Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400897/5/WEI/Ps

Linz, 23.08.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des C H, geb., Staatsangehöriger von T, dzt. in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum Linz, vertreten durch Dr. M S, Rechtsanwalt in G, M, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird gleichzeitig festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

 

II.                  Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 271,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden S a c h v e r h a l t aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (Bf), dessen Identität nicht durch Dokumente nachgewiesen ist, hat am 30. Juli 2007 beim Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West (BAA EASt West) einen Asylantrag eingebracht. Er ist nach eigenen Angaben am 26. Juni 2007 von Italien kommend mit der Bahn eingereist und hat den Zug um 06.00 Uhr früh in A verlassen. Bis zur Asylantragstellung hielt er sich bei seinem in A wohnenden Onkel S H auf. Danach war er ab 30. Juli 2007 in Bundesbetreuung in der EASt West (Unterkunftgeber European Homecare).

 

Bei der unter Beiziehung eines Dolmetschers für Arabisch erfolgten Erstbefragung nach dem AsylG 2005 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 31. Juli 2007 um 12.30 Uhr gab der Bf zur Reiseroute an, dass er Anfang Juli seine Heimat per Schiff und ohne Reisedokument verlassen habe. Er sei vor drei Wochen von M in T mit dem Schiff nach Lampedusa/Italien gefahren, wo er 10 Tage geblieben wäre. Von dort sei er mit dem Boot nach Sizilien und dann von Palermo mit dem Zug nach Venedig gefahren. In Venedig hätte er am 25. Juli 2007 ein Zugticket nach Linz gekauft, stieg um 20.45 Uhr in den Zug und dann aber in A aus, weil er die Adresse seines Onkels hatte.

 

Die Einreise in die Europäische Union (EU) nach Lampedusa/Italien per Schiff, die er selbst mit drei Freunden organisierte und die 500 Euro kostete, erfolgte vermutlich am 10. Juli 2007. Auf Lampedusa wäre er von der Polizei vorübergehend für 2 Stunden angehalten und befragt, dann aber wieder freigelassen worden. In Italien wäre er insgesamt ca. 19 Tage gewesen. In Italien suchte der Bf nicht um Asyl an. Das Land wäre nicht gut und er wäre auf der Straße geblieben. Keiner hätte ihn unterstützt. Gegen ein Asylverfahren in Italien spräche, dass er in Italien niemanden hätte, während in Österreich ein Onkel lebte, der ihn unterstützen könnte.

 

Zum Fluchtgrund gab der Bf an, dass sein Vater Alkoholiker sei und auch Drogen nehme. Er hätte seine Mutter und die Geschwister geschlagen, weshalb alle Geschwister von Zuhause weggingen. Der Bf wäre allein geblieben, hielt es dann aber nicht mehr aus. Er wollte zu seinem Onkel, um ein neues Leben zu beginnen. Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr in die Heimat befürchte, erklärte der Bf, er hätte Angst, dass ihn sein Vater auf die Straße werfe. Dieser hätte auch seine Mutter auf die Straße geworfen. In T hätte er sonst niemanden, der sich um ihn kümmert. Die Frage, ob ihm eine unmenschliche Behandlung oder Strafe oder irgendwelche Sanktionen im Heimatstaat drohte, verneinte der Bf.

 

Im Zuge der Erhebungen konnte durch den Abgleich der Fingerabdrücke des Bf ein EURODAC-Treffer zu Zl. IT2AG011XN betreffend eine Anhaltung des Bf vom 13. Juni 2007 in Lampedusa e Linosa (Italien) ermittelt werden (vgl aktenkundige AIS-Auskunft vom 02.08.2007). Daraus folgt, dass der Bf bereits mit diesem Datum in Italien, einem Mitgliedsstaat der EU, erkennungsdienstlich behandelt wurde und seine Angaben bei der Erstbefragung zumindest in zeitlicher Hinsicht nicht richtig sein konnten.

 

1.2. Mit Mitteilung vom 1. August 2007 gab das BAA EASt West gemäß dem § 29 Abs 3 AsylG 2005 zweisprachig (deutsch/arabisch) bekannt, dass beabsichtigt sei, den Antrag des Bf auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da seit 1. August 2007 Dublin-Konsultationen mit Italien nach der Dublin II Verordnung der EU (dazu Beilagen: Merkblatt und Dublin II-Informationsblatt) geführt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass die Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 oder 5 AsylG 2005 auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren gilt. Der Bf bestätigte den Erhalt dieser Mitteilung am 6. August 2007 um 08.50 Uhr.

 

In der Folge ordnete die belangte Behörde mit Mandatsbescheid vom 6. August 2007, Zl. Sich 40-2378-2007, gegen den Bf auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs 2 Z 2 iVm § 80 Abs 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und § 57 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung an. Der Bf übernahm den Schubhaftbescheid am 6. August 2007 persönlich und wurde in der Folge zum Vollzug der Schubhaft in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) der BPD Linz überstellt.

 

1.3. In der Begründung des Schubhaftbescheids geht die belangte Behörde im Wesentlichen vom oben dargestellten Sachverhalt aus. Durch seine falschen Angaben über die Dauer seines Aufenthalts in Italien habe der Bf offensichtlich den Versuch unternommen, die Asylbehörde zu täuschen, um sich ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu erschleichen. Der Bf halte sich gegenwärtig unberechtigt im Bundesgebiet auf und könne seine Identität weder durch ein Nationalreisedokument, noch durch andere Dokumente nachweisen. Er verfüge in Österreich außer der bundesbetreuten Unterkunft über keinen gemeldeten Wohnsitz und sei zudem völlig mittellos.

 

Vor seinem illegalen Grenzübertritt habe sich der Bf zumindest mehr als einen Monat in Italien aufgehalten und dort keinen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz gestellt, obwohl er polizeilich und behördlich behandelt worden sei. Seinen Äußerungen zufolge betrachte der Bf Italien als ungeeignetes Asylland. Er habe T offenbar bereits in der Absicht verlassen, zu seinem Onkel nach Österreich zu gelangen, um ein neues Leben zu beginnen. Den illegalen Grenzübertritt innerhalb der EU habe der Bf dabei bewusst in Kauf genommen.

 

Die Absicht des Bf, von vornherein – wenn auch auf illegale Weise – nach Österreich zu kommen und sein Unwille, als Asylwerber nach Italien zurückzukehren, rechtfertigen die Annahme, dass sich der Bf nicht zur Verfügung der Fremdenpolizeibehörde halten werde, sondern durch Abtauchen in die Illegalität eine Abschiebung vereiteln werde. Dabei dürfe nicht unerwähnt bleiben, dass sich der Bf in Italien nicht um Asyl bemühen wollte, weil ihm dieses Land nicht gut erschien. Seine Verhaltensweise sei nach Ansicht der belangten Behörde als klassischer "Asyltourismus" zu betrachten, welcher abseits der Bestimmungen der Genfer Konvention stehe und dem mit aller Entschiedenheit entgegen zu treten sei, um für ein geordnetes Fremdenwesen zu sorgen.

 

Das gesamte Verhalten des Bf zeige, dass er nicht gewillt sei, in den Mitgliedstaat der EU zurückzukehren, der für die Prüfung seines Asylantrages zuständig ist. Da das Bundesasylamt durch Einleitung eines Ausweisungsverfahrens seine Hoffnung auf Legalisierung des Aufenthalts im Bundesgebiet nicht erfüllt habe, sei zu befürchten, dass sich der Bf auf freiem Fuß belassen dem weiteren behördlichen Zugriff unverzüglich entziehen werde. Seine Anhaltung in Schubhaft sei daher unbedingt erforderlich. Es bestehe konkreter und akuter Sicherungsbedarf.

 

Der familiäre Bezugspunkt eines Onkels im Bundesgebiet trage dazu bei, dass der Bf Österreich als Zielland schon vor Reiseantritt in T ausgewählt und Italien als Asylland ausgeschlossen habe. Dies erhöhe zwar nicht die Fluchtgefahr aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich, jedoch die Gefahr des Untertauchens in die Illegalität im Bundesgebiet der Republik Österreich. In diesem Fall sei auch die Gefahr sehr groß, dass der Bf seinen Unterhalt im Bundesgebiet zumindest zum Teil auf illegale Weise bestreiten werde und straffällig werden könnte. Deshalb könnte der Bf bei einem gelinderen Mittel dem österreichischen Staat weiter zur Last fallen.

 

Die belangte Behörde ging nach Abwägung dieser Tatsachen von einem konkreten Sicherungsbedarf aus, was die Ermessensentscheidung rechtfertige, die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel zu verhängen.

 

1.4. Mit der am 20. August 2007 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangten Eingabe vom 13. August 2007 erhob der Bf durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids, wobei er den Antrag stellte, die Unzulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft festzustellen.

 

2.1. Die Beschwerde bringt begründend vor, dass der Bf einen Onkel namens S H in L, S, habe, der ihn unverzüglich aufnehmen und selbstverständlich für Kost und Logis aufkommen würde. Die belangte Behörde hätte willkürlich angenommen, dass akuter Sicherungsbedarf wegen Gefahr des Untertauchens in die Illegalität bestünde. Dass der Bf dem österreichischen Staat finanziell zur Last fallen könnte, wäre keinesfalls nachzuvollziehen. Vielmehr würden dem Staat durch den Aufenthalt des Bf bei seinem Onkel überhaupt keine Kosten entstehen.

 

Die belangte Behörde hätte mit bloß allgemeinen Annahmen bzw "Erfahrungswerten" die Notwendigkeit der Freiheitsentziehung begründet. Allein die Tatsache, dass der Bf äußerte, er würde gerne in Österreich bleiben und nicht nach Italien abgeschoben werden, reiche nicht aus, um von der Anwendung gelinderer Mittel Abstand zu nehmen. Der Bf habe keinerlei Verhalten gesetzt, aus dem auf die Wahrscheinlichkeit seiner Nichtbeteiligung am Ausweisungsverfahren begründet geschlossen werden könne. Vielmehr sei er selbstverständlich bereit, den Behörden entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen. Sein Onkel würde jederzeit für die Kosten seines Aufenthalts in Österreich aufkommen.

 

Aus all diesen Gründen wäre die Anwendung gelinderer Mittel geboten gewesen. Selbstverständlich wäre der Bf auch bereit, sich in regelmäßigen Abständen bei einer Polizeiinspektion zu melden.

 

2.2. Die belangte Behörde hat ihren Fremdenpolizeiakt auf elektronischem Weg übermittelt und die Gegenschrift vom 20. August 2007 erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Sie betont, keinesfalls pauschalen Erfahrungswerten gefolgt zu sein, sondern sich mit den Angaben und der Motivation des Bf in einer Einzelfallprüfung auseinander gesetzt zu haben. Das überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen stünde dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit gegenüber. Der Eingriff sei wegen des konkreten und akuten Sicherungsbedarfes notwendig gewesen. Wegen der falschen Angaben des Bf sei zwischenzeitlich von der Polizeiinspektion (PI) St. Georgen im Attergau Strafanzeige nach § 119/2 FPG erstattet worden.

 

Diese Strafanzeige vom 14. August 2007, Zl. B1/21259/2007, der PI St. Georgen i.A. ist auch aktenkundig. Der Bf wurde wegen des Verdachts der Erschleichung eines Aufenthaltstitels durch falsche Angaben über seine Herkunft nach § 119 Abs 2 FPG dem Strafgericht angezeigt, weil er bei der Erstbefragung im Asylverfahren seinen Aufenthalt in Italien (Lampedusa) zwischen dem 13. Juni und 10. Juli 2007 verschwieg, um sich im Asylverfahren einen Vorteil zu verschaffen.

 

2.3. Mit Telefax vom 20. August 2007 reichte die belangte Behörde einen Aktenvermerk vom gleichen Tag betreffend eine persönliche Vorsprache gegen 14.00 Uhr des Onkels des Bf, S H, nach. Nach Aufklärung über den Verfahrensstand und die beabsichtigte Abschiebung nach Italien äußerte der Onkel des Bf, dass sein Neffe sicher nicht nach Italien zurückkehren werde. Bevor er nach Italien geht, werde er noch eher nach T zurückkehren. In Österreich sei die Versorgung weitaus besser als in Italien, was den Bf auch zum illegalen Grenzübertritt veranlasst hätte. Sogar in T sei die Versorgung besser als in Italien.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Beschwerde und die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

1.        wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.        wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3.        wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 83 Abs 4 FPG).

 

Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und wird in Vollziehung des Schubhaftbescheides vom 6. August 2007, Zl. Sich 40-2378-2007, für die belangte Behörde im PAZ der BPD Linz in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde wegen Anhaltung in Schubhaft ist zulässig, aber nicht begründet.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

1.        gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.        gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.        gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.        auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

Nach § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 FPG verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs 4 Z 1 bis 3 vor. Wird der Berufung gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenats aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrechterhalten werden, wenn der Unabhängige Bundesasylsenat eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

 

4.3. Gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Art 2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I Nr. 100/2005) ist ein Antrag auf internationalen Schutz das – auf welche Weise immer artikulierte – Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (vgl Z 15) und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten (vgl Z 16).

 

Asylwerber ist nach § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Gemäß § 13 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. Wird Asylwerbern gemäß § 62 FPG ihr Aufenthaltsrecht entzogen, kommt ihnen faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

 

Gemäß § 28 Abs 1 Satz 2 AsylG 2005 erfolgt die Zulassung durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51).

 

Nach § 28 Abs 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen 20 Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz entscheidet, dass der Antrag zurückzuweisen ist, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin-Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

4.4. Im gegenständlichen Fall war die Verhängung der Schubhaft auf der Grundlage des § 76 Abs 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (gemäß § 10 AsylG 2005) und zur Sicherung der anschließenden Abschiebung möglich. Die belangte Behörde hat sich auch ausdrücklich auf diese Rechtsgrundlage berufen.

 

Auf Grund der aktenkundigen Ergebnisse konnte schon nach der Befragung des Bf und den ergänzenden Erhebungen (EURODAC) nach erkennungsdienstlicher Behandlung angenommen werden, dass der Antrag des Bf auf internationalen Schutz (Asylantrag) voraussichtlich mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden wird. Der Bf wurde bereits am 13. Juni 2007 auf Lampedusa in Italien erkennungsdienstlich behandelt, wie ein Vergleich der Fingerabdrücke ergeben hat. Er hätte bereits in Italien einen Asylantrag stellen können und nach der Dublin II Verordnung auch müssen.

 

Am 1. August 2007 hat das BAA EASt West Dublin-Konsultationen mit Italien eingeleitet. In der Folge wurde dem Bf auch gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz nach § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen, weil Konsultationen nach der Dublin II Verordnung mit Italien eingeleitet wurden.

 

Gemäß § 27 Abs 1 AsylG 2005 gilt ein asylrechtliches Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs 3 Z 4 oder 5 AsylG 2005 erfolgt. Weil diese Zurückweisung gemäß dem § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden ist, wurde demnach gegen den Bf nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 auch ein Ausweisungsverfahren eingeleitet. Im Zusammenhang mit der Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 hat der Bf auch das Informationsblatt zur Dublin II Verordnung der Europäischen Union (Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003, ABl L 50/1 vom 25.2.2003) erhalten.

 

Im Hinblick auf die Einleitung eines Ausweisungsverfahrens gegen den Bf nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 konnte die belangte Behörde bei Bescheiderlassung am 6. August 2007 vom Vorliegen des Schubhaftgrundes nach dem § 76 Abs 2 Z 2 FPG ausgehen.

 

4.5. Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat beispielsweise die Anwendung gelinderer Mittel verneint, wenn die Befürchtung bestand, dass sich der Fremde angesichts der ihm drohenden Abschiebung im Verborgenen halten würde, weil

 

·        keine familiären Bindungen zu Österreich bestanden haben und angesichts der Schwere der von ihm begangenen Straftaten eine beachtliche Minderung der für eine Integration wesentlichen sozialen Komponente erkennbar war (VwGH vom 19.01.1995, Zl. 94/18/1126; VwGH vom 02.07.1999, Zl. 99/02/0081),

·        mit einer Unterstützung durch die Caritas und einer Unterkunftsgewährung die Mittellosigkeit nicht beseitigt wird; zusätzlich würde die soziale Integration fehlen (VwGH vom 23.02.2001, Zl. 98/02/0276; VwGH vom 23.03.1999, Zl. 98/02/0309),

·        der Bf illegal eingereist ist, kein Reisedokument mitgeführt hat und der Nachweis über die Staatsbürgerschaft fehlte (VwGH vom 28.01.2000, Zl. 99/02/0335).

 

Der Oö. Verwaltungssenat vertritt im gegenständlichen Fall mit der belangten Behörde die Ansicht, dass der Zweck der Schubhaft durch gelindere Mittel nicht erreicht werden könnte. Entgegen der Beschwerdebehauptung hat die belangte Behörde die Notwendigkeit der Anhaltung des Bf in Schubhaft nicht nur mit allgemeinen Annahmen oder Erfahrungswerten begründet, sondern eine eingehende Erörterung der Angaben und Motive des Bf vorgenommen. Richtig ist zwar, dass nach neuerer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs die Ausreiseunwilligkeit für sich allein noch nicht ausreicht, um die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung zu rechtfertigen. Das Sicherungserfordernis muss auch noch in weiteren Umständen wie etwa der mangelnden beruflichen oder sozialen Verankerung begründet sein (vgl VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081). Solche den konkreten Sicherungsbedarf begründende Umstände liegen allerdings, wie die belangte Behörde für den gegenständlichen Fall nachgewiesen hat, in ausreichendem Maße vor.

 

Da sein Asylverfahren bisher nicht zugelassen wurde, hält sich der Bf unrechtmäßig in Österreich auf. Er ist nach seiner eigenen Darstellung bei der Erstbefragung im Asylverfahren illegal und mittellos nach Österreich gekommen. Er verfügt weder über einen Reisepass noch ein sonstiges Identitätsdokument und es fehlen ihm auch die notwendigen Mittel für seinen Unterhalt. Er wäre voraussichtlich nicht in der Lage, seinen Aufenthalt in Österreich zu legalisieren, weshalb er auch keiner geregelten legalen Beschäftigung nachgehen könnte. Er ist in Österreich weder beruflich noch sozial integriert.

 

Über seine Reiseroute nach Österreich und den Aufenthalt in Italien hat der Bf zumindest teilweise unrichtige Angaben gemacht, offenbar um sich die Zulassung seines Asylantrags und damit ein Aufenthaltsrecht zu erschleichen. Das bisherige Verhalten des Bf lässt eine eindeutige Missachtung der österreichischen Einreise- und Aufenthaltsvorschriften erkennen. Er hat nach seinen Angaben auch von vornherein illegale Grenzübertritte in die Europäische Union und innerhalb dieser in Kauf genommen. Seine Hemmschwelle gegenüber rechtswidrigem Verhalten schätzt das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats daher eher als gering ein. Deshalb ist auch zu befürchten, dass er auf freiem Fuß belassen, seinen Lebensunterhalt zumindest teilweise auf illegale Weise bestreiten würde, wodurch dem österreichischen Staat noch Folgekosten entstehen könnten. Die Bereitschaft des Onkels für Kost und Logis des Bf aufzukommen, ändert daran nichts. Eine umfassende Verpflichtungserklärung des Onkels für alle künftigen Kosten der öffentlichen Hand aufzukommen, die sich aus dem rechtswidrigen Verhalten des Bf noch ergeben könnten, wurde nicht vorgelegt.

 

Durch gelindere Mittel könnte der Zweck der Schubhaft im Falle des Bf nicht erreicht werden, zumal sich dieser durch sein bisheriges Verhalten als vertrauensunwürdig erwiesen hat. Vielmehr muss angenommen werden, dass der Bf im Wissen um seine nunmehr alsbald drohende Ausweisung und Abschiebung nach Italien, wohin er offenbar unter keinen Umständen zurück will, auf freiem Fuß untertauchen und seinen Unterhalt auf illegale Weise bestreiten würde. Es kann bei realistischer Betrachtung nicht angenommen werden, dass sich der Bf freiwillig dem Zugriff der Behörden zur Verfügung halten würde. Weder die Unterkunftnahme bei seinem Onkel, noch die Unterbringung in der Bundesbetreuung der Erstaufnahmestelle könnte Gewähr dafür bieten, dass sich der Bf rechtskonform verhält. Vielmehr ist dem Bf und auch seinem Onkel zuzutrauen, dass alles unternommen wird, damit der Bf einer Abschiebung nach Italien entgeht, wo doch dort die Versorgung angeblich sogar noch schlechter wäre als in T (vgl Aktenvermerk der belangten Behörde vom 20.08.2007 bzw oben Punkt 2.3.). Die Anhaltung des Bf in Schubhaft erscheint daher verhältnismäßig und seinem Verhalten angemessen.

 

Es liegen demnach genügend Gründe für die Annahme vor, dass der Zweck der Schubhaft mit der Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden könnte. Schon die Wahrscheinlichkeit des unkooperativen Verhaltens und allfälligen Untertauchens des Bf rechtfertigt eine Ermessensübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Maßnahmen zu verhängen (VwGH vom 23.03.1999, Zl. 98/02/0309).

 

Im Ergebnis war daher die vorliegende Schubhaftbeschwerde mit der Feststellung iSd § 83 Abs 4 FPG als unbegründet abzuweisen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der belangten Behörde als obsiegender Partei nach § 79a AVG iVm § 1 Z 3 und Z 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) antragsgemäß der notwendige Verfahrensaufwand in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageaufwand: 51,50 Euro; Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs. 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl. zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

Dr. W e i ß

 

 

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