Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251991/4/WEI/Eg

Linz, 27.08.2009

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des H K, geb. ..., F , 1... W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 10. November 2008, Zl. 0051694/2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II.        Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungs­verfahrensgesetz 1991 – AVG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 10. November 2008, Zl. 0051694/2008, wurde der Berufungswerber (im Folgenden Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben als Eigentümer (Anteil 1/2) des Grundstückes 4 W, R , verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass von Ihnen zumindest am 05.03.2008, die unten angeführten Personen, auf der Privatbaustelle 4 W, R , als Helfer mit Wegräum- und Reinigungsarbeiten beschäftigt wurden, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden waren.

1.      der polnische Staatsangehörige, Herr B K, geb.

2.      der polnische Staatsangehörige, Herr W P, geb.

3.      der polnische Staatsangehörige, Herr W Rl W, geb.

4.      der polnische Staatsangehörige, Herr W W A, geb. "

 

Dadurch habe der Bw die Rechtsvorschriften des § 33 Abs 1 und 1a iVm § 111 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (im Folgenden ASVG) verletzt, weshalb über ihn gemäß § 111 ASVG eine Geldstrafe in Höhe von jeweils 730 Euro (insgesamt € 2.920), im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 48 Stunden (insgesamt 192 Stunden) verhängt wurde. An Kosten des Strafverfahrens wurden dem Bw weiters 292 Euro (10 % der verhängten Gesamtstrafe) vorgeschrieben, weshalb der zu zahlende Gesamtbetrag 3.212 Euro betrage.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die dem Rechtsmittel­werber angelastete Verwaltungsübertretung auf Grund einer Kontrolle durch Organe des Finanzamtes G W am 5. März 2008 festgestellt worden sei. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung des magistratischen Bezirksamtes für den 2. Wiener Bezirk vom 18. März 2008 sei gegen den Bw das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden. Mit Schreiben vom 4. April 2008 sei der Behörde die rechtsfreundliche Vertretung bekannt gegeben und um Fristerstreckung angesucht worden.

 

Mit Straferkenntnis des Magistrats Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 19. Juni 2008 wurde dann gegen den Bw wegen der im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen eine Geldstrafe in der Gesamthöhe von 2.929,- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Woche und 2 Tage) verhängt, wogegen der Bw Berufung erhob. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat mit Erkenntnis vom 22. September 2008, Zl. UVS-06/10/5592/2008-6, das angefochtene Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit aufgehoben. In der Folge wurde der gegenständliche Verwaltungsstrafakt dem Magistrat Linz zuständigkeitshalber übermittelt.

 

Den Ausführungen des Bw entgegnet die belangte Behörde wie folgt:

 

Unbestritten stehe fest, dass sich die vier im Spruch angeführten Personen am 5. März 2008 auf der Privatbaustele 4 W, R , aufgehalten hätten und bis dato keine Besitzstörungsanzeige bei der Polizei eingelangt sei. Demzufolge sei zumindest die Anwesenheit der vier polnischen Staatsangehörigen auf der Baustelle geduldet worden. Tatsache sei auch, dass die vier Polen in verschmutzter Arbeitskleidung angetroffen worden wären, was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine Beschäftigung schließen lasse. Zur Aussage von Herrn J Z, welche glaubwürdig sei, dass der Bw mit den vier Polen am Kontrolltag die Baustelle besichtigt habe, werde angemerkt, dass der VwGH in seiner ständigen Rechtsprechung feststelle, dass Personen, welche von der entgeltlichen Arbeitsleistung keine eigene Wahrnehmung haben, durchaus erkennen könnten, welchen Zweck diese Besichtigung diene. Im Sinne des § 28 Abs 7 Ausländerbeschäftigungsgesetz sei das Vorliegen einer (unberechtigten) Beschäftigung von der Behörde anzunehmen, wenn ein Ausländer an Arbeitsplätzen angetroffen werde, die im allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich seien, wenn der Beschäftiger nicht glaubhaft mache, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Eine Baustelle, wie im vorliegenden Fall, sei als eine solche im allgemeinen Betriebsfremden nicht zugängliche Arbeitsstelle zu qualifizieren (Hinweis auf VwGH 17.11.2004, 2003/09/0109).

 

Bei der Befragung durch die Organe des Finanzamtes G W am 5. März 2008 habe der Bw zur Frage, wie er die vier polnischen Staatsangehörigen kennengelernt habe, angegeben dazu erst später Stellung nehmen zu wollen. Er habe aber nicht glaubhaft gemacht, dass eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorgelegen sei. Die erkennende Behörde gehe daher von einer Beschäftigung aus. Darüber hinaus habe einer der Polen in seiner Niederschrift vom 5. März 2008 schlüssig und widerspruchsfrei ausgesagt, dass er im Auftrag des Bw auf der Baustelle Holz wegräumte und den Boden mit dem Besen kehrte. Im Zuge der Niederschrift sei er befragt worden, ob er alle Fragen verstanden habe, was dieser mit einem eindeutigen Ja beantwortet habe.

 

Aus den genannten Gründen sei daher von einer Beschäftigung im Sinne des ASVG auszugehen. Für die erkennende Behörde sei der im Spruch dargestellt Sachverhalt aufgrund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens erwiesen.

 

2. Gegen dieses dem Bw am 27. November 2008 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 11. Dezember 2008 – und damit rechtzeitig – per E-Mail eingebrachte rechtsfreundlich vertretene Berufung.

 

Darin bringt der Bw im Wesentlichen vor, dass das Nichtvorliegen einer Besitzstörungsanzeige und das Antreffen von polnischen Staatsbürgern in verschmutzter Arbeitskleidung noch keine Rechtfertigung für die Annahme einer Beschäftigung welcher Art auch immer darstelle. Verschmutzte Arbeitskleidung lasse zwar darauf schließen, dass die Kleidung benutzt worden sei, nicht jedoch um welche Art von Beschäftigung es sich handelte. Dass die Verschmutzung aus einer Beschäftigung auf der Baustelle des Bw resultierte, wage nicht einmal die Erstbehörde zu behaupten. Die erhebenden Beamten hätten die polnischen Staatsbürger nicht bei Ausübung einer Tätigkeit angetroffen. Es liege weder eine Aussage vor, dass der Bw die Baustelle mit den polnischen Staatsbürgern besichtigt habe, noch dass die polnischen Staatsbürger gearbeitet hätten. Die zitierte VwGH-Entscheidung sei nicht heranziehbar, da in diesem Fall die Ausländer auf der Baustelle arbeitend angetroffen wurden und der Bw dies nicht bestritten habe. Im vorliegenden Fall seien die polnischen Staatsbürger jedoch nicht auf einer Baustelle arbeitend angetroffen worden. Darüber hinaus sei der Bw in der zitierten VwGH-Entscheidung Unternehmer, im vorliegenden Fall sei der Bw jedoch Privatperson. Auch ließen sich die übrigen zitierten Entscheidungen nicht heranziehen, da in diesen Entscheidungen jeweils deutlich werde, dass die angetroffenen Personen Arbeiten tatsächlich ausgeführt hatten.

 

Von den vernehmenden Beamten konnte lediglich ein polnischer Staatsbürger einvernommen werden. Anhand der unterschiedlichen Angaben auf den von den polnischen Staatsbürgern ausgefüllten Fragebögen sei ersichtlich, dass alle polnischen Staatbürger die einvernehmenden Beamten und auch den auszufüllenden Fragebogen nicht verstanden haben können. Beweis dafür sei ein Schreiben des W W samt beglaubigter Übersetzung aus dem hervorgehe, dass er der deutschen Sprache kaum mächtig sei, er die einvernehmenden Beamten überhaupt nicht verstanden und auf der Baustelle des Bw nicht gearbeitet hätte. Die übrigen polnischen Staatsbürger seien von den Beamten überhaupt nicht befragt worden. Es wird die Einvernahme sämtlicher polnischer Staatsbürger und insbesondere jene des Zeugen W beantragt. Tatsächlich sei der im vorliegenden Straferkenntnis dem Bw zur Last gelegte Sachverhalt auch nicht ausreichend konkretisiert und werde daher bestritten.

 

Weiters macht der Bw Erhebungs- und Begründungsmängel der Erstbehörde geltend, da drei der auf der Baustelle vorgefundenen Ausländer nicht als Zeugen einvernommen wurden. Die vier polnischen Staatsbürger wurden von den erhebenden Beamten zu keinem Zeitpunkt arbeitend gesehen. Die belangte Behörde sei jedenfalls dem gesetzlich geforderten Ermittlungsverfahren nicht nachgekommen, weshalb das Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet sei. Weiters rügt die Berufung die Strafbemessung. Aus den genannten Gründen sei daher das angefochtene Straferkenntnis rechtswidrig. Abschließend wird beantragt eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen, hilfsweise die verhängte Strafe herabzusetzen.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Akt des Magistrats Linz zur Geschäftszahl 0051694/2008; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 111 Abs 1 ASVG (BGBl Nr. 189/1955 idFd Art I Teil 2 des SRÄG 2007, BGBl I Nr. 31/2007) handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

 

1.  Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

 

2.  Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

 

3.  Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

 

4.  gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß Absatz 2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

 

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

 

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

 

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Entsprechend § 33 Abs 1a ASVG kann die Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden, nämlich derart, dass vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben) und innerhalb von 7 Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung die noch fehlenden Angaben (vollständige Anmeldung) gemeldet werden.

 

Gemäß § 33 Abs 2 ASVG gilt Abs 1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

"Zuständiger Krankenversicherungsträger" iSd § 33 Abs 1 ASVG ist für sämtliche im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangene Verwaltungsübertretungen die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse mit Sitz in Linz. Somit ist der Bürgermeister der Stadt Linz grundsätzlich die für die Erledigung sämtlicher aus Anlass einer im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangenen Übertretungen des § 33 Abs 1 ASVG durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahren örtlich zuständige Behörde iSd § 27 Abs 1 VStG.

 

Nach § 4 Abs 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Als Dienstnehmer iSd ASVG gilt gemäß § 4 Abs 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen; unabhängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungscheckgesetz entlohnt werden oder wenn sie nach § 47 Abs 1 iVm Abs 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig sind, soweit es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs 1 Z 4 lit a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs 1 Z 4 lit c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

 

Nach § 35 Abs 1 ASVG ist als Dienstgeber derjenige anzusehen, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, wobei gemäß § 35 Abs 2 ASVG Besonderes für jene nach § 4 Abs 1 Z 4 und 5 ASVG pflichtversicherte und für nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG teilversicherte Dienstnehmer, für Heimarbeiter und für nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz überlassene Dienstnehmer gilt. Die dem Dienstgeber gemäß § 33 ASVG vorgeschriebenen Pflichten können nach § 35 Abs 3 ASVG grundsätzlich auch auf Bevollmächtigte übertragen werden; dennoch hat der Dienstgeber auch in diesem Fall die im § 33 ASVG vorgesehene Meldung selbst zu erstatten, wenn eine der Voraussetzungen des § 35 Abs 4 ASVG vorliegt.

 

4.2. Aus der Zusammenschau der mit § 111 Abs 1 ASVG beginnenden Verweisungskette ergibt sich somit, dass sich das Tatbild dieses (bloß kursorisch als "Nichtmeldung beim Sozialversicherungsträger" bezeichenbaren) Deliktes aus mehreren Einzelelementen zusammensetzt, die jeweils gemäß § 44a Z 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses – neben den nicht deliktsspezifischen und in diesem Sinne allgemeinen Erfordernissen (wie zB Zeit und Ort der Begehung) – kumulativ oder alternativ einer entsprechenden Konkretisierung bedürfen würden, nämlich, dass

 

         1. ein Dienstgeber, der für die Erfüllung der Meldepflicht keinen Bevoll-

             mächtigten bestellt hat (vgl. § 35 Abs 1 und 3 ASVG),

         2. einen Dienstnehmer

         3. in einem Verhältnis persönlicher und

             wirtschaftlicher Abhängigkeit               vgl § 4 Abs 2 (und 4) ASVG

         4. gegen Entgelt (vgl § 49 ASVG)

         5. beschäftigt hat,

         6. der in der Krankenversicherung pflichtversichert, nämlich entwe-

             der

                   a) vollversichert (vgl § 4 Abs 1 ASVG) oder

                   b) (insbesondere infolge des Nichterreichens der Geringfügigkeits-

                       grenze des § 5 Abs 2 ASVG) zumindest teilversichert (vgl § 7

                       Z 1 und § 8 Abs 1 Z 1 ASVG) und

         7. nicht gemäß § 5 ASVG von der Versicherungspflicht ausgenommen ist  

         und

         8. hierüber entweder eine Meldung oder eine Anzeigeentweder

             in einem oder in zwei Schritten (vgl § 33 Abs 1a ASVG) – entweder

                   a) nicht erstattet oder

                   b) falsch erstattet oder

                   c) nicht rechtzeitig erstattet hat (vgl § 33 Abs 1 ASVG).

 

4.3. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Bw angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985, jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis ist daher nicht nur von Delikt zu Delikt (vgl zB VwGH vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis.

Wenn nun § 44a Z 1 und Z 2 VStG als einen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsstrafverfahrens festlegen, dass der Spruch eines Straferkenntnisses den genauen Tatvorwurf sowie die Verwaltungsvorschrift(en) zu bezeichnen hat, die durch die Tat verletzt wurde(n), so wird der Spruch des hier angefochtenen Bescheides diesem Erfordernis – und zwar auch nicht in Verbindung mit der zu dessen Auslegung allenfalls heranziehbaren Begründung - schon deshalb nicht gerecht, weil insgesamt insbesondere keinerlei Bezugnahme auf die oder eine nähere Konkretisierung der in § 4 Abs 1 und 2 ASVG, § 33 Abs 1 ASVG, § 33a Abs 1 ASVG sowie in § 35 Abs 1 und 3 ASVG positivierten essentiellen Tatbestandselemente enthalten ist.

Allerdings ist festzuhalten, dass zwar wesentliche Tatbestandselemente vom Wortlaut des im vorliegenden Fall gewählten Spruchtextes, der sich lediglich an §  33 Abs 1 und § 111 ASVG orientiert, implizit umfasst sind; die obgenannten weiterführenden Gesetzesbestimmungen stellen teils eine Vertiefung der in § 33 Abs 1 und § 111 ASVG angeführten Tatbestandselemente dar. Im Sinne einer konkreten Tatbeschreibung nach § 44a Z 1 VStG kann die Anführung dieser – je nach dem zu beurteilenden Sachverhalt - deskriptiven Tatbestandselemente dann – und nur dann – in der im gegenständlichen Fall gewählten impliziteren Form erfolgen, wenn die oa. Tatbestandselemente hinreichend in der Begründung korrespondierend zum Spruch erschöpfend erläutert und gerechtfertigt werden.

Dies gilt aber wohl nicht für die u.a. in § 5 normierten Ausnahmebestimmungen von der Versicherungspflicht. Dieses Tatbestandselement (vgl Punkt 7 in der o.a. getroffenen Darstellung) ist aus dem Wortlaut des § 33 Abs 1 ASVG nur im Umkehrschluss abzuleiten und somit per se als fraglos konstitutives Tatbestandselement jedenfalls stets im Spruch anzuführen. Das Fehlen eines Tatbestandselements im Spruch kann nicht durch bloße Feststellungen in der Begründung "geheilt" werden.

 

4.4. Im gegenständlichen Fall wurde dem Bw nur pauschal angelastet, dass er als Eigentümer des Grundstückes 4 W, R , verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten habe, dass von ihm zumindest am 5. März 2008 die namentlich angeführten vier polnischen Staatsangehörigen als Helfer mit Wegräum- und Reinigungsarbeiten beschäftigt wurden, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden waren. Weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht hervor, ob bzw. inwieweit tatsächlich eine Beschäftigung der polnischen Staatsangehörigen als Arbeitnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorlag; ob hiefür ein (die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigendes) Entgelt vereinbart war; ob für die vorliegende Art der Beschäftigung eine Voll- oder zumindest eine Teilpflichtversicherung in der Krankenversicherung vorlag; ob die Meldung an den Sozialversicherungsträger überhaupt nicht oder bloß unvollständig oder bloß verspätet erfolgte; etc.

 

Eine Übertretung des § 111 Abs 1 ASVG kann dem Berufungswerber jedoch nur dann angelastet werden, wenn sämtliche der zuvor unter 4.2. angeführten Tatbestandsmerkmale im Spruch des Straferkenntnisses enthalten und dort in einer der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Form hinreichend konkretisiert sind (wobei hiezu gegebenenfalls insbesondere auch eine dezidierte Anführung, dass Ausnahmen, die ex lege zu einer Nichterfüllung des Tatbildes führen würden, in concreto nicht vorliegen, erforderlich ist).

 

Mit dem Spruch des hier bekämpften Straferkenntnisses wurde aber dem Berufungswerber im Ergebnis ein Verhalten zur Last gelegt, dass jedenfalls in dieser Form (noch) keine strafbare Handlung bildet.

 

4.4. Außerdem teilt auch der erkennende Verwaltungssenat die Ansicht der Berufung, dass die angelastete Verwaltungsübertretung nach der Aktenlage nicht erwiesen ist. Die wenn auch in Arbeitskleidung befindlichen polnischen Staatsbürger wurden nämlich von den erhebenden Beamten nicht arbeitend auf der Baustelle angetroffen. Aus dem Umstand, dass keine Besitzstörungsanzeige bei der Polizei, die für eine Besitzstörungsklage nicht einmal zuständig wäre, einlangte, kann entgegen der belangten Behörde noch nicht auf eine Duldung oder gar ein Beschäftigungsverhältnis geschlossen werden. Entgegen der Darstellung der belangten Behörde ist auch der § 28 Abs 7 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) im Zusammenhang mit einer Übertretung nach dem § 33 iVm § 111 ASVG nicht einschlägig. Diese Vermutung der Beschäftigung beim Antreffen von Ausländern in Arbeitskleidung auf einer Baustelle kann nicht herangezogen werden. Deshalb war es auch nicht Sache des Bw glaubhaft zu machen, dass dennoch keine Beschäftigung vorlag. Vielmehr wären die für ein Beschäftigungsverhältnis, welches ein notwendiges Merkmal des Tatbildes des § 33 iVm § 111 ASVG darstellt, sprechenden Umstände und Indizien von Amts wegen zu ermitteln gewesen.

 

Selbst der am 5. März 2008 um 10:45 Uhr von den Beamten der KIAB als Auskunftsperson niederschriftlich befragte W A W hat laut Protokoll nur von Aufräumarbeiten seit 08:00 Uhr gesprochen und angegeben, dass sie nur Essen und Trinken und sicher kein Geld erhalten würden. Die rechtsfreundliche Berufung legt dazu noch die beglaubigte Übersetzung einer Erklärung des W W vom 20. September 2008 vor, durch welche die inhaltliche Richtigkeit der aufgenommenen Niederschrift in Frage gestellt wird. Aus dieser Erklärung geht nämlich hervor, dass Herr W nur sehr schwache Deutschkenntnisse habe und "die österreichische Offiziere" auf Deutsch kommunizierten, weshalb er sie nicht verstehen hätte können. Bei der Vernehmung wären ihm Fragen gestellt worden, die er fast gar nicht verstanden hätte. Er wäre laut angeschrien und auch mit Gefängnis bedroht worden, weswegen er aus Angst alles unterschrieben hätte, ohne den Inhalt zu verstehen. Er hätte nie auf der Baustelle gearbeitet und er und seine Kollegen hätten auch keine Entlohnung erhalten. Falls er unwahre Unterlagen unterschrieben habe, bereue er das und tue es ihm leid.

 

Der auf der Baustelle beschäftigte österreichische Staatsbürger J Z gab als Auskunftsperson von der K befragt an, dass die polnischen Staatsbürger am 5. März 2008 in der Früh mit dem Bauherrn die Baustelle besichtigt hätten. Er hätte aber nicht gesehen, was sie machten. Er hätte sie auch vorher noch nicht auf der Baustelle gesehen.

 

Andere Beweise sind nicht aktenkundig. Bei dieser dürftigen Beweislage erscheint nach Ansicht des erkennenden Mitglieds zwar noch der Verdacht naheliegend, dass am 5. März 2008 in der Früh eine Beschäftigung der polnischen Staatsbürger auf der Baustelle besprochen und verhandelt worden ist. Ob es aber tatsächlich zu einer Einigung und Beschäftigung kam oder nicht, kann bei Beachtung der Unschuldsvermutung nach Art 6 Abs 2 EMRK mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit nicht festgestellt werden. Dies folgt zum Einen daraus, dass die gesetzliche Vermutung des § 28 Abs 7 AuslBG im gegenständlichen Verfahren gerade nicht anzuwenden ist und zum Anderen auch daraus, dass die niederschriftlichen Angaben des W vom 5. März 2008, die ohnehin nur für eine geringfügige Beschäftigung iSd § 5 Abs 2 ASVG sprechen, nach dessen nunmehr vorliegender Erklärung überhaupt nicht mehr beweiskräftig erscheinen.

 

5. Im Ergebnis war daher das Verwaltungsstrafverfahren mangels einer erwiesenen und auch mangels einer zutreffend angelasteten Verwaltungsübertretung sowie infolge Ablaufs der Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

     Anlage

 

 

Dr.  W e i ß

 

 

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