Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300752/2/BMa/Be

Linz, 20.04.2007

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des R W vom 27. Oktober 2006 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 16. Oktober 2006, Zl. Pol96-69-2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 3 Abs.1 Oö. Polizeistrafgesetz zu Recht erkannt:

 

I.                    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.                  Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz  1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004, iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002;

§ 66 Abs.1 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis hat die belangte Behörde den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

„Sie haben es als Präsident und damit als zur Vertretung nach außen Berufener des Vereines "Jägerrunde Freistadt" zu verantworten, dass am 13.5.2006 in der Zeit von 14.00 bis 18.00 Uhr auf der Tontaubenschießanlage in der Zelletau (Parz. Nr. 1916/1, KG Steinböckhof) durch das Abhalten eines jagdlichen Übungsschießens auf Tontauben ungebührlicherweise störender Lärm erregt wurde, wobei Sie selbst als Schießleiter fungiert haben.“

 

Dadurch erachtete die Strafbehörde § 3 Abs.1 iVm § 10 Abs 1 lit. a) des Gesetzes vom 21. März 1979 über polizeirechtliche Angelegenheiten (Oö. Polizeistrafgesetz – Oö. PolStG, LGBl. Nr. 36/1979 idF LGBl. Nr. 61/2005) als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach § 10 Abs.1 lit. a) Oö. PolStG eine Geldstrafe von 70,00 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 68 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 7,00 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

 

Der im Spruch vorgeworfene Sachverhalt sei durch einen Beamten der PI Freistadt festgestellt worden, nachdem mehrere Beschwerden über den Lärm durch das Schießen auf der Wurftaubenschießanlage der Jägerrunde geführt worden seien. Der Bw sei Präsident des Vereins Jägerrunde Freistadt und habe am 13. Mai 2006 als Schießleiter fungiert. Aufgrund des Sachverhaltes sei von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, Sanitätsabteilung, die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens über die Auswirkungen des Tontaubenschießens auf der Wurftaubenschießanlage Zelletau angefordert worden. Weiters sei der schalltechnische Prüfbericht der Abteilung Umwelt- und Anlagentechnik beim Amt der Oö. Landesregierung vom Juli 2004 zur Beurteilung, ob durch das Tontaubenschießen auf der Schießstätte Zelletau ungebührlicher Lärm erregt werde, herangezogen worden. Das Ergebnis der Lärmmessung vom Juli 2004 sowie das amtsärztliche Gutachten sei dem Bw zur Kenntnis gebracht worden. Für die erkennende Behörde ergebe sich aus dem schalltechnischen Prüfbericht und dem amtsärztlichen Gutachten, dass trotz der Verwendung von „lärmarmer Munition“ durch den Schießbetrieb auf der Wurftaubenschießanlage der Jägerrunde in der Zelletau ständige Lärmpegelspitzen (maximal bis 80 dB) auch in einer Entfernung von 630 m (auf der Terrasse der Familie P) gegeben seien. Diese Schallpegelspitzen seien durch ihre auffällige Geräuschcharakteristik mit raschem Pegelanstieg und –abfall, ihrer auffälligen Lautstärke und ihrer Anzahl für die Dauer der Lärmereignisse geeignet, eine erhebliche Störwirkung bei den Anrainern hervorzurufen. Der Schusslärm des Bundesheerschießplatzes verursache auf Grund der geänderten Schussrichtung einen um 19 dB geringeren Lärm (Maximalpegel). Auch durch die nachträgliche Legalisierung eines ursprünglich illegal errichteten Bauwerkes (gemeint das Wohnhaus der Familie P) könne nicht von einer zuvor bereits bestehenden „Ortsüblichkeit“ ausgegangen werden, zumal gesundheitsschädliche Emissionen und nach Ansicht der belangten Behörde auch ungebührlicher Lärm nicht ortsüblich werden könnten.

 

Auch wenn es hinsichtlich des Betriebs des Schießplatzes der Jägerrunde in der Zelletau jahrzehntelang keine Beschwerden gegeben habe, so bedeute dies nicht, dass dadurch kein ungebührlicher Lärm erregt worden sei.

 

Hinsichtlich des Vorwurfs der Unvollständigkeit der Gutachten, weil nicht berücksichtigt sei, dass das Übungsschießen lediglich sieben Mal pro Jahr stattfinde und es sich daher um seltene Ereignisse handle, womit der Dauerschallpegel auf höchstens 70 dB abzusenken wäre, werde festgestellt, dass man sich bei der Erregung von ungebührlichem Lärm nicht auf einen Dauerschallpegel beziehen könne, sondern die einzelnen, hohen Schallpegelspitzen bereits als Lärmerregung anzusehen seien. Auch die unregelmäßige Abgabe der Schüsse sowie die lange Zeit (14.00 bis 18.00 Uhr) der Schießveranstaltungen sei von Relevanz.

 

Die Einholung eines Gutachtens der Abteilung Umwelt- und Anlagentechnik erscheine auf Grund des vorhandenen Prüfberichts sowie des vorliegenden amtsärztlichen Gutachtens nicht notwendig.

 

Ausschlaggebend für die Verletzung der gesetzlichen Norm sei die Tatsache, dass durch das Abhalten von Schießveranstaltungen auf der Wurftaubenschießanlage Zelletau normal empfindliche Menschen (gemeint wohl normal empfindende Menschen) in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt würden. Diese Beeinträchtigung werde auch im amtsärztlichen Gutachten festgestellt. Auch die Tageszeit bzw. der Tag der Lärmerregung spiele eine große Rolle, da gerade am Wochenende ein vermehrter Wunsch nach Ruhe vorhanden sei. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Abhaltung des Schießens vermutlich nur sieben Mal im Jahr durchgeführt werde.

Störender Lärm sei dann als ungebührlich anzusehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärms führe, gegen ein Verhalten verstoße, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden könne, und jene  Rücksichtnahme vermissen lasse, die die Umwelt verlangen könne.

Die Zumutbarkeit höherer Grenzwerte bzw. der Hinweis auf die Ortsüblichkeit werde durch das amtsärztliche Gutachten verneint, zumal die Abgabe der Schüsse mit raschem Pegelanstieg und –abfall sehr laut und als massiv unangenehm empfunden werde und auch gesundheitliche Störungen nicht auszuschließen seien. Wie in der Meldung der PI Freistadt vom 13. Mai 2006 ersichtlich sei, handle es sich nicht nur um eine Familie, die sich über den Schießlärm beschwert habe, sondern auch um weitere Bewohner der Siedlung, welche sich in einer Entfernung von ca. 600 m Luftlinie zum Schießplatz befinden würden. Hinsichtlich der Ungebührlichkeit werde festgehalten, dass gerade am Wochenende die Wohnbevölkerung ein Recht auf Erholung habe und daher weitgehende Ruhe erwarten könne, selbst dann, wenn die Abhaltung derartiger Schießveranstaltungen nur siebenmal im Jahr durchgeführt werden sollte.

 

1.3. Gegen dieses seinen Rechtsvertretern am 18. Oktober 2006 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 31. Oktober 2006 (und damit rechtzeitig) bei der Bezirkshauptmannschaft Freistadt eingelangte Berufung.

1.4. Mit dieser wird das Straferkenntnis zur Gänze wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger bzw. mangelhafter Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten.

Unter dem Begriff „Schießwesen“ seien auch Schießstätten jeglicher Art, also auch Wurftaubenschießanlagen zu subsumieren. Damit würden sämtliche Angelegenheiten betreffend Schießstätten der Kompetenz des Bundes zuzurechnen sein. Die Bestrafung sei aber nach dem Oö. PolStG erfolgt. Es liege daher ein Kompetenzkonflikt vor und es müsse durch einen von der Bundesregierung oder der Landesregierung zu stellenden Antrag geklärt werden, ob ein Akt der Vollziehung im Zusammenhang mit dem Bundeskompetenztatbestand „Schießwesen“ nach dem Oö. PolStG geahndet werden könne.

Es gebe kein „Schießstätten-Gesetz“, sodass zur Abwehr von Lärmemissionen die Gerichte im Rahmen nachbarrechtlicher Unterlassungsklagen zuständig seien. Neben der konkreten Gefährdung der Gesundheit komme es auf die Ortsüblichkeit an, wobei neu hinzukommende Nachbarn sich mit den im Gebiet vorherrschenden Emissionen abzufinden hätten.

Die Wurftaubenanlage bestehe seit 1932 und es hätten jährlich fünf bis zehn Veranstaltungen stattgefunden. Die Ehegatten P hingegen hätten ihr Einfamilienhaus ohne Baubewilligung errichtet, die unzulässige Errichtung sei erst 2002 durch Widmungsänderung saniert worden.

Die angefochtene Entscheidung sei daher in Folge fehlender Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Freistadt als Verwaltungsbehörde als nichtig anzusehen.

 

Die Messungen im Prüfbericht der Abteilung Umwelt- und Anlagentechnik seien ergänzungsbedürftig, weil diesen eine zu kurze Messzeit zugrunde liege und nicht berücksichtigt worden sei, dass überwiegend Nordwestwetterlage bestehe, die ohnehin den Schall vom Prüfobjekt wegbringen würde. Auch die medizinische Amtsachverständige habe den vorher erwähnten Prüfbericht durch telefonische Befragung ergänzen müssen, diese telefonischen Ergänzungen seien aber in Bezug auf ihre Richtigkeit nicht überprüfbar.

Die medizinische Amtsachverständige sei keine Fachfrau für die Beurteilung (der Wirkung) von gelegentlichem Schießlärm auf Menschen.

Die Nichtvornahme der beantragten Ergänzungen des lärmtechnischen und medizinischen Gutachtens führe zu einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

Eine Auskunft der Gemeinden Lasberg und Grünbach zum Beweis dafür, dass weder den betroffenen Gemeinden noch dem Gesundheitsamt der Bezirkshauptmannschaft Freistadt Beschwerden von anderen Anrainern oder Ortsbewohnern bezüglich der Lärmentwicklung im Zusammenhang mit den durchgeführten Übungsschießen bekannt geworden seien, sei unterblieben. Auch die Familie P habe sich erst zur Erhebung von Beschwerden entschlossen, nachdem durch nachträgliche Genehmigung ihr illegales Bauwerk abgesegnet worden sei.

Durch die Nichteinholung dieser Beweismittel sei eine Beurteilung des Tatbestandsmerkmals „Ungebührliches Verhalten, wie es im Zusammenleben mit anderen zu verlangen ist und das jene Rücksichtnahme vermissen lässt, die die Umwelt verlangen kann“, nicht möglich.

 

Es würden auch Feststellungen dahingehend fehlen, dass der Bw, der als Obmann und Präsident des Vereins „Verein Jägerrunde Freistadt“ seit April 2002 fungiere, die durch demokratische Abstimmung der Vereinsmitglieder zustande gekommenen Beschlüsse, wie die Abhaltung von Übungsschießen, zu befolgen habe. Ein Fehlverhalten des Bw habe unter Hinweis auf die Bestimmungen des Vereinsgesetzes nicht erfolgen können. Eine Nichtbefolgung der Vereinsbeschlüsse wäre nur gestattet, wenn erkennbar gegen Gesetze verstoßen würde.

Das gegenständliche Verhalten werde von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung auf jeden Fall nicht als ungebührlich iSd PolStG aufgefasst. Die Tontaubenschießanlage werde seit 1932 betrieben und seither hätte das übliche, allgemein anerkannte und notwendige jagdliche Übungsschießen stattgefunden. Die Wurfmaschine sei 1977 in einen „Bunker“ verlegt worden, wobei nach damaliger Ansicht der Baubehörde eine Baubewilligung nicht notwendig gewesen sei. Im Mai 2006 sei auch eine baubehördliche Genehmigung erteilt worden. Dazu würden entsprechende Feststellungen im bekämpften Straferkenntnis fehlen.

Die Bewilligung nach der Oö. Bauordnung zeige auf, dass keine wesentliche Belästigung für Menschen vorliegen könne, weil eine Bewilligungsfähigkeit auch darauf hinweise, dass von diesem „Bauwerk“ keine erhebliche Gefahr oder wesentliche Belästigung für Menschen ausgehen könne.

Eine Beurteilung der Ortsüblichkeit könne nicht stattfinden, weil die belangte Behörde nicht festgestellt habe, dass das Wohnhaus der Ehegatten P sich ursprünglich in der Widmungskategorie „Grünland“ befunden habe und der illegale Bau erst 2002 in Form einer Widmung „Grünland mit Sternchen“ bereinigt worden sei.

Die Feststellung, dass bis Ende 2005 mit Wissen und unter Mitwirkung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt als Jagdbehörde aus Anlass der jährlichen Jagdprüfungen Prüfungs- und Übungsschießen aus der Wurftaubenanlage stattgefunden hätten, sei auch nicht getroffen worden. Eine derartige Feststellung sei jedoch zur Beurteilung dafür, dass die Lärmerregung nicht ungebührlich sei, unerlässlich.

 

Bei richtiger Beweiswürdigung hätte die belangte Behörde feststellen müssen, dass die Lärmemissionsgrenzwerte in Bezug auf gesundheitliche Aspekte nicht erreicht würden, zumal nach dem Prüfbericht vom 14. Juli 2004 der Dauerschallpegel von 74 dB abzusenken sei, weil lediglich sieben Veranstaltungen im Jahr stattfinden würden und deshalb von seltenen Ereignissen auszugehen sei. Überdies sei dem Prüfbericht eine Lärmmessung bei leichtem Wind aus Südwestrichtung zugrunde gelegt worden, sodass die ermittelten Werte auf Grund der ansonsten üblichen Nordwestwetterlage wesentlich geringer anzusetzen seien.

 

Die Tontaubenwurfanlage werde seit 1932 für Veranstaltungen der Jägerrunde, nunmehr „Verein Jägerrunde Freistadt“ verwendet. Die Anlage sei entweder genehmigt (Unterlagen seien wegen des lange zurückliegenden Zeitpunkts offensichtlich nicht mehr auffindbar) oder diese habe nach gängiger Rechtsansicht und Verwaltungspraxis keiner Genehmigung bedurft. 1977 sei der Jägerrunde mitgeteilt worden, dass für die damals aus Sicherheitsgründen vorgenommenen Abänderungen keine Baubewilligung notwendig sei. Im Mai 2006 sei die Anlage in baurechtlicher Hinsicht genehmigt worden, sodass iSd § 24 Oö. BauO davon auszugehen sei, dass keine wesentliche Belästigung für Menschen durch die Anlage hervorgerufen werde. Sollten dennoch Belästigungen vorliegen, müsse dies im Rahmen eines Verfahrens nach dem Oö. Baurecht abgeklärt werden. Die Durchführung von Veranstaltungen auf der Wurftaubenschießanlage könne zwar Lärm verursachen, eine solche Lärmverursachung könne jedoch niemals ungebührlich sein. So könne auch eine Maschine in einem gewerblich genehmigten Betrieb Lärm verursachen, ein solcher Lärm sei aber nicht nach dem Oö. PolStG zu ahnden, sondern nur über Einleitung eines gewerberechtlichen Verfahrens bzw. einer nachbarrechtlichen Unterlassungsklage.

 

Auf der gegenständlichen Anlage würden von der Jägerrunde im Jahresdurchschnitt sechs bis acht Tontaubenübungsschießen, unter anderem auch solche unter Wissen und Mitwirkung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, aus Anlass der jährlichen Jagdprüfungen durchgeführt werden. Solche Übungsschießen seien nach dem Oö. Jagdrecht im Rahmen der Ausbildung erforderlich und würden auch der laufenden Aufrechterhaltung des Ausbildungsstandes dienen. Ein Tatbestand nach dem Veranstaltungsrecht, der eine Untersagung der Veranstaltungen rechtfertigen würde, liege offensichtlich nicht vor, da der Bezirkshauptmannschaft Freistadt schon seit einigen Jahren die Durchführung der Veranstaltungen bekannt sei, ohne dass ein Untersagungsbescheid erlassen worden sei.

Der jahrzehntelang geübte Bestand weise auf die Ortsüblichkeit hin, wobei zu berücksichtigen sei, dass ohnehin in den letzten Jahren mit lärmarmer Munition geschossen werde. Mit dem Oö. PolStG könne nur ein Verhalten geahndet werden, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden könne, das heißt, wenn es jene Rücksicht vermissen lasse, die die Umwelt verlangen könne. Es müsse also um ein Verhalten gehen, das generell und nicht nur von einer einzigen Familie, die in Kenntnis der Situation ein Einfamilienhaus in der unmittelbaren Nähe der Schießanlage erworben habe, als störend empfunden werde. Nach dem PolStG könne nur geahndet werden, was nach dem allgemeinen Rechtsempfinden eines vernünftig denkenden Menschen als ungebührlich empfunden werde.

 

Abschließend wurde der Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gestellt.

 

3. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG). Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt zur Zahl Pol96-69-2006 der Bezirkshauptmannschaft Freistadt festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon auf Grund der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 3 Abs.1 Oö. PolStG begeht, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung.

Nach Abs.2 leg.cit sind unter störendem Lärm alle wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche zu verstehen.

Störender Lärm ist dann als ungebührlicherweise erregt anzusehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärms führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss und jene Rücksichtnahme vermissen lässt, die die Umwelt verlangen kann (Abs.3 leg.cit).

 

§ 10 Abs.1 lit. a) Oö. PolStG bestimmt, dass Verwaltungsübertretungen gemäß § 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis 360 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen sind.

 

4.1. Der Oö. Verwaltungssenat geht von folgendem rechtlich relevanten Sachverhalt aus:

 

R W ist Präsident und damit zur Vertretung nach außen Berufener des Vereins „Jägerrunde Freistadt“. Am 13. Mai 2006 in der Zeit von 14.00 bis 18.00 Uhr wurde auf der Tontaubenschießanlage in der Zelletau (Parz. Nr. 1916/1, KG Steinböckhof) ein jagdliches Übungsschießen auf Tontauben abgehalten. Aufgrund dieses Übungsschießens beschwerten sich die nächstliegenden Anrainer, die Familie P, und auch ein Bewohner von Grünbach/Freistadt über den Schießlärm. Die Häufigkeit und Intensität der an diesem Tag abgegebenen Schüsse kann nicht festgestellt werden, weil auch die Anzahl der abgegebenen Schüsse und die verwendeten Schießgeräte nicht aktenkundig sind.

 

Die Wurftaubenanlage in der Zelletau besteht seit 1932 und wurde seit ihrem Bestehen für Schießveranstaltungen genutzt. Die Anzahl der durchgeführten Übungsschießen hat sich auf 6 bis 8 jährlich in den letzten Jahren reduziert. Die Anlage war entweder behördlich genehmigt oder bedurfte nach damals gängiger  Rechtsansicht und Verwaltungspraxis keiner Genehmigung. 1977 wurde der Jägerrunde mitgeteilt, dass für die damals vorgenommenen Abänderungen keine Baubewilligung erforderlich sei. Im Mai 2006, nach dem Tatzeitpunkt, wurde die Anlage in baurechtlicher Hinsicht genehmigt. Die Anlage wurde auch unter Wissen und Mitwirkung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt aus Anlass der jährlichen Jagdprüfungen genutzt. Seit dem Jahr 2000 verwendet die Jägerrunde lärmarme Schrotpatronen. Unmittelbar neben der gegenständlichen Schießanlage befindet sich der Schießplatz des Bundesheers.

Am 8. Juni 2002 wurde eine Vereinbarung mit den Ehegatten P und zwei weiteren Beschwerdeführern gegen die Schießanlage dahingehend getroffen, dass das Tontaubenschießen der Jägerrunde Freistadt an jedem zweiten Samstag im Monat in der Zeit von April bis Oktober von 14.00 bis 18.00 Uhr stattfinden könne. Es wurde die Einhaltung der Schusstermine gefordert und die Bekanntgabe des Tontaubenschießens an die Ehegatten P mittels Kalender. Nach dem im Jahr 2002 vorgenommenen Lokalaugenschein wurde in dem am 8. Juni 2002 vom Gemeindebediensteten A P verfassten Gedächtnisprotokoll, das auch vom Bürgermeister unterzeichnet wurde, festgehalten, dass die Schüsse im Haus Schlag Nr. 33 zwar zu hören waren, aber von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität bzw. einer Störung nicht gesprochen werden könne. Bei entsprechender Windrichtung könne der Schall ganz anders hörbar werden, das sei aber selten der Fall.

 

Im Juli 2004 wurde ein Prüfbericht der Abteilung Umwelt- und Anlagentechnik betreffend den Schießplatz Jägerrunde Freistadt erstellt, der eine schalltechnische Untersuchung beim Wohnhaus P, beinhaltet. Darin wird ausgeführt, dass eine Belästigung durch den Schießbetrieb vorhanden sei. Auf Grundlage dieses Prüfberichts wurde von einer medizinischen Amtsachverständigen festgestellt, dass die gegenständliche Lärmemission Schallpegelspitzen beinhalte, die durch ihre auffällige Geräuschcharakteristik mit raschem Pegelanstieg und –abfall, ihrer auffälligen Lautstärke und ihrer Anzahl für die Zeitdauer der Lärmereignisse geeignet seien, eine erhebliche Störwirkung bei den Anrainern hervorzurufen. Für eine bestimmte Gruppe von Risikopatienten könne auch eine gesundheitliche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden.

 

Das Wohnhaus der Hauptbeschwerdeführer gegen den Schießbetrieb der Jägerrunde Freistadt, der Ehegatten P, wurde zunächst ohne Baubewilligung errichtet und nachträglich im Jahre 2002 durch Widmungsänderung genehmigt.

4.1.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Akt.

 

Eine Auseinandersetzung mit den kompetenzrechtlichen Tatbeständen ist im vorliegenden Fall nicht erforderlich, weil der Bescheid der belangten Behörde aus anderen Gründen aufzuheben war.

 

Ob der Lärm als „störend“ und überdies „ungebührlicherweise erregt“ anzusehen ist, hängt vom Empfinden eines mit der Sachlage vertrauten objektiven Beobachters ab. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Lärm störend, wenn Art und Intensität geeignet sind, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu stören. Dabei kommt es lediglich darauf an, ob der Lärm nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet ist, von unbeteiligten Personen als störend empfunden zu werden (vgl. VwSlg 13801 A/1993 unter Hinweis auf Vorjudikatur). Auch für die Frage der Ungebührlichkeit gilt dieser objektive Maßstab. Die Frage, ob Lärm als "störend" und "ungebührlicherweise erregt" zu qualifizieren ist, ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist auch der tatsächliche Umstand der Ortsüblichkeit zu berücksichtigen (vlg. etwa VwSen-230392 u.a. vom

3. Mai 1995, VwSen-230390 vom 28. Dezember 1995). Es kann von einem „störenden“ Lärm aber nicht nur dann gesprochen werden, wenn „der Schallpegel ortsübliche Werte bzw. gesetzte Emissionsgrenzwerte überschreitet“ (VwGH vom 21. Dezember 1987, 87/10/0136 mwN).

 

Zur Feststellung der Lärmsituation wurde am 14. Juli 2004 ein schalltechnischer Prüfbericht der Abteilung Umwelt- und Anlagentechnik, Umweltprüf- und Überwachungsstelle des Landes Oberösterreich, erstellt. Unstreitig ergibt sich aus diesem Bericht, dass auch bei weniger als zehn Veranstaltungen, bei denen von seltenen Ereignissen gesprochen werden kann, eine Belästigung durch den Lärm gegeben ist, der durch die Schallpegelspitzen, welche von ihrer auffälligen Geräuschcharakteristik mit raschem Pegelanstieg und –abfall, ihrer auffälligen Lautstärke und ihrer Anzahl geprägt sind, für die Zeitdauer der Lärmereignisse laut medizinischem Gutachten geeignet ist, eine erhebliche Störwirkung bei den Anrainern hervorzurufen.

Aus dem Lärmmessprotokoll ist ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Lärmmessung am 14. Juli 2004 ein Schießbetrieb auf der angrenzenden Schießanlage des Bundesheers nicht stattgefunden hat und daher auch bei den Lärmereignissen nicht berücksichtigt wurde. Dies ist im konkreten Fall im Hinblick auf das vorzitierte VwGH-Erkenntnis nicht von Belang, weil die Qualifikation als „störender“ Lärm nicht ausschließlich vom Schallpegel der ortsüblichen Werte abgeleitet werden kann.

Unter Zugrundelegung der Befunde des lärmtechnischen Sachverständigen und der medizinischen Amtsachverständigen sowie deren Gutachten kann daraus abgeleitet werden, dass die durch eine derartige Schießveranstaltung verursachte Lärmintensität als störend empfunden werden kann und daher objektiv als Belästigung der Anrainer, insbesondere der Familie P, angesehen werden kann.

 

Im konkreten Fall fehlt aber zur Annahme, es wäre am 13. Juni 2006 in der Zeit zwischen 14.00 und 18.00 Uhr durch die Schießveranstaltung zu einer Lärmbelästigung gekommen, die als störender Lärm zu qualifizieren ist, die Angabe der Anzahl der abgegebenen Schüsse und der Art der Waffen, mit denen diese Schüsse abgegeben worden sind. Denn erst durch diese zusätzliche Angabe kann die am 13. Juni 2006 verursachte Lärmemission konkret beurteilt werden.

 

Die Aufnahme dieser ergänzenden Beweise erübrigt sich aber, weil schon aus anderen Gründen keine Ungebührlichkeit der störenden Lärmemission gegeben ist. Dazu wurde von der belangten Behörde festgehalten, dass gerade am Wochenende die Wohnbevölkerung ein Recht auf Erholung hat und daher weitgehende Ruhe erwarten kann, selbst dann, wenn die Abhaltung von Schießveranstaltungen nur sieben Mal im Jahr durchgeführt werden sollte.

In diesem Zusammenhang ist nach dem unbestrittenen Vorbringen des Bw auch zu berücksichtigen, dass bereits seit 1932 die Tontaubenwurfanlage (Schießanlage) für Veranstaltungen der Jägerrunde bzw. des Vereins Jägerrunde Freistadt verwendet wurde. Auf der gegenständlichen Anlage wurden im Jahresdurchschnitt (in den letzten Jahren) sechs bis acht Tontaubenübungsschießen, unter anderem auch solche unter Wissen und Mitwirkung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, aus Anlass der jährlichen Jagdprüfungen durchgeführt. Zudem war man offensichtlich bemüht, das Einvernehmen mit betroffenen Nachbarn herzustellen und ist mit diesen auch im Jahr 2002 zu einer Übereinkunft hinsichtlich der Abhaltung der Schießveranstaltungen gekommen.

Bei Beurteilung der „Ungebührlichkeit“ der Lärmerregung ist auch der Aspekt nicht zu vernachlässigen, dass die Hauptbeschwerdeführer (Familie P) gemäß den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beschwerdeführers in das ohne Baubewilligung errichtete Einfamilienhaus gezogen sind und die unzulässige Errichtung erst im Jahre 2002 (zu diesem Zeitpunkt haben bereits seit ca. 70 Jahren Tontaubenübungsschießen stattgefunden) durch Widmungsänderung saniert wurde.

Unter Beachtung der vorher erwähnten Gesichtspunkte kann nicht von einem rücksichtslosen Verhalten des Vereins Jägerrunde Freistadt und somit von ungebührlicher Lärmerregung bei Abhaltung der in ihrem Ausmaß nicht erhöhten Veranstaltungen des Tontaubenschießens unter Verwendung von lärmarmer Munition (in den letzten Jahren), gesprochen werden.

 

Der Bw hat damit nicht das Tatbild des § 3 Abs.2 Oö. PolStG, der ungebührlicherweise störenden Lärmerregung begangen.

 

Aber selbst wenn man das Tatbild für erfüllt ansehen würde, hätte der Beschwerdeführer dies nicht zu verantworten. Denn das Vorliegen der subjektiven Tatseite ist im konkreten Fall zu verneinen. Weil es sich gegenständlich um einen Verwaltungsstraftatbestand handelt, genügt gemäß § 5 Abs.1 VStG fahrlässiges Verhalten, weil über das Verschulden nicht anderes bestimmt wurde. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Gemäß § 5 Abs.2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwider gehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Dem Beschwerdeführer mangelte es bezüglich der Abhaltung des jagdlichen Übungsschießens im Hinblick auf die Verwirklichung des Tatbestands des § 3 Oö. PolStG am Unrechtsbewusstsein. Der Bw ging davon aus, dass die Durchführung des Übungsschießens nicht als „ungebührlich“ qualifiziert werden kann. Damit war er in einem Irrtum über ein normatives Tatbestandsmerkmal verfangen. Ein solcher Irrtum ist nicht nach den Regeln des § 5 Abs.2 VStG (siehe auch die insoweit vergleichbaren Bestimmungen des § 9 StGB) über den Verbotsirrtum zu behandeln. Vielmehr stellt er einen Tatbildirrtum dar (Reindl in WK StGB § 5 RN 50; Kienapfel AT5 Z 16 RN 4). Die Verantwortlichkeit für ein Fahrlässigkeitsdelikt hat aber auch zur Voraussetzung, dass der Täter mit Unrechtsbewusstsein handelt oder den Täter am Mangel des Unrechtsbewusstseins ein Verschulden trifft.

Es kann von jedem, der für die Abhaltung von Übungsschießen verantwortlich ist, verlangt werden, dass er sich über die geltenden Rechtsvorschriften informiert und diesen gemäß handelt. Im konkreten Fall wurde das Übungsschießen bereits seit 73 Jahren abgehalten, wobei es erst in den letzten Jahren immer wieder zu Beschwerden von Anrainern gekommen ist. Die Jägerrunde Freistadt war bemüht, sich gesetzeskonform zu verhalten und hat bei einer baulichen Änderung an der Schießanlage im Jahr 1977 bei der zuständigen Behörde wegen einer Genehmigung angefragt. Offenbar ist sowohl die Behörde als auch der Verein „Jägerrunde Freistadt“ davon ausgegangen, dass die Anlage entweder die erforderlichen Genehmigungen aufweist oder solche nicht erforderlich sind. Das Abhalten von Übungsschießen auf einer nach allgemeiner Ansicht genehmigten Anlage, also ein Tätigwerden in einem (vermeintlich oder tatsächlich) genehmigten Bereich ist  geeignet, den Irrtum über den Begriff der ungebührlichen Lärmerregung zu entschuldigen.

 

5. Bei diesem Ergebnis war dem Bw nach § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

 

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