Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162206/7/Br/Ps

Linz, 06.06.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H K, geb. , S, H, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. H H, S, N, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems vom 18. April 2007, Zl. VerkR96-16606-2006, zu Recht:

 

I.        Der Berufung wird in Punkt 1. Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

          Im Punkt 2. wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 10/2004 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.3 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 117/2002 – VStG.

 

II.       Zu Punkt 1. entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

          Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber im Punkt 2. als Kosten für das Berufungsverfahren 7,20 Euro auferlegt (20 % der verhängten Geldstrafe).

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 u. § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber 1. wegen der Übertretung nach § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 2. wegen der Übertretung nach § 14 Abs.7 iVm § 37 Abs.1 FSG 1997 Geldstrafen von 160 Euro u. 36 Euro und für den Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von 60 u. 12 Stunden verhängt.

Es wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 26.7.2006 um ca. 16.15 Uhr den PKW, Kennzeichen, auf der Pyhrnautobahn A9 bei Km. 52,676 im Gemeindegebiet von Spital/Py. in Richtung Norden gelenkt, wobei er

1.   die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 41 km/h überschritten habe und

2.   als Person, welche sich im Besitz mehrerer in einem EWR-Staat ausgestellter Führerscheine befunden habe, nicht alle bis auf den zuletzt ausgestellten Führerschein bei der Wohnsitzbehörde (BH Salzburg-Umgeb.) abgeliefert habe.

 

2. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:

"Die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen sind durch das Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen.

 

Im gegenständlichen Verfahren haben Sie die Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen bestritten und Sie rechtfertigten sich im wesentlichen dahingehend, dass die Geschwindigkeitsmessung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und auch der Besitz eines deutschen und österreichischen Führerscheines keine Übertretung im Sinne des § 14 Abs. 7 FSG darstellt.

 

Hierüber hat die Behörde nachstehendes erwogen:

 

Die Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen wurden durch die dienstliche Wahrnehmung eines Polizeibeamten der Autobahnpolizei Klaus und durch die Geschwindigkeitsmessung mittels geeichtem Lasergerät festgestellt.

Die Behörde geht davon aus, daß einem ausschließlich im Verkehrsüberwachungsdienst tätigen Polizeibeamten zugebilligt werden kann, daß Ihnen angelastete Verhalten richtig und objektiv festzustellen sowie wiederzugeben.

 

Als Zeuge am 20.11.2006 einvernommen gibt RI H der API Klaus zusammenfassend an, dass die Geschwindigkeitsmessung durch das geöffnete Seitenfensters des Dienstkfz durchgeführt wurde und das Fahrzeug des Herrn K mit überhöhter Geschwindigkeit gemessen wurde.

 

Auf die Angaben bei der Anzeigeerstattung wurde hingewiesen, eine Kopie des Eichscheines und des Messprotokolles wurde beigebracht.

Der technische Amtssachverständige Ing. L hat in seinem Gutachten vom 16.3.2007 zusammenfassend festgestellt, dass aus technischer Sicht gesagt werden kann, dass es sich um eine gültige Geschwindigkeitsmessung gehandelt hätte.

 

Im Hinblick auf die zeugenschaftlichen Aussagen des Polizeibeamten, welche überzeugend erscheinen und den Ausführungen des technischen Amtssachverständigen im Gutachten hat die Behörde keinerlei Veranlassung den diesbezüglichen Ausführen keinen Glauben zu schenken.

Der Polizeibeamte unterliegt überdies aufgrund seines Diensteides und seiner verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht und muß bei deren Verletzung mit straf- bzw. dienstrechtlichen Sanktionen rechnen.

Hingegen treffen Sie in Ihrer Eigenschaft als Beschuldigter keine derartigen Pflichten bzw. Sanktionen.

Auch Ihre Rechtsmeinung hinsichtlich der Übertretung nach § 14 Abs. 7 FSG kann von der hiesigen Behörde nicht nachvollzogen werden und erfolgt daher keine nähere Begründung. Abschließend kann daher festgestellt werden, daß Sie gemäß § 5 Absatz 1 VStG 1991 nicht glaubhaft machen konnten, daß Sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Bei erwiesenem Tatbestand der Ihnen zur Last gelegten Zuwiderhandlungen war sohin spruchgemäß zu entscheiden und die zu verhängenden Geldstrafen unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG 1991 festzusetzen.

 

Bezüglich des Strafausmaßes ist auszuführen:

 

Gemäß § 19 VStG 1991 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjeniger Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs. 2 dieser Norm sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- u. Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens Bedacht zu nehmen.

 

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32-35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden und die Einkommens-Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Im konkreten Fall wurden bei der Strafbemessung das Ausmaß Ihres Verschuldens und das Nichtvorliegen von Vormerkungen gewertet und somit die Erschwerungs- u. Milderungsgründe gegeneinander abgewogen, sowie Ihre Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse berücksichtigt.

Hiebei wurde von der amtlichen Schätzung ausgegangen, da Sie diese trotz Aufforderung vom 16.10.2006 bis dato nicht bekannt gegeben haben.

Die verhängte Geldstrafe erscheint aus den angeführten Gründen dem Erfordernis des § 19 VStG entsprechend.

Gegen eine niedere Straffestsetzung sprechen auch general- und spezialpräventive Erwägungen; es soll nämlich die Strafe als spürbares Übel sowohl den Täter als auch andere Personen von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abhalten.

 

Die Entscheidung über die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen."

 


2.1. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner binnen offener Frist durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung mit folgendem Inhalt:

"In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebt der Einschreiter gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 18.4.2007 zu VerkR96-16606-2006, zugestellt am 19.4.2007, binnen offener Frist nachstehende

 

B e r u f u n g

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als Berufungsbehörde und führt dazu aus wie folgt:

Angefochten wird das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach.

Geltend   gemacht   werden   die   Berufungsgründe   der  wesentlichen  Verfahrensmängel  und   der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

 

1.         Wesentliche Verfahrensmängel:

 

1.1.      Keine Einvernahme des Einschreiters:

Ein Beschuldigte hat im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz einen Anspruch auf eine mündliche Vernehmung (VwSlgNF 84 F, 7953 A, 8249 A).

Der Einscheiter wurde jedoch trotz mehrmaligem ausdrücklichen Antrag (Stellungnahme vom 18.10.2006, Stellungnahme vom 12.4.2007 letzte Seite) zu keiner Zeit einvernommen.

Die Einvernahme des Einschreiters hätte jedenfalls Beweisergebnisse gebracht, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung, nämlich die mangelnde Zurechenbarkeit eines Messergebnisses zum Fahrzeug des Einschreitens, geführt hätte.

Die unterlassene Einvernahme belastet somit das erstinstanzliche Verfahren mit einem wesentlichen Verfahrensmangel.

 

1.2.      Mangelhafte Begründung:

 

1.2.1. Gemäß § 24 VStG iVm § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen von Beteiligten abgesprochen wird. Dem entsprechend ist auch auf Einwendungen einer Partei konkret einzugehen.

Die erstinstanzliche Behörde begründet die Feststellung der auf Straferkenntnis S. 1 angeführten Tatsachen unter anderen lapidar im Straferkenntnis S. 2 wie folgt:

"Die Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen wurden durch die dienstliche Wahrnehmung eines Polizeibeamten der Autobahnpolizei Klaus und durch die Geschwindigkeitsmessung mittels geeichtem Lasergerät festgestellt. Die Behörde geht davon aus, dass einem ausschließlich im Verkehrsüberwachungsdienst tätigen Polizeibeamten zugebilligt werden kann, das Ihnen angelastete Verhalten richtig und objektiv festzustellen sowie wiederzugeben."

Diese Begründung lässt die Einwendungen und Stellungnahmen des Einschreitens vom 4.10.2006 sowie vom 12.4.2007 gänzlich außer Betracht.

 

1.2.2.   Wesentliche Problematik:

 

Entgegen der Meinung der erstinstanzlichen Behörde (Straferkenntnis S. 2) wird seitens des Einschreiters nicht die Richtigkeit eines Messergebnisses von 177 km/h, sondern die Zuordnung dieser Geschwindigkeit zum Fahrzeug des Einschreitens angezweifelt.

Diese Zweifel wurden schlüssig damit begründet, dass im Zeitpunkt der Messungen erhebliches Verkehrsaufkommen -vor allem mit LKWs auf dem rechten Fahrstreifen-vorgeherrscht hat und dass der einschreitende Beamte bei der Durchführung der Messung nicht von einem zweiten unterstützt wurde, weshalb dieser sein Augenmerk zwischen der durchgeführten Messung und der Anhaltung nicht auf das gemessene Fahrzeug gerichtet haben konnte (Stellungnahme vom 12.4. 2007 Pkt. 2.4).

Dies deckt sich auch mit folgenden Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 16.3.2007 S. 2:

„... Wird ein zu messendes Fahrzeug nicht durch andere Fahrzeuge verdeckt oder ist die Sicht dorthin nicht gegeben, so kann natürlich keine entsprechende Messung erfolgen ..."

 

1.2.3.   Die in Pkt. 1.2.1 zitierte Begründung der erstinstanzlichen Behörde ist in diesem Punkt jedenfalls unzureichend und nimmt keinerlei Bezug auf die vom Einschreiter aufgezeigte und vom Sachverständigen bestätigte Problematik (Pkt. 1.2.2).

Das angefochtene Straferkenntnis entbehrt jeglicher Begründung dafür, dass das verfahrensgegenständliche Messergebnis auch tatsächlich dem Fahrzeug des Einschreiters zuzurechnen wäre. Diesbezügliche Umstände und Tatsachen wären schon auf Grund der Stellungnahmen des Einschreitens zu erheben gewesen.

 

1.2.4.  Zur zweiten vorgeworfenen Verwaltungsübertretung führt dief erstinstanzliche Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung lediglich aus:

"Ihre Rechtsmeinung hinsichtlich der Übertretung nach §14 Abs. 7 FSG kann von der hiesigen Behörde nicht nachvollzogen werden und erfolgt daher keine nähere Begründung."

Auch in diesem Punkt hätte die erstinstanzliche Behörde im angefochtenen Straferkenntnis jedenfalls rechtlich begründen müssen, weshalb sie den Rechtsstandpunkt des Einschreitens nicht nachvollziehen können soll.

 

1.3.   Keine    Gelegenheit    zur    Fragestellung    an    den    zeugenschaftlich    einvernommenen Polizeibeamten:

 

1.3.1.   Der Einschreiter hat bereits in der Stellungnahme vom 12.4.2007 ausgeführt:

"2.2. Vorweg wird festgehalten, dass der einschreitenden Partei nicht Gelegenheit gegeben wurde, selbst Fragen an den Zeugen zu stellen. Dadurch wäre der Zeuge zu den Umständen befragt worden, aus denen sich erschließen lässt, dass das Messergebnis nicht dem Fahrzeug des Einschreiters zuordenbar war und dieser nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist."

 

1.3.2.     Die erstinstanzliche Behörde stützt sich bei deren Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wesentlich auf eine Aussage des RI H als Zeuge vom 20.11.2006 (Straferkenntnis S. 2).

 

Von dieser Einvernahme wurden jedoch weder der rechtsfreundliche Vertreter des Einschreitens, noch der Einschreiter selbst verständigt, sodass dieser als Partei keine Fragen an den Zeugen stellen konnte.

Das Fragerecht der Partei ist ein wesentliches Elemente des Rechts auf Parteiengehör. Diesem wird jedenfalls im Berufungsverfahren gemäß § 51g Abs. 2 VStG Rechnung zu tragen sein.

In diesem Zusammenhang wird bereits jetzt ausdrücklich beantragt, neben dem Einschreiter auch den Zeugen RI H zum Beweis dafür einzuvernehmen. dass kein Zusammenhang zwischen dem erzielten Messergebnis und dem Fahrzeug des Einschreiters - mit der für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe nötigen Gewissheit - besteht.

 

2.         Unrichtige rechtliche Beurteilung:

 

2.1.  Schon unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes ist die rechtliche Beurteilung der Behörde erster Instanz aus nachstehenden Gründen unrichtig.

 

2.2.            Keine Tatbestandsmäßigkeit gemäß § 14 Abs. 7 FSG:

 

§ 14 Abs 7 FSG lautet wie folgt:

 

"... Eine Person, die im Besitz mehrerer in einem EWR-Staat ausgestellter Führerscheine ist, hat alle bis auf den zuletzt ausgestellten Führerschein bei ihrer Wohnsitzbehörde abzuliefern ..."

 

Wie sich bereits aus der Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion selbst ergibt, hat der Einschreiter weder zwei oder mehrere österreichische Führerscheine, noch zwei oder mehrere deutsche Führerscheine. Vielmehr hat der Einschreiter jeweils einen in einem EWR-Staat, nämlich Österreich einerseits und Deutschland andererseits, ausgestellten Führerschein.

 

Die primär heranzuziehende Wortlautinterpretation lässt keinen Zweifel darüber, dass der Gesetzgeber verhindern wollte, dass mehrere Führerscheine eines EWR-Staates in Verwendung und im Umlauf sind. Vielmehr soll einem Straßenaufsichtsorgan in welchem EWR-Staat auch immer sofort klar sein, wann welche Lenkerberechtigung eines Mitgliedstaates dem Rechtsunterworfenen zuerkannt wurde.

 

Würde man im Hinblick auf die gesetzliche Wortfolge "... mehrerer in einem ERW-Staat ausgestellter Führerscheine ..." der Interpretation der Behörde folgen, so hätte dies eine verfassungswidrige Unbestimmtheit der Bestimmung des § 14 Abs. 7 FSG zu bedeuten, welche im Sinne der gebotenen verfassungskonformen Auslegung zu vermeiden ist. Da jedoch der Wortlaut bereits keinen Auslegungsspielraum mehr offen lässt, bleibt kein sprachlicher Raum mehr, um auf eine der Annahme eines einzelnen Ausstellungsstaates widersprechende Interpretation zurück zu greifen (etwa VfSlg 5153/1965 ; VfSlg 7698/1975).

 

Der von der Behörde zugrunde gelegte Tatbestand hätte in § 14 Abs. 7 FSG eine Formulierung "Eine Person, die im Besitz mehrerer in EWR-Staaten ausgestellter Führerscheine ist..." erfordert, was aber tatsächlich nicht der Fall ist.

 

Der Tatbestand des § 14 Abs. 7 FSG ist daher nicht erfüllt und daher der Einschreiter nicht strafbar.

 

Der Einschreiter war darüber hinaus zur Beantragung einer Ausstellung eines deutschen Führerscheines aufgrund seines früheren Hauptwohnsitzes in Deutschland verpflichtet. Schließlich besteht in beiden Führerscheinen ein Verweis auf den jeweils anderen, da laut Auskunft der ausstellenden Behörden jeder Führerschein ausschließlich in Verbindung mit dem jeweils anderen Gültigkeit besitzt.

Dem entsprechend fehlt es beim Einschreiter auch an der inneren Tatseite und scheitert auch aus diesem Grunde die Strafbarkeit. Jedenfalls lag aber ein tatbestandsausschließender Verbotsirrtum vor.

 

2.3.      Keine Tatbestandsmäßigkeit gemäß § 20 Abs 2 StVO iVm § 99 Abs 2 lit a StVO:

 

Wie bereits vom Einschreiter mehrmals in diesem Verfahren schlüssig aufgezeigt wurde, fehlt es bereits an der Kausalität zwischen dem Fahrverhalten des Einschreitens und dem verfahrensgegenständlichen Messergebnis. Daher liegt kein Verhalten des Einschreiten vor, welches strafbar wäre.

 

Die Behörde erster Instanz führte das Verfahren bisher vor dem Hintergrund seiner unrichtigen Rechtsansicht, wonach die Kausalität zwischen einem Messergebnis und dem Fahrverhalten eines Beschuldigten nicht für die Tatbestandsmäßigkeit maßgeblich wäre.

 

Daher unterließ es trotz mehrmaligen Einwendungen des Einschreiters die erstinstanzliche Behörde, dahin gehende Beweismittel aufzunehmen (Einvernahme des Einschreiters, Beiziehung des Einschreiters zur zeugenschaftlichen Einvernahme des RI H, Beischaffung von Streckenvideoaufzeichnungen der ASFINAG über die A9, Bereich Bosrucktunnel, vom 26.07.2006 gegen 16:15 Uhr).

 

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die erstinstanzliche Behörde die Bezug habenden Beweise aufzunehmen und entsprechende Tatsachenfeststellungen zu treffen gehabt, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung geführt hätten.

 

3.         Berufungsanträge:

 

Aus diesen Gründen wird   beantragt,

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als Berufungsbehörde wolle

 

1.  den angefochtenen Bescheid -allenfalls nach Aufnahme aller bisher beantragten Beweise zur Gänze aufheben;

sowie

2.    das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

Ing. H K"

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war zur Klärung des Tatvorwurfes bzw. des bestreitenden Tatsachenvorbringens erforderlich (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt und dessen Verlesung anlässlich der Berufungsverhandlung. Als Zeugen einvernommen wurden die Polizeibeamten GI G und RI H. Der auch persönlich zur Berufungsverhandlung erschienene Berufungswerber wurde als Beschuldigter einvernommen. Auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil.

 

4. Der Zeuge RI H führte laut Messprotokoll am 26.7.2006 idZ von 16.10 bis 16.50 Uhr um 16.15 Uhr auf der A9 bei Strkm 52,200 Lasermessungen auf den aus südlicher Richtung anfließenden Verkehr durch.  

Das Dienstfahrzeug war etwa im rechten Winkel neben dem rechten Fahrstreifen in einer Bucht abgestellt, wobei die Messung vom Fahrersitz aus am Seitenfenster abgestützt vorgenommen wurde. Der Berufungswerber war bei der Messung  auf dem rechten Fahrstreifen unterwegs.

Die Messung des Berufungswerbers ergibt sich laut der erst am 2.8.2007 verfassten "GENDIS-Anzeige" um 16.15 Uhr aus einer Entfernung von 476 m.

Im genannten Zeitraum wurden laut Messprotokoll 90 bis 100 Messungen durchgeführt. Mit Ausnahme des Messprotokolls wurden von der Amtshandlung und den Wahrnehmungen keine zusätzlichen Handaufzeichnungen gemacht.

Der zweite Beamte war während dieser Messung und der nachfolgenden Anhaltung mit einer anderen Amtshandlung beschäftigt.

 

4.1. Der Berufungswerber bestritt die ihm zur Last gelegte Fahrgeschwindigkeit bereits gegenüber dem Meldungsleger. Dieser habe ihn durch Handzeichen angehalten. Es habe starker Verkehr geherrscht, weil vor dem Bosrucktunnel der Verkehr wegen Tunnelwascharbeiten angehalten war. Aus diesem Grunde sei es laut Verantwortung des Berufungswerbers gar nicht möglich gewesen auf dem rechten Fahrstreifen so schnell zu fahren. Bis zur Wahrnehmung des Anhaltezeichens sei er sicherlich noch von anderen Fahrzeugen überholt worden.

Demgegenüber erklärte der Meldungsleger, den Berufungswerber alleine im fraglichen Bereich wahrgenommen zu haben und er schloss im Ergebnis eine Verwechslung und/oder einen Messfehler aus. Das damalige Verkehrsaufkommen sei ihm als eher gering in Erinnerung.

Es sei mühelos möglich gewesen, den Berufungswerber nach der Feststellung der Fahrgeschwindigkeit an seinem Standort anzuhalten.

 

4.2. Die hier vorliegenden Fakten reichen für einen Tatbeweis nicht aus. Die erst eine Woche nach dem Vorfall zu Papier gebrachten Daten lassen zumindest ernsthafte Zweifel an einer richtigen Zuordnung des Fahrzeuges des Berufungswerbers "zum Objekt der gemessenen Fahrgeschwindigkeit" aufkommen. Dies insbesondere mit Blick auf die dieser Messung zuzuordnenden logischen Weg- und Zeitabläufe. Wenn der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Feststellung dieser Fahrgeschwindigkeit im Fahrzeug gesessen ist, müssen bei lebensnaher Betrachtung zumindest fünf Sekunden bis zum Haltezeichen verstrichen sein. Der Meldungsleger musste das Geschwindigkeitsmessgerät absetzen, sich durch einen Blick auf das Display von der angezeigten Geschwindigkeit überzeugen, das Gerät am Armaturenbrett oder Beifahrersitz ablegen, aus dem Fahrzeug aussteigen und sich in Richtung Fahrbahn begeben, um das Haltezeichen zu geben. Allein diese Vielzahl an Aktionen lässt es nur schwer möglich erscheinen das "anvisierte Fahrzeug" dabei stets im Auge zu behalten. Der Meldungsleger war doch alleine, weil der Kollege in dieser Phase eine Amtshandlung mit einer Fahrzeuglenkerin führte.

Geht man von der hier zur Last gelegten Fahrgeschwindigkeit aus, hätte das anzuhaltende Fahrzeug zwischenzeitig – d.h. bis zum Erkennen des Haltezeichens – zumindest 230 m zurückgelegt. Wenn nun ab diesem frühestmöglichen Zeitpunkt und in Berücksichtigung einer Reaktionszeit von einer Sekunde die Anhaltenotwendigkeit erkannt werden konnte, wäre aus der verbleibenden Wegstrecke von 246 m eine Bremsverzögerung von 6,87 m/sek² erforderlich gewesen, um das Fahrzeug am Standort des Meldungslegers zum Stillstand zu bringen (Berechnung mittels Analyzer Pro 5).  Dies entspricht dem Ergebnis einer Vollbremsung, was sich aber weder aus der Darstellung des Berufungswerbers  noch des Meldungslegers ableiten lässt. 

Der Berufungswerber spricht wohl von einer stärkeren, aber keineswegs von einer Vollbremsung.

Alleine mit Blick darauf ist hier der durchaus sachlich vorgetragenen Verantwortung des Berufungswerbers, der immerhin auch persönlich zur Verhandlung erschien, um seine Unschuld darzulegen, zu folgen gewesen. Ferner scheint es eher unwahrscheinlich, dass auf diesem Autobahnbereich in den Nachmittagsstunden an einem Wochentag nur geringes Verkehrsaufkommen geherrscht hätte und eine Fahrgeschwindigkeit von 177 km/h am linken Fahrstreifen möglich gewesen wäre.

Der Berufungswerber spricht ferner von ihn überholenden Fahrzeugen, was durchaus plausibel ist und eine mögliche Verwechslung des Berufungswerberfahrzeuges mit dem tatsächlich gemessenen durchaus nicht ausschließen lässt.

Die Eichvorschriften der Bauarten LTI 20.20 TS/KM, LTI 20.20 TS/KM-E, LR 90-235 und LR 90-235/P übertragen die Zuordnung einer Geschwindigkeitsanzeige eines gemessenen Fahrzeuges zur Gänze in der Verantwortung des Messbeamten. Dieser hat das zu messende Fahrzeug sicher und eindeutig anzuvisieren und dabei Entfernung, Sichtverhältnisse und Verkehrsdichte zu berücksichtigen. Die Laser-VKGM ermöglichen jedenfalls rein auf Grund ihrer Geräteeigenschaften einwandfreie Zuordnungen in dem vom BEV in den Verwendungsbestimmungen dafür festgelegten Entfernungsbereich von 30 m bis 500 m.

Dass bei einer doch sehr großen Messentfernung einem alleine tätigen Beamten einmal ein Fehler unterlaufen kann, braucht nicht weiter kommentiert werden.

Was den Punkt 2. anlangte, bestreitet der Berufungswerber nicht den Besitz seines in Deutschland erworbenen Führerscheines. Er habe sich bei seiner Wohnsitzbehörde diesbezüglich sogar erkundigt, wobei man ihm sagte, er solle beide Scheine abgeben und würde dann einen neuen österreichischen Führerschein bekommen. Damit vermag  er weder einen Straf- noch einen Schuldausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs.1 StVO darzulegen.

Diesbezüglich ist auf die nachfolgenden Rechtsausführungen zu verweisen.

 

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Zu Punkt 1.:

Rechtlich folgt iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG, dass selbst schon bei bloßem Zweifel am Tatvorwurf von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122 sowie h. Erk. v. 22.6.2006, VwSen-161388/5/Br/Ps).

Zur Beweisführung und Nachvollziehbarkeit von Zuordnungen spezifischer Lasermessergebnisse ist auch auf VwGH v. 14.6.1995, 95/03/0005 mit Hinweis auf Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 304 f und die dort zitierte Judikatur, sowie auf das h. Erk. v. 15.3.2005, VwSen-161233/8/Zo/Pe, zu verweisen.

 

Zu Punkt 2.:

§ 14 Abs.7 FSG idF BGBl. I Nr. 152/2005 lautet:

Eine Person, die im Besitz mehrerer in einem EWR-Staat ausgestellter Führerscheine ist, hat alle bis auf den zuletzt ausgestellten Führerschein bei ihrer Wohnsitzbehörde abzuliefern. Der (Die) abgelieferte(n) Führerschein(e) ist (sind) der jeweiligen Ausstellungsbehörde zurückzustellen.

Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungswerbers ergibt sich aus dem klaren Wortlaut der o.a. Gesetzesbestimmung insbesondere aus dem zweiten Satz, dass "alle bis auf den zuletzt ausgestellten Führerschein(e)" abzuliefern sind. Dem Ziel des Gesetzes kann logisch betrachtet kein anderes Verständnis zugesonnen werden, als der Gesetzgeber – um Missbräuchen vorzubeugen – eben nicht zwei Führerscheine im Besitz einer in einem EWR-Staat wohnhaften Person zulassen will.

Wenn auch in diesem Fall der Berufungswerber vorbringt, das Wort "mehrere" bedeute mehr als zwei und die Ablieferungspflicht trete erst dann ein, wenn jemand mehr als zwei Führerscheine habe, ist dies dem Kontext der Gesetzesstelle gerade nicht abzuleiten.

Mit seinem Vorbringen würde der Beschwerdeführer (wie auch Grundtner/Pürstl, FSG3, 2006, S. 116, Anm 31 zu § 14) den Gesetzestext des § 14 Abs.7 FSG in unzulässiger Weise aus seinem Zusammenhang reißen. Aus der Wortfolge "alle bis auf den zuletzt ausgestellten Führerschein" ergibt sich bereits zweifelsfrei, dass "mehrere" in dieser Norm "zwei oder mehr" bedeutet. Dieses Verständnis ist auch dem ebenfalls unmissverständlichen Wortlaut des Art.7 Abs.5 der RL 91/439/EWG abzuleiten (vgl. VwGH 30.10.2006, 2006/02/0161).

Diese Sichtweise muss selbst jedem Durchschnittsbetrachter naheliegend erscheinen, sodass hier auch der vorgetragene Einwand auf eine allfällige Entschuldbarkeit eines diesbezüglichen Rechtsirrtums ins Leere geht.

 

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

6.1. Die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1980, Slg. 10077/A). Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch macht. Dabei ist es Sache der Behörde, die für die Strafzumessung maßgebenden Erwägungen darzustellen, um so dem Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit zur Überprüfung zu eröffnen, ob vom Ermessen gesetzesgemäß Gebrauch gemacht worden ist (VwGH 18.12.2001, 2000/09/0059).

Bei einem hier von 36 bis 2.180 Euro reichenden Strafrahmen sind angesichts der Verhängung der Mindeststrafe weitere Ausführungen entbehrlich. Die Anwendung der §§ 20 u. 21 VStG scheiden mangels vorliegender gesetzlicher Voraussetzungen aus.

Der Berufung musste daher im Punkt 2. ein Erfolg versagt bleiben.

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

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