Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521263/23/Bi/Be

Linz, 18.09.2006

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn J P, vertreten durch RA Dr. J P, vom 6. März 2006 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 16. Februar 2006, VerkR21-522-2004/BR, wegen Entziehung der Lenkberechtigung und Lenkverbot mangels gesund­heit­licher Eignung für den Zeitraum der behördlich festgestellten Nichteignung und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt:

 

      Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid behoben und festgestellt wird, dass der Berufungswerber zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B unter der Auflage gesundheitlich geeignet ist, dass er sich für die Dauer eines Jahres, gerechnet ab 8. September 2006, im Abstand von drei Monaten einer ärztlichen Kontroll­unter­suchung zu unterziehen und zu diesem Zweck der Bezirkshauptmann­schaft Braunau/Inn unaufgefordert und auf seine Kosten seine aktuellen Leberwerte (MCV, Gamma-GT, Cholinesterasen) vorzulegen hat.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Braunau/Inn am 8. März 1999, VerkR20-590-1999/BR, für die Klassen  A und B erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 3 Abs. 1 Z3 und 4, 8 Abs.1, 2 und 3, 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 2 und 32 Abs.1 FSG mangels gesundheitlicher Eignung, gerechnet ab 9. November 2005 entzogen und für den selben Zeitraum ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge ausge­sprochen, wobei die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung und die Dauer des Lenkverbotes für die Dauer der behördlich festgestellten Nichteignung festgesetzt wurden. Weiters wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG einer allfälligen gegen den Bescheid gerichteten Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 20. Februar 2006.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz  AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, seine "Fahrvorgeschichte" sei unter dem Blickwinkel zu sehen, dass beim Verkehrsunfall aus dem Jahr 2003 das Zivilver­fahren beim BG Braunau ergeben habe, dass der Unfallgegner den Unfall alleine verschuldet habe. Aus der VPU lasse sich nicht ableiten, dass seine Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht gegeben sei. Die Erstinstanz begründe nicht, warum sie mit der Entziehung der Lenkberechtigung vorgegangen sei und diese nicht einge­schränkt habe, zumal die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben gewesen wären. Der UVS möge ihm Gelegenheit zur Beibringung einer neuerlichen verkehrs­psycho­logischen Stellungnahme geben, zumal eine solche sicher nicht erst nach 12 Monaten sachgerecht sei, wie der Amtsarzt ausgeführt habe. Eine "Alkoholkrankheit" habe die Erstinstanz nicht festgestellt und bestehe eine solche auch nicht. Es sei auch nicht zu befürchten, dass er nochmals in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand am Straßenverkehr teilnehmen werde.

Beantragt wird Bescheidbehebung, in eventu Einschränkung der Lenkberechtigung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Einholung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme des Institutes fair-care, Salzburg, Dr. J K, vom 28. April 2006, einer FA-Stellungnahme von Primar Dr. K T, FA für Innere Medizin am KH Braunau/Inn, vom 20. Juni 2006 und einer FA-Stellungnahme von Univ.Prof. Dr. W L, FA für Neurologie und Psychiatrie sowie allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachver­ständiger für Neurologie, Psychiatrie, Kinder­neuro­­psychiatrie und gerichtliche Medizin in Puch, vom 5. Juni 2006, die mehrmals ergänzt werden musste und schließlich mit 8. September 2006 vollständig vorlag,  und darauf basierend das amtsärztliche Gutachten gemäß § 8 FSG der Amtsärztin Dr. E W vom 14. September 2006, San-234793/4-2006-Wim/Br, wonach der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B unter Auflagen und befristet geeignet ist.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

Gemäß § 5 Abs.5 FSG ist die Lenkberechtigung, so weit dies aufgrund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen.

Gemäß § 14 Abs.5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arznei­mittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontroll­­untersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wieder­­­zuerteilen.

 

Auf der Grundlage der verkehrspsychologischen Stellungnahme des Instituts fair-care, Salzburg, vom 28. April 2006 ist der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B bedingt geeignet, wobei unter Hinweis auf die "Alkoholvorgeschichte" und vorbehaltlich einer neurologisch-psychiatrischen Stellungnahme eine zeitliche Befristung auf ein Jahr unter Einhaltung einer strikten Alkoholabstinenz unter ärzt­licher Kontrolle empfohlen wird. Hinsichtlich Klasse A wird unter Hinweis auf eine "emotionale Nahebeziehung zu einspurigen Kraftfahrzeugen - die gegenständlich belastenden Vorfälle sind wiederholt mit Motorrädern erfolgt" und die als belastend dargestellte medizinische Anamnese (der Bw leide an einem Bandscheibenvorfall und müsse nach zwei Lungeninfarkten blutverdünnende Medikamente einnehmen) eine Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe A als nicht mehr aus­reichend gegeben erachtet. Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind medizinische bzw gesundheitliche Belange nicht Gegenstand einer verkehrs­psychologischen Stellungnahme; es ergibt sich auch keine sachliche Rechtfertigung für die "Nichteignung für Klasse A" aus den Untersuchungs­ergebnissen. 

 

Laut FA-Stellungnahme Dris. K T, FA für Innere Medizin im Krankenhaus Braunau/Inn, vom 20. Juni 2006 bestehen bei der Diagnose zweier Lungenembolien  1995 und 1998 aufgrund der durchgeführten Belastungs­untersuchungen und der echocardiographischen und duplexsonographischen Unter­suchung keine Hinweise auf das Vorliegen einer gestörten Herz-Kreislaufreaktion unter Ruhe- und Belas­tungs­bedingungen, sodass gegen die Führung von Kraftfahr­zeugen der Klassen A und B kein Einwand besteht. Der Bw nehme die ihm bei der Entlassung im Februar 2006 vorgeschriebenen Medikamente konsequent und die Überwachung der oralen Antikoagulanzientherapie mit Marcoumar erfolge gehörig.

 

In der Endfassung der FA-Stellungnahme Dris L vom 8. September 2006 geht dieser unter Hinweis auf seine Ausführungen vom 26. Mai 2006 und vom 3. August 2006 davon aus, dass der Bw aufgrund gesundheitlicher und familiärer Probleme und des Verlustes des Arbeitsplatzes in einem Alkoholmissbrauch insofern geriet, dass er alkoholkrank war (Alkoholabhängig­keitssyndrom ICD 10, F 1x.2). Ihm gelang es, von der Alkoholabhängigkeit wegzukommen, eine Gefährdung bleibt aber naturgemäß latent bestehen ("gegenwärtig abstinent"). Die Compliance erscheint gut, eine Therapie ist nicht erforderlich. Da keine cognitiven Ausfälle bestehen, kann aus neurologisch-psychiatrischer Sicht die Wiedererteilung des Führerscheins der Gruppen A und B (offensichtlich gemeint: der Lenkberechtigung der Klassen A und B) empfohlen werden. Die vorgeschlagene dreimonatige Kontrolle der Blutparameter stellt eine Vorsichtsmaßnahme dar, die nur begrenzte Zeit notwenig erscheint; nach etwa einem Jahr, also bei Vorliegen der vierten Laborkontrolle, kann auf die Forderung weiterer regelmäßiger Kontrollen verzichtet werden. 

 

Die Amtsärztin Dr. W kommt im amtsärztlichen Gutachten gemäß § 8 FSG nach Untersuchung des Bw am 17. Mai 2006 zum Ergebnis, dass der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B befristet - Nachuntersuchung in einem Jahr - unter der Auflage von Kontrolluntersuchungen (MCV, GGT, Cholinesterasen, CDT - sofern dies bestimmbar ist) alle drei Monate - geeignet ist.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates war die Befristung der Lenkberechtigung deshalb entbehrlich, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinn des § 8 Abs.3 Z2 FSG nur dann gegeben ist, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Es bedarf daher konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesund­heitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für bestimmte Zeit vorhanden ist, aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl VwGH 18.1. 2000, 99/11/0266; 24. 4.2001, 2000/11/0337; 24.11.2005, 2004/11/0121).

Beim Bw besteht nach den Ausführungen Primis. L die Diagnose Alkohol­abhängigkeit, gegenwärtig abstinent. Dabei handelt es sich nicht um eine Krankheit im Sinne der zitierten Judikatur, weshalb die Voraussetzungen für die im amts­ärztlichen Gutachten vorge­schlagene Befristung rechtlich nicht gegeben sind. Der Bw sollte sich aber dringend vor Augen führen, dass, sollte er erneut im Hinblick auf Alkohol auffällig werden, ein neues Entziehungsverfahren jederzeit einzuleiten ist, zumal Personen, die alkoholabhängig sind, gemäß § 14 Abs.1 FSG-GV eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden darf.

 

Nach den Laborbefunden vom 17. Mai 2006 ist der CDT beim Bw aufgrund einer Variante des Transferins nicht bestimmbar, dh die Auflage der Beibringung des CDT dürfte sich damit erübrigen. Die Auflage, alle drei Monate die angeführten alkoholrelevanten Leberlaborwerte vorzulegen, lässt das einigermaßen zeitgerechte Erkennen eines allfälligen Auffälligwerdens des Bw im Hinblick auf Alkoholkonsum erwarten, weshalb nach telefonischer Wahrung des Parteiengehörs persönlich spruchgemäß zu entscheiden war. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

gesundheitliche Eignung besteht unter Auflagen – Wiedererteilung der LB – unter Auflagen

 

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