Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400896/5/SR/Ri

Linz, 19.09.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des M A, geb. am, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch Mag. Dr. W F, Mag. Dr. B G und Mag. U N-K, Rechtsanwälte in L, G, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft auf Grund des Schubhaftbescheides des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 26. Juli 2007 zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.  

 

II.                  Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den notwendigen Verfahrensaufwand in der Höhe von 271,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 2. Mai 2007 schlepperunterstützt und in einem Lkw versteckt illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. Die illegale Einreise wurde vom Schlepper (LKW-Fahrer) organisiert und die Kosten (4.000,-- Euro) vom Bf bezahlt.   

 

Am 3. Mai 2007 brachte der Bf beim BAA-EAST-West persönlich einen Asylantrag ein. Im Anschluss an die Antragsstellung (AZ 07 04.10) wurde dem Bf die Grundversorgung in der Bundesbetreuungsstelle Thalham gewährt (Entlassung aus der Betreuungsstelle mit Schubhaftverhängung am 26. Juli 2007).  

 

Gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau wies sich der Bf mit seinem türkischen Personalausweis aus, da er seinen im Jahr 2006 ausgestellten Reisepass in der Türkei zurückgelassen habe.

 

Die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau fand am 4. Mai 2007 statt. Zum Fluchtgrund befragt, gab der Bf an, dass er Kurde und Atheist sei, deshalb in der Türkei Probleme bekommen habe und aus diesem Grund Selbstmord begehen habe wollen. Sollte man ihn in die Türkei zurückschicken, werde er Selbstmord begehen. 

 

1.2. Mit FAX vom 26. Juli 2007 ersuchte das BAA-EAST-West die belangte Behörde die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG (Führung von Dublin Konsultationen mit Rumänien seit 25. Juli 2007; beabsichtigte Zurückweisung des Asylantrages) an den Bf zuzustellen. Gleichzeitig brachte das BAA-EAST-West damit der belangten Behörde zur Kenntnis, dass diese Mitteilung auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren gelte. 

 

1.3. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 26. Juli 2007,       Zl. Sich40-1816-2007, wurde über den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 76 Abs. 2 Z. 4 iVm § 80 Abs. 5 FPG iVm § 57 AVG verhängt und dieser in der Folge in das PAZ Salzburg eingeliefert. Der gegenständliche Schubhaftbescheid wurde vom Bf persönlich übernommen.

 

In der ausführlichen Sachverhaltsfeststellung wies die belangte Behörde auf die 21 Informationsersuchen des Bundesasylamtes, die positive Antwort Rumäniens und das am 25. Juli 2007 eingeleitete Konsultationsverfahren mit Rumänien hin.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass der Bf sowohl die legale Einreise als auch den Aufenthalt in Rumänien und das Vorliegen eines mit einem Visum für Rumänien (gültig in der Zeit 15.03.2007 bis 17.04.2007) versehenen Reisepasses verschwiegen habe. Ausdrücklich habe der Bf vorgebracht, dass er nie ein Visum beantragt und ihm auch nie ein Sichtvermerk ausgestellt worden sei. Da er Kurde und Atheist sei, habe er Probleme in der Türkei bekommen. Aufgrund mehrerer Vorfälle habe er Selbstmord begehen wollen und deshalb sein Heimatland verlassen. Sollte man ihn in die Türkei zurückschicken, würde er Selbstmord begehen. Sein Bruder halte sich in Österreich auf und habe Flüchtlingsstatus.

 

Mit dieser Sachverhaltsdarstellung habe der Bf ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erschleichen und ein inhaltliches Asylverfahren in Rumänien zu verhindern versucht. Entgegen dem Vorbringen des Bf komme seinem Bruder der Flüchtlingsstatus nicht zu. Dessen Asylverfahren sei in II. Instanz rechtskräftig negativ beendet worden.

 

Unbestritten sei, dass Rumänien für das Asylverfahren zuständig ist.

 

Nach umfassenden Ausführungen zu den Beweggründen des Bf und seinen falschen Angaben zum "Fluchtweg" kam die belangte Behörde zum Schluss, dass der Bf ein Asylbegehren in Österreich nur eingebracht habe, um sich ein Aufenthaltsrecht und Versorgungsleistungen zu erschleichen und um einer Abschiebung zu entgehen. Da er völlig mittellos sei, seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten könne und ihm nur vorübergehend eine bundesbetreute Unterkunft zugewiesen worden sei, hätte anstelle der Schubhaft kein gelinderes Mittel angewendet werden können. Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf – nach einem Abtauchen in die Illegalität – dem österreichischen Staat finanziell weiter zur Last fallen könnte. Nach Abwägung der angeführten Tatsachen sei der konkrete Sicherungsbedarf zu bejahen und die Schubhaft anstellte gelinderer Mittel zu verhängen gewesen.

 

1.4. Mit Fax vom 1. August 2007 gaben die einschreitenden Rechtsanwälte bekannt, dass sie vom Bf mit der rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und bevollmächtigt worden seien.

 

1.5. Mit Schriftsatz vom 1. August 2007, eingelangt am 2. August 2007, erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter "Haftbeschwerde gem. § 82 FPG 2005" an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Oberösterreich und stellte den Antrag, dass dieser "die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft im PAZ Salzburg seit 26.07.2007 aufgrund des angeführten Schubhaft-Bescheides der belangten Behörde vom 26.07.2007 feststellen" möge. Weiters wurde der verzeichnete Aufwandersatz begehrt.

 

Nach ausführlicher Sachverhaltsdarstellung brachte der Bf ergänzend vor, dass er sich seit dem 31. August 2007 "im Stande der Schubhaft aufgrund seiner Suizidgefährdung in der Christian-Doppler-Klinik (im Folgenden: CDK) in Salzburg in psychiatrischer Behandlung" befinde. 

 

In der Sache führte der Bf nach rechtlichen Überlegungen zur Zulässigkeit der Schubhaft und der Anwendung gelinderer Mittel aus, dass die Schubhaftverhängung von vornherein unzulässig sei, wenn keine Gründe vorliegen würden, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass sich der Betroffene dem Verfahren entziehen werde.

 

Der Annahme der belangten Behörde, dass er sofort wieder illegal Grenzen überschreiten oder sich illegal im Bundesgebiet aufhalten würde, sobald man ihm mitteile, dass Rumänien für die Prüfung seines Asylverfahrens zuständig sei, könne nicht gefolgt werden. Seit der Asylantragsstellung am 3. Mai 2007 habe er sich wohl verhalten, sei allen Weisungen nachgekommen und habe sich im Sinne des § 12 Abs. 2 AsylG nicht aus dem Gebiet der ihn versorgenden Bezirksverwaltungsbehörde entfernt.  Trotz Kenntnis der geführten Konsultationsverfahren und des an Rumänien gestellten Informationsersuchens habe er sich dem Verfahren nicht entzogen. Der Erhalt eines rumänischen Touristenvisums würde bestritten. Selbst wenn man dieses nicht bestreiten würde, habe er mit einem negativen Ermittlungsergebnis rechnen müssen und dennoch keinerlei Anstalten unternommen, die darauf hinweisen würden, dass er sich dem Verfahren entziehen werde. Trotzdem sei er am 26. Juli 2007 in Schubhaft genommen worden.

 

Er sei psychisch sehr labil und aufgrund einer akuten Suizidgefährdung in die Universitätsklinik in Salzburg eingewiesen worden. Natürlich habe er ein besonderes Interesse daran, dass das Asylverfahren in Österreich stattfinde, da sich hier sein Bruder aufhalte, der ihn betreue und fast jeden Tag besuche.

 

Während seiner Anhaltung sei er erkennungsdienstlich behandelt worden. Aufgrund von EURODAC würde ihm die illegale Überschreitung der österreichischen Grenzen nichts nützen, da bei Stellung eines Asylantrages in einem der EU-Staaten sofort seine Fingerabdrücke abgeglichen und er in der Folge nach Österreich abgeschoben würde.

 

Für den Fall seiner Entlassung aus der Schubhaft müsse er auch wieder in die Grundversorgung aufgenommen werden, da ihm ex lege ein Anspruch auf Grundversorgung nach § 2 Abs. 1 GVG-B zukomme.

 

Weder in der Türkei noch in anderen Staaten habe er sich eine gerichtlich strafbare Handlung zu Schulden kommen lassen. Die Annahme der belangten Behörde, dass er im Falle der Entlassung aus der Schubhaft straffällig werde, sei daher nicht gerechtfertigt.

 

Wenn die belangte Behörde schon annehme, dass Maßnahmen zur Sicherung seiner Abschiebung nach Rumänien notwendig seien – obwohl seinem bisherigen Verhalten nicht zu entnehmen sei, dass er sich seiner Abschiebung entziehen werde –  dann hätte sie gelindere Mittel anordnen müssen.

 

Die Verhängung der Schubhaft sei im konkreten Fall unverhältnismäßig und daher rechtswidrig. Diesbezüglich würde auch auf die Entscheidungen des UVS vom 6. Juni 2007 zu VwSen-400883/4/SR/Ri und VwSen-400882/4/SR/Ri verwiesen.   

 

1.6. Eintragungen in der DGA der Asylwerberinformation (AI) unter der Zahl  (auszugsweise):

*          EB am 04.05.2007 durchgeführt

*          Inforequest an BG und RO vorber. – 07.05.2007

*          2Inforequest an BG, RO gesandt – 08.05.2007

*          Mitteilung gemäß § 28AsylG per Fax an EHC am 080507 überm.

*          Antwortschreiben RO am 280507 via DublinNet eingel.

            Visadaten vorhanden /.../  KV vorbereiten – 290507

*          KV mit RO vorber. 31052007

*          Inforequ. an BE/DE/FR/ITILU/NL/ES/PO/DK/FI/IS/NO/SE/CZ/HU/SK/SI/GR

            vorb. - 04062007

*          Mitteilung betr. Abwesenheit d. AW bei Standeskontrolle (3x) am 13.06.2007

            p.Mail d. BS Thalham eingel. – 13062007

*          Mitteilung betreffend nächtliche Ausgänge des AW am 17.07.07 p.Mail v. BS         Thalham eingl.  – 17072007

*          KV an RO via DubliNet gestellt / § 29 / DF 270807 – 250707

*          Mitteilung gemäß § 29 AsylG per Fax an BH VB am 260707 überm.

            Übern. § 29Mitt.abw. – 260707

*          Verständigung betr. erzwungene Haftentlassung d.AW am 02.08.07 p.Mail

            d. FrPol iH eingl. – 02082007

 

2.1.  Mit Schreiben vom 2. August 2007 hat die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt per E-Mail übermittelt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

2.2. Ergänzend zu den bisherigen Ausführungen brachte die belangte Behörde vor, dass sich der Bf sicher gefühlt habe. Aufgrund seines Vorbringens sei davon auszugehen, dass er das System des "Eurodac" kenne. Da bei Visaanträgen keine Fingerabdrücke abgenommen würden, habe er auch nicht mit dem Ergebnis von Rumänien gerechnet. Die "Trefferbekanntgabe" von Rumänien sei bereits am 28. Mai 2007 eingelangt, dem Bf aber nicht mitgeteilt worden, da alle geführten Anfragen abgewartet werden müssten, um eine weitere oder eine andere Zuständigkeit auszuschließen. Der Bf habe daher bis zur Bekanntgabe der Einleitung des Ausweisungsverfahrens die Mitteilung Rumäniens nicht gekannt.

 

„Suizidär“ habe der Bf auf sich bisher nicht aufmerksam gemacht. Eingaben psychischer Auffälligkeiten seien weder von der Betreuungseinrichtung, der Polizei, der örtlichen Arztstation noch der Rechtsvertretung und auch nicht vom Bf gemacht worden. Bei den zahlreichen Untersuchungen habe der Bf keine psychischen Probleme angeführt. Ob das "Verhalten – die Eingabe suizidgefährdet zu sein – als ernsthaft eingestuft werden muss, darf und vermag die BH Vöcklabruck nicht zu beurteilen".

 

Weiters gab die belangte Behörde bekannt, dass der Bf am 31. Juli 2007 aus dem PAZ Salzburg entlassen und in die geschlossene Abteilung der CDK eingeliefert worden sei. Die Vorführung sei wegen psychischer Probleme des Bf erfolgt. Der untersuchende Arzt Dr. M habe den Bf für extrem suizidgefährdet bzw. depressiv gehalten, weshalb die Einweisung in die CDK erfolgt sei. Am 1. August 2007 um 15.00 Uhr sie die Entlassung aus der Schubhaft verfügt worden.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den Verwaltungsakt, der in Form eines E-Mails übermittelt worden ist,  festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2006 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und bis zum 1. August 2007, 15.00 Uhr, für die belangte Behörde im PAZ Salzburg in Schubhaft angehalten.

 

Seine Beschwerde gegen diese Anhaltung in Schubhaft ist zulässig.    

 

4.1.2. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Nach § 2 Abs. 1 des Grundversorgungsgesetzes-Bund, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: GVG-B), gewährt der Bund den Asylwerbern im Zulassungsverfahren sowie Fremden, deren Asylantrag zurück- oder abgewiesen wurde, solange eine Versorgung in einer Betreuungseinrichtung, bis diese das Bundesgebiet verlassen.

 

4.1.3. Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung war der Bf Asylwerber. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

 

Nach dem maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

 

4.2. Im vorliegenden Fall hat das BAA-EAST-West mit Fax vom 26. Juli 2007 der belangten Behörde die relevanten Teile des Asylaktes und die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG (Führung von Dublin Konsultationen mit Rumänien seit 25. Juli 2007; beabsichtigte Zurückweisung des Asylantrages) übermittelt und diese ersucht, die  Mitteilung dem Bf nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

 

Im Anschluss an dieses Schreiben wird die belangte Behörde informiert, dass "die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 AsylG auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren gilt".    

 

Diese Mitteilung verkörpert jedoch noch keinen das Verfahren abschließenden Bescheid, sondern bloß eine – vorläufige, in eine bestimmte Richtung deutende Rechtsmeinung dieser Behörde zum Ausdruck bringende – Verfahrensanordnung (so explizit § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG).

 

Nach der Ausfolgung der Mitteilung an den Bf hat die belangte Behörde den gegenständlichen Schubhaftbescheid erlassen, sich dabei auf § 76 Abs. 2 Z. 2 und Z. 4 FPG gestützt und gegen den Bf die Schubhaft verhängt. 

 

4.2.1. Nach den Eintragungen in der AI wurde die belangte Behörde erst im Zusammenhang mit dem Ersuchen um Ausfolgung der Mitteilung gemäß § 29 AsylG vom vorläufigen Ergebnis des Asylverfahrens (legale Ein- und Ausreise betreffend Rumänien, Verwendung des eigenen Reisepasses), der beabsichtigten Zurückweisung des Bf und von der Einleitung der Dublin Konsultationen mit Rumänien informiert.

 

Auch dem Bf, der im Zulassungsverfahren am Verfahren nicht mitgewirkt hatte           (Verschleierung des Fluchtweges; Nichtvorlage des Reisepasses), wurden während dieses Zeitraumes weder die geführten Konsultationen noch die "Trefferbekanntgabe" von Rumänien zur Kenntnis gebracht. Der Bf konnte daher von seiner Warte aus betrachtet davon ausgehen, dass weder die belangte Behörde noch das Bundesasylamt in der Lage sind, die legale Einreise in Rumänien über den Flughafen Otopeni am 1. April 2007 mittels gültigem Visa (Gültigkeitsdauer: 15.03. – 14.04.2007) und die legale Ausreise mit einem Fahrzeug (Kennzeichen) am 5. April 2007 nach Ungarn in Erfahrung zu bringen, da  die Visaantragstellung nicht mit einer erkennungsdienstlichen Behandlung (Abnahme der Fingerabdrücke) und somit mit keiner Speicherung im "Eurodac" verbunden war.

 

Unbestritten steht fest, dass der Bf bis zur Schubhaftverhängung keine verwertbaren Angaben zum Fluchtweg gemacht und  diesen in den Augen der belangten Behörde bewusst verschleiert hat um in den Genuss einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung und darüber hinaus zu einer inhaltlichen Asylentscheidung in Österreich zu gelangen.  

 

Im Anschluss an die Asylantragsstellung wurde der Bf bis zur Schubhaftverhängung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes untergebracht. Obwohl der Bf im Zuge der Erstbefragung auf seine Selbstmordgedanken in der Türkei hingewiesen und einen Selbstmord im Falle der Abschiebung in die Türkei angedroht hat, zeigte er in der bundesbetreuten Einrichtung kein auffälliges Verhalten. Psychische Auffälligkeiten wurden auch weder von Mitarbeitern der Betreuungseinrichtung, der Polizei, der örtlichen Arztstation noch der Rechtsvertretung wahrgenommen bzw. von diesen davon berichtet. Laut den Eintragungen in der AI war der Bf bei Standeskontrollen drei Mal abwesend (13.06.2007) und hat eigenmächtig nächtliche Ausgänge vorgenommen (17.07.2007).   

 

Entgegen den Beschwerdeausführungen war der Bf laut Aktenlage nicht in Kenntnis der vom Bundesasylamt geführten Informations- und Konsultationsverfahren. Ebenso wenig wusste er von der "Trefferbekanntgabe" Rumäniens. Bestätigung findet diese Feststellung in der Beschwerdeschrift, da noch in dieser die Ausstellung eines "rumänischen Touristenvisums" und somit auch die legale Einreise über den Flughafen und die legale Ausreise nach Ungarn bestritten werden. Da sich der Bf aufgrund seiner falschen Angaben (der Reisepass befindet sich zu Hause in der Türkei – der legale Rumänienaufenthalt schien ihm somit nicht nachweisbar), der Verschleierung des Fluchtweges und des Nichtvorhandenseins von Fingerabdrücken mangels erkennungsdienstlicher Behandlung in Sicherheit vor fremdenpolizeilichen Maßnahmen wähnte, ist sein abwartendes und grundsätzlich unauffälliges Verhalten in der Betreuungseinrichtung nicht als ein „Wohlverhalten" zu qualifizieren, aus dem zwingend abgeleitet werden müsste, dass er sich zukünftigen fremdenpolizeilichen Maßnahmen nicht entziehen werde. Ein Blick in das Protokoll der Erstbefragung zeigt, dass der Bf bereits zu diesem Zeitpunkt mit einer massiven Drohung (Seite 4 der EB vom 4. Mai 2007; "Wenn man mich zurückschickt, werde ich Selbstmord begehen") unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, wie er einer beabsichtigten Abschiebung entgegenwirken werde.  

 

Da sich der Bf im vorliegenden Fall aufgrund seines Vorbringens, der Verschleierung seines Fluchtweges und mangels dagegensprechender Informationen seitens der Behörden in der Betreuungseinrichtung vor fremdenpolizeilichen Maßnahmen sicher wähnte, kann dieses „Wohlverhalten“ nicht mit jenem verglichen werden, das dem Sachverhalten im Erkenntnis vom 6. Juni 2007, VwSen-400882/4/SR/Ri, zugrunde gelegen ist. Die beiden Fallkonstellationen sind daher nicht vergleichbar.  

 

4.2.2. Wie bereits dargelegt, hat sich die belangte Behörde bei der Anordnung der Schubhaft in erster Linie auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gestützt. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse im Zulassungsverfahren und der Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG konnte sie zu Recht davon ausgehen, dass Rumänien zur Entscheidung über diesen Antrag zuständig ist und der in Österreich gestellte Antrag mangels Prüfungszuständigkeit zurückgewiesen werden wird.

 

Wie unter Punkt 4.2.1. ausführlich dargelegt, ergibt sich aus der Aktenlage kein Grund, der die belangte Behörde zu der Annahme veranlassen hätte müssen, dass der Zweck der Schubhaft auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann.

 

Die Überlegungen der belangten Behörde finden auch Deckung in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Erkenntnis vom 28.06.2007, Zl. 2006/21/0051-8). Dieser hat u.a. im angeführten Erkenntnis dargelegt, dass sich die Notwendigkeit der Schubhaft auch daraus ergeben könnte, dass sich der Bf vor der Einreise in das Bundesgebiet in einem anderen Staat dem behördlichen Zugriff entzogen und hierüber nach seiner Einreise zusätzlich falsche Angaben gemacht hat.

 

Der Bf hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er Selbstmord begehen werde, sollte es zu einer Abschiebung in die Türkei kommen. Daraus konnte die belangte Behörde ableiten, dass der Bf nicht gewillt war, freiwillig auszureisen. Neben dieser Ausreiseunwilligkeit haben sich seine falschen Angaben zum Reiseweg für ihn dahingehend nachteilig ausgewirkt, dass die belangte Behörde von der Notwendigkeit der Schubhaft ausgehen musste. 

 

Die belangte Behörde hat den vorliegenden Sachverhalt zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides richtig beurteilt und ist zu Recht zum Ergebnis gekommen, dass der Bf aufgrund seines bisherigen Verhaltens und seines Vorbringens nicht gewillt ist, den behördlichen Anordnungen Folge zu leisten und einer Ausweisung nach Rumänien nachzukommen. Daher hat die belangte Behörde aufgrund ihres damaligen Wissenstandes zutreffend angenommen, dass der Bf versuchen werde, sich durch Untertauchen in die Illegalität den fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen, um in Österreich bleiben zu können.  

 

Nachträglich werden die den Sicherungsbedarf begründenden Überlegungen der belangten Behörde im Wesentlichen durch die Aussagen des Bf bestätigt. Dieser führte am 31. August 2007 bei der Einvernahme im Asylverfahren aus, dass er gar nicht nach Rumänien wolle, weil er nie dort gewesen sei und dort auch niemanden habe. Er habe genügend Probleme in der Türkei und möchte in Österreich bei seinem Bruder bleiben.

 

Der konkrete Sicherungsbedarf war somit gegeben und die Anwendung gelinderer Mittel zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung ausgeschlossen.  

 

Die Verhängung der Schubhaft war im konkreten Fall auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Um dieses Ziel zu gewährleisten war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit erforderlich. Der gegenläufigen Einwendung des Bf war nicht zu folgen. 

 

4.2.3. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

 

Nach Abs. 2 darf die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs. 3 und 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

 

Gemäß § 80 Abs. 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z. 1 bis 3 vor. Wird der Berufung gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der unabhängige Bundesasylsenat eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

 

Im Hinblick auf die Verfahrensführung der belangten Behörde und die Dauer der Anhaltung in Schubhaft (5 Tage) kann nicht erkannt werden, dass die belangte Behörde ihrer Verpflichtung nach § 80 Abs. 1 FPG nicht nachgekommen wäre.

 

Das Asylverfahren befand sich während der Anhaltung in Schubhaft noch im Stadium der Zulassung und da das Ausweisungsverfahren nach dem Asylgesetz nach wie vor geführt wurde (das Konsultationsverfahren mit Rumänien war nach Aktenlage noch nicht abgeschlossen), war weder der Grund für die Anordnung der Schubhaft weggefallen noch das Ziel unerreichbar.

 

Als der Bf psychische Probleme behauptete wurde er dem Psychologen der CDK, Dr. M zur Untersuchung vorgeführt. Dieser stellte laut Meldung des PAZ des Stadtpolizeikommandos Salzburg vom 1. August 2007 fest, dass der Bf extrem suizidgefährdet bzw. depressiv sei und veranlasste gemäß § 8 UBG die Einweisung in die CDK in Salzburg.

 

Aufgrund der Einweisung in die CDK und der telefonischen Auskünfte des einweisenden Arztes Dr. M zum Gesundheitszustand des Bf verfügte die belangte Behörde die sofortige Entlassung aus der Schubhaft.    

Anzumerken ist, dass der Bf am 31. August 2007 bei der Einvernahme im Asylverfahren über Befragen ausgeführt hat, dass er im Gefängnis aufgeregt gewesen sei und Platzangst gehabt habe. Deshalb sei er beim Psychiater gewesen und dieser habe ihn ins Krankenhaus eingewiesen.

 

4.3. Bei diesem Verfahrensergebnis war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

5. Gemäß § 79a AVG iVm. § 83 Abs. 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen, abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs. 3 AVG).

 

Beim gegenständlichen Verfahrensergebnis war dem Bund als dem zuständigen Rechtsträger auf Antrag der belangten Behörde der Vorlage- und Schriftsatzaufwand (51,50 Euro und 220,30 Euro) nach den Pauschalbeträgen der geltenden UVS-Auf­wandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 334/2003) und damit ein Verfahrensaufwand in der Höhe von insgesamt 271,80 Euro zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unter­schrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabe- und Beilagegebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 18. September 2008, Zl.: 2008/21/0054-5

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum