Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-600054/7/Br/Ps

Linz, 12.12.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine VI. Kammer (Vorsitzende Maga. Bissenberger, Berichter Dr. Bleier, Beisitzer Dr. Keinberger) nach dem Devolutionsantrag des Herrn M T, geb., wh. F, W, vertreten durch Herrn M B, O, S, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über die gegen den Mandatsbescheid vom 17. August 2006, VerkR21-222-2006/Lw/Scr, der Bezirkshauptmannschaft Steyr–Land am 21. August 2006 erhobene Vorstellung, zu Recht:

 

I.  Dem Devolutionsantrag wird Folge gegeben.

II. Der angefochtene Mandatsbescheid der BH Steyr-Land wegen Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A und B und Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahr­zeugen in der Dauer von drei Monaten (v. 18.7.2006 bis einschließlich 18.10.2006) und der Anordnung der Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung iSd § 24 Abs.3 FSG, wird ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

I. § 67a Abs.1 iVm § 73 Abs.2 AVG u. § 29 Abs.1 FSG.

II. §§ 66 Abs.4 iVm 67a Abs.1 AVG sowie §§ 7 Abs.1, Abs.3 Z1, 24 Abs.1 Z1 und Abs.3, 25 Abs.1 und Abs.3, 29 Abs.3 und 32 Abs.1 Z1 und Abs.2 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Laut Anzeige der Bundespolizeidirektion Steyr vom 11.7.2006, GZ.: C2/7069/2006-karo, habe der Vorstellungswerber (im Folgenden: Vw) am 11.7.2006 um  11:00 Uhr den Kkw mit dem Kennzeichen in Steyr auf dem Stadtplatz 24 in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall verursacht.

Diese vorläufige Annahme legte die BH Steyr-Land (im Folgenden: Erstinstanz) auch ihrem Mandatsbescheid zugrunde.

 

2. Der Devolutionsantrag langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 23. November 2006 ein.

Darin wird unter Hinweis auf  § 73 Abs.2 AVG der Übergang der Entscheidungs­kompetenz an den Unabhängigen Verwaltungssenat moniert und eine Sach­entscheidung beantragt; dies mit der Begründung, dass bei der Erstinstanz am 22. August 2006 Vorstellung gegen den mit Mandatsbescheid ausgesprochenen Entzug der Lenkberechtigung eingelangt, darüber jedoch bis zum 22. August 2006 keine Entscheidung ergangen sei. Dieses Verfahren wurde unter der Aktenzahl VerkR21-222-2006/Lw/Scr protokolliert.

Demnach habe die Entscheidungspflicht über die Vorstellung am 22. August 2006 zu laufen begonnen. Da innerhalb der 3-Monatsfrist seitens der Erstinstanz keine Entscheidung getroffen worden sei, sei diese säumig. Abschließend wird  an den Unabhängigen Verwaltungssenat als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (gemeint wohl im Instanzenzug übergeordnete Behörde) der Antrag gestellt, dieser möge der Vorstellung Folge geben.

 

2.1. Mangels einer ausdrücklichen Vollmacht des nicht zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten, jedoch dem Anschein nach als berufsmäßiger Parteienvertreter auftretenden Bevollmächtigten M B wurde am Tag der Urlaubsrückkehr des Berichters am 4. Dezember 2006 dem Vw im Wege seines vorläufig nur dem Anschein nach bevollmächtigten Vertreters die Vorlage einer entsprechenden Vollmacht im Original unter der Setzung einer Frist von einer Woche aufgetragen.

Eine vom Vw unterzeichnete Vollmacht langte am 12. Dezember 2006 beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oö. ein.

 

3. Gleichzeitig trug der Oö. Verwaltungssenat mit Schreiben vom  4. Dezember 2006 der Erstinstanz die Vorlage des bezughabenden Verwaltungsaktes samt Stellungnahme zum Devolutionsantrag auf.

 

3.1. Der erstinstanzliche Verfahrensakt langte in einem ungeordneten Konvolut am 7. Dezember 2006 beim Oö. Verwaltungssenat mit der ergänzenden Mitteilung ein, dass laut einer telefonischen Anfrage beim BG Steyr das dort anhängige Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Der Mandatsbescheid wurde laut Rückschein dem Vw am 18. August 2006 (die Unterschrift ist irrtümlich mit "18.7.2006" datiert) eigenhändig zugestellt. Die Vorstellung langte bei der Erstinstanz am 22. August 2006 ein und ist damit als rechtzeitig anzusehen.

 

3.2. Das Gutachten des Polizeiarztes Dr. G E vom 11. Juli 2006 ging unter Bezugnahme auf einen positiv verlaufenen Drogen(schnell)test von einer Beeinträchtigung des Vw durch Drogen und Übermüdung und von einem dadurch bedingten fahruntauglichen klinischen Zustand des Vw zum Unfallszeitpunkt 11. Juli 2006, 11.00 Uhr, aus.

Die toxikologische Untersuchung des vom Vw am 12. Juli 2006 zu einem unbekannten Zeitpunkt abgegebenen Harns erbrachte einen positiven Befund auf Benzodiazepine und auf Opiate (Morphin). Zusammenfassend gelangte der Sachverständige der Gerichtsmedizin der U Prof. Dr. T K in seinem Gutachten vom 24. Juli 2006 zum Ergebnis, dass sich aus dem chemisch-toxischen Untersuchungsbefund der Urinprobe des Vw nicht ableiten lasse, ob sich der Vw zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls auch unter der Wirkung der nachgewiesenen Wirkungssubstanzen befunden habe. Dies lasse sich aus der Urinprobe nicht ableiten, dazu hätte es zusätzlich einer Sicherstellung und Analyse einer Blutprobe bedurft. 

Dieses Gutachten kann nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates nur so verstanden werden, dass eine Beeinträchtigung des Vw durch Suchtgift im Sinne des § 5 Abs.1 StVO nicht als erwiesen gelten kann.

 

4. Trotz dieses bereits am 27. Juli 2006 bei der Erstinstanz eingelangten toxikologischen Gutachtens wurde dem Vw mit Mandatsbescheid die Lenkberechtigung entzogen, weil offenbar von einer durch Suchtgift beeinträchtigten Unfallfahrt ausgegangen wurde. Trotz der an der Sache weitgehend vorbeilaufenden weitwendigen Begründung erweist sich hier der Devolutionsantrag mit Blick auf die dreimonatige Entscheidungsfrist nach § 29 Abs.1 FSG in Verbindung mit dem Inhalt des fast ausschließlich auf § 5 Abs.1 StVO (das Verwaltungsstrafverfahren) ausgerichteten Vorbringens als berechtigt.

 

4.1. Die Erstinstanz legt insbesondere nicht dar und dies ist auch aus dem Verfahrensakt nicht ersichtlich, welchen rechtlichen Konnex der Ausgang des wegen fahrlässiger Körperverletzung anhängigen gerichtlichen Strafverfahrens mit der hier relevanten Frage der Rechtmäßigkeit des Entzuges der Lenkberechtigung haben könnte.

Die Erstinstanz hat nach der Erlassung des Mandatsbescheides von der PI Wolfern einen Bericht über Vorleben und Verhalten des Vw im Straßenverkehr eingeholt. Dieser lässt sich im Ergebnis dahingehend zusammenfassen, dass gegen die Ausfolgung des Führerscheins an den Vw nach der im Mandatsbescheid ausgesprochenen dreimonatigen Entziehungsdauer seitens dieser Polizeidienststelle keine Bedenken bestünden.

Weiters wurden im Rechtshilfeweg der Meldungsleger und der Polizeiarzt als Zeugen zur Deliktsfähigkeit des Vw zum Unfallszeitpunkt einvernommen; der geänderte Wohnsitz eines weiteren Zeugen wurde eruiert.

Die Zeugenaussage des Polizeiarztes ergab unter Hinweis auf den Harnbefund über die Ursachen der klinisch festgestellten Fahruntauglichkeit (Beeinträchtigung durch Suchtgift und Müdigkeit) keinen weiteren Aufschluss, ebenso nicht die Einvernahme des Meldungslegers. Es muss in diesem Zusammenhang festgestellt werden, dass diese Einvernahmen in Verbindung mit dem Abwarten eines Gerichtsurteils (die Verhandlung wurde vertagt) im Ergebnis lediglich als inhaltsleere Verfahrensschritte zu bezeichnen sind, die an der hier einzig interessierenden Frage einer Beeinträchtigung durch Suchtgift und/oder Müdigkeit zum Zeitpunkt des Verkehrs­unfalls vorbeilaufen und wohl kaum nähere Aufschlüsse über die tatsächlichen Ursachen der nach dem Unfall getroffenen klinischen Feststellungen über die Fahruntauglichkeit erwarten lassen konnten. Dies trifft noch vielmehr für das Zuwarten auf die gerichtliche Entscheidung zu, welche wohl nur Aussagen über eine vom Vw allenfalls herbeigeführte fahrlässige Körperverletzung, ev. Suchtmittelbesitz, fachlich jedoch nicht über die Fahrtauglichkeit und deren Ursachen verbindliche Feststellungen treffen dürfte. Diese Abklärung ist hier ausschließlich der Verwaltungsbehörde innerhalb der gesetzlichen Fristen vorbehalten. Die dadurch bedingte Verzögerung der Sachentscheidung über die Frist des § 29 Abs.1 FSG hinaus war nicht gerechtfertigt.

Ob sich der Vw zum Unfallszeitpunkt in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befunden hat, konnte nur im Wege des gerichtsmedizinischen Gutachtens beurteilt werden und ist nach den Ausführungen des Gutachters mangels Sicherstellung und Analyse einer Blutprobe nach dem Unfall nicht (mehr) feststellbar.

 

In diesem Zusammenhang muss auch auf den nur schwer nachvollziehbaren Umstand der unterbliebenen Einholung eines Drogenharns bereits im Zuge der amtsärztlichen Untersuchung am 11.7.2006 hingewiesen werden.  

 

Für ein Zuwarten mit der Sachentscheidung über die gesetzliche Frist hinaus bestand demnach hier keine sachliche Rechtfertigung. Demnach ist hier die Säumigkeit ausschließlich der Sphäre der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zuzurechnen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat hinsichtlich des Punktes I. rechtlich erwogen:

 

4.1. Gemäß § 67a Abs.1 Z1 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über Anträge und Berufungen in Angelegenheiten, die ihnen durch die Verwaltungsvorschriften zugewiesen sind. Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt ist, entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern durch Einzelmitglied. In den Angelegenheiten der Z1 entscheiden sie über Anträge, für deren Erledigung sie als erste Instanz oder gemäß § 73 Abs.2 zuständig sind, .... durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen.

 

4.2. Gemäß § 73 Abs.1 AVG iVm § 29 Abs.1 FSG sind die Behörden in Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung verpflichtet, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber drei Monate nach deren Einlangen einen Bescheid zu erlassen.

Gemäß § 73 Abs.2 AVG geht, wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungs­frist erlassen wird, auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim Unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

 

4.3. Diese dreimonatige Entscheidungsfrist war, gerechnet ab Einlangen der Vorstellung bei der Erstinstanz am 22. August 2006, im ggst Fall mit 22. November 2006 abgelaufen. Der Devolutionsantrag vom 23. November 2006 war berechtigt, sodass der Unabhängige Verwaltungssenat eine Sachentscheidung zu treffen hatte.

 

5. In der Sache selbst hat zu Punkt II. der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:

Für die Erstinstanz lag hier kein Fall des § 26 Abs.1 (Sonderfälle der Entziehung) und auch kein Fall einer Übertretung nach § 99 Abs.1 StVO iVm § 7 Abs.3 Z1 u. 2 bzw. Abs.3 Z3 bis 6 FSG vor. Der Mandatsbescheid erweist sich im Lichte des toxikologischen Gutachtens schon angesichts dieser Tatsache als rechtswidrig, weil offenkundig keine einen Entzugstatbestand bildende Tatsache als verwirklicht erwiesen gelten kann.  

Aus verfahrensökonomischen Gründen wird an dieser Stelle noch auf Folgendes hingewiesen:

Sollte die Erstinstanz aufgrund des positiven Harnbefundes Bedenken im Hinblick auf mangelnde gesundheitliche Eignung des Vw hegen, hätte sie unter Anführung ausreichend "begründeter Bedenken" im Wege eines auf § 24 Abs.4 FSG gestützten Bescheides eine amtsärztliche Untersuchung des Vw zu veranlassen und bei entsprechender Gutachtenslage eventuell einen – allerdings von diesem gänzlich unabhängigen Verfahren – Entzugsbescheid wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung zu erlassen gehabt (vgl VwGH vom 13.12.2005, Zl. 2005/11/0191).

Im Zusammenhang mit einem Suchtmittelkonsum des Inhabers einer Lenk­berechtigung wäre eine derartige Aufforderung rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Betreffenden fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit oder gehäuftem Missbrauch (oder wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass, wie sich aus § 14 FSG-GV ergibt, ein geringfügiger Suchtmittelgenuss die gesundheitliche Eignung (noch) nicht berührt. Erst dann, wenn der Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet ist oder wenn die Gefahr besteht, dass die betreffende Person nicht in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht (mehr) gegeben ist, liegt nach Ansicht des Höchstgerichtes ein Grund vor, unter dem Aspekt eines festgestellten – wenn auch verbotenen – Suchtmittelkonsums die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen.

 

Zusammenfassend war in Verbindung mit dem berechtigten Devolutionsantrag der Vorstellung stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Maga. Bissenberger

 

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