Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590134/5/WEI/Ps VwSen-600046/6/WEI/Ps

Linz, 18.10.2006

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 23. März 2006, Zl. SanRB01-50-2005, betreffend Aussetzung des Verfahrens um Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke und durch seine I. Kammer (Vorsitzender Dr. Grof, Berichter Dr. Weiß, Beisitzerin Mag. Bergmayr-Mann) auf Grund des mit der Berufung verbundenen Devolutionsantrages der Dr. C K, Ärztin für Allgemeinmedizin, K, M, vertreten durch Dr. W B, Rechtsanwalt in W, M, zu Recht erkannt:

 

 

I.                     Der Berufung wird Folge gegeben und der Aussetzungsbescheid ersatzlos aufgehoben.

II.                   Der Berufungs- und Devolutionswerberin wird die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke an ihrem Berufssitz in M, K, erteilt.

 

                   Rechtsgrundlagen:

                   § 66 Abs 4 AVG und §§ 67a Abs 1, 67c Abs 3 iVm § 73 Abs 2 AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. März 2006 hat die belangte Behörde das auf Grund des Antrags der Berufungs- und Devolutionswerberin (im Folgenden nur Bwin) vom 24. August 2005 anhängige Verfahren betreffend Bewilligung für die Haltung einer ärztlichen Hausapotheke am Standort K in M bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Erteilung der Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke in M unter Berufung auf § 28 Abs 4 Apothekengesetz ausgesetzt.

 

In der Begründung wird auf den Bewilligungsantrag vom 24. August 2005 unter Anschluss der erforderlichen Unterlagen verwiesen, der mit rechtsfreundlicher Eingabe vom 12. Jänner 2006 insofern modifiziert wurde, als die Bwin ihre Ordination von vormals M, D, nach M, K, verlegt hatte. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei bereits ein Antrag auf Bewilligung einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in M, K, anhängig gewesen. Auf Grund einer rechtzeitigen Berufung dagegen sei die Bewilligung noch nicht in Rechtskraft erwachsen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat die belangte Behörde § 28 Abs 1 bis 4 Apothekengesetz dargestellt und folgenden Bericht des Gesundheitsausschusses (AB 459 BlgNR 21. GP, 56) zur Neufassung des § 28 Apothekengesetz durch BGBl I Nr. 16/2001 zitiert:

 

"Im Rahmen der vorgeschlagenen Regelung soll entsprechend der Regelung des neuen § 10 Abs. 2 Z. 1 klargestellt werden, dass in dünn besiedelten Regionen die Arzneimittelversorgung durch ärztliche Hausapotheken wahrzunehmen ist. Dabei sind jedoch bestehende Konzessionen und sich daraus ergebende Weitergabe- bzw Fortbetriebsrechte zu berücksichtigen (Abs. 5).

Durch die Aufnahme einer Prioritätsregelung in den Abs. 4 soll ein gegenseitiges Unterlaufen von Hausapothekenbewilligungs- bzw. Konzessionsverfahren für öffentliche Apotheken verhindert werden."

 

Der neugefasste § 28 – jedenfalls in seinem Abs 2 – habe bloß programmatische Funktion. Es hätte ausgedrückt werden sollen, dass Ärzte, denen eine Bewilligung gemäß § 29 Apothekengesetz erteilt wurde, zur Arzneimittelversorgung berufen sind, solange keine öffentliche Apotheke gemäß § 10 – unter nunmehr erschwerten Voraussetzungen – errichtet ist. Aus Absatz 2 sei kein Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke abzuleiten. Eine solche Bewilligung sei ausschließlich bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 29 Abs 1 oder 2 erteilbar.

 

Daraus ergebe sich, dass das Hausapothekenverfahren nur durchgeführt werden dürfe, wenn das anhängige Konzessionsverfahren die Entscheidung darüber nicht beeinflusst. Da jedoch die Inbetriebnahme der beantragten neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zur Zurücknahme der Hausapotheke führt, sei eine gegenseitige Beeinflussung beider Verfahren gegeben und wäre das Verfahren dementsprechend auszusetzen gewesen.

 

2.1. In der rechtsfreundlichen Eingabe vom 10. April 2006, mit der rechtzeitig Berufung erhoben und unter einem ein Devolutionsantrag eingebracht worden ist, wird zunächst auf eine Besprechung vom 31. Jänner 2006 in der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems in Anwesenheit des Bezirkshauptmannes und der Sachbearbeiterin Bezug genommen, bei der die Sach- und Rechtslage mit dem Ergebnis erörtert worden wäre, dass das Verwaltungsverfahren eingeleitet und das Hausapothekenansuchen kundgemacht werde. Etwa erst ein halbes Jahr nach Antragstellung sei das Hausapothekenansuchen in der Amtlichen Linzer Zeitung kundgemacht worden. In der Folge sei dann nach Einholung von Stellungnahmen die Aussetzung angeordnet worden.

 

Zum Sachverhalt wird angeführt, dass in M keine öffentliche Apotheke bestehe und die Bevölkerung durch Hausapotheken versorgt werde. So habe Dr. M G, Allgemeinmediziner in M, eine aufrechte Bewilligung für eine ärztliche Hausapotheke und weiter habe der Vorgänger der Bwin Dr. J H bis zur Pensionierung eine Hausapothekenbewilligung in M gehabt. Die Bwin sei nun an dessen Stelle als Kassenvertragsarzt in M tätig. In unmittelbarer Nähe im Ortsteil L der Gemeinde G befinde sich mit Dr. O E ein weiterer hausapothekenführender Arzt für Allgemeinmedizin.

 

Richtig sei, dass Anfang Jänner 2005 ein Apothekenkonzessionsansuchen von Mag. pharm. S H eingebracht wurde, welches von den hausapothekenführenden Ärzten beeinsprucht worden sei. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 28. Dezember 2005 sei die Konzession zur Errichtung und Inbetriebnahme einer öffentlichen Apotheke in M, K, erteilt worden. Gegen diesen Bescheid sei von den hausapothekenführenden Ärzten Berufung erhoben worden. Es bestehe deshalb noch keine rechtskräftige Apothekenkonzession für M.

 

Rechtlich wird der belangten Behörde eingeräumt, dass die im § 28 Abs 4 Apothekengesetz getroffene Prioritätsregelung das gegenseitige Unterlaufen von Hausapothekenbewilligungs- und Apothekenkonzessionsverfahren verhindern soll. Dabei sei zu beachten, dass § 10 Abs 2 Z 1 Apothekengesetz idF BGBl I Nr. 16/2001 nur für Orte, in denen eine ärztliche Hausapotheke besteht, normiert, dass ein Bedarf für eine öffentliche Apotheke dann gegeben ist, wenn zumindest 5.500 zu versorgende Personen dieser Apotheke zuzuordnen sind. In einem Ort ohne ärztliche Hausapotheke könnte sich eine öffentliche Apotheke ohne Rücksicht darauf niederlassen.

 

M sei keine Gemeinde gemäß § 28 Abs 2 Apothekengesetz, weil die Bevölkerung seit vielen Jahrzehnten durch ärztliche Hausapotheken versorgt werde. Der Vorgänger Dr. H hätte eine Hausapotheke geführt und es könne rechtlich keinen Unterschied machen, wenn dem Nachfolger wieder eine Hausapothekenbewilligung erteilt wird, da diese Hausapotheke keinerlei Einfluss auf die Voraussetzungen für die Erteilung einer öffentlichen Apotheke habe.

 

Da in M ärztliche Hausapotheken bestehen, dürfe eine öffentliche Apotheke nach der noch geltenden Rechtslage nur bewilligt werden, wenn zumindest 5.500 Personen medikamentös zu versorgen sind (Hinweis auf Versorgungspotential nach § 10 Abs 3 und 5 Apothekengesetz idF BGBl I Nr. 16/2001).

 

Im Fall des Bedarfs an einer öffentlichen Apotheke werde dann bei deren Errichtung die Hausapothekenbewilligung gemäß § 29 Apothekengesetz zurückzunehmen sein. Da sich an der Bedarfssituation nichts ändere, hätten die Verfahren darüber hinaus keinen Einfluss aufeinander. Da durch Dr. G in M weiterhin eine Hausapothekenbewilligung bestehe, habe das gegenständliche Hausapothekenverfahren rechtlich keinen Einfluss auf die Entscheidung im Apothekenkonzessionsverfahren der Mag. pharm. H. Folglich lägen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 28 Abs 4 Apothekengesetz nicht vor.

 

Der angefochtene Bescheid sei daher inhaltlich rechtswidrig. Die belangte Behörde habe trotz wiederholt gestellter Anträge die Abführung des Verfahrens geradezu verwehrt und sei säumig bzw untätig gewesen. Da die Sechsmonatsfrist abgelaufen ist, sieht sich die Bwin auch zu einem Devolutionsantrag veranlasst.

 

Abschließend wird beantragt, den angefochtenen Aussetzungsbescheid ersatzlos zu beheben sowie infolge Devolution über das Hausapothekenansuchen in der Sache selbst zu entscheiden.

 

2.2. Die belangte Behörde hat die Berufung mit ihrem Verwaltungsakt zur Entscheidung vorgelegt und mitgeteilt, dass von einer Berufungsvorentscheidung abgesehen werde. Zur Entscheidung über den Devolutionsantrag wurde auch eine Vorlage bei der Abteilung Sanitäts- und Veterinärrecht des Amtes der Oö. Landesregierung vorgenommen. Diese leitete die Sache mit Schreiben vom 26. April 2006, Zl. SanRB-20394/2-2006-A, an den Oö. Verwaltungssenat unter Hinweis auf den § 73 Abs 2 AVG zuständigkeitshalber weiter.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und in die bei ihm anhängigen Berufungsakten betreffend das Apothekenkonzessionsverfahren der Mag. pharm. H, die zu den Zahlen VwSen-590127 bis 590130-2006 protokolliert wurden. Daraus ergibt sich, dass das Tatsachenvorbringen der Bwin zutreffend ist.

 

3.2. Aus dieser Aktenlage ergibt sich folgende Zusammenfassung des Ganges des  Verfahrens und des wesentlichen S a c h v e r h a l t s:

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 28. Dezember 2005, Zl. SanRB01-7-2005, wurde über Ansuchen vom 21. Jänner 2005 der Mag. pharm. S H die Konzession zur Errichtung einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke für den Standort Gemeindegebiet M und mit der Betriebsstätte M, K, erteilt.

 

Gegen diesen Konzessionsbescheid erhob die rechtsfreundlich vertretene Mag. pharm. Dr. H S KG (Apotheke M) in G rechtzeitig Berufung, welche zu VwSen-590127-2006 anhängig ist. Die Allgemeinmediziner mit Hausapotheke in M Dr. M G (VwSen-590128), S, und Dr. J H (VwSen-590129), D, sowie der Allgemeinmediziner Dr. O E (VwSen-590130), B, L, alle vertreten durch den Rechtsvertreter der Bwin, brachten ebenfalls rechtzeitig am 16. Jänner 2006 eine gemeinsame Berufung ein. Eine Berufungsentscheidung ist bis dato noch nicht ergangen.

 

Die Bwin hat als Nachfolgerin des MR Dr. J H in M, D, ein Ansuchen um Erteilung der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke am 24. August 2005 eingebracht und ein Diplom vom 19. September 1995 über die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin, Meldezettel, Geburtsurkunde, Staatsbürgerschaftsnachweis vorgelegt. Eine Strafregisteranfrage der Behörde war negativ.

 

Mit Aktenvermerk vom 31. August 2005 wurde festgehalten, dass das Hausapothekenverfahren auf Grund des anhängigen Verfahrens zur Erteilung der Konzession für eine neu zu errichtende Apotheke und des Einflusses auf das bereits laufende Verfahren gemäß § 28 Abs 4 Apothekengesetz bis zur Entscheidung über die Apotheke nicht durchgeführt werden könne.

 

Mit Eingabe vom 4. Oktober 2005 brachte die Bwin vor, dass in M die Standortqualifikation nach § 28 Abs 2 iVm Abs 4 Apothekengesetz nicht vorliege, da wegen bestehender ärztlicher Hausapotheken eine öffentliche Apotheke nur bewilligt werden dürfe, wenn mehr als 5.500 Personen zu versorgen sind. Da die Bwin die Nachfolge des in den Ruhestand tretenden Dr. J H antrete, möge das Verwaltungsverfahren eingeleitet und die Verlautbarung ohne weiteren Verzug verfügt werden. In weiterer Folge übermittelte die belangte Behörde der Bwin eine Stellungnahme der Österreichischen Apothekerkammer vom 9. November 2005, in der unter Hinweis auf § 28 Abs 4 Apothekengesetz die Ansicht vertreten wird, dass das später begonnene Verfahren auszusetzen sei.

 

Mit Schreiben vom 28. November 2005 ersuchte der Rechtsvertreter um Bekanntgabe, ob ein Bescheid über die Aussetzung bereits existiere. Die belangte Behörde antwortete mit Schreiben vom 9. Dezember 2005, dass das Verfahren ex lege nicht durchgeführt werden dürfe und daher die Notwendigkeit für eine Aussetzung durch Bescheid nicht gegeben sei.

 

Mit rechtsfreundlich vertretener Eingabe vom 12. Jänner 2006 gab die Bwin bekannt, dass sie ihre Ordination nunmehr von M D nach K verlegt habe. Sie trete die Nachfolge des in den Ruhestand tretenden Dr. H an. Alle ortsansässigen Allgemeinmediziner hätten die Berechtigung eine ärztliche Hausapotheke zu führen und sie benötige ebenfalls eine solche, da Patienten sonst verstärkt die hausapothekenführenden Ärzte konsultieren würden. Im Übrigen wird wiederholt, dass M kein Standort im Sinne des § 28 Abs 2 Apothekengesetz sei, weshalb das Verbot der Verfahrensdurchführung nicht gelte.

 

Bei einer Besprechung am 31. Jänner 2006 ordnete der Bezirkshauptmann die Einleitung des Verfahrens zur Bewilligung für die Haltung einer Hausapotheke an. Daraufhin erfolgte die Kundmachung des Ansuchens um Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in M, K, in der Folge der Amtlichen Linzer Zeitung vom, Seite, und die Verständigung der Kammern und Gemeinden.

 

Die Österreichische Apothekerkammer verwies mit Schreiben vom 10. Februar 2006 auf die positive Entscheidung erster Instanz vom 28. Dezember 2005 für die öffentliche Apotheke von Mag. pharm. S H und auf die Prioritätsregelung des § 28 Abs 4 Apothekengesetz, weshalb das Hausapothekenverfahren auszusetzen wäre. Die Ärztekammer für Oberösterreich vertrat im Schreiben vom 1. März 2006 die Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke vorlägen, weil sich in M keine öffentliche Apotheke befindet. Die Gemeinden M, R und G befürworteten die Bewilligung des Ansuchens der Bwin, damit diese keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber bestehenden Ärzten mit Hausapotheken habe und sich die Patienten Verkehrswege ersparen.

 

Mit Schreiben vom 13. März 2006 erhob Mag. S H Einspruch und beantragte unter Hinweis auf ihr in erster Instanz erteilte Apothekenbewilligung die Zurückweisung des Antrags der Bwin.

 

Aus dem Apothekenkonzessionsverfahren zu SanRB01-7-2005 (vgl Bescheid vom 28.12.2005) der belangten Behörde ergibt sich, dass die Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke "Z " in G etwa 11 km beträgt.

 

Aus den aktenkundigen Kopien des Schreibens der Ärztekammer für Oberösterreich vom 21. März 2006 samt Ansuchen der Bwin auf Abschluss eines Einzelvertrages als Arzt für Allgemeinmedizin geht hervor, dass die Bwin am 1. April 2006 ihre Arztpraxis in M, K, mit den Ordinationszeiten Mo, Mi, Do, Fr von 08-12 Uhr und Di, Do von 16-18 Uhr begonnen hat.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Das Apothekengesetz, RGBl Nr. 5/1907, wurde zuletzt durch Art II des BGBl I Nr. 41/2006 geändert. Nach der Übergangsvorschrift des § 62a Abs 3 Apothekengesetz idF BGBl I Nr. 41/2006 ist auf die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Novelle 2006 BGBl I Nr. 41/2006 anhängige Verfahren bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006 die Rechtslage vor dieser Novelle anzuwenden. Dieser Zeitpunkt war der Tag nach der Kundmachung am 28. März 2006.

 

Das bedeutet für das gegenständliche Verfahren, dass die §§ 28 und 29 Apothekengesetz (im Folgenden ApG) noch in der Fassung vor BGBl I Nr. 41/2006, nämlich BGBl I Nr. 16/2001 bzw. BGBl I Nr. 5/2004, anzuwenden sind. Danach gilt folgende Rechtslage:

 

4.1.1. Nach § 29 Abs 1 ApG ist die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke einem Arzt für Allgemeinmedizin zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.

 

Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist gemäß § 29 Abs 2 ApG auf Antrag dem Nachfolger eines Arztes für Allgemeinmedizin mit Hausapothekenbewilligung auch dann zu erteilen, wenn die Entfernung zwischen dem Berufssitz des eine Hausapotheke führenden Arztes und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als vier und weniger als sechs Straßenkilometer beträgt.

 

Gemäß § 29 Abs 3 ApG erlischt die für den vorherigen Berufssitz erteilte Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke, wenn ein Arzt für Allgemeinmedizin seinen Berufssitz in eine andere Ortschaft verlegt.

 

Nach § 29 Abs 4 ApG ist die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet und in dem rechtskräftigen Bescheid zur Konzessionierung der neuen öffentlichen Apotheke ein Versorgungspotential im Sinne des § 10 von zumindest 5.500 Personen für die neue öffentliche Apotheke festgestellt wurde.

 

Gemäß § 29 Abs 5 ApG ist der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke verpflichtet, den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Apotheke der Behörde mitzuteilen. Die Behörde hat die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid so rechtzeitig auszusprechen, dass die Einstellung des Hausapothekenbetriebes drei Jahre nach Rechtskraft des Bescheides erfolgt, mit dem die Konzession für die öffentliche Apotheke erteilt wurde. Wird die öffentliche Apotheke nach diesem Zeitpunkt in Betrieb genommen, ist die Hausapothekenbewilligung so zurückzunehmen, dass die Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke und die Einstellung des Hausapothekenbetriebes zum selben Zeitpunkt erfolgen.

 

4.1.2. Gemäß § 28 Abs 2 ApG wird in Standorten, in denen im Umkreis von vier Straßenkilometern weniger als 5.500 Personen zu versorgen sind, die Arzneimittelabgabe durch ärztliche Hausapotheken besorgt, es sei denn, es ist in diesem Gebiet für eine öffentliche Apotheke bereits eine Konzession rechtskräftig erteilt worden oder es sind die Voraussetzungen des Abs 3 gegeben.

 

Nach § 28 Abs 3 ApG ist in Standorten im Sinne des Abs 2 eine Konzession für eine öffentliche Apotheke gemäß § 10 Abs 2 Z 1 zu erteilen, wenn sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke keine ärztliche Hausapotheke befindet.

 

Gemäß § 28 Abs 4 ApG darf in Standorten im Sinne des Abs 2 ein Verfahren auf Erteilung einer Konzession für eine öffentliche Apotheke oder eine Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke nur durchgeführt werden, wenn noch kein Verfahren anhängig ist, das Einfluss auf das später begonnene Verfahren haben kann.

 

4.2. Wie aus den im Apothekenkonzessionsverfahren aktenkundigen Planunterlagen (vgl Anlage 2 zum Gutachten der Apothekerkammer vom 29.08.2005, Zl. III-5/2/2-121/7/05) ersichtlich ist, befinden sich die Ordinationen der drei hausapothekenführenden Ärzte innerhalb des 4 km Polygons der von Mag. pharm. H geplanten Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke in M. Auch wenn MR Dr. H mittlerweile in den Ruhestand getreten ist und die Bwin seine Nachfolge als Kassenvertragsärztin angetreten hat, verbleiben immer noch zwei bewilligte Hausapotheken im Umkreis von vier Straßenkilometern.

 

Nach § 62 Abs 4 ApG idF BGBl I Nr. 41/2006 ist auf im Zeitpunkt der Kundmachung dieser Novelle (Stichtag 28. März 2006) anhängige Konzessionsverfahren bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006 die Bedarfsregel des § 10 Abs 2 Z 1 ApG in der Form anzuwenden, dass ein Bedarf dann nicht besteht, wenn sich in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine ärztliche Hausapotheke befindet und in der Gemeinde oder im Umkreis von 4 Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte zum Zeitpunkt der Antragstellung weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs 1, die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, bestehen. Nach § 10 Abs 2 Z 1 iVm § 28 Abs 3 ApG besteht zudem kein Bedarf, wenn die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 Personen beträgt.

Da jedenfalls im gegenständlichen Fall bereits 2 niedergelassene Ärzte für Allgemeinmedizin mit Hausapotheke im Umkreis von 4 Straßenkilometern vom in Aussicht genommenen Standort der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in M tätig sind, ist der Bedarf im Sinne eines Versorgungspotentials von mindestens 5.500 Personen zu prüfen, unabhängig davon, ob die Bwin eine weitere ärztliche Praxis mit Hausapotheke in M betreibt oder nicht. Es trifft demnach die Berufungsbehauptung zu, dass eine Bewilligung im gegenständlichen Hausapothekenverfahren rechtlich keinen Einfluss mehr auf die Entscheidung im Apothekenkonzessionsverfahren haben kann.

 

4.3. Die weitere Frage nach § 28 Abs 4 ApG, ob das zeitlich früher anhängige Apothekenkonzessionsverfahren der Mag. pharm. H Einfluss auf das gegenständliche Bewilligungsverfahren zur Haltung einer Hausapotheke haben kann, wurde von der belangten Behörde bejaht und im Wesentlichen damit begründet, dass die Inbetriebnahme der konzessionierten öffentlichen Apotheke zur Zurücknahme der Hausapotheke führe. Deshalb sei eine gegenseitige Beeinflussung gegeben und das Hausapothekenverfahren auszusetzen.

 

Dieser Ansicht kann sich die erkennende Kammer nicht anschließen. Die belangte Behörde hat den Bericht des Gesundheitsausschusses (vgl AB 459 BlgNR231 GP) zu § 28 ApG idF der Novelle BGBl I Nr. 16/2001 zitiert, dem zu entnehmen ist, dass durch die Aufnahme der Prioritätsregel im § 28 Abs 4 ApG ein gegenseitiges Unterlaufen von Hausapothekenbewilligungs- bzw Konzessionsverfahren für öffentliche Apotheken verhindert werden soll. § 28 Abs 4 ApG ist daher im Zusammenhang mit § 28 Abs 2 und 3 ApG zu lesen und meint eine in Aussicht genommene Betriebsstätte für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke eines Standortes, bei welchem im Umkreis von 4 Straßenkilometern noch keine ärztliche Hausapotheke besteht. Denn nur in einem solchen Fall hat die vorzeitige Bewilligung einer Hausapotheke unmittelbar Einfluss auf die Voraussetzungen für die Konzession einer öffentlichen Apotheke. Beim gegebenen Sachverhalt von ursprünglich drei und nach Ausscheiden des Dr. H noch zwei ärztlichen Hausapotheken im Umkreis von 4 Straßenkilometern am gewählten Standort für die öffentliche Apotheke kann ein solcher für den Konzessionswerber nachteiliger Einfluss auf das Apothekenkonzessionsverfahren nicht mehr stattfinden.

 

Umgekehrt hat aber auch das anhängige Apothekenkonzessionsverfahren noch keinen Einfluss auf die Hausapothekenbewilligung, weil es nach der Bestimmung des § 29 Abs 1 ApG idF vor BGBl I Nr. 41/2006 nur darauf ankommt, dass sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes mehr als sechs Straßenkilometer von der Betriebsstätte der nächsten öffentlichen Apotheke entfernt ist.

 

Beide Voraussetzungen liegen derzeit vor, weil sich noch keine öffentliche Apotheke am Berufssitz der Bwin in M befindet – eine Konzession wurde noch nicht rechtskräftig erteilt – und die nächste öffentliche Apotheke in G ca. 11 Kilometer entfernt ist. Dass die Hausapothekenbewilligung nach allenfalls rechtskräftiger Erteilung der Konzession gemäß § 29 Abs 4 und 5 ApG auf Antrag des Inhabers der neu errichteten öffentlichen Apotheke so rechtzeitig zurückzunehmen sein wird, dass die Einstellung des Hausapothekenbetriebs drei Jahre nach Rechtskraft des Konzessionsbescheides für die öffentliche Apotheke oder spätestens danach mit der Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke erfolgt, vermag am Befund des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 29 Abs 1 ApG im gegenständlichen Fall nichts zu ändern.

 

Die Voraussetzungen des Hausapothekenbewilligungsverfahrens werden dadurch nicht geändert. Vielmehr ist für die Rücknahme der Hausapothekenbewilligung ein eigenständiges Verfahren nach § 29 Abs 4 und 5 ApG vorgesehen, das zudem nur über Antrag des Inhabers der Apotheke zustande kommt und in dem es auch auf die tatsächliche Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke ankommt. Nach h. Ansicht kann diese verfahrensrechtlich eigens geregelte Rücknahme einer Hausapothekenbewilligung nicht unter die Prioritätsregel des § 28 Abs 4 ApG subsumiert werden. Ein gegenseitiges Unterlaufen der vorangehenden Bewilligungsverfahren betreffend Apotheke oder Hausapotheke ist darin nicht zu erblicken. Vielmehr sieht der Gesetzgeber nur vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine rechtskräftige Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke in bestimmter Weise zurückzunehmen ist.

 

5. Im Ergebnis war daher der Bwin, die nach Ausweis der Aktenlage auch alle persönlichen Voraussetzungen erfüllt, die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke an ihrem Berufssitz in M, K, durch die erkennende Kammer des Oö. Verwaltungssenats zu erteilen. Die sachliche Zuständigkeit der I. Kammer des Oö. Verwaltungssenats ergibt sich aus § 67a Abs 1 AVG. Der Devolutionsantrag nach § 73 Abs 2 AVG erschien berechtigt, weil die sechsmonatige Entscheidungsfrist weit überschritten wurde und die belangte Behörde infolge ihres rechtsirrigen Standpunktes das Verfahren zunächst monatelang nicht durchführte und schließlich mit dem bekämpften Aussetzungsbescheid auch formell eine Entscheidung verweigert hat. Die Verzögerung ist nach der Aktenlage auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen.

 

Der angefochtene verfahrensrechtliche Bescheid vom 23. März 2006 betreffend Aussetzung des Verfahrens zur Bewilligung der beantragten Hausapotheke war durch das zuständige Einzelmitglied ersatzlos aufzuheben. Zur rechtlichen Begründung wird auf die obigen Ausführungen zur Auslegung des § 28 Abs 4 ApG verwiesen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Bewilligungsverfahren sind Bundesstempelgebühren von 43 Euro für das Ansuchen um Hausapothekenbewilligung (§ 14 TP 6 Abs 2 Z 1 GebG) mit 4 Beilagen zu je 3,60 Euro (§ 14 TP 5 Abs 1), je 13 Euro für die Eingaben vom 4.10.2005 und 12.01.2006, 13 Euro für die Berufung, 43 Euro für den Devolutionsantrag (§ 14 TP 6 Abs 2 Z 1 GebG), 13 Euro für Eingabe vom 6.10.2006 mit Sammelbeilage (Unterschriftenliste) zu 21,50 Euro, insgesamt daher von 173,90 Euro angefallen.

 

Dr. G r o f                                                  Dr. W e i ß

 

 

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