Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-161113/14/Fra/Sp

Linz, 25.10.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn FB gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 23. November 2005, VerkR96-746-2005-GG, betreffend Übertretungen der StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 20. Oktober 2006, zu Recht erkannt:

 

 

I.                     Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als hinsichtlich der Fakten 1.
(§ 52 lit.a Z10a StVO 1960) und 2. (§ 20 Abs.2 StVO 1960) iSd § 21 Abs.1a VStG von der weiteren Durchführung des Verwaltungs­strafverfahrens abgesehen und hinsichtlich des Faktums 3. (§ 97 Abs.5 StVO 1960) das Straferkenntnis behoben und  das Verfahren eingestellt wird.

 

II.                   Der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 21 Abs.1a, 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: §§ 66Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw)

  1. wegen Übertretung des § 52 lit.a Z10a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 58 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden),
  2. wegen Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 58 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe),
  3. wegen Übertretung des § 97 Abs.5 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 58 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und
  4. wegen Übertretung des § 14 Abs.1 Z1 FSG gemäß § 37 Abs.1 leg.cit. eine Geldstrafe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt,

weil er am 10.8.2004 das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen gelenkt und dabei

  1. um 17.36 Uhr des genannten Tages im Gemeindegebiet Hargelsberg auf der L 1403, auf Höhe Strkm. 6,300 entgegen dem Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 24 km/h überschritten hat,
  2. um 17.38 Uhr den genannten Tages im Gemeindegebiet St. Florian auf der
    L 1403, auf Höhe Strkm. 4,400 auf einer Freilandstraße um 20 km/h schneller als 100 km/h gefahren ist,
  3. um 17.45 Uhr des genannten Tages im Gemeindegebiet St. Florian auf der
    L 1403, auf Höhe Summerauerhof, der durch deutlich sichtbare Zeichen mittels blau linkendem Licht, weiters roter Leuchtschrift mit dem Schriftzeichen "STOP POLICE" am Anhaltebord und deutlich sichtbar gegebenen Handzeichen durch ein Organ der Straßenaufsicht keine Folge geleistet hat, weil er die Fahrt ununterbrochen fortgesetzt hat,
  4. bei der bezeichneten Fahrt den Führerschein nicht mitgeführt und einem gemäß § 35 Abs.2 FSG zuständigem Organ auf Verlangen nicht zur Überprüfung ausgehändigt hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG jeweils ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft  Freistadt - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

I.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens und Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 20. Oktober 2006 wie folgt erwogen:

 

Vorweg  wird festgestellt, dass sich das Rechtsmittel nicht gegen das Faktum 4 (§ 14 Abs.1 Z1 FSG) richtet. Der diesbezügliche Schuldspruch ist daher in Rechtskraft erwachsen, weshalb eine Berufungsentscheidung in diesem Punkt entfällt.

 

Die angefochtenen Schuldsprüche stützen sich auf die Anzeige des Meldungsleger RI J H vom 13. August 2004, wonach dieser die dem Bw zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen durch Nachfahren mit einem Dienstmotorrad festgestellt und der Bw in der Folge ein deutlich sichtbares Anhaltezeichen nicht beachtet habe.

 

Der Oö. Verwaltungssenat stellt zu den Fakten 1 und 2 (Geschwindigkeitsüberschreitung) fest, dass zwar nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Nachfahren mit einem Dienstfahrzeug und Ablesen des Tachometers bei gleichbleibendem Abstand auch ein taugliches Beweismittel zur Feststellung einer eingehaltenen Geschwindigkeit darstellt, doch sind im Hinblick auf die Fehlerquellen erhebliche Toleranzen zu berücksichtigen. Insbesondere ist ein gleichbleibender Abstand auf eine bestimmte Fahrstrecke notwendig. Die diesbezüglichen Angaben des Meldungslegers bei der Berufungsverhandlung sind als vage zu bezeichnen, könnten jedoch im Zusammenhang mit den im erstinstanzlichen Verfahren getätigten Aussagen noch als beweiskräftig angesehen werden. Im gegenständlichen Verfahren ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Bw im Zusammenhang mit seiner Verantwortung dahingehend, die ihm zur Last gelegten Geschwindigkeits­überschreitungen nicht begangen zu haben, Schaublätter zur Auswertung vorgelegt hat. Der Oö. Verwaltungssenat ersuchte einen Amtsachverständigen um entsprechende Auswertung. Ing. R H teilte dem Oö. Verwaltungssenat mit, dass, um eine Aussage über die Fahrgeschwindigkeit zu diesem Zeitpunkten machen zu können, eine mikroskopische Auswertung der Originaldiagrammscheibe erforderlich sei. Da das Amt der Oö. Landesregierung keine mikroskopische Auswertung vornehmen kann, wurden bis dato derartige Auswertungen im Zuge der Amtshilfe vom Kriminaltechnischen Dienst der Polizei in Wien gemacht. Aus Kapazitätsgründen werden derartige Auswertungen nur mehr bei Personenschäden durchgeführt. Eine Auswertung im Zuge der Amtshilfe konnte trotz Bemühen nicht organisiert werden. Diese würde über einen Gerichtsachverständigen mit entsprechender Ausrüstung oder über die Firma Siemens VDO Kosten in der Höhe von ca. 700 Euro verursachen.

 

Vor dem Hintergrund des § 25 Abs.2 VStG, wonach die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen sind wie die belastenden und dem Umstand, dass der Bw ein Beweismittel vorgelegt hat, welches ihn zur Gänze entlasten kann, ist der Oö. Verwaltungssenat zum Ergebnis gelangt, die 700 Euro teure mikroskopische Auswertung der Schaublätter nicht vorzunehmen, zumal der hiefür erforderliche Aufwand zum Grad und zur Bedeutung der in der Verwaltungsübertretung liegenden Verletzung öffentlichen Interessen in einem gravierenden Missverhältnis besteht. Dem Oö. Verwaltungssenat ist bewusst, dass eine endgültiger Be- oder Entlastungsbeweis hinsichtlich der angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitungen erst durch die mikroskopische Auswertung der Schaublätter vorliegen würde. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass, da es dem Bw nicht gelegen sein kann, sinnlose bzw. ihn nicht entlastende Beweismittel vorzulegen und eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür gegeben ist, dass er den Entlastungsbeweis erbringen könnte, andernfalls er wohl nicht das Kostenrisiko von ca. 700 Euro eingehen würde, welches ihn bei Abweisung der Berufung durch Vorschreibung der Sachverständigengebühren treffen würde. Würde dem Bw der Entlastungsbeweis gelingen, müsste diese Kosten das Land Oberösterreich tragen. Dies steht jedoch in keinem rationalen Verhältnis zu dem Unrechtsgehalt der Übertretungen, weshalb iSd § 21 Abs.1a VStG von der weiteren Durchführung des Strafverfahrens abgesehen wurde, zumal – siehe oben – mit der weiteren Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens ein Aufwand verbunden wäre, der jenen Aufwand, der üblicherweise mit einem Verfahren betreffender Delikte dieser Art verbunden ist, erheblich überstiegen würde.  

 

Was das Faktum 3. anbelangt, konnte bei der Berufungsverhandlung nicht geklärt werden, welches Zeichen der Meldungsleger tatsächlich gegeben hat, aus dem der Bw eindeutig den Schluss ziehen hätte müssen, dass es sich um ein deutliches Anhaltezeichen eines Straßenaufsichtsorganes handelt. Im Hinblick auf die Aussagen des Meldungslegers ist davon auszugehen, dass das Zeichen mit der linken Hand gegeben wurde.  Der Bw führte an, dass er dieses Zeichen auch befolgen wollte, aufgrund der Verkehrssituation jedoch nicht in der Lage war, abrupt auf die linke Seite, wie ihm der Meldungsleger dies andeutete, zu bzw. vorzufahren. Der Bw interpretierte dieses Rechtmittel dahingehend, dem Meldungsleger auf die linke Seite zu folgen. Da ihm dies jedoch aus verkehrstechnischen Gründen nicht möglich gewesen sei, habe er das Fahrzeug am rechten Fahrzeugrand ausrollen lassen und kurz angehalten. Ein paar hundert Meter von dieser Stelle kam es dann zur weiteren Anhaltung und anschließenden Amtshandlung. Der Oö. Verwaltungssenat konnte im Hinblick auf die wenig präzisen Angaben des Meldungslegers keine ausreichende Sicherheit dafür finden, dass er tatsächlich ein deutlich sichtbares Zeichen zum Anhalten (und nicht ein Zeichen, welches der Bw dahingehend interpretieren konnte, ihm nach links zu folgen) gegeben hatte. Der Bw führt ja, siehe oben, aus, dass der Meldungsleger sehr knapp vor ihm gefahren sein, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sei, dem Meldungsleger mit dem von ihm gelenkten, doch etwas größeren Transporter zu folgen und er habe deshalb sein Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand ausrollen lassen und auf den Polizisten gewartet.

 

In rechtlicher Hinsicht ist zu erwähnen, das, falls das deutliche sichtbare Zeichen zum Anhalten erwiesen wäre, dieses in Verbindung mit der Leuchtschrift "STOP Police" auch als Aufforderung zum Anhalten zu beachten ist. Der Hinweis des Bw, dass dies dem Art.8 B-VG, der die deutsche Sprache als Staatssprache der Republik Österreich festschreibt, widerspricht, muss ins Leere gehen, da § 97 Abss.5 StVO 1960  von einem Zeichen spricht und nicht davon, dass die Anhaltung mittels "Schrift" zu erfolgen hat.

 

Es war sohin der Berufung in diesem Punkt Folge zu geben und in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. F r a g n e r

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum