Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-420521/6/Ste/AB

Linz, 23.11.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Beschwerde des A R, vertreten durch Mag. Dr. W F, Mag. Dr. B G, Mag. U N-K, Rechtsanwälte, G, L, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu Recht erkannt:

 

 

            Die Beschwerde gegen die am 20. September 2007 um ca. 10.45 Uhr (beginnend um ca. 6.00 Uhr durch Abholung im Polizeianhaltezentrum Linz) erfolgte Abschiebung auf dem Luftweg vom Flughafen Wien-Schwechat in den Kosovo (Pristina via Laibach) durch Sicherheitswachebeamte wird als unbegründet abgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 AVG; § 67c AVG; § 79a AVG iVm UVS-Aufwander­satzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003; § 46 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006)

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Nach Schilderung des A R, Staatsangehöriger von Serbien-Montenegro (Kosovo) [in der Folge: Beschwerdeführer – Bf] in der Beschwerde vom 1. Oktober 2007 sei er im Auftrag des Bezirkshauptmannes des Bezirks Urfahr-Umgebung am 20. September 2007 mit einem Flug ab Wien-Schwechat, 10.00 Uhr in den Kosovo (Pristina) abgeschoben worden. Der Abschiebevorgang hätte bereits zuvor durch Abholung im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Linz, wo sich der Bf seit 11. September 2007 in (mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 21. September 2007, VwSen-400906/10 für rechtswidrig erklärter) Schubhaft befunden hätte, um ca. 6.00 Uhr an diesem Tag durch beauftragte Sicherheitswachebeamte begonnen.

 

Der Schubhaft und der Abschiebung lägen zugrunde, dass der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) mit Bescheid vom 24. August 2007 die Berufung des Bf in der Asylsache gemäß § 3 AsylG abgewiesen und den Bf aus dem Bundesgebiet ausgewiesen habe. Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 7. September 2007, eingelangt bei der belangten Behörde am 10. September 2007, sei die belangte Behörde davon verständigt worden, dass die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Bf in den Kosovo gemäß § 8 AsylG rechtskräftig wäre und eine rechtskräftige Ausweisung mit Rechtskraftdatum 30. August 2007 vorläge.

 

Auf Grund eines Festnahmeauftrags der belangten Behörde sei der Bf am 11. September 2007 verhaftet und in Schubhaft genommen worden. Durch seinen ausgewiesenen Vertreter habe der Bf bereits am selben Tag bzw. am 13. September 2007  telefonisch, mit Eingabe vom 14. September 2007 auch schriftlich die belangte Behörde – verbunden mit der Erklärung, unmittelbar nach der Eheschließung freiwillig aus Österreich auszureisen, um vom Ausland aus seinen Aufenthalt zu legalisieren – in Kenntnis gesetzt, dass für den 21. September 2007 ein Hochzeitstermin mit seiner Verlobten I S beim Standesamt der Landeshauptstadt Linz vereinbart wäre. Der belangten Behörde sei – laut Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 21. September 2007, VwSen-400906/10 – noch am 19. September 2007 telefonisch mitgeteilt worden, dass I S ein behindertes Kind habe und es ihr daher unmöglich wäre, zur Eheschließung in den Kosovo zuzureisen.

 

 

2. Gegen diese dargelegte Abschiebung richtet sich die vor­liegende, am 1. Oktober 2007 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte, Be­schwerde.

 

Darin beantragt der Bf – nach Schilderung des Sachverhalts – die Abschiebung von Österreich über Wien-Schwechat in den Kosovo für rechtswidrig zu erklären sowie den Ersatz der Kosten gemäß § 79a AVG zuzuerkennen.

 

In seiner Begründung führt der Bf aus, dass der Oö. Verwaltungssenat insofern sachlich und örtlich zuständig sei, als die Abschiebung bei der Abholung am letzten Aufenthaltsort, konkret dem PAZ Linz, begonnen habe.

 

Weiters geht der Bf davon aus, dass eine Abschiebung nur unter den Voraussetzungen des § 46 FPG durchgeführt werden dürfe. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 21. September 2007, VwSen-400906/10 führt er aus, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FPG nicht vorlägen und daher die Abschiebung rechtswidrig gewesen sei. Dies begründet er im wesentlichen damit, dass die Überwachung seiner Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht notwendig gewesen sei, da er sich bisher im Wesentlichen entsprechend der Rechtsordnung verhalten hätte und auch weiter erkennen habe lassen, dass er sich künftig rechtstreu verhalten würde. Insbesondere habe er auch angekündigt, unmittelbar nach Eheschließung Österreich freiwillig mit seinem Reisedokument zu verlassen. Es sei daher auch davon auszugehen gewesen, dass er seiner Verpflichtung zur Ausreise zeitgerecht nachgekommen wäre. 

 

Die Unzulässigkeit der Abschiebung ergebe sich auch bei verfassungskonformer Interpretation aus Art. 8 EMRK, zumal der Bf beabsichtigt hätte, am 21. September 2007 mit I S die Ehe zu schließen. Ein derartiger Schritt dürfe – insbesondere bei Personen, die sich bisher rechtstreu verhalten hätten – nicht durch unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt verhindert werden. Dabei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass – wie der belangten Behörde im Zeitpunkt der Abschiebung bekannt war – die Verlobte des Bf ein zu 80% behindertes Kind hätte und es ihr grundsätzlich nicht möglich sei, zur Eheschließung in den Kosovo zu reisen. Insofern läge ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vor.

 

2.1. In einer Gegenschrift vom 4. Oktober 2007 führte der Bezirkshauptmann des Bezirks Urfahr-Umgebung aus, dass er mit Schreiben vom 7. September 2007 durch das Bundesasylamt verständigt worden sei, dass der Bescheid des Bundesasylsenates betreffend den Bf gemäß § 3 AsylG mit 30. August 2007 negativ in Rechtskraft erwachsen sei. Gleichzeitig seien die Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien, Provinz Kosovo und die ausgesprochene Ausweisung rechtskräftig.

 

Unter Zugrundelegung des § 46 Abs. 1 FPG begründet der Bezirkshauptmann des Bezirks Urfahr-Umgebung die konkrete Abschiebung insofern, als erwiesen sei, dass der Bf seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen sei. Obwohl die vom Bundesasylsenat ausgesprochene Ausweisung mit 30. August 2007 in Rechtskraft erwachsen sei, hielt sich der Bf weiterhin im Bundesgebiet auf und wurde am 11. September 2007 auf Grund eines Festnahmeauftrags zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen.

 

Dass der Bf auch weiterhin im Bundesgebiet bleiben habe wollen, gehe auch daraus hervor, dass er – anstatt unverzüglich freiwillig auszureisen – am 7. September 2007 das Aufgebot bestellt habe, um am 21. September 2007 am Standesamt Linz I S zu heiraten. Diesbezüglich sei der Verdacht einer Aufenthalts- oder Zweckehe zur Verfestigung seines Aufenthaltes insofern nicht auszuschließen, als I S weder einen gemeinsamen Wohnsitz mit dem Bf gehabt hätte, noch  Informationen über die Abschiebung und über die weitere Vorgehensweise bezüglich ihres "zukünftigen Ehegatten" eingeholt hätte.

 

Die Aussage des Bf – die er erst während seiner Schubhaft tätigte –, er hätte nach der Hochzeit das Bundesgebiet freiwillig verlassen, sei unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar.

 

Ein Kostenantrag wurde in der Gegenschrift nicht gestellt.

 

2.2. Mit Telefax vom 25. Oktober 2007 wurde dem Bf vom Oö. Verwaltungssenat die Gegenschrift der belangten Behörde unter gleichzeitiger Einladung zur Stellungnahme übermittelt. In seiner Stellungnahme vom 30. Oktober 2007 präzisiert der Bf seine Beschwerdebegründung wie folgt:

 

Die Abschiebung sei insofern rechtswidrig gewesen, als der Bf nach der Eheschließung freiwillig Österreich verlassen hätte, um von seiner Heimat aus seine legale Rückkehr nach Österreich zu bewerkstelligen. Gegenteilige Äußerungen der belangten Behörde seien – ebenso wie der geäußerte Verdacht einer Aufenthalts- oder Zweckehe –  reine Mutmaßungen.

 

Die Abschiebungsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 FPG lägen nicht vor. Auf Grund der geplanten freiwilligen Ausreise aus Österreich nach erfolgter Eheschließung sei nicht zu befürchten gewesen, dass der Bf seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen wäre. Insbesondere könne aus der Tatsache, dass der Bf nach negativer Asylentscheidung vor seiner Ausreise aus Österreich noch die Ehe schließen wollte, nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Als Grundlage für die Abschiebung käme allenfalls § 46 Abs. 1 Z 2 FPG in Betracht. Im Hinblick auf die geplante Eheschließung könne allerdings auf Grund der Möglichkeit eines Durchsetzungsaufschubs im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG nicht davon ausgegangen werden, dass der Bf seiner Ausreiseverpflichtung nicht zeitgerecht nachgekommen sei. Vielmehr hätte die geplante Eheschließung im Rahmen des § 67 Abs. 1 FPG von der Behörde berücksichtigt werden müssen. Denn § 67 Abs. 1 FPG sei auch bei einer Ausweisung nach dem AsylG auf Grund einer verfassungskonformen Interpretation im Sinne des Gleichheitssatzes und der bloßen Ermessensentscheidung gemäß § 46 Abs. 1 FPG anzuwenden. Daher sei die Abschiebung nicht nur gesetzwidrig gewesen, sondern stelle auch einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht nach Art. 8 EMRK dar.

 

Nach erneutem Hinweis auf die Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates vom 21. September 2007, VwSen-400906/10 wird ein Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom Bf ausdrücklich nicht abgegeben.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorliegenden Verwaltungsakte sowie die vorgelegten Schriftsätze. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war nach Einschätzung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats nicht erforderlich (§ 67d Abs. 1 AVG). Der – rechtsfreundlich vertretene – Bf hat zwar auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht verzichtet, diese allerdings – entgegen § 67d Abs. 3 erster Satz AVG – auch nicht ausdrücklich beantragt, sondern die Entscheidung über deren Abhaltung der Beurteilung durch den Oö. Verwaltungssenat überlassen. Die mangelnde Erforderlichkeit der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ergibt sich vor allem daraus, dass im vorliegenden Fall bereits die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, im Kern im Wesentlichen lediglich eine Rechtsfrage zu klären ist und insgesamt dem nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK entgegen steht. Im Übrigen wäre auch eine Anwesenheit der einzigen Person, die inhaltlich zum konkreten Sachverhalt Ergänzendes beitragen könnte, nämlich des Bf selbst bei einer öffentlichen mündlichen Verhandlung – wenn überhaupt – nur mit großem organisatorischem und finanziellen Aufwand möglich gewesen (vgl. dem gegenüber § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG).

 

2.4. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

 

Mit Schreiben vom 7. September 2007 durch das Bundesasylamt, AZ 0704.370-EAST-West wurde die belangte Behörde darüber informiert, dass der Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates betreffend den Bf gemäß § 3 Asylgesetz 2005 – AsylG (BGBl. I Nr. 100/2005) mit 30. August 2007 negativ in Rechtskraft erwachsen ist. Die Feststellung gemäß § 8 AsylG über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien, Provinz Kosovo erwuchs – so wie die gleichzeitig ausgesprochene Ausweisung nach Serbien, Provinz Kosovo auch – ebenfalls mit 30. September 2007 in Rechtskraft. Mit Schreiben des Unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 313.899-1/5Z-XIX/61/07 ua. an die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, nachrichtlich ua. an das Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West, eingelangt bei der belangten Behörde am 6. September 2007, wurde gemäß §  22 AsylG mitgeteilt, dass über den Asylantrag des Bf eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates nach Serbien, Provinz Kosovo vorliegt.

 

Am 11. September 2007 wurde der Bf, der am  geboren ist, der albanischen Volksgruppe in der Region Kosovo zugehört und am 10. Mai 2007 illegal nach Österreich eingereist ist, wo er bei der Wohnadresse seines Onkels in S polizeilich gemeldet war und dort von Zuwendungen seiner Gastfamilie auch lebte, auf Grund eines Festnahmeauftrags zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen. Diese wurde mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 21. September 2007, VwSen-400906/10 für rechtswidrig erklärt. Am selben Tag (21. September 2007) war die Hochzeit des Bf und Frau I S (die Mutter eines behinderten Kindes ist und der es daher kaum möglich ist, zum Zwecke der Eheschließung in den Kosovo zu reisen) beim Standesamt der Landeshauptstadt Linz – am 7. September 2007 beim Einwohner- und Standesamt der Landeshauptstadt Linz angemeldet – geplant. Mit Schreiben vom 14. September 2007 übermittelte der Bf der belangten Behörde die Bestätigung dieses Hochzeitstermins des Standesamtes Linz, AZ 794/2007, und erklärte, dass er unmittelbar nach der Eheschließung eigenverantwortlich Österreich verlassen wolle.

 

Am 20. September 2007 wurde der Bf, der im PAZ Linz um ca. 6.00 Uhr von Sicherheitswachebeamten abgeholt worden ist, im Auftrag der belangten Behörde am Luftweg mit Flug ab Wien-Schwechat über Laibach nach Pristina um ca. 10.00 Uhr abgeschoben. Gegen diese – von ihm als Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehl- und Zwangsgewalt qualifizierte – Maßnahme richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 

2.5. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich für das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den gegenseitigen Behauptungen in den vorgelegten Stellungnahmen im Wesentlichen unstrittig.

 

2.6. Gemäß § 67a Abs. 1 AVG ist zur Entscheidung über die vorliegende Be­sch­werde das durch die Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied des Oö. Ver­waltungssenates berufen.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004, entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungs­be­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausge­nommen in Finanzstrafsachen (vgl. auch Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG). Solche Beschwerden sind nach § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt beim Unabhängigen Verwaltungs­senat einzubringen, in dem der Be­schwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat.

 

Die Amtshandlung fand am 20. September 2007 statt. Die vorliegende Beschwerde vom 1. Oktober 2007 ist damit rechtzeitig. Gemäß § 67c Abs. 1 AVG sind Maßnahmenbeschwerden grundsätzlich innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Bf von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, bei dem Unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde. Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung nur jener Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen örtlichem Wirkungsbereich die Abschiebung beginnt" (VwGH vom 23. September 1994, Zl. 94/02/0139; vgl. auch VfSlg 16.109/2001). Im vorliegenden Fall ist daher der Oö. Verwaltungssenat insofern örtlich zuständig, als sich der Bf am 20. September 2007 im PAZ Linz in Schubhaft befand, von wo er auch am Morgen dieses Tages zwecks Abschiebung über den Flughafen Wien-Schwechat von beauftragten Sicherheitswachebeamten abgeholt worden ist.

 

3.2. Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG ist, dass über­haupt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, der sich gegen die Person gerichtet hat, die als Be­schwerdeführer im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat auftritt (vgl. Aichlreiter in Rill/Schäffer, Bundesverfassungsrecht, RZ 49 zu Art. 129a B-VG) und dass die Verletzung eines subjektiven Rechts des Beschwerdeführers zumindest möglich ist (vgl. VwGH vom 20. Dezember 1995, 95/03/0288, 0289).

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. VwGH vom 29. Juni 2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österrei­chisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu Art. 129a B-VG).

 

3.2.1. Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum FrG 1992, die auch auf das Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006, anzuwenden sein wird, stellt die Abschiebung eines Fremden gemäß § 46 FPG 2005 keine (bescheidmäßig zu verfügende) Vollstreckungsverfügung dar. Vielmehr handelt es sich bei der Abschiebung um eine "Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form einer bestimmten Maßnahme tatsächlicher Art" (vgl. VfSlg. 13.885/1994). In der zitierten Entscheidung konstatiert der Verfassungsgerichtshof, wie auch in einem jüngeren Erkenntnis aus dem Jahr 2005 (VfSlg. 17.639/2005) eine Unterscheidung zwischen einer Abschiebung, die vor der Durchsetzbarkeit der Ausweisung vorgenommen wird, und einer solchen, die erst nach der Durchsetzbarkeit der Ausweisung passiert. Während das Höchstgericht in letzterem Fall die Ausweisung als bloße Vollstreckungsmaßnahme des vorangegangenen Bescheides und damit explizit als keine (bekämpfbare) Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert (vgl. etwa VfSlg. 12.368/1990; 12.340/1990; 11.596/1988; 11.333/1987), liegt bei einer Abschiebung, die vor der Durchsetzbarkeit der Ausweisung vorgenommen wird, sehr wohl eine "gesondert bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" vor (VfSlg. 17.639/2005; 13.885/1994).

 

Da im vorliegenden Fall eine seit 30. August 2007 durchsetzbare Ausweisungsentscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates vorlag, kommt der Abschiebung des Bf am 20. September 2007 die Qualität als selbständig bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dem Grunde nach nicht zu.

 

3.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat demgegenüber in einer Entscheidung aus dem Jahr 1994 die Auffassung, dass es sich bei einer Abschiebung (in Form einer Vollstreckungshandlung einer durchsetzbaren Ausweisung) nach dem Fremdengesetz BGBl. Nr. 838/1992 (aufgehoben durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 75/1997) insofern um einen (mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbaren) Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handle, als für die Rechtmäßigkeit einer Abschiebung im Sinne des Fremdengesetzes (§ 36 Fremdengesetz 1992) zusätzlich "zur durchsetzbaren Ausweisung noch weitere Voraussetzungen treten müssen. [...] Daß ein derartiger Bescheid vorhanden ist, ist nur eine der Voraussetzungen für die Abschiebung. Es muß daher ein Weg eröffnet sein, die Rechtswidrigkeit der Abschiebung trotz Vorliegens durchsetzbarer Bescheide [...] geltend zu machen" (vgl. VwGH vom 23. September 1994, Zl. 94/02/0139; mit Bezug auf diese Entscheidung VwGH vom 10. Oktober 1997, 96/02/0307 und vom 9. September 1995, Zl. 95/02/0197).

 

Da einerseits § 46 FPG 2005 dem der damaligen Entscheidung des VwGH zugrundeliegenden § 36 Fremdengesetz 1992 nachgebildet ist und andererseits § 13 Abs. 3 FPG 2005 die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dazu ermächtigt, die ihnen gesetzlich eingeräumten Befugnisse und Aufträge der Fremdenpolizeibehörden mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen, ist davon auszugehen, dass – unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – die vorliegende Abschiebung des Bf vom 20. September 2007 als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren ist.

 

3.3. Selbst wenn man – unter Zugrundelegung der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – vom Vorliegen einer Maßnahme im Sinne des § 67c AVG und damit der Zulässigkeit einer Maßnahmenbeschwerde ausgeht, ist diese nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates allerdings jedenfalls unbegründet:

 

§ 46 Abs. 1 FPG bestimmt, dass Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung (§§ 53, 54 und 10 AsylG 2005) durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde unter anderem zur Ausreise verhalten werden können (Abschiebung), wenn sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise (§ 67, § 10 AsylG 2005) nicht zeitgerecht nachgekommen sind.

 

Im vorliegenden Fall stimmt das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates mit der Auffassung der belangten Behörde überein, dass der Bf seiner Verpflichtung zur Ausreise jedenfalls nicht zeitgerecht nachgekommen ist. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 10 AsylG iVm. dem mit 30. August 2007 durchsetzbaren Ausweisungsbescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates.

 

Wenn der Bf vorbringt, dass er unmittelbar nach seiner Hochzeit am 21. September 2007 freiwillig aus Österreich ausgereist wäre, was jedenfalls als zeitgerecht im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 2 FPG gelte, so ist ihm entgegenzuhalten, dass dieser Hochzeitstermin erst nach dem Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit der Ausweisung (30. August 2007) am Standesamt der Landeshauptstadt Linz festgesetzt worden ist.

 

"Zeitgerecht" ist als unbestimmter Gesetzesbegriff auslegungsbedürftig. Nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates ist unter diesem Rechtsbegriff zu verstehen, dass einem Fremden vor seiner Abschiebung die Möglichkeit zu geben sein wird, seine in Österreich aufgebauten und entwickelten Lebensverhältnisse zu ordnen – etwa sein Hab und Gut in seiner Wohnstätte zu packen bzw. zu verkaufen. Da der Bf zum einen sich erst seit 10. Mai 2007 (illegal) in Österreich aufhielt und zum anderen von Zuwendungen seines Onkels bzw. dessen Familie lebte, wo er auch wohnte, ist der Zeitraum, den der Bf zur Ordnung seiner Lebensverhältnisse vor Durchführung der Abschiebung benötigt, verhältnismäßig gering. Obwohl die Durchsetzbarkeit der Ausweisung und Abschiebung mit 30. August 2007 gegeben war, hielt sich der Bf noch am 11. September 2007 (der Tag, an dem die Schubhaft verhängt wurde) in Österreich auf. Dieser Zeitraum liegt demnach jedenfalls nicht mehr im Rahmen einer "zeitgerechten" Ausreise. Auch die für 21. September 2007 geplante Hochzeit vermag nichts an dieser Rechtsansicht des Oö. Verwaltungssenates zu ändern, wurde diese doch erst am 7. September 2007 – dh. nach rechtskräftiger Ausweisungsentscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates – beim Standesamt der Landeshauptstadt Linz gemeldet.

 

3.4. Ein Durchsetzungsaufschub der Abschiebung im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG kommt entgegen der vom Bf vertretenen Auffassung im vorliegenden Fall nicht in Betracht, ist dieser doch nur auf Ausweisungen nach §§ 53 und 54 FPG, nicht jedoch auf solche nach § 10 AsylG, anzuwenden. Im vorliegenden Fall ist allein ein Abschiebungsaufschub gemäß § 46 Abs. 3 FPG in Erwägung zu ziehen.

 

Gemäß § 46 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 50) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Unzulässig ist eine Abschiebung eines Fremden in einen Staat gemäß § 50 Abs. 1 FPG, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Da im vorliegenden Fall die Abschiebung des Bf weder gemäß § 46 Abs. 3 leg cit aus tatsächlichen Gründen unmöglich noch unzulässig im Sinne des § 50 FPG ist, waren die Voraussetzungen für einen Abschiebungsaufschub nicht gegeben. Insbesondere wurden vom (der albanischen Volksgruppe zugehörigen) Bf keinerlei Gründe vorgebracht, die auf eine potenzielle Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK schließen ließen. Die Nichtverletzung der genannten EMRK-Grundrechten wird im Übrigen beispielsweise auch durch eine Analyse der Länderinformation Kosovo/Kosova [Serbien] vom 21. September 2007, erstellt von Amnesty International Deutschland (vgl. http://www.amnesty.de) bestätigt.

 

3.5. Zur behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) ist auf § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG zu verweisen. Dieser normiert, dass eine Ausweisung wie im vorliegenden Fall unzulässig ist, wenn diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würde. Gemäß Abs. 4 leg cit gilt eine Ausweisung im Sinne des Gesetzes stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den betreffenden Staat; besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Auf Grund dieser Bestimmungen des AsylG war die vom Bf vorgebrachte Verletzung von Art. 8 EMRK durch seine Abschiebung grundsätzlich bereits im Verfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat zu prüfen. Für den Oö. Verwaltungssenat sind keine Anhaltspunkte zu erkennen, die auf diesbezügliche, Art. 8 EMRK betreffende gravierende Veränderungen in der (äußerst kurzen) Zeit zwischen der rechtskräftigen Ausweisungs- bzw. Abschiebungsentscheidung durch den Unabhängigen Bundesasylsenat vom 30. August 2007 und der Abschiebung am 20. September 2007 schließen ließen. Die erst am 7. September 2007 für den 21. September 2007 (dh. somit zu einem Zeitpunkt, in dem dem Bf bereits bewusst war, dass ein durchsetzbarer Ausweisungsbescheid bzw. eine rechtskräftige Feststellung über die Zulässigkeit einer Abschiebung gegen ihn besteht [30. August 2007]) beim Standesamt der Landeshauptstadt Linz angemeldete Hochzeit vermag an dieser Rechtsauffassung – auch unter Zugrundelegung des Art. 8 EMRK – nichts zu ändern. Insbesondere ist dazu auf die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg hinzuweisen, der im Zusammenhang mit dem durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Bleiberecht bei der diesbezüglichen notwendigen Interessenabwägung auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben erst in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sind, berücksichtigt (EGMR vom 24. September 1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5. September 2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31. Jänner 2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; unter Berufung auf diese EGMR-Judikatur auch der VfGH in seiner Entscheidung vom 29. September 2007, Zl. B 1150/07).

 

Vielmehr war – wie bereits weiter oben ausführlich dargelegt – die bekämpfte Abschiebung auch im Lichte des Art. 8 EMRK auf Grund nicht zeitgerechter, unverzüglicher Ausreise des Bf im Sinne des § 10 Abs. 4 AsylG iVm. § 46 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig.

 

3.6. Im Ergebnis war damit - mangels Rechtswidrigkeit der Abschiebung des Bf am 20. September 2007 - somit die vorliegende Beschwerde jedenfalls als unbegründet abzuweisen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ist gemäß § 79a Abs. 3 AVG die belangte Behörde als obsiegende Partei anzusehen. Kosten an die obsiegende Partei waren allerdings keine zuzusprechen, da ein ent­sprechender Antrag nicht gestellt wurde (vgl. § 79a Abs. 6 AVG).

 

 

5. Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Wolfgang Steiner

 

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 30.08.2011, Zl. 2008/21/0020-5

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum