Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400985/7/Fi/FS

Linz, 06.04.2009

 

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Vizepräsident Mag. Dr. Johannes Fischer über die Be­schwerde des J (alias E) J (alias O), betreffend die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 20. November 2008, der Rechtswidrigkeit der Festnahme am 20. November 2008 und der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft vom 20. November 2008 bis zum 23. Jänner 2009 jeweils durch den Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion Wels, zu Recht erkannt:

I.                  Die Beschwerde wird, soweit sie die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 20. November 2008, die Rechtswidrigkeit der Festnahme am 20. November 2008 und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 20. November 2008 bis 15. Dezember 2008 betrifft, als verspätet zurückgewiesen.

 

II.              Der Beschwerde wird, soweit sie die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 16. Dezember 2008 bis 23. Jänner 2009 betrifft, stattgegeben und die Anhaltung in diesem Umfang für rechtswidrig erklärt.

III.          Das Kostenbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§ 82 Abs. 1 und § 83 Abs. 1, 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2009) iVm den §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Mandatsbescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Wels vom 20. November 2008, 1-1025927/FP/08, wurde die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) mit Beendigung seiner gerichtlichen Anhaltung verhängt und auch vollzogen.

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen im Wesentlichen aus:

Der Bf sei Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG, da er die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitze. Gegen den Bf sei am 12. Februar 2002 von der Bundespolizeidirektion Wien ein Aufenthaltsverbot – rechtskräftig seit 3. Mai 2002, durchsetzbar seit 22. Februar 2002 – erlassen worden, das am 8. November 2013 außer Kraft treten werde. Außerdem sei der Bf wegen strafbarer Handlungen vom Landesgericht für Strafsachen Wien "unter GZ: 041 Hv 29/06t, rechtskräftig am 09.10.2006 nach dem österreichischen Strafgesetzbuch §§ 28 Abs. 2 4. Fall und 28 Abs. 3 1. Fall zu 42 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt" worden. Nach der Entlassung des Bf aus der Strafhaft in der Justizanstalt Wels am 20. November 2008 um 08.30 Uhr werde er nach den Bestimmungen des FPG festgenommen, der Fremdenpolizeibehörde bei der Bundespolizeidirektion Wels vorgeführt und in Schubhaft genommen. Der Bf halte sich jedenfalls seit 3. Mai 2002 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, weil er das Bundesgebiet trotz bestehendem Aufenthaltsverbot nicht verlassen habe bzw. ohne Bewilligung wieder eingereist sei. Überdies verfüge er  über keine Aufenthaltsberechtigung, keine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt, keinen Aufenthaltstitel eines Vertragsstaates, keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung iSd § 31 Z 6 FPG; zudem komme ihm kein Aufenthaltsrecht aufgrund einer Verordnung für Vertriebene oder nach asylrechtlichen Bestimmungen zu und auch aufgrund anderer bundesgesetzlicher Vorschriften ergebe sich kein Aufenthaltsrecht. Die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahren sei notwendig, da zu befürchten sei, dass sich der Bf dem weiteren Verfahren bzw. den (zu treffenden) Maßnahmen entziehen werde, zumal er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und er zudem in Österreich strafbare Handlungen nach dem StGB begangen habe. Die Verhängung der Schubhaft sei im Hinblick auf das zu erreichende Ziel angemessen und verhältnismäßig.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG komme nicht in Betracht, da die Behörde keinen Grund zur Annahme habe, dass der Zweck der Schubhaft auch durch dessen Anwendung erreicht werden könne, da er einerseits das gegen ihn bestehende Aufenthaltsverbot nicht beachtet und andererseits im Bundesgebiet strafbare Handlungen nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und § 228 Abs. 3 erster Fall SMG begangen habe. Eine Verbundenheit zur österreichischen Rechtsordnung sei folglich beim Bf nicht zu erkennen, weshalb auch nicht davon ausgegangen werden könne, dass er sich an einem Ort aufhalten werde, wo die Bundespolizeidirektion Wels fremdenpolizeiliche Maßnahmen setzen könne.

2.1. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom 27. Jänner 2009, eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat am 29. Jänner 2009, stellt der Bf die Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, seiner Festnahme sowie seiner Anhaltung in Schubhaft. Zugleich beantragt er die Erstattung der Verfahrenskosten.

Als Beschwerdegründe führt der Bf nach seiner Darstellung des Sachverhaltes an, dass sowohl die Schubhaftverhängung als auch seine Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig seien. Art. 1 Abs. 3 des BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit statuiere, dass jede Haftverlängerung unter der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen sei. Im konkreten Fall stütze sich die Schubhaft auf § 76 Abs. 1, 2 und 3 FPG. § 76 Abs. 2 FPG spreche von „kann“, dies bedeute, dass nicht automatisch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 FPG Schubhaft zu verhängen sei, sondern eine individuelle Prüfung stattzufinden habe. Dies sei im Falle des Bf unterlassen worden. Die Verhängung der Schubhaft sei unzulässig, weil keine Gründe vorlägen, die die Annahme rechtfertigten, er würde sich dem Verfahren entziehen. Etwaige Gründe, weshalb sich der Bf dem Verfahren entziehen werde, habe die belangte Behörde in ihrem Bescheid nicht angeführt. Der Bf sei ohne jede weitere Begründung in Schubhaft genommen worden. Die Verhängung der Schubhaft erweise sich insbesondere dann als rechtswidrig, wenn an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel iSd § 77 FPG hätten angewendet werden können. Wie auch der Verwaltungsgerichtshof (Hinweis VwGH 18.05.2001, 2001/02/0048) ausgesprochen habe, habe die schubhaftverhängende Behörde die Anwendung eines gelinderen Mittels zu prüfen. Der Zweck der Schubhaft könne in Falle des Bf auch durch die Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden. In diesem Zusammenhang habe der Verwaltungsgerichtshof jüngst ausgeführt, dass allein der Umstand eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes oder eine Ausweisung die Behörde noch nicht zur Schubhaftverhängung berechtige; vielmehr sei stets materiell zu prüfen, ob – zB wegen mangelnder beruflicher oder sozialer Verankerung des Fremden im Inland – ein konkreter Sicherungsbedarf bestehe (Hinweis VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301). Dies habe die belangte Behörde unterlassen und zwar mit dem Pauschalverweis, dass aufgrund des geschilderten Sachverhaltes die Behörde davon ausgehen müsse, dass der Zweck der Schubhaft nicht durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könne. Der Bf habe sich keine Handlungen zu Schulden kommen lassen, die die Annahme rechtfertigten, er würde sich dem Verfahren entziehen. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes genügten bloß allgemeine Annahmen oder „Erfahrungswerte“ jedoch nicht, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen (Hinweis VfGH 28.09.2004, B 292/04). Die Schubhaftverhängung und die Anhaltung in Schubhaft seien daher rechtswidrig gewesen.

2.2. Mit Schriftsatz vom 28. Jänner 2009 übermittelte die belangte Behörde dem Oö. Verwaltungssenat den dort geführten Verwaltungsakt.

 

In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

1. Rechtslage:

 

Die hier maßgebenden Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG in der Stammfassung BGBl. I Nr. 100/2005 (§ 80 Abs. 5 idF BGBl. I Nr. 4/2008) lauten wie folgt:

"Anwendungsbereich

 

         § 1. (1) ...

         (2) Auf Asylwerber (§ 2 Z 14 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100) sind die §§ 41 bis 43, 53, 58, 68, 69, 72 und 76 Abs. 1 nicht anzuwenden. Ein vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren ist nach Stellung eines solchen Antrages als Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen. Es ist nur über das Rückkehrverbot abzusprechen. Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, sind darüber hinaus die §§ 39, 60 und 76 nicht anzuwenden. Die Durchsetzung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Asylwerber ist erst zulässig, wenn die Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 durchgesetzt werden kann. Ein Rückkehrverbot kann gegen einen Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, erlassen werden.

        

 

Schubhaft

 

         § 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

         ...

         (3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

         ...

         (5) Wird ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

         ...

         (7) Die Anordnung der Schubhaft kann mit Beschwerde gemäß § 82 angefochten werden.

                  

Dauer der Schubhaft

 

         § 80. (1) Die Behörde ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

         (2) Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs. 3 und 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

         ...

         (4) Kann oder darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden,

         1. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht mög-   

             lich ist oder

         2. weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines ande-

             ren Staates nicht vorliegt oder

         3. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt

             (§ 13) widersetzt,

         kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren nicht länger als zehn Monate in Schubhaft angehalten werden. Ebenso kann die Schubhaft, die gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, länger als sechs Monate in zwei Jahren, aber nicht länger als zehn Monate in zwei Jahren aufrechterhalten werden.

         ...

         (6) Soll der Fremde länger als sechs Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das sechste Monat überschritten wurde, und danach alle acht Wochen vom örtlich zuständigen unabhängigen Verwaltungssenat von Amts wegen zu überprüfen. Die Behörde hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass den unabhängigen Verwaltungssenaten eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Der unabhängige Verwaltungssenat hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

         (7) Die Behörde hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

 

Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat

 

§ 82. (1) Der Fremde hat das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

         1. wenn er  nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

         2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz

             2005 angehalten wird oder wurde oder

         3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

         ...

Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat

 

         § 83. (1) Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde.

         (2) Über die Beschwerde entscheidet der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder. Im übrigen gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

         1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus

             der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und

         2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortset-

             zung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die   

             Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet.

         ...

         (4) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

2. Zuständigkeit 

Der Bf ist Fremder iSd FPG, wurde in Oberösterreich – im Anschluss an die gerichtliche Strafhaft – festgenommen und hier vom 20. November 2008 bis zum 23. Jänner 2009 in Schubhaft angehalten.

Daher ist die örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates nach § 83 Abs. 1 FPG gegeben. Der Oö. Verwaltungssenat ist darüber hinaus gemäß § 83 Abs. 2 erster Satz FPG zur Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde durch eines seiner Mitglieder berufen. Da die Anhaltung des Bf nicht mehr andauert, ist im Rahmen der von ihm geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 83 Abs. 4 FPG); darüber hinaus gehende Fragen sind daher nicht zu prüfen.

 

3. Teilweise Zurückweisung der Beschwerde (Spruchpunkt I)

 

Nach § 83 Abs. 2 FPG gelten grundsätzlich die für Maßnahmenbeschwerden iSd § 67a Abs. 1 Z 2 AVG vorgesehenen Verfahrensbestimmungen der §§ 67c bis 67g sowie des § 79 AVG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren.

 

Gemäß dem § 67c Abs. 1 AVG sind Beschwerden innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung, bei dem Unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.

 

Durch die bloße Anhaltung in Schubhaft war der Bf – ohne das Hinzutreten weiterer, besonderer Umstände – grundsätzlich nicht gehindert, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen. Daher begann die sechswöchige Beschwerdefrist ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Bf von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangte. Nach Ausweis des Verwaltungsaktes wurde dem Bf der Bescheid am 20. November 2008 übergeben und damit rechtswirksam zugestellt (auch wenn der Bf die Unterschrift unter die "Zustellbestätigung" verweigerte); zugleich wurde der Bf in Schubhaft genommen. Damit steht fest, dass die sechswöchige Beschwerdefrist nach Maßgabe des § 67c Abs. 1 AVG am 20. November 2008 zu laufen begann.

 

Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates ist eine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft grundsätzlich nur für einen zurückliegenden Zeitraum von sechs Wochen ab Einbringung der Beschwerde zulässig (vgl. Oö. Verwaltungssenat 14. November 2007, VwSen-400915/5/Wei/Ps, und Oö. Verwaltungssenat 15. Mai 2008, VwSen-400939/5/SR/Sta, sowie VwGH 3. Mai 1993, 93/18/0018, und VwGH 28. April 1995, 93/18/0453). Eine "Behinderung" des Bf iSd § 67c Abs. 1 AVG ist weder hervorgekommen, noch wurde eine solche vom Bw behauptet. Die am 27. Jänner zur Post gegebene Beschwerde war daher, soweit sie die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 20. November 2008, die Rechtswidrigkeit der Festnahme am 20. November 2008 und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 20. November 2008 bis 14. Dezember 2009 betrifft, als verspätet zurückzuweisen. 

 

 

4. Teilweise Stattgabe der Beschwerde (Spruchpunkt II)

 

4.1. Aus den oben unter Punkt 3. genannten Gründen ist ausschließlich die mögliche Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Bf in Schubhaft von 15. Dezember 2008 bis 23. Jänner 2009 zu prüfen.

 

4.2. Bei der Verhängung der Schubhaft zog die belangte Behörde die Gesetzesbestimmung des § 76 Abs. 1 FPG heran, die voraussetzt, dass Fremde festgenommen und angehalten werden können (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Zur Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid lediglich ins Treffen, dass der Bf seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und dass er zudem in Österreich strafbare Handlungen nach dem StGB begangen habe.

 

Wenn sich die belangte Behörde daher in diesem Zusammenhang auf die mangelnde Ausreisewilligkeit und das kriminelle Vorleben des Bf stützt, ist sie zunächst allgemein auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen:

So führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, 2006/21/0239, aus, dass sämtliche Schubhafttatbestände final determiniert sind und diese nur aus den in § 76 Abs. 1 und 2 FPG genannten Gründen verhängt werden darf (vgl. auch VwGH 20. Dezember 2007, 2006/21/0359, und VwGH 24. Oktober 2007, 2006/21/0067).

 

Zur fehlenden Ausreisewilligkeit eines Fremden vertritt der Verwaltungsgerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass diese für sich allein nicht die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung rechtfertigt. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen (vgl. ua. VwGH 8. September 2005, 2005/21/0301; VwGH 22. Juni 2006,  2006/21/0081; VwGH 27. März 2007, 2005/21/0381; VwGH 28. Juni 2007,  2005/21/0288; VwGH 30. August 2007, 2006/21/0107). Ebenso darf die Schubhaft nicht als eine präventive Vorbereitungshandlung zu einer erfolgreichen Durchführung der Abschiebung (siehe VwGH 26. September 2007, 2004/21/0150) zum Einsatz gebracht werden. Darüber hinaus ist eine generalisierende Betrachtungsweise von vornherein unzulässig. Beispielsweise darf aus dem Nichtvorhandensein von Bargeld nicht schon "unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze" (siehe VwGH 24. Oktober 2007, 2006/21/0067) a priori darauf geschlossen werden, dass sich der Fremde, würde er in Freiheit belassen, die erforderlichen Mittel durch illegale Arbeit beschaffen wird. Auch dient die Verhängung von Schubhaft weder der Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten noch ihrer Sanktionierung, sondern lediglich der Erfüllung eines administrativen Sicherungszweckes (VwGH 22.11.2007, 2006/21/0189).

 

4.3. Der Bf behauptet weder Asylwerber gemäß § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 zu sein, noch bringt er vor, aufgrund eines anderen Rechtsgrundes zum Aufenthalt in Österreich berechtigt zu sein. Auch wendet er sich nicht gegen die Annahme der belangten Behörde, dass gegen den Bf ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot besteht. Es ist daher vorliegend davon auszugehen, dass sich der Bf unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (vgl. § 76 Abs. 1 zweiter Satz FPG).

 

Sachverhaltsbezogen liegen auch die Voraussetzungen des § 65 Abs. 3 und des § 125 Abs. 3 FPG nicht vor, zumal mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. März 2005 die Berufung des Bf gegen die Zurückweisung eines Folgeantrages wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden war. 

 

Vor diesem Hintergrund ist ausschließlich zu prüfen, ob der Bf zu Recht in Schubhaft angehalten wurde, um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung iSd § 76 Abs. 1 erster Satz dritter Fall FPG zu sichern:

 

4.4.1. Die Aktenlage stellt sich – soweit sie für die Beurteilung der Rechtsfrage nach dem Bestehen eines Sicherungsbedarfes iSd § 76 Abs. 1 FPG von Bedeutung ist – wie folgt dar:

 

Bereits mit Schreiben vom 11. Juli 2000 teilte das Generalkonsulat der Republik Sierra Leone mit, dass dem Ersuchen auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für "den angeblichen Herrn J J nicht nachgekommen werden kann".

 

Laut der Niederschrift über die Einvernahme des Bf am 11. Juli 2000 habe der namentlich genannte Honorarkonsul der Republik Sierra Leone erklärt, dass es sich beim Bf sicherlich nicht um einen Staatsbürger des von ihm vertretenen Landes handle und dass er – entgegen seinen Angaben – der Stammessprache "Krio" nicht mächtig sei. Überdies verfüge der Bf über keine Orts- bzw. Landeskenntnis. Zudem habe die Lebensgefährtin des Bf angegeben, er habe ihr bei einem Treffen auf der Donauinsel erzählt, dass er nigerianischer Staatsangehöriger sei.

 

Laut dem Schreiben des Bundesministeriums für Inneres, Fachbereich Dokumentenprüfung, vom 31. Juli 2000 sei die vom Bf im Asylverfahren vorgelegte, angeblich vom Standesamt in Freetown, Sierra Leone, ausgestellte Identitätskarte sowie seine Geburtsurkunde als "Totalfälschung" qualifiziert worden.

 

Nach einem Bericht der Bundespolizeidirektion Wien, Sicherheitsbüro, an das Fremdenpolizeiliche Büro vom 28. Jänner 2002 sei der Bf wegen Übertretung nach dem SMG festgenommen worden. Aus der Telefonüberwachung gingen eindeutige Gespräche hervor, die der Bf mit einem anderen, namentlich genannten Verdächtigen in der Landessprache "Igbo" geführt habe. Dabei handle es sich um eine Sprache, die nur in Nigeria gesprochen werde. Seine "Freundin" habe bei ihrer Einvernahme angegeben, der Bf habe ihr gegenüber erwähnt, dass der namentlich genannte Verdächtige, ein nigerianischer Staatsangehöriger, sein Bruder sei; ihre gemeinsame Mutter befinde sich in Nigeria. Auch sei aus der Telefonüberwachung bekannt, dass der Bf mehrmals nach Nigeria telefoniert habe, da er zusammen mit seinem Bruder Autos nach Port Harcourt in Nigeria verschiffe. Der Bf habe angegeben, dass er "Daddy" in Nigeria anrufen werde, damit sich dieser um die Papiere für die Abholung des Fahrzeuges kümmere. Daher bestehe der dringende Verdacht, dass es sich beim Bf um einen nigerianischen Staatsangehörigen handle. 

 

Laut Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft des Bezirkes Ried im Innkreis vom 12. Juli 2005 teilte ein namentlich genannter Mitarbeiter der nigerianischen Botschaft in Wien mit, dass vorerst kein Heimreisezertifikat übermittelt werden könne, weil die Identität des Bf nicht feststehe. Der Bf sei zweimal der Botschaft vorgeführt worden und habe wiederholt vorgebracht, aus Sierra Leone zu stammen.     Überprüfungen in Nigeria seien negativ verlaufen. Für die Weiterbearbeitung des Falles müssten die österreichischen Behörden weitere Beweismittel vorlegen, die auf die nigerianische Staatsangehörigkeit hindeuteten (zB Urkunden, Asylkarte, Meldezettel etc.).

 

Mit Schreiben vom 14. Juli 2005 teilte die Bezirkshauptmannschaft des Bezirkes Ried im Innkreis der Bundespolizeidirektion Linz, Fremdenpolizeiliches Referat, mit, dass das Generalkonsulat der Republik Sierra Leone bereits im Juli 2000 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf abgelehnt habe. Aufgrund der im Akt befindlichen Indizien, die auf eine Herkunft aus Nigeria schließen ließen, sei man bestrebt gewesen, ein nigerianisches Heimreisezertifikat zu erlangen. Da dieses nach fünf Monaten Schubhaft immer noch nicht vorgelegen sei, sei der Bf am 6. Juli 2005 aus der Schubhaft entlassen worden. 

 

Nach dem (ersten) Sprachanalysegutachten des Institutes "Skandinavisk Sprakanalys AB" vom 21. Oktober 2005 spreche der Bf eine Variante des Englischen, die offensichtlich nicht Sierra Leone, sondern sehr wahrscheinlich Nigeria zuzuordnen sei. Jemand mit sprachlichem Hintergrund in Sierra Leone müsste die lingua franca des Landes "Krio" beherrschen oder eine der anderen im Land verbreiteten Sprachen. Dies sei jedoch beim Bf nicht der Fall. Der Bf sei seinen eigenen Angaben nach in Freetown geboren und aufgewachsen, wo "Krio" die vorherrschende Sprache sei. In dem vom Bf gesprochenen Englisch fänden sich keine Merkmale, die sich Sierra Leone zuordnen ließen. Der Bf spreche geografische Bezeichnungen auf eine für Sierra Leone untypische Art und Weise aus. Im Englischen des Bf fänden sich Aussprachemerkmale, die sich Nigeria oder eventuell auch Ghana zuordnen ließen. Der Bf bilde seine Sätze auf eine Art und Weise, die nicht für Sierra Leone typisch sei, und er verwende Wörter und Ausdrucksweisen, die in Sierra Leone nicht gebräuchlich seien, jedoch in Nigeria und Ghana verwendet würden. Der Bf habe keine Kenntnisse zum Land und zu der Stadt, aus der er laut eigenen Angaben komme. Nach Speisen in Sierra Leone befragt habe er lediglich "cassava" genannt, obwohl es darüber hinaus eine Vielzahl anderer gebe. Hinsichtlich der von ihm angegebenen Heimatstadt Freetown spreche der Bf nur über die "Kissy Street", als ob dies die einzige Straße in Freetown sei. Die meisten Angaben des Bf zu dieser Straße seien jedoch fehlerhaft bzw. wirkten auswendig gelernt. Die Sprache des Bf lasse sich offensichtlich nicht Sierra Leone, sondern sehr wahrscheinlich Nigeria zuordnen.     

 

Nach dem (zweiten) Sprachanalysegutachten des Institutes "Skandinavisk Sprakanalys AB" vom 31. Oktober 2005 habe der Bf im Englischen eine für Nigeria typische Aussprache sowie Intonation und verwende für Nigeria typische Wörter bzw. Bezeichnungen. Der Bf habe keine Kenntnisse zu dem von ihm angegebenen Heimatland Sierra Leone, zumal er keine Angaben zu geografischen oder kulturspezifischen Gegebenheiten, wie zB zu Feiertagen, machen könne. Zusammenfassend lasse sich sagen, dass der Bf eine Variante des Englischen spreche, die Nigeria zugeordnet werden könne.  

 

Mit Schreiben vom 22. Februar 2006 teilte das Landespolizeikommando, Landeskriminalamt, der Fremdenpolizei Linz Folgendes mit:

"Aufgrund von geführten Ermittlungen im Rahmen einer vom LG Linz angeordneten Telefonüberwachung konnte ermittelt werden, dass es sich bei dem unter dem Namen J J am     in Freetown/Sierra Leone geb., auftretenden Asylwerber um O E, am     in Amiri Nigeria geb., handelt. Er befindet sich zur Zeit in Untersuchungshaft bei der JA Wien. Weiters handle es sich bei den in der JA Graz Karlau unter dem Namen P A, am     in Nigeria geb., um den Bruder des OJINKEYA. Die Brüder stammen aus der Familie O aus AMIRI in Nigeria und haben einen weiteren Bruder mit Vornamen C sowie eine Schwester mit Vornamen C." 

 

Mit Schreiben vom 21. Jänner 2009 teilte das Generalkonsulat der Republik Sierra Leone erneut mit, dass dem Ersuchen auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für "den angeblichen Herrn J J nicht nachgekommen werden kann".

Letztlich wurde der Bf – in Anbetracht des Schreibens des Generalkonsulats der Republik Sierra Leone vom 21. Jänner 2009 – am 23. Jänner 2009 aus der Schubhaft entlassen.

4.4.2. Nach Ausweis des vorgelegten Verwaltungsaktes ist bleibt offen, warum die belangte Behörde während der Dauer der Anhaltung des Bf in Schubhaft versuchte, ein Heimreisezertifikat für die Republik Sierra Leone zu erlangen. Schließlich bestehen angesichts der unter 4.4.1. dargestellten Aktenlage berechtigte Zweifel, dass der Bf – wie von ihm seit seiner Einreise in das Bundesgebiet im Jahre 1999 durchgängig behauptet – tatsächlich sierra-leonischer Staatsangehöriger ist.

Vielmehr liegt es nahe, dass es sich beim Bf um einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Nigeria handelt. Es wäre daher angezeigt gewesen, einen neuerlichen Versuch zu unternehmen, ein nigerianisches Heimreisezertifikat für den Bf zu erhalten. Zu diesem Zweck wäre es geboten gewesen, weitere Ermittlungen zur Feststellung der wahren Identität des Bf zu unternehmen. Ein Ansatzpunkt könnten etwa die Ergebnisse der Telefonüberwachung sein (vgl. den Bericht der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. Jänner 2002); daraus ließen sich in der Folge womöglich weitere Informationen zu den Familienverhältnissen des Bf (etwa die Telefonanschlüsse sowie die Namen von weiteren Verwandten) und zu seinen Geschäftsbeziehungen mit Nigeria (etwa der Name des Vaters durch Beischaffung der Zollpapiere) gewinnen. Soweit ersichtlich wurde auch der Hinweis des Landespolizeikommandos (vgl. das Schreiben vom 22. Februar 2006 an die Fremdenpolizei Linz), wonach es sich beim Bf um E O, geboren am     in Amiri/Nigeria, handle, noch nicht verwertet. Überdies wurden die beiden, im Akt befindlichen Sprachanalysegutachten samt Tonbandaufnahmen bislang der nigerianischen Botschaft nicht zur Kenntnis gebracht; darüber hinaus könnte sich die Beischaffung der Verwaltungsakten der Asylbehörden als zweckmäßig erweisen.    

Auch wenn das bisherige Verhalten des Bf (mangelnde soziale Integration, rascher krimineller Rückfall, Neigung sich seiner Festnahme durch Sicherheitskräfte durch Flucht zu entziehen etc.) zwar einen erhöhten Sicherungsbedarf iSd § 76 Abs. 1 FPG nahelegt, ist dieser dennoch – zumindest für die Zeit der Anhaltung des Bf in Schubhaft von 15. Dezember 2008 bis 23. Jänner 2009 – zu verneinen. Schließlich wäre es für die belangte Behörde aufgrund der Aktenlage absehbar gewesen, dass ein Heimreisezertifikat für die Republik Sierra Leone nicht erlangt werden kann (vgl. zu dieser Problematik insbesondere VwGH 17.11.2005, 2005/21/0019, und VwGH 26.09.2007, 2007/21/0253).  

Daraus folgt, dass alleine aufgrund der Aktenlage das Bestehen eines Sicherungsbedarfes iSd § 76 Abs. 1 FPG zu verneinen und die Anhaltung des Bf – wegen fehlender Aussicht auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für die Republik Sierra Leone – als rechtswidrig zu erklären war.

Aus dem Gesagten erweist sich die vorliegende Beschwerde – in dem in Spruchpunkt II genannten Umfang – als berechtigt, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Abschließend ist zu bemerken, dass sich – auch wenn über die Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Schubhaftbescheides im vorliegenden Fall nicht abzusprechen war (vgl. Spruchpunkt I) – bei der Inschubhaftnahme eines in gerichtlicher Strafhaft befindlichen Fremden, die Frage stellt, ob es sich dabei wirklich um eine "unaufschiebbare Maßnahme" iSd § 57 AVG handelt und ob die Tatbestandsvoraussetzung des § 57 Abs. 1 zweiter Fall leg. cit. tatsächlich erfüllt ist (arg: "bei Gefahr im Verzug").  

5. Letztlich konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 67d Abs. 2 Z 3 AVG entfallen, weil die Beschwerde zum einen Teil zurückzuweisen war und bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Verwaltungsakt zum anderen Teil für rechtswidrig zu erklären ist.    

 

6. Im gegenständlichen Fall beantragte lediglich der Bf die Erstattung der "Verfahrenskosten".

Gemäß § 79a Abs. 1, 2 und 7 AVG hat die im Verfahren nach § 67c leg.cit. obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Der Beschwerdeführer ist dann die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei, wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird. Die §§ 52 bis 54 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 gelten auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1.

Die analoge Anwendung des § 50 VwGG – der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren festlegt, dass in Fällen, in denen ein Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof teilweise aufgehoben wurde, die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz (§ 47) so zu beurteilen ist, wie wenn der Bescheid zur Gänze aufgehoben worden wäre – wird von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Verfahren wegen Schubhaftbeschwerden jedoch abgelehnt. In diesem Sinne führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5. September 2002, 2001/02/0209, aus, dass kein Kostenersatz stattfinde, weil die Beschwerde nur zum Teil zum Erfolg gelangt sei; eine analoge Anwendung des § 50 VwGG komme nicht in Betracht und   § 79a Abs. 2 und 3 AVG sei nur bei gänzlichem Obsiegen anzuwenden.

Aus diesen Gründen war das Kostenbegehren des Bf abzuweisen.

7. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

VwSen-400985/7/Fi/FS vom 6. April 2009

Schubhaft

FPG § 76 Abs. 1

Auch wenn das bisherige Verhalten des Bf (mangelnde soziale Integration, rascher krimineller Rückfall, Neigung sich seiner Festnahme durch Sicherheitskräfte durch Flucht zu entziehen etc.) zwar einen erhöhten Sicherungsbedarf iSd § 76 Abs. 1 FPG nahelegt, ist dieser dennoch zu verneinen. Schließlich wäre es für die belangte Behörde aufgrund der Aktenlage absehbar gewesen, dass ein Heimreisezertifikat für die Republik Sierra Leone nicht erlangt werden kann (Hinweis VwGH 17.11.2005, 2005/21/0019, und VwGH 26.09.2007, 2007/21/0253), sodass die Anhaltung des Bf – wegen fehlender Aussicht auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für die Republik Sierra Leone – als rechtswidrig zu erklären war.

Beschlagwortung:

siehe Rechtssatz

 

 

 

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