Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252098/20/Py/Sta

Linz, 14.07.2009

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5.  Kammer (Vorsitzende: Mag. Michaela Bismaier, Berichterin: Dr. Andrea Panny, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über die Berufung der Frau S F,  vertreten durch Rechtsanwälte H, S, M + S, W, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26. Februar 2009, GZ: SV96-111-2006, wegen Übertretungen nach dem Ausländerbeschäftigungs­gesetz (AuslBG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 26. Juni 2009, zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§  24, 27 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26. Februar 2009, GZ SV96-111-2006, wurden über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw)  wegen Verwaltungsübertretungen nach § 9 VStG iVm § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z 1 lit.a Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 (AuslBG) in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, 68 Geldstrafen in Höhe von je 4.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 72 Stunden, verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 27.200 Euro vorgeschrieben.

 

Im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses wird der Bw vorgeworfen, dass sie es als zum Tatzeitpunkt handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit Außenvertretungsbefugte der Firma A HGmbH mit Sitz in P, K, gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten habe, dass diese Firma als Arbeitgeber 68 namentlich angeführte ausländische (polnische und tschechische) Staatsangehörige zu den jeweils angeführten Zeiten als Hilfsarbeiter auf diversen Baustellen jedenfalls im Sinne des § 1152 ABGB entgeltlich beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, noch diese Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt" oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" oder einen Niederlassungsnachweis besaßen.

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtslage aus, dass ungeachtet der präjudiziellen Wirkung des Urteils des LG S zu beurteilen war, ob die ausländischen Staatsangehörigen tatsächlich als selbstständige Werkunternehmer tätig waren oder sie - zumindest in der Variante des arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses – tätig wurden. Unter ausführlicher Darlegung der rechtlichen Beurteilung führt die belangte Behörde im Ergebnis aus, dass kein Zweifel daran bestehe, dass die im Spruch angeführten Staatsangehörigen in den jeweils angegebenen Zeiträumen von der Bw in einem arbeiternehmerähnlichen Verhältnis beschäftigt wurden, obwohl sie nicht im Besitz der dafür erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere waren. Aus dem vorliegenden Sachverhalt und insbesondere den Ausführungen der Bw vor Gericht würden sich keine Anhaltspunkte ergeben, die zur Glaubhaftmachung ausreichen, dass diese an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Auch liege ein materiell anderes Schutzinteresse vor als jenes, das bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit nach § 153e StGB zu beurteilen sei, weshalb auch keine Doppelbestrafung vorliege.

 

Zur Strafbemessung wird angeführt, dass als Milderungsgrund die lange Verfahrensdauer gewertet werde, erschwerend hingegen die Vielzahl der Beschäftigungsverhältnisse und die jeweilige Beschäftigungsdauer, weshalb die verhängte Strafhöhe unter Berücksichtigung der von der Bw am 11.6.2007 angegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse als tat- und schuldangemessen anzusehen sei.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom der Bw im Wege ihrer Rechtvertretung eingebrachte Berufung, in der diese Strafbarkeitsverjährung sowie Rechtsirrtum und Doppelbestrafung einwendet. Das strafbare Verhalten der Beschuldigten habe spätestens Ende November 2006 geendet, bei der Mehrzahl der Beschäftigten jedoch bereits früher aufgehört. Aus diesem Grund sei bereits ohne Zweifel Strafbarkeitsverjährung eingetreten. Weiters wird ausgeführt, dass die Bw am 30. Mai 2007 vom Landesgericht S zu    wegen dem Vergehen der organisierten Schwarzarbeit gemäß § 153e Abs.1 Z2 und Abs.2 nach § 143e Abs.1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs.1 StGB auf 3 Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 8 Monaten rechtskräftig verurteilt wurde. Die Bw erachte sich daher durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, ohne Vorliegen eines entsprechenden und gesetzlich normierten Tatbildes nicht doppelt bestraft zu werden, als verletzt. Zudem werde das Vorliegen eines Rechtsirrtums geltend gemacht, da die Bw im gegenständlichen Fall versucht habe, die Bestimmungen des AuslBG auf legalem Weg zu umgehen. Sie irrte darüber, dass die Beauftragung von polnischen Staatsangehörigen mit deutschen Gewerbeschein als unselbstständige Erwerbstätigkeit dieser Personen im Sinne des § 1152 ABGB qualifiziert werden würde und dieser Irrtum sei der Bw nicht vorwerfbar. Die konkurrierenden Straftatbestände des AuslBG sowie der organisierten Schwarzarbeit würden sich in ihren wesentlichen Tatbestandsmerkmalen nicht grundlegend unterscheiden. Im gegenständlichen Fall liege "dieselbe strafbare Handlung" vor und sei zudem festzuhalten, dass dann, wenn Verwaltungsstraftatbestände, wie § 28 Abs.1 Z1 lit.a AuslBG eine Subsidiaritätsklausel zu Gunsten des gerichtlichen Strafrechtes enthalten, der Sachverhalt bei Gesetzeskonkurrenz der sachlichen Rechtsprechungskompetenz der Verwaltungsbehörden entzogen ist, und zwar unabhängig davon, ob das Gericht bereits entschieden hat oder nicht. Ein dennoch ergangenes verwaltungsrechtliches Straferkenntnis sei daher jedenfalls gesetzwidrig und nach § 52a VStG aufzuheben.

 

3. Mit Schreiben vom 7. April 2009 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vor. Da  2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständiges Kammer berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht, Einsicht in den Strafakt des Landesgerichtes S zu  mit den darin einliegenden Urkunden sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 26. Juni 2009. An dieser haben die Bw mit ihrem Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der Abgabenbehörde als Parteien teilgenommen.

 

Danach steht fest, dass die Bw zu den im Straferkenntnis angeführten Tatzeiträumen persönlich haftende Gesellschafterin der Firma A HGmbH war. Laut Firmenbuch hatte die Firma A HGmbH ihren Sitz in der K, P. An diesem Standort wurde jedoch nie eine unternehmerische Tätigkeit entwickelt, sondern lediglich kurzzeitig ein Büroraum vorgehalten. Die faktische Geschäftsführung und tatsächliche Leitung des Unternehmens erfolgte ausschließlich am weiteren Firmenstandort der Firma A HGmbH in A, G.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt, insbesondere der der Anzeige angeschlossenen Aussage der Bw am Zollamt Amstetten vom 22. August 2006 und geht auch aus den der Anzeige angeschlossenen Niederschriften mit den vier polnischen Staatsangehörigen R P, L K H, K K und R F T hervor. Auch aus der am 11. Juli 2006 auf der Polizeiinspektion H mit dem Vorarbeiter R W aufgenommenen Niederschrift geht hervor, dass das Unternehmen vom Firmensitz in A aus geleitet wurde.

 

In der im gerichtlichen Strafakt einliegenden Sachverhaltsdarstellung des Zollamtes K an das Landesgericht S vom 17. Juli 2006 wird unter Punkt 1. angeführt, dass 'die Firma A laut Auszug aus dem Firmenbuch ihren Sitz in der K, P hat, die faktische Geschäftsführung sich aber auf der Adresse G, A, befinde'. Einem im Gerichtsakt einliegenden Schreiben des Zollamtes L an das Zollamt K vom 22. August 2006, GZ. 500/74116/1/2006, ist zu entnehmen, dass bei der angegebenen Adresse der Firma A HGmbH, K, P, 'am 8.8.2006 Nachschau gehalten wurde'. Die obgenannte Firma sei an diesem Standort nicht angetroffen worden. Eine Firma S Berufsbekleidung habe sich unter dieser Adresse befunden und habe eine Angestellte dieser Firma erklärt, dass die Firma A HGmbH hier einziehen wollte, dies aber nie erfolgte. Zudem bestätigte die Bw in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 26. Juni 2009, dass die Firma sowohl in P als auch in A eine Geschäftsadresse unterhielt, in P jedoch nie eine Firmentätigkeit entwickelt wurde. Alle Werkverträge seien, auch wenn auf ihnen P angegeben wurde, ausschließlich in A bzw. auf Baustellen unterzeichnet worden und sei auch das gesamte sonstige Personal am Standort A bzw. von dort aus im Außendienst tätig geworden.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat  hat  erwogen:

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist – auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in anderem Sprengel eingetreten ist. Ist danach die Zuständigkeit mehrerer Behördenbegründet oder ist es ungewiss, in welchem Sprengel die Übertretung begangen worden ist, so ist die Behörde zuständig, die zuerst eine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2) vorgenommen hat.

 

Gemäß § 28 VStG ist die Behörde, die zuerst von einer Verwaltungsübertretung Kenntnis erlangt, zur Verfolgung zuständig, solange nicht ein Umstand hervorgekommen ist, der nach § 27 Abs.1 die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet.

 

Gemäß § 6 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen.

 

Im Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2000/09/0147, stellt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass auch im Fall von Übertretungen gemäß § 28 AuslBG im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers der Tatort ist, den dort wird in der Regel die gegebenenfalls nach dem AuslBG verpönte Beschäftigung eingegangen bzw. wären von dort aus die allenfalls erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen zu beantragen. Wird die tatsächliche Leitung eines Unternehmens jedoch an einem anderen Ort als dem im Firmenbuch eingetragenen Sitz des Unternehmens ausgeübt, so hat dies zur Folge, dass als Ort der Beschäftigung dieser tatsächliche Sitz der Unternehmensleitung und auch dieser Ort als jener Ort, von welchem aus die allenfalls erforderliche Beschäftigungsbewilligung hätten beantragt werden müssen, anzunehmen ist.

 

Im gegenständlichen Fall hat das Zollamt K den Strafantrag auf Grund des im Firmenbuch eingetragenen Sitzes der A HGmbH bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens eingebracht.

 

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erstbehörde nicht verhalten von Amts wegen Ermittlungen darüber anzustellen, ob nicht etwa die tatsächliche Unternehmensleitung einer GmbH von einem anderen Ort aus erfolgt wäre. Ein Umstand, der gemäß § 27 Abs.1 VStG die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet, kann nämlich erst dann als hervorgekommen angesehen werden, wenn er der Behörde zur Kenntnis gelangt ist, allenfalls in dem Zeitpunkt, in dem ihm die Behörde bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätte erkennen müssen. Kommt ein solcher Umstand nicht bis zur Fällung des Straferkenntnisses hervor, dann ist die nach § 28 VStG vorläufig zuständige Behörde auch zur bescheidmäßigen Bestrafung zuständig (vgl. VwGH vom 22.1.2002, Zl. 2000/09/0147).

 

Im gegenständlichen Verfahren ist allerdings davon auszugehen, dass der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, die auf Grund des Strafantrages des Zollamtes K die erste Verfolgungshandlung gesetzt hat, im Laufe des Strafverfahrens Zweifel an der örtlichen Zuständigkeit hätten kommen müssen, da die Bw bereits in der, der Anzeige des Zollamtes K angeschlossenen Niederschrift vom 22. August 2006 darlegte, dass zwar geplant war, in P eine Firma aufzumachen und dort Mitarbeiter einzustellen, sich dieser Plan aber zerschlagen habe und dort bislang keinerlei Firmentätigkeit ausgeübt worden sei. Auch aus allen sonstigen der Anzeige der Abgabenbehörde angeschlossenen Niederschriften, sowohl von Mitarbeitern der Firma A als auch von einvernommenen ausländischen Staatsangehörigen, ist ersichtlich, dass offenbar ausschließlich vom Firmensitz in A aus gehandelt wurde. Auch im Schuldspruch des Landesgerichtes S wird auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens in A Bezug genommen. Bei entsprechender Nachprüfung hätte sich daher im erstinstanzlichen Verfahren bereits ergeben, dass sämtliche Entscheidungen der Unternehmensleitung von A aus getroffen wurden und daher auch als Ort der Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern dieser Standort gilt. Es ist daher davon auszugehen, dass als Tatort der Verwaltungsübertretung der Sitz der Unternehmensleitung und somit ausschließlich der Standort A in Frage kommt. Das gegenständliche Straferkenntnis ist somit nicht von der örtlich zuständigen Behörde gefällt worden.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Da die Berufung Erfolg hatte, waren die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen. Auf Grund der Aufhebung der verhängten Strafen entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

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