Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240631/18/Gf/Mu/Ga

Linz, 18.01.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des W D, vertreten durch RA Dr. F, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 25. Oktober 2007, Zl. BZ‑Pol-69056-2006, wegen einer Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbrau­cherschutzgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 15. Jänner 2008 zu Recht erkannt:

 

I.               Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.             Der Berufungswerber hat weder einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 VStG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 25. Oktober 2007, Zl. BZ-Pol-69056-2006, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Stunden) verhängt, weil er es als Gastgewerbetreibender zu verantworten habe, dass das bei einer lebensmittel­polizeilichen Kontrolle am 5. September 2006 gegen 11.50 Uhr in seinem Betrieb als Probe gezogene Hühnerfleisch eine stark erhöhte bakterielle Kontamination (aerobe mesophile Keime, Enterobactericeen) aufgewiesen habe, was auf eine mangelhafte Aufbewahrung zurückzuführen sei und somit eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstelle.  Dadurch habe er eine Übertretung des § 90 Abs. 3 Z. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 des Lebensmittel­sicherheits- und Verbraucherschutz­gesetzes, BGBl.Nr. 13/2006, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 136/2006 (im Folgenden: LMSVG), und i.V.m. Artikel 1 und 4 Abs. 2 und Anhang II Kapitel IX Z. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr.  852/2004 i.d.g.F. begangen, weshalb er nach § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der ihm zur Last gelegte Sachverhalt auf Grund entsprechender Wahrnehmungen des einschreitenden Lebens­mittel­aufsichts­organs sowie eines Gutachtens der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit GmbH (im Folgenden: AGES) als erwiesen anzusehen sei und er als Betreiber des verfahrensgegenständlichen Lokals für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortlich gewesen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit des Berufungs­werbers als mindernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses ihm am 9. November 2007 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 20. November 2007 – und damit rechtzeitig –  persönlich bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

 

Darin bringt der Beschwerdeführer vor, dass er bereits in seinem Einspruch vom 14. November 2006 (gemeint wohl 14. Dezember 2006) dargetan habe, dass er das Hühnerfleisch ordnungsgemäß gelagert und zudem bemängelt habe, dass ihm das Untersuchungs­zeugnis der AGES vom 2. November 2006 nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, weshalb im gegenständlichen Verfahren eine Verletzung des Rechtes auf Wahrung des Parteiengehöres vorliege. Zudem sei die gegenständliche Probe zur Mittagszeit entnommen worden und der Koch zu dieser Zeit gerade mit der Zubereitung von Hühnerfleisch beschäftigt gewesen, weshalb es naturgemäß nicht mehr gekühlt gewesen sein konnte und sich daraus auch die erhöhte Temperatur der entnommenen Probe erkläre. Darüber hinaus sei nach dem Probebegleitschreiben keine Gegenprobe ausgefolgt worden, weswegen auch das Untersuchungsergebnis angezweifelt werde. Fernerhin sei auch abzuklären, warum zwischen der Probenziehung und der Erstellung des Gutachtens beinahe zwei Monate vergangen sind. Nur bei Ausfolgung einer Gegenprobe hätten die Unter­suchungs­ergebnisse der AGES neuerlich überprüft werden können. Außerdem fehle jegliche Feststellung, inwiefern vorliegend eine "stark erhöhte bakterielle Kontamination" vorgelegen sei. Bisher sei es in seinem Betrieb zu keinerlei Beanstandungen von Fleisch gekommen, was bedeute, dass immer sämtliche Bezug habende Hygienevorschrif­ten eingehalten worden seien.

 

Des Weiteren habe die belangte Behörde nur auf Grund der Gesetzeslage, den im Überprüfungsprotokoll vom 5. September 2006 festgehaltenen Mängeln und aus einer Rechnung vom 6. November 2006, aus der hervorgehe, dass am 6. September 2006 die Tiefkühlzelle, die Kühlzelle sowie das Kühlpult einer Reparatur unterzogen worden sei, die objektive Tatseite als erwiesen angesehen. Die Herstellung eines kausalen Zusammenhanges zwischen dieser Reparatur und einer dadurch hervorgerufenen Kontamination von Lebensmitteln sei aber in dieser allgemeinen Form nicht zulässig.

 

Es sei daher insgesamt nicht nachvollzieh­bar, inwiefern er einen Verstoß nach § 4 LMSVG und den in der Anlage genannten Rechtsakten der EG zu verantworten habe. Denn ein entsprechender Beweis sei nicht vorgelegen und es seien insoweit auch keine konkreten, schlüssige nachvollziehbaren Feststellungen getroffen worden. Der Sachverhalt sei somit unzureichend konkretisiert, weshalb das gegenständliche Straferkenntnis insoweit auch gegen das Bestimmungsgebot des § 44a Z. 1 VStG verstoße.

 

Aus allen diesen Gründen wird daher die Aufhebung des angefochtenen Straf­erkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Wels zu Zl. BZ-Pol-69056-2006 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 15. Jänner 2008, zu der als Parteien der Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter sowie die Zeugen Y J, Ing. R B und W P erschienen sind.

 

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde zusammengefasst folgender entscheidungs­wesentlicher Sachverhalt festgestellt:

 

Am 5. September 2006 erfolgte im Lokal des Beschwerdeführer eine lebensmittel­polizeiliche Kontrolle, die vom zweiten und dritten Zeugen durchgeführt wurde. In deren Zuge wurde auch eine Probe von dem dort zur Essenszubereitung bereit gehaltenen Hühnerfleisch gezogen. Ein Teil dieser Probe wurde in eine Kühltasche gegeben und anschließend zur AGES nach Linz verbracht. Der andere Teil dieser Probe wurde dem Rechtsmittelwerber als Gegenprobe ausgefolgt.

 

Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die glaubwürdigen und im Wesentlichen auch inhaltlich übereinstimmenden Aussagen der einvernommen Zeugen und des Beschwerdeführers. Soweit sich eine Divergenz dahin ergibt, dass der Rechtsmittelwerber behauptet, dass ihm keine Gegenprobe ausgefolgt worden sei, war ihm deshalb nicht zu folgen, weil die beiden Lebensmittel­unter­suchungsorgane überzeugend dargetan haben, dass sie – soweit (wie im gegenständlichen Fall in Bezug auf Hühnerfleisch) eine entsprechende Proben­menge vorhanden ist – stets eine Gegenprobe ausfolgen und sich beide dezidiert daran erinnern konnten, dies auch im gegenständlichen Fall ganz sicher getan zu haben. Außerdem ist der diesbezüglich unterlaufene Duplizierungsfehler, der darauf beruht, dass eine Vorlage mit einem dementsprechenden Inhalt für die Erstellung des Probenbegleitschreibens verwendet wurde, ohne dass aufgefallen wäre, dass die Wendung "Gegenprobe ..... nicht  ausgefolgt" entsprechend zu korrigieren gewesen wäre, durchaus nachvollziehbar, indem er auf einem alltäglichen menschlichen Fehlverhalten basiert, das zudem auch aus den die Kontrolle begleitenden Umständen (Hektik infolge mehrerer Mängelfeststellungen) erklärbar ist. Während die beiden letztgenannten Zeugen dies durchaus glaubwürdig und plausibel erklären konnten, stand es demgegenüber dem Beschwerdeführer frei, sich ohne Bindung an die Wahrheitspflicht nach jeder Richtung frei zu verantworten. Der Oö. Verwaltungssenat kommt daher insgesamt zu der Auffassung, dass der Darstellung der Lebensmittelaufsichtsorgane gegenüber jener des Rechtsmittel­werbers der Vorzug einzuräumen ist.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Nach § 90 Abs. 3 Z. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 LMSVG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist – wenn die Tat nicht gerichtlich strafbar ist –  mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro zu bestrafen, der den in der Anlage genannten anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft zuwiderhandelt.

 

Gemäß Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 i.d.g.F. hat der Lebens­mittel­unternehmer allgemeine Hygienevorschriften unter folgenden Grundsätzen zu berücksichtigen:

a)  Die Hauptverantwortung für die Sicherheit eines Lebensmittels liegt beim Lebens­mittelunternehmer.

b)  Die Sicherheit der Lebensmittel muss auf allen Stufen der Lebensmittelkette einschließlich der Primärproduktion gewährleistet sein.

c)  Bei Lebensmitteln, die nicht ohne Bedenken bei Raumtemperatur gelagert werden können, insbesondere bei gefrorenen Lebensmitteln, darf die Kühlkette nicht unter­brochen werden.

d)  Die Verantwortlichkeit der Lebensmittelunternehmer sollte durch die allgemeine Anwendung von auf den HACCP-Grundsätzen beruhenden Verfahren in Verbin­dung mit einer guten Hygienepraxis gestärkt werden.

e)  Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis sind ein wertvolles Instrument, das Lebensmittelunternehmern auf allen Stufen der Lebensmittelkette hilft, die Vor­schriften der Lebensmittelhygiene einzuhalten und die HACCP-Grundsätze anzu­wenden.

f)   Auf der Grundlage wissenschaftlicher Risikobewertungen sind mikrobiologische Kriterien und Temperaturkontrollerfordernisse festzulegen.

g)  Es muss sichergestellt werden, dass eingeführte Lebensmittel mindestens densel­ben oder gleichwertigen Hygienenormen entsprechen wie in der Gemeinschaft hergestellte Lebensmittel.

 

Diese Verordnung gilt für alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln und für Ausfuhren sowie unbeschadet spezifischerer Vorschriften für die Hygiene für Lebensmitteln.

 

Nach Art. 4 Abs. 2 dieser Verordnung haben Lebensmittel­unter­nehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebens­mitteln tätig sind, die den Arbeitsgängen gemäß Absatz 1 nachgeordnet sind, die allgemei­nen Hygienevorschriften gemäß Anhang II sowie etwaige spezielle Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zu erfüllen.

 

Gemäß Anhang II Kapitel IX Z. 2 dieser Verordnung sind Rohstoffe und alle Zutaten, die in einem Lebensmittelunternehmen vorrätig gehalten werden, so zu lagern, dass ein gesundheitsgefährdender Verderb verhindert wird und Schutz vor Kontamination gewährleistet ist.

 

Nach Anhang II Kapitel IX Z. 3 dieser Verordnung sind Lebensmittel auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verkehr ungeeignet oder gesundheits­schädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre.

 

3.2. Im gegenständlichen Verfahren war zunächst strittig, ob dem Rechtsmittelwerber anlässlich der Probenziehung eine Gegenprobe ausgefolgt wurde oder nicht.

 

Diesbezüglich hat die zeugenschaftliche Einvernahme der beiden Lebens­mittelaufsichtsorgane in der öffentlichen Verhandlung ergeben, dass sich diese übereinstimmend noch daran erinnern konnten, dass dem Beschwerdeführer mit Sicherheit eine Gegenprobe ausgefolgt wurde. Dass der im Probenbegleitschreiben enthaltene gegenteilige Hinweis darauf beruht, dass hiefür ein vorgefertigtes EDV-Formular verwendet wurde, bei dem (nur) die Korrektur dieser Zeile unterblieben ist, ist ebenso nachvollziehbar wie der Umstand, dass dieser Fehler beiden Beamten im Zuge des (insgesamt hektisch verlaufenen) Kontrollvorganges nicht auffiel.

 

3.3. Problematisch erscheint jedoch der Umstand, dass die Probe – nach dem Untersuchungszeugnis der AGES vom 2. November 2006, Zl. 4353/2006, S. 1 – keinerlei Beschriftung aufwies. Außerdem war diese in einer "durchscheinenden Kunststoffdose mit durchscheinendem Kunststoffaufsteckdeckel" verpackt (vgl. ebd.), während sie nach dem Probenbegleitschreiben des Magistrates der Stadt Wels vom 5. September 2006, Zl. 4003BRUN0090/06, in einem "Kunststoffsack" verpackt gewesen sein soll.

 

In Verbindung damit, dass sich aus dem vorangeführten Untersuchungszeugnis nur entnehmen lässt, dass der "Beginn der Untersuchung" der Probe durch die AGES am 5. September 2006 erfolgte und das Zeugnis erst am 2. November 2006 ausgestellt wurde – sodass insoweit offen bleibt, wann die Untersuchung abgeschlossen und wie die Probe zwischenzeitlich gelagert wurde –, kann insgesamt weder mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass diese Probe nicht mit einer gleichartigen verwechselt wurde, noch, dass deren bakterielle Kontamination erst nach deren Entnahme aus dem Betrieb des Beschwerdeführers erfolgte.

 

Im Zweifel war daher gemäß Art. 6 Abs. 2 MRK zu Gunsten des Rechtsmittelwerbers anzunehmen, dass diesen an der ihm angelasteten Übertretung kein Verschulden trifft.

 

3.4. Der gegenständlichen Berufung war daher im Ergebnis gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Ver­wal­tungs­senat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

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