Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420526/11/Gf/Ga

Linz, 18.04.2008

Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Beschwerde des k Staatsange­hörigen B B, vertreten durch RA Dr. B W, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbe­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck beschlossen:

I.            Die Beschwerde wird mangels eines tauglichen Anfechtungs­gegenstandes als unzulässig zurückgewiesen.

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirks­haupt­mann von Vöcklabruck) Kosten in Höhe von 271,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG; § 79a AVG; § 1 UVS-AufwandsersatzVO.

Begründung:

1.1. In seinem mit Telefax vom 19. Oktober 2007 ho. eingebrachten Schriftsatz bringt der Beschwerdeführer vor, dass er – obwohl er schon seit 1998 in Österreich als Facharbeiter tätig gewesen sei – mit Bescheid der Sicherheits­direktion Oberösterreich vom 3. September 2007 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden sei. Darauf hin sei er am 17. Oktober 2007 völlig über­raschend der belangten Behörde vorgeführt worden, wobei er einen Asylantrag gestellt habe. Unmittelbar darauf sei er – ohne dass ihm zuvor noch die Gelegenheit gegeben worden wäre, seine blutdrucksenkenden Medikamente aus der Wohnung zu holen – zunächst ins PAZ Linz verbracht und anschließend vom Flughafen Wien-Schwechat aus gegen seinen Willen in seinen Heimatstaat K abgeschoben worden.

Da jedoch ein Fremder in Österreich zumindest solange einen Schutz vor seiner faktischen Abschiebung genieße, bis eine durchsetzbare Entscheidung über seinen Asylantrag vorliege, erweise sich somit die zwangsweise Verbringung in seinen Heimatstaat anstelle seiner bloßen Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig.

Deshalb wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung beantragt.

1.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wird.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich40-14522-1994; da sich bereits aus dem Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 1 und Abs. 2 Z. 3 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass der Rechtsmittel­werber – was auch von seinem Vertreter nicht in Abrede gestellt wird – einen allfälligen Asylantrag vor seiner Abschiebung jedenfalls nicht persönlich i.S.d. § 17 Abs. 2 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 (im Folgenden: AsylG), gestellt hat.

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbe­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

3.1.1. Ausgehend von der Überlegung, dass eine Abschiebung nach überein­stimmender Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts stets als eine derartige Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren ist, jedoch das Rechtsinstitut der Maßnahmenbeschwerde – weil dieser keine aufschiebende Wirkung zukommt – keinen wirksamen Rechtsbehelf i.S.d. Art. 13 EMRK darstellt, hat der Oö. Verwaltungssenat mit h. Schriftsatz vom 30. November 2007, Zlen. VwSen-420523/5/Gf/Mu/Ga u.a., einen Antrag auf Aufhebung des § 77 Abs. 5 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 (zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 4/2008, im Folgenden: FPG), gestellt.

3.1.2. Mit Beschluss vom 5. März 2008, G 267/07‑3, hat der Verfassungsge­richtshof diesen Antrag als unzulässig zurückgewiesen und dazu begründend ausgeführt, dass "soweit eine Abschiebung überhaupt als Akt unmittelbarer ver­waltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren ist (vgl. dazu VfSlg 13885/1994, 17639/2005), die Möglichkeit zur Erhebung einer Maß­nahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG verfassungsgesetzlich ver­ankert ist. Einfachgesetzliche Regelungen – wie etwa jene im Fremden­polizei­gesetz 2005 – haben sich stets an der Verfassungsrechtslage zu orientieren. Zudem vermag der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden UVS nicht zu teilen, wonach eine Abschiebung – im Falle der Aufhebung der bekämpften Vorschrift – als 'Anwendung unmittelbaren Zwanges' i.S.d. § 7 VVG zu qualifizieren wäre (s. zur insoweit vergleichbaren Vorgängerbestimmung auch VwGH 23.9.1994, 94/02/0139). Hinzu kommt noch, dass damit auch insofern keine Verbesserung des Rechtsschutzes verbunden wäre, als Berufungen gegen die Erlassung von Vollstreckungsverfügungen gemäß § 10 Abs. 3 VVG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Angesichts dessen würde durch die vom UVS begehrte Eliminierung des § 77 Abs. 5 FPG aus der Rechtsordnung nicht eine Rechtslage hergestellt, auf die die geltend gemachten Bedenken nicht mehr zuträfen. Das Ziel des Aufhebungsbegehrens wäre sohin durch Aufhebung des § 77 Abs. 5 FPG nicht erreicht." (vgl. S. 7 f dieses Beschlusses).

Daraus scheint hervorzugehen, dass der Verfassungsgerichtshof zum einen die Frage, ob der in Österreich gegen eine Abschiebung bestehende Rechtsschutz im Regelfall den Kriterien der Art. 13 EMRK entspricht, (noch) nicht endgültig beurteilt hat (bzw. aus prozessualen Gründen nicht abschließend beurteilen konnte) und zum anderen offenbar (weiterhin) davon ausgeht, dass eine Abschiebung aus systematisch-theoretischer Sicht grundsätzlich drei unter­schiedliche Gestalten von Rechtssatzformen annehmen kann, nämlich: Im Regelfall jene eines bloßen Vollzugsaktes (= behördliche Umsetzung eines in die subjektive Rechtssphäre des Fremden eingreifenden rechtskräftigen Bescheides), gegen den deshalb kein Rechtsmittel (mehr) besteht (zu bestehen braucht), (wenn und) weil es sich um die bloß ordnungsgemäße faktische Herstellung des Ergebnisses eines bereits abgeschlossenen Verfahrens handelt; ausnahmsweise aber auch jene einer verwaltungsbehördlichen Befehls- und/oder Zwangsgewalt dann, wenn eben derartige Elemente zum ansonsten ordnungsgemäßen Vollzug qualifizierend hinzutreten, sodass als Rechtsbehelf eine Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG zulässig ist (vgl. VfSlg 13885/1994; 17639/2005); und schließlich auch jene der Anwendung unmittelbaren Zwanges i.S.d. § 7 VVG, wenn zuvor ausnahms­weise eine förmliche Vollstreckungsverfügung erlassen – und damit gleichzeitig aber auch die Möglichkeit zur Berufung gegen diese nach § 10 VVG eröffnet – wurde (vgl. den entsprechenden Hinweis auf die VwGH-Judikatur im vorzitierten Beschluss vom 5. März 2008, G 267/07-3, S. 8). [Dem gegenüber scheint der Verwaltungsgerichtshof bislang weiterhin auf dem Standpunkt zu stehen, dass die Abschiebung im Regelfall eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbe­hörd­licher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, wenn und soweit nicht zuvor aus­nahms­weise eine förmliche Vollstreckungsverfügung erlassen wurde (vgl. VwGH v. 23. September 1994, Zl. 94/02/0139)]. Nochmals sei aber darauf hingewiesen, dass die Frage, ob damit jeweils dem Rechtsschutzbedürfnis des Art. 13 EMRK überhaupt Rechnung getragen ist – insbesondere in jenen Konstellationen, wo der Gesetzgeber gegen die Abschiebung einen gesonderten Rechtsbehelf, allerdings ohne aufschiebende Wirkung, vorgesehen hat – und Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG gegenüber dem einfachen Gesetzgeber tatsächlich eine stärkere Bindungswirkung entfaltet als Art. 13 EMRK, nach wie vor offen ist.

3.2. Im gegenständlichen Fall erfolgte die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat am 17. Oktober 2007 lediglich in Umsetzung des rechts­kräftigen Ausweisungsbescheides der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom 3. September 2007. Auch der Beschwerdeführer selbst hat gar nicht behauptet, dass im Zuge der Abschiebung physischer Zwang ausgeübt worden wäre, ein Fall des refoulment-Verbots vorläge, o.ä. (oder dass die belangte Behörde zuvor eine Vollstreckungsverfügung erlassen hätte).

Weil aber auch ein ordnungsgemäßer Asylantrag gemäß § 17 ASylG nicht vorlag, stellt sich die Abschiebung im gegenständlichen Fall sohin als ein bloßer Vollzugsakt dar, gegen den von Gesetzes wegen ein eigenständiger Rechtsbehelf nicht (mehr) vorgesehen ist.

3.3. Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 67c Abs. 3 AVG mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren der belangten Behörde nach § 79a Abs. 1 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der Aufwandsersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. II 334/2003, Kosten in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageauf­wand: 51,50 Euro; Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.


 

Hinweise:

1.             Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.             Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 34,80 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr. Grof

 

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