der gemäß § 44a Z1 VStG geforderten Tatkonkretisierung wurde damit insofern nicht Rechnung getragen, da dem Bw im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht zur Last gelegt wurde, in welcher Eigenschaft der Beschuldigte gehandelt hat.

Der von der belangten Behörde dem Bw zur Last gelegte Vorwurf, er habe "als Staatsbürger eines Drittstaats....." die gegenständliche Verwaltungsübertretung begangen, findet in der gesetzlichen Bestimmung des § 23 Abs.2 GütbefG keine Deckung, zumal § 23 Abs.2 leg.cit. normiert, dass, wer als "Lenker .... unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen ist". Es wäre daher von der belangten Behörde neben dem Umstand, dass es sich beim Bw um einen Staatsangehörigen eines Drittstaats handelt, auch die Eigenschaft als Lenker als wesentliches Tatbestandselement in den Spruch aufzunehmen gewesen.   

 

4.4. Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

Da hinsichtlich der Eigenschaft des Bw als Lenker keine fristgerechte Verfolgungshandlung getätigt wurde und laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Begründung im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht ausreicht (vgl. VwGH 13.1.1982, 81/03/0203, 25.5.1983, Slg 11069A uva), war es dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, eine dahingehende Spruchberichtigung vorzunehmen.  

 

Es war daher mangels Tatkonkretisierung das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

Zu II:

Der Kostenspruch ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Linkesch

 

 

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